Panegyrik und Selbstdarstellung in den "praefationes" der Fachschriftsteller Vitruv, Plinius und Frontin


Masterarbeit, 2016

71 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Darstellung des Forschungsstands
1.2 Annäherung an die Begrifflichkeiten

2 Omnes disciplinae rationes - Vitruvs De architectura
2.1 Selbstdarstellung
2.2 Panegyrik

3 Rerum natura, hoc est vita, narratur - Plinius' des Älteren Naturalis historia
3.1 Selbstdarstellung
3.1.1 Eigenlob
3.1.2 Profilierung über andere Autoren
3.2 Panegyrik

4 Quae ad universam rem pertinentia contrahere - Frontins De aquis
4.1 Selbstdarstellung
4.2 Panegyrik

5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den praefationes

6 Ergebnisse

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Vorworten von Texten dreier Fachschrift­steller der römischen Kaiserzeit. Speziell sollen dabei in den praefationes zu Vitruvs De architectura, zur Naturalis historia von Plinius dem Älteren und zu De aquis von Frontin die Ausgestaltung des Herrscherlobs sowie Formen einer gelungenen Selbstinszenierung im Zentrum der Betrachtung stehen. Gerade in Bezug auf Vitruv und Frontin ist eine sol­che Auseinandersetzung mit der Panegyrik und der Selbstdarstellung von der Forschung noch nicht explizit vorgenommen worden. Zwar gibt es einzelne Werke, die sich mit die­sen Texten beschäftigen, aber ein Vergleich zwischen den drei genannten Autoren findet dort nicht statt. Auf diese Gegenüberstellung soll in dieser Arbeit der Schwerpunkt der Betrachtung gelegt werden.

Zu Beginn wird deshalb ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand in Bezug auf die praefationes der drei Fachschriftsteller gegeben.

Daran schließt sich eine kurze Annäherung an den Begriff Panegyrik an, um Charakteris­tika zu entwickeln, auf deren Grundlage die Texte untersucht werden können.

Nach dieser Begriffserklärung werden die Vorreden in den Werken der Autoren Vitruv, Plinius der Ältere und Frontin nacheinander behandelt, da Lob des Kaisers und Selbstin­szenierung gerade in den Vorworten von Fachtexten römischer Schriftsteller eine große Rolle spielen. Die Autoren müssen versuchen, den Kaiser vom Wert ihrer Arbeit zu über­zeugen, da sicherlich nicht die gesamte Bevölkerung als Leser von Fachtexten in Frage kommt. Bei dem Versuch, Aufmerksamkeit für sein Werk zu bekommen, ist in diesem Zusammenhang immer auch die Frage der Selbstinszenierung und -darstellung von Be­deutung. Es ist interessant, zu beobachten, inwiefern sich die Autoren dadurch, dass sie ihre Kaiser loben und positiv darstellen, auch selbst gut verkaufen.

Bei der Behandlung der Textausschnitte gibt es jeweils dieselbe Vorgehensweise. Nach einem kurzen Überblick über den jeweiligen Autor und sein Werk wird in einem ersten Schritt nach Methoden der Selbstdarstellung gesucht. Hierzu wird anhand der Überset­zung der Texte sowie sprachlicher und stilistischer Untersuchungen neben dem Verhält­nis des Autors zu seinem Werk auch das zu seiner Leserschaft analysiert, um einen Ein­druck davon zu gewinnen, welche gesellschaftliche Relevanz der Autor seinem Werk zuschreibt.

In einem zweiten Schritt wird dann untersucht, inwiefern die Autoren in den Vorworten ihrer Werke neben ihrer Selbstinszenierung ebenfalls den Zweck verfolgen, den Kaiser zu loben und ihn in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Dazu werden die Texte inhalt- lich, sprachlich und stilistisch analysiert.1 Ziel ist es, zu vergleichen, ob die zu Beginn herausgearbeiteten Merkmale von Panegyrik in den drei besprochenen Texten auftauchen und wo gegebenenfalls Abweichungen vom dargelegten Schema auftauchen.

Da das Vorwort zu Plinius' Naturalis historia mit Abstand der längste in dieser Arbeit behandelte zusammenhängende Textausschnitt ist, nimmt seine Betrachtung im Vergleich zu Vitruv und Frontin deutlich mehr Platz ein.

Daran anschließend wird der Frage nachgegangen, ob es in Bezug auf die Selbstinszenie­rung bestimmte Elemente gibt, die alle in dieser Arbeit betrachteten praefationes gemein­sam haben. Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Darstellung der eigenen Person sollen hier besprochen und in Bezug zu den eingangs bestimmten Charakteristika von Selbstdarstellung gesetzt werden. Die Frage, inwieweit sich die drei Lobpreisungen auf die Kaiser voneinander unterscheiden und in welchen Punkten sie sich ähneln, bildet den Abschluss dieses Kapitels.

Am Ende der Arbeit werden die erworbenen Ergebnisse kurz zusammengefasst.

Ziel dieser Arbeit ist es, aus den lateinischen Texten, die dabei auch immer in Bezug zu ihrem historischen und gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden, einerseits einen Überblick über die praefationes in den Werken von Vitruv, Plinius dem Älteren und Frontin zu gewinnen und andererseits darzustellen, mit welchen Mitteln die Autoren ver­suchen, sich selbst und ihre Schrift gesellschaftlich zu positionieren und welche Mög­lichkeiten sie ausschöpfen, um auch beim Kaiser einen bleibenden Eindruck zu hinterlas­sen.

Da durch die praefationes der erste Kontakt zwischen Leser und Inhalt entsteht, scheint eine Untersuchung gerade dieser Textteile in Bezug auf die Fragestellung ergiebig. Wei­terhin ist durch die Auswahl der Autoren gewährleistet, dass eine möglichst umfangrei­che Zeitspanne der römischen Kaiserzeit betrachtet wird. Dies ermöglicht es, exempla­risch zu vergleichen, ob sich das Verhältnis zwischen selbstdarstellenden und panegyri­schen Elementen innerhalb der Einleitungsworte eines Werkes im Verlauf der Kaiserzeit änderte.

1.1 Darstellung des Forschungsstands

In der Forschung gibt es bislang kein Werk, das sich explizit mit der in dieser Arbeit thematisierten Fragestellung auseinandersetzt. Einzig das Werk von Fögen befasst sich mit den Autoren Vitruv, Plinius und Frontin.2 Dennoch zieht auch dieser keine klaren Schlüsse aus der Betrachtung. Außerdem untersucht Fögen auch nicht nur die Vorworte der Bücher, sondern widmet sich den gesamten Texten. So kommt er stets zu dem Schluss, dass die Autoren versuchen, sich selbst gut darzustellen. Durch welche Metho­den sie Panegyrik betreiben, lässt Fögen zumeist offen.

Da das Werk von Fögen jedoch das einzige seiner Art ist, soll nun noch ein kurzer Über­blick über den allgemeinen Forschungsstand zu den praefationes zu Vitruv, Plinius und Frontin gegeben werden.

Wie bereits erwähnt, war besonders die praefatio zu Plinius' Naturalis historia Thema einschlägiger Untersuchungen. Zu nennen sei hier z.B. der Aufsatz von Köves-Zulauf, der sich in seinem Artikel intensiv mit der Vorrede zur Naturgeschichte des Plinius aus­einandersetzt. Er sieht im Aufbau der praefatio eine Art Rede, die Plinius geschrieben hat, um sich gegen etwaige Kritiker behaupten und verteidigen zu können.3 Anders als Köves-Zulauf beschäftigt sich Sinclair weniger mit dem Aufbau der praefatio, sondern vielmehr mit dem Verhältnis, das Plinius zu seinem Werk hat. So spricht Sinclair davon, Plinius trete als Schreiber und Leser seiner praefatio auf. In diesem Zusammenhang un­terscheidet er die „rhetoric of writing“ und die „rhetoric of reading“ voneinander.4 Plinius schreibt das Vorwort zu seiner Naturgeschichte und führt darin eine Gruppe literarischer Autoritäten an, die Sinclair als männliches Verteidigungsteam bezeichnet. Gleichzeitig sieht Plinius das Lesen seines Werkes als soziale Praxis an, welches dem Leser vielfältige Informationen in übersichtlicher Form zugänglich macht.5

Bayer konzentriert sich in seinem Aufsatz hauptsächlich auf die Frage der Widmung der Naturalis historia. Er geht davon aus, dass Plinius das Werk zuerst dem Kaiser Vespasi­an, nach dessen Tod aber Vespasians Sohn Titus gewidmet hat.6

Dieser kurze Überblick zu Plinus soll genügen, weil die Publikationen zu diesem Autor in einer solchen Vielzahl erschienen sind, dass es unmöglich ist, hier alle aufzulisten.7

Zu den anderen beiden Autoren ist neben dem bereits erwähnten Werk von Fögen nicht viel erschienen, was sich mit den Vorworten auseinandersetzt.

So gibt es zu Frontin vereinzelt Publikationen, die sich mit seinem Werk beschäftigen. Die Veröffentlichungen der Frontinus-Gesellschaft e.V. untersuchen z.B. den personel­len, kulturellen und sozialen Hintergrund der Person Frontin oder beschäftigen sich mit den Inhalten seines Werkes. Dazu benutzen die Autoren dieser Beiträge die Angaben, die Frontin zu den Rohrleitungen oder zu den Wassermengen macht, um die Wasserversor­gung in der Stadt Rom zu rekonstruieren.8 Weiter gibt es Veröffentlichungen, in denen sich die Autoren mit der Gattung von Frontins Werk auseinandersetzen. So beschäftigt sich DeLaine mit der Symbolfunktion der Aquädukte und zieht davon Rückschlüsse auf die Wirkung, die die exponierte Beschreibung der kaiserlichen Bauwerke für das Anse­hen Frontins in der römischen Gesellschaft hatte.9

In diesem Zusammenhang sind viele Werke erschienen, die sich mit der Widmungsfrage beschäftigen und nach dem Sinn und Zweck von De aquis fragen. So sieht Turner in Frontins Werk eine leuchtende Ansprache an den Kaiser Nerva.10 Die Lobpreisung des Kaisers sieht auch Bruun, der Frontin die Verfolgung ideologischer Ziele unterstellt.11 Gibt es zu Frontin noch ansatzweise Literatur, die sich mit seiner Selbstinszenierung und den Formen des Herrscherlobs in De aquis beschäftigt, so ist die Fachliteratur zu Vitruv in Bezug auf die genannten Punkte sehr übersichtlich. Viele Autoren setzen sich mit ein­zelnen Aspekten von Vitruvs De architectura auseinander. So beschreibt Scholten in ih­rem Aufsatz die häufige Behandlung Vitruvs in der Architektenausbildung und der For­schung zur römischen Architektur.12 Am ausführlichsten neben Fögen setzt sich Lobe mit Aspekten der Panegyrik und der Selbstinszenierung in Vitruvs Werk auseinander und stellt heraus, dass Vitruv in seinem gesamten Werk auf das vertraute und beinahe freund­schaftliche Verhältnis zwischen ihm und Augustus hinweist und viel Wert auf die Beto­nung ebendieses Verhältnisses legt.13

Weiter gibt es Autoren, die sich mit einzelnen Prinzipien in Vitruvs Denkweise auseinan­dersetzen. So Callebat, der in seinem Aufsatz auf den Begriff der utilitas eingeht und im gesamten Text von Vitruv nach Belegen dafür sucht, dass dies einer der zentralen Aspek­te in Vitruvs Denken war. Das Prinzip der utilitas ziehe sich wie ein roter Faden durch Vitruvs Werk und beschreibe die Absicht, mit der dieser De architectura verfasst habe.14 Dieser kurze Überblick soll genügen, um einen Eindruck davon gewinnen zu können, dass das in dieser Arbeit behandelte Thema in der Forschung bislang eher zurückhaltend betrachtet worden ist. Es gibt lediglich vereinzelt Aufsätze, die sich mit einzelnen Aspek­ten der Werke Vitruvs, Plinius' des Älteren und Frontins beschäftigen. Ein Überblick über Formen und Funktionen von Selbstinszenierung und Panegyrik im Vergleich dieser drei Autoren speziell bei der Untersuchung der praefationes liegt noch nicht vor. Diese Aufgabe soll diese Arbeit vornehmen.

1.2 Annäherung an die Begrifflichkeiten

Um die eingangs formulierten Ziele dieser Arbeit erreichen zu können, ist es zunächst notwendig, kurz darzustellen und zu definieren, nach welchen Kriterien der Aspekt der Panegyrik in den Texten untersucht wird.15

In seinem ursprünglichen Sinn bezeichnet der Begriff navnYupiKÖg kÖYog nur eine Rede, die vor einer Versammlung gehalten wurde.16 Als jedoch im Laufe der Kaiserzeit „das Verfassen und Halten von Lobreden [.] einen großen Raum“ einnahm, wurde der Be­griff des Panegyricus häufig synonym zum Begriff laudatio verwendet, in deren Zentrum der Kaiser als gepriesene Person steht.17 Grund dafür war auch, dass das Lob des Herr­schers oft das einzige Thema öffentlicher Reden war.18 Diese Lobpreisung des Herrschers (ßuGi/jiKK kÖYog) muss dabei bestimmte Elemente enthalten, um als Panegyrik gelten zu können. So muss Panegyrik ein Proömium enthalten, in welchem der Gegenstand der Rede dargestellt wird. Daran schließt sich die Beschreibung der Herkunft des Gepriese­nen an, die Darstellung seiner Familie und der Vorfahren. Darauf werden die Kindheit und das Aussehen des Gelobten skizziert, woran sich eine Beschreibung der Tätigkeits­felder, Taten und Eigenschaften eines Herrschers in Kriegs- und Friedenszeiten19 an­schließt. Der Panegyricus endet meist mit einem Vergleich mit bekannten Persönlichkei­ten und einem Epilog.20

Auffällig ist hierbei die große Nähe der Panegyrik zur Gattung der Biographie, denn es scheint eine starke Verzahnung zwischen panegyrischen und biographischen Elementen gegeben zu haben.

Da diese Arbeit jedoch keinen Panegyricus an sich untersucht und diese Gestaltung eines Textes weitaus umfangreicher ist als die kurzen in dieser Arbeit behandelten Textaus­schnitte, werden nicht alle Elemente zu finden sein. Im Folgenden wird nun nach weite­ren Merkmalen gesucht, durch die sich Panegyrik auszeichnet.21

Der römische Schriftsteller Quintilian führt in seinem Werk an, der Gegenstand der Lob­rede müsse vergrößert und ausgeschmückt werden.22 Kennzeichnend für ein Herrscherlob ist es demnach, die angesprochene Person möglichst gut darzustellen und dabei auch ein wenig zu übertreiben.

Weiter scheint auch die captatio benevolentiae ein Charakteristikum des Herrscherlobes zu sein, wie Michael Mause anführt.23 Demnach ist die Darstellung der Unfähigkeit des Autors, dem Stoff gerecht zu werden und den Kaiser nicht in dem angemessenen Umfang loben zu können, ein Merkmal für Panegyrik. Weiter stellt Mause in seiner Untersuchung auch das Anführen von moralischen exempla als wichtigen Bestandteil eines pan­egyrischen Textes vor, mit denen der Autor zwei Hintergedanken verfolgt. Einerseits soll die herausragende Stellung des Gepriesenen verdeutlicht werden, weil dieser es würdig ist, in Zusammenhang mit bekannten Persönlichkeiten genannt zu werden. Andererseits suggeriert der Schriftsteller auch unterschwellig die Aufforderung an den Kaiser, dem Anspruch des Exempels gerecht werden zu müssen.

Nach dieser kurzen Ausführung ist deutlich geworden, dass ein Panegyricus auf einen Kaiser davon geprägt ist, die Person des Kaisers möglichst positiv darzustellen. Dabei verknüpft der Autor panegyrische mit biographischen Elementen, um seinen Aussagen Glaubwürdigkeit zu verleihen. Die teilweise überhöhte Darstellung des Herrschers ver­knüpft der Autor mit einer captatio benevolentiae, durch die der Unterschied zwischen ihm selbst und der gepriesenen Person noch deutlicher und größer wird.

In diesem Zusammenhang ist auch die suggerierte große Vertrautheit zwischen Autor und Herrscher von großer Bedeutung, denn wie könnte man etwas über eine Person sagen, wenn man nicht häufig mit ihr in Kontakt steht? Hier klingt schon der Aspekt der Selbst- inszenierung24 an, die in diesem Kontext auch betrachtet werden muss. Indem der Autor schreibt, er habe häufig Kontakt zum Herrscher, hebt er seine Bedeutung und seinen Stel­lenwert in der Gesellschaft selbst heraus.

Der sich anschließende Hauptteil versucht nun, die hier kurz dargestellten Merkmale und Elemente der Panegyrik in den Texten wiederzufinden. Dabei wird auch immer ein Blick darauf geworfen, was die Aussagen, die der Autor über den Herrscher macht, für ihn selbst bedeuten und inwiefern er sich selbst durch diese Panegyrik positiv darstellt.

2 Omnes disciplinae rationes - Vitruvs De architectura

Die Behandlung der Autoren erfolgt aus chronologischen Gründen. Deshalb soll hier ein kurzer Blick auf Vitruv, sein Leben und sein Werk geworfen werden.25

Über Vitruvs Geburtsjahr ist wenig bekannt. Auch über sein Leben bleibt vieles im Un­klaren. So kann nur mit großer Sicherheit gesagt werden, dass er in der 2. Hälfte des 1. Jhd. v. Chr. tätig war. Er diente im Heer des Kaisers und hatte daraus resultierend eine enge Beziehung zum Herrscherhof und damit zum Kaiser Augustus.26 Neben seinem Mi­litärdienst betätigte sich Vitruv als Wasserbauingenieur.27 Von sich selbst sagt Vitruv, seine Beschäftigung mit Architektur diene seinem Nachruhm, nicht dem Zweck des Gelderwerbs.28 Einzig sein Werk De architectura ist erhalten.

Dieses zehn Bücher umfassende Werk ist die einzige erhaltene Schrift über römische Architektur aus der Antike. Gleichzeitig bietet es die umfangreichste Sammlung antiker Ekphraseis von Architektur.29 Es wird angenommen, dass es um 25. v. Chr.30 erschienen und Kaiser Augustus gewidmet ist. Die Arbeit an diesem Werk muss über einen längeren Zeitraum erfolgt sein, wobei nicht deutlich ist, in welcher Reihenfolge Vitruv die Bücher verfasst hat. Auffallend ist, dass er jedem Buch eine Einleitung vorangestellt hat, die je­weils weniger eine Zusammenfassung des Inhalts des folgenden Buches ist, sondern vielmehr als ein eigenständiger Bericht angesehen werden kann, der eher in Verbindung zu den anderen praefationes gesehen werden muss.

In der Forschung ist der Gesamtcharakter des Werkes nicht eindeutig bestimmbar. So gibt es Aspekte, die einerseits auf den Anspruch Vitruvs hinweisen, Universalbildung zu be­treiben, andererseits aber auch Augustus als primären Adressaten ausweisen.31 Inwiefern die Behauptung, Augustus sei der eigentliche Adressat von De architectura, zutrifft, und wie Vitruv versucht, den Kaiser als Leser zu gewinnen, wird in den folgenden Abschnit- ten besprochen. Gleichzeitig wird auch ein Blick darauf geworfen, wie sich Vitruv in der praefatio zu seinem ersten Buch selbst darstellt, ja sogar inszeniert.

2.1 Selbstdarstellung

In diesem Kapitel werden die Methoden der Selbstdarstellung in der praefatio zum ersten Buch von Vitruvs De architectura herausgestellt. Begonnen wird mit dem Einleitungssatz des Werkes.

Cum divina tua mens et numen, imperator Caesar, imperio potiretur orbis terrarum in- victaque virtute cunctis hostibus stratis triumpho victoriaque tua cives gloriarentur et gentes omnes subactae tuum spectarent nutum populusque Romanus et senatus liberatus timore amplissimis tuis cogitationibus consiliisque gubernaretur, non audebam, tantis occupationibus, de architectura scripta et magnis cogitationibus explicata edere, me- tuens, ne non apto tempore interpellans subirem tui animi offensionem.

Als sich dein göttlicher Geist und Wille, kaiserlicher Herrscher, der Herrschaft über die Welt bemächtigte und sich die Bürger, nachdem alle Feinde durch deine unbesiegte Tap­ferkeit zu Boden gegangen waren, deines Triumphes und deines Sieges rühmten und alle Völker als Unterworfene dann deinen Wink betrachteten und als das römische Volk und der Senat, von Furcht befreit, nach deinen ambitionierten Plänen und Ansichten geleitet wurden, wagte ich es nicht, herauszugeben, was ich über die Architektur geschrieben und mit vielen Gedanken erörtert habe, während du von solchen Geschäften belagert wurdest, weil ich fürchtete, dass ich dadurch, dass ich dich zu einem ungeeigneten Zeitpunkt un­terbreche, den Unmut deines Geistes auf mich lenke. (Vitr. 1 praef. 1)

Der erste Satz beschreibt den Inhalt des folgenden Werkes: Architektur. Gleichzeitig lässt er jedoch offen, was genau Vitruv beabsichtigt, darzustellen. Es wird allgemein von ar- chitectura gesprochen, ohne explizit zu definieren, was inhaltlich behandelt wird, sodass der Leser davon ausgehen muss, eine breit gefächerte Abhandlung über die Architektur­theorie und eine umfassende Darstellung der Disziplin vorzufinden.

Weiter führt Vitruv aus, dass er sein Werk dem Kaiser widmet und auf den passenden Moment wartet, es herauszugeben (apto tempore 32 , Vitr. 1 praef. 1).

Die Verwendung von audebam und subirem ist hierbei ebenso zu erwähnen, die auf ein bescheidenes Auftreten Vitruvs hinweist. Diese beiden Verben, die übrigens als einzige in diesem Satz in der 1. Person33 vorliegen, verweisen auf einen zurückhaltenden Charak- ter und stellen Vitruv als jemanden dar, der sich selbst zurücknimmt und die Person des Kaisers in den Vordergrund stellt. In diesem Zusammenhang ist auch die temporale Ver­wendung von cum zu verstehen, die zusammen mit dem erwähnten apto tempore eine captatio benevolentiae bildet, die Vitruv beim Kaiser positiv darstellen soll. Indem Vitruv auf einen geeigneten Zeitpunkt wartet, entwirft er von sich selbst das Bild eines wohl überlegten Mannes. Gleichzeitig zeigt sich Vitruv durch die Formulierung magnis cogita- tionibus in Verbindung mit der Alliteration explicata edere als intelligenter Mann, der De architectura äußerst kunstvoll und gedankenreich verfasst hat und es nun als richtig er­achtet, sein Werk dem Kaiser zu präsentieren. In diesem Zusammenhang steht auch die Länge des Einleitungssatzes. Vitruv bringt durch diesen ungewöhnlich langen Satz seine schriftstellerische Kompetenz zum Ausdruck, wenngleich die einfache Aneinanderrei­hung von Gliedsätzen diesen Eindruck nicht unbedingt verstärkt.

Weiterhin stellt Vitruv durch die direkte Ansprache an den Kaiser (imperator Caesar, Vitr. 1 praef. 1) eine Verbindung zwischen beiden her und verdeutlicht die Vertrautheit zwischen ihm und dem Kaiser. Aus diesem Blickwinkel ist auch die Wiederholung des Wortes cogitationibus zu erklären. Zuerst verwendet Vitruv dieses Wort, um die Eigen­schaften zu beschreiben, mit denen Augustus den Staat verwaltet. Dann aber drückt er durch das Wiederaufgreifen zum Ende des ersten Satzes seine eigene Denkleistung aus, die er aufgebracht hat, um sein Werk zu vollenden. Vitruv knüpft hier eine Verbindung zwischen sich und Augustus und stellt sich mit diesem scheinbar auf eine Stufe. Ob Vit­ruv dieses Bild weiterhin zeichnet, oder ob er ihm noch einzelne Aspekte hinzufügt, wird anhand des nächsten Abschnitts überprüft.

Cum vero adtenderem te non solum de vita communi omnium curam publicaeque rei con­stitutione habere, sed etiam de opportunitate publicorum aedificiorum, ut civitas per te non solum provinciis esset aucta, verum etiam ut maiestas imperii publicorum aedificio- rum egregias haberet auctoritates, non putavi praetermittendum, quin primo quoque tempore de his rebus ea tibi ederem, ideo quod primum parenti tuo de eo fueram notus et eius virtutis studiosus.

Als ich aber bemerkte, dass du nicht nur Sorge um das öffentliche Leben aller und um den Staat im Kopf hast, sondern auch um die günstige Lage für die öffentlichen Bauwer­ke, damit der Staat durch dich nicht nur durch Provinzen bereichert ist, sondern auch, damit auch die Würde des Reiches das hervorragende Ansehen von öffentlichen Bauten hat, glaubte ich, es nicht übergehen zu dürfen, im ersten geeigneten Moment die Bücher über diese Dinge für dich herauszugeben, deshalb, weil ich zuerst in diesem deinem Vater bekannt und auf dessen Tapferkeit bedacht war. (Vitr. 1 praef. 2a)

Auch hier führt Vitruv das oben bereits gezeichnete Bild eines überlegten und eifrigen Mannes weiter aus, erweitert es jedoch um einige Aspekte. So stellt er sein Werk als überaus wichtig dar und sieht es als seine beinahe schon moralische34 Verpflichtung an, es dem Kaiser bei geeignetem Zeitpunkt zu widmen. Das Aufgreifen von tempore ver­deutlicht das Warten auf einen geeigneten Zeitpunkt. Dieser richtige Moment, das Werk zu veröffentlichen, ist da gekommen, als Vitruv gemerkt hat, welchen Verdienst der Kai­ser für das römische Volk geleistet hat. Weil er den Kaiser als eine um das Wohl des Staates besorgte Person ansieht, empfindet er es als seine Pflicht, diesem ein Werk zu widmen.35 Diesen Zwang verknüpft Vitruv mit der Anführung von Augustus' Vater, un­ter dessen Herrschaft er sich bereits einen Namen gemacht haben will (parenti tuo de eo fueram notus et eius virtutis studiosus, Vitr. 1 praef. 2a). Hier lobt Vitruv offensichtlich die Tapferkeit des früheren Herrschers und stellt damit eine notwendige Verbindung zwi­schen sich und Augustus dar.36 Vitruv, der beim früheren Herrscher ein hohes Ansehen genoss und der gleichzeitig große Stücke auf die Tapferkeit Caesars hielt, führt gerade diese Wechselbeziehung als Grund dafür an, De architectura veröffentlichen zu müssen.

Cum autem concilium caelestium in sedibus immortalitatis eum dedicavisset et imperium parentis in tuam potestatem transtulisset, idem studium meum in eius memoria per­manens in te contulit favorem. Itaque cum M. Aurelio et P. Minidio et Cn. Cornelio ad apparationem balistarum et scorpionem reliquorumque tormentorum < et eorum > refec- tionem fui praesto et cum eis commoda accepi, quae, cum primo mihi tribuisiti recogniti- onem, per sorosis commendationem servasti.

Nachdem aber der Rat der Götter ihn zu den Sitzen der Unsterblichkeit versetzt hatte und die Herrschaft des Vaters in deine Macht übertragen worden war, übertrug der gleiche Ei­fer, der in Erinnerung an diesen fortbestand, meine Gunst auf dich. Deshalb war ich zu­sammen mit M. Aurelius, P. Minidius und Cn. Cornelius beim Bau von Ballisten, Skor­pionen und übrigen Wurfmaschinen und deren Ausbesserung anwesend und mit ihnen habe ich Vorteile erhalten, die du mir, als du mir zuerst die Nachprüfung meiner Verhält­nisse zugeteilt hast, durch die Empfehlung deiner Schwester gegeben hast. (Vitr. 1 praef. 2b)

Durch die Darstellung der Apotheose37 von Caesar beschreibt Vitruv den Machtwechsel zu Augustus. Mit derselben Gunst, die er auch schon dessen Vater entgegengebracht hat, tritt Vitruv Augustus entgegen. Das Hyperbaton meum [.] favorem schließt die Formu­lierung in eius memoria permanens in te contulisset ein und verweist so auf die Verbun­denheit, die zwischen Vitruv und Caesar auch nach dessen Tod weiterhin besteht. Hier zeigt sich Vitruv als äußerst loyaler Anhänger der politischen Elite. Gerade, weil Vitruv Caesar so verbunden war und weil er sich an dessen Tapferkeit erinnert, treibt ihn sein Eifer dazu an, sich auch Augustus gegenüber treu zu verhalten. Dieser Eifer, den Vitruv in seiner Tätigkeit hat und der der Grund für die Augustus entgegengebrachte Sympathie ist, treibt ihn dazu an, wie er sagt, Ballisten, Skorpione und Wurfmaschinen (ballistarum et scorpionum reliquorumque tormentorum, Vitr. 1 praef. 2b) zu bauen. In diesem Zu­sammenhang führt Vitruv drei Persönlichkeiten38 an, die die Echtheit seiner Aussage un­termauern sollen, für die weitere Aussage seiner praefatio aber keinen Wert haben. Das Homoioteleuton in den zitierten Wörtern weist in Verbindung mit dem Polysyndeton aus et und -que auf die Vielzahl an Dingen hin, bei denen Vitruv mitgearbeitet hat. Vitruv scheint sich also bei der Begründung seines Wertes für den Kaiser sowohl auf sein ver­gangenes Ansehen zu verlassen, als auch durch seine Taten als Kriegsbaumeister seinen praktischen Nutzen hervorzuheben. Jedoch beschreibt Vitruv nicht nur seine vergangenen Taten, sondern verdeutlicht mit refectionem auch seine zukünftige Verwertbarkeit. Er ist nicht nur dafür zuständig, dass diese Kriegsmaschinen gebaut wurden, sondern ist auch für die Instandhaltung ebendieser verantwortlich. Vitruv ist derjenige, der dafür sorgt, dass die Kriegsmaschinen weiterhin verwendet werden können und erscheint deshalb als unverzichtbarer Teil in Augustus' Herrschaftsapparat.

Das Ende dieses Satzes ist interessant, insofern als Vitruv hier sagt, er habe es der Emp­fehlung von Oktavia, Augustus' Schwester, zu verdanken, dass er den Lohn (commoda, Vitr. 1 praef. 2b), den er durch die Entwicklung der besagten Kriegsmaschinen erworben hat, auch nach seiner Entlassung39 weiterhin erhalten hat. Es scheint, dass Vitruv finanzi­ell gut versorgt war. Hier müsste die Frage aufgeworfen werden, ob Vitruv sein Werk folglich aus finanziellen Gründen geschrieben hat. Zieht man die gerade festgestellte fi­nanzielle Absicherung Vitruvs heran, scheint eine Abfassung aus finanziellen Gründen unwahrscheinlich. Auch Vitruv selbst sagt, dass nicht Geld der Auslöser war, De archi- tectura zu verfassen.40 Nicht materielle Gründe hätten zur Anfertigung seines Werkes geführt, sondern vielmehr die Hoffnung auf Nachruhm. Die beinahe schon moralische Abwertung des Schreibens aus finanziellen Gründen, die Vitruv als einen integren Schriftsteller darstellt, führt zu einem Vertrauensgewinn des Kaisers ihm gegenüber. Die­ses Vertrauen und wohlwollende Auftreten, das der Kaiser Vitruv entgegenbringt, wird zu Beginn des letzten Abschnittes der praefatio nochmals benannt.

Cum ergo eo beneficio essem obligatus, ut ad exitum vitae non haberem inopiae timorem, haec tibi scribere coepi; quod animadverti multa te aedificavisse et nunc aedificare, reli- quo quoque tempore et publicorum et privatorum aedificiorum, pro amplitudine rerum gestarum ut posteris memoriae traderentur curam habiturum, conscripsi praescriptiones terminatas ut eas adtendens et ante facta et futura qualia sint opera, per te posses nota habere; namque his voluminibus aperui omnes disciplinae rationes.

Weil ich also durch diese Wohltat, dass ich bis zum Ende meines Lebens keine Furcht vor finanzieller Not habe, dir verpflichtet bin, begann ich, dieses Werk für dich zu schreiben; weil ich bemerkte, dass du viel gebaut hast, im Moment viel baust und du auch in der üb­rigen Zeit Sorge um öffentliche wie private Bauten haben wirst, dass sie entsprechend der Größe deiner Taten für die Erinnerung der Nachwelt überliefert werden, habe ich festum- rissene Themen zusammengeschrieben, damit du, wenn du diese betrachtest, erkennen kannst, wie beschaffen die bereits gemachten und die zukünftigen Werke sind; denn in diesen Büchern habe ich alle Lehren der Disziplin offengelegt. (Vitr. 1 praef. 3) Bis zum Ende seines Lebens muss sich Vitruv keine Sorgen mehr darum machen, dass er finanzielle Notlagen erleiden könnte. Durch die Wohltat (beneficio, Vitr. 1 praef. 3) des Kaisers erhält er auch nach seiner aktiven Zeit weiterhin Lohn. Dies macht es ihm mög­lich, De architectura ganz ohne finanziellen Druck zu verfassen. Gleichzeitig ist sich Vitruv dieser wohlwollenden Geste des Kaisers sehr wohl bewusst, denn er führt an, dass er deshalb in seiner Schuld stehe.41 Weil Vitruv dem Kaiser etwas schuldet, schreibt er sein Fachwerk, um so seine Schulden zu bezahlen. Die Schritte zur Abfassung eines Bu­ches scheinen hier umgekehrt abzulaufen. Zuerst erhält Vitruv Geld, schreibt daraufhin sein Werk und widmet es dem Kaiser. Auch wenn die finanzielle Unterstützung nicht die Bedingung zur Abfassung der Schrift ist, ist sie dennoch neben dem Aspekt des Nach­ruhms ein Beweggrund.

Im Folgenden liefert Vitruv die Begründung für die Inhalte seines Werkes. Indem er mit dem Polyptoton aedificavisse [...] aedificare die gegenwärtigen mit den vergangenen, d.h. abgeschlossenen, Bauprojekten des Augustus verknüpft, stellt er die Vielzahl an Bauwerken dar, die unter Augustus' Herrschaft entstanden sind. Diese Bauprojekte will Vitruv nun in diesem Werk zusammentragen, um dem Kaiser einen Überblick darüber zu geben, wie sie gemacht wurden42 und wie zukünftige Bauvorhaben aussehen könnten (ante facta et futura qualia sint opera, Vitr. 1 praef. 3). Hierdurch ermöglicht er es dem Kaiser, sachkundig und urteilsfähig zu sein, sich selbst mit architektonischen Themen auseinanderzusetzen und nicht auf die Meinungen Außenstehender angewiesen zu sein.43 Den Anspruch, alle Bauwerke - ob vergangene, gegenwärtige oder zukünftige - aufzulis­ten, drückt Vitruv besonders im Abschluss seiner ersten praefatio aus. Er hat die Absicht, alle für die Disziplin der Architektur wichtigen Lehren und Grundsätze in seinem Werk zusammenzufassen (aperui omnes disciplinae rationes, Vitr. 1 praef. 3). Dieser Universa­litätsanspruch, der, wie gezeigt wird, auch bei den anderen Fachschriftstellern mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, lässt Vitruv als einen äußerst gewissenhaften Mann erschei­nen, der darum bemüht ist, alles vorherrschende Wissen zusammenzufassen.

In seiner überaus akribischen Arbeitsweise scheint es so, als ob es Vitruv gelungen sei, ein umfassendes Fachbuch zu erstellen, das es auf diese Weise bis dato noch nicht gege­ben hat.44 Somit geht dieser Universalitätsanspruch einher mit dem Anspruch, der Erste zu sein, der ein solches Werk verfasst hat.45 Im Zusammenhang dazu steht die Verwen­dung von aperui, was die Darstellung von etwas Unbekanntem46 meint und somit auf die systematische Zusammenfassung und Auflistung des Wissens hinweist. Diese Systematik schlägt sich in der Wortverbindung praescriptiones terminatas nieder, die den Eindruck vermittelt, Vitruv habe festumrissene Themengebiete behandelt, die er im Folgenden ähn­lich einer Inhaltsangabe kurz erläutern wird. Diese Erwartung wird jedoch nicht erfüllt.

Anders als z.B. Plinius der Ältere, der, wie später gezeigt wird, seinem Werk ein umfang­reiches Inhaltsverzeichnis voranstellt, gibt es bei Vitruv keinen zusammenfassenden Überblick darüber, was behandelt werden soll.

Dieser Überblick soll genügen, um die Selbstdarstellung Vitruvs in der Vorrede zum ers­ten Buch seines Werkes De architectura herauszuarbeiten. Es lässt sich festhalten, dass Vitruv sich in den ersten drei Kapiteln seines Werkes als ein überlegter Mann darstellt, der auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um dem Kaiser seine Schrift vorzulegen, denn wie erfolgreich De architectura sein wird, hängt wesentlich von der freien Zeit ab, die der Leser neben der Ablenkung durch die Politik und die Staatsgeschäfte hat.47

Die vertraute Beziehung zwischen ihm und Augustus, die anhand der Apotheose von Caesar herausgearbeitet werden konnte, spielt für den Erfolg seines Werkes ebenso eine Rolle wie die von Augustus' Schwester bewirkte finanzielle Unterstützung, die es Vitruv ermöglicht, beim Schreiben einzig den Aspekt des Nachruhms im Blick zu behalten. Der Universalitätsanspruch seines Werkes, der bei Vitruv ein breit gefächertes Wissen der Materie voraussetzt und ihn somit als einen hoch gebildeten Mann darstellt, geht einher mit dem Prinzip der utilitas, das bereits angesprochen wurde.

Die Nützlichkeit seines Werkes, die dadurch entsteht, dass Vitruv sagt, alle Teile48 der Baukunst zusammengestellt zu haben, soll sich hierbei nicht nur auf Vitruvs Zeit bezie­hen, sondern auch in späteren Generationen erkannt werden.49 Mit dem Nutzen seines Werkes hängt für Vitruv das Ziel zusammen, der Nachwelt in Erinnerung zu bleiben.

Es konnte gezeigt werden, dass De architectura von einem gewissenhaften Mann verfasst wurde, der darauf bedacht ist, sich als einen gebildeten und loyalen Anhänger des Kaisers darzustellen. Dabei legt er in seiner Arbeit besonderen Anspruch darauf, eine umfassende Sammlung des zu seiner Zeit vorhandenen und umherirrenden Wissens, das es über die Architektur und Baukunst gab, zusammenzustellen. Diese Sammlung bringt Vitruv nicht nur den Vorteil des Prestigegewinns, sondern führt auch dazu, dass er bei folgenden Ge­nerationen als Schriftsteller in Erinnerung bleibt. Welche Rolle in diesem Zweck der Kai­ser spielt, wird im folgenden Kapitel untersucht.

2.2 Panegyrik

Im Folgenden wird der bereits betrachtete Textauszug nochmals explizit nach Merkmalen untersucht, die Aussagen darüber zulassen, wie Vitruv sein Verhältnis zu Kaiser Au­gustus sieht.

Cum divina tua mens et numen, imperator Caesar, imperio potiretur orbis terrarum in- victaque virtute cunctis hostibus stratis triumpho victoriaque tua cives gloriarentur et gentes omnes subactae tuum spectarent nutum populusque Romanus et senatus liberatus timore amplissimis tuis cogitationibus consiliisque gubernaretur, non audebam, tantis occupationibus, de architectura scripta et magnis cogitationibus explicata edere, me- tuens, ne non apto tempore interpellans subirem tui animi offensionem.50 (Vitr. 1 praef. 1) Auffällig ist direkt zu Beginn der praefatio die Anrede Augustus' mit divina tua mens et numen, die den Angesprochenen in einem göttlichen Zusammenhang erscheinen lässt. Das Hendiadyoin, das Augustus als mit geradezu göttlicher Entscheidungs- und Urteils­kraft ausgestattet beschreibt, steht in Verbindung mit einem weiteren Hendiadyoin in cogitationibus consiliisque. Beide Ausdrücke verweisen auf die herausragenden Fähig­keiten des Augustus und sollen dessen Herrschaft loben.51 Der Einfluss, den Augustus ausübt und der es ihm nach Vitruvs Aussage erlaubt hat, sich der ganzen Welt zu be­mächtigen, wird auch in der chiastischen Klimax cunctis hostibus und gentes omnes deut­lich. Zuerst wird Augustus' Sieg über die Feinde Roms beschrieben. Dann folgt jedoch die Aussage, Augustus habe sich alle Völker zu Untertanen gemacht. In Verbindung mit dem Herrscherlob stehen die vielen rühmenden und lobenden Ausdrücke wie invictaque virtute und triumpho. Sie heben die außerordentlichen Erfolge des Augustus heraus und verdeutlichen die Errungenschaften, die er in Vitruvs Augen dem römischen Volk, das sogar namentlich52 genannt wird, gebracht hat.

Weiter beschreibt Vitruv den Kaiser als mit vielen Tätigkeiten beschäftigt (tantis occupa- tionibus, Vitr. 1 praef. 1). Gerade weil Augustus ein vielbeschäftigter Mann ist, hat sich Vitruv mit der Veröffentlichung seines Werkes zurückgehalten, um auf einen geeigneten Zeitpunkt zu warten. Dass dieses Abwarten zusammen mit der Formulierung animi offen- sionem, welche Vitruvs Angst, den Unmut des Kaisers auf sich zu ziehen, beschreibt, auf eine captatio benevolentiae hinweist, die im Gegenteil den Kaiser dazu animieren soll, De architectura zu lesen, muss hier nicht gesondert erwähnt werden.53 Die einfache Satz­struktur zu Beginn seiner praefatio unterstützt dieses Vorhaben Vitruvs, den Kaiser zum Lesen zu animieren, da Augustus nicht durch komplizierte Satzgefüge oder Hyperbata entmutigt wird, sich weiter mit dem Stoff zu beschäftigen.

Doch wie kann sich dann Vitruv anmaßen, den Kaiser mit seiner Schrift über Architek­turtheorie zu beschäftigen?

Cum vero adtenderem te non solum de vita communi omnium curam publicaeque rei con­stitutione habere, sed etiam de opportunitate publicorum aedificiorum, ut civitas per te non solum provinciis esset aucta, verum etiam ut maiestas imperii publicorum aedificio- rum egregias haberet auctoritates, non putavi praetermittendum, quin primo quoque tempore de his rebus ea tibi ederem, ideo quod primum parenti tuo de eo fueram notus et eius virtutis studiosus.54 (Vitr. 1 praef. 2a) Vitruv verknüpft hier seinen Plan, das Werk veröffentlichen zu müssen, mit einem groß angelegten Kaiserlob, im Zuge dessen er die Wichtigkeit der Architektur in der Regent­schaft des Augustus hervorhebt. In zwei parallel aufgebauten Gliedsätzen beschreibt Vit­ruv den Kaiser als einen um das öffentliche Wohl und um das Wohl des Staates besorgten Mann, der sich darum bemüht, das Ansehen des römischen Volkes durch Provinzen zu steigern.55 Jeweils das zweite Element des Gliedsatzes, welches in diesen non solum [...] sed/verum etiam -Sätzen stärker betont wird als das erste, besteht aus derselben Wendung publicorum aedificiorum. Wie viel der Kaiser auch für den Staat und das Allgemeinwohl tut, so hat er sich besonders um die öffentlichen Gebäude verdient gemacht. Die Wieder­holung dieser Wendung innerhalb von zwei Zeilen, die darüber hinaus auch in Vitr. 1 praef. 3 nochmals aufgegriffen wird, verstärkt diesen Eindruck ebenfalls.56

Vitruv hebt also die Bedeutung des Augustus für die architektonischen Leistungen in Rom hervor und führt diese Leistungen auch als Begründung dafür an, warum er De ar- chitectura geschrieben hat.57 Indem Vitruv diese Bauwerke, die nach den bisherigen Aus­führungen als Zeichen von Prestige für Augustus angesehen werden können, da sie als Teil seiner Politik zur Steigerung des öffentlichen Wohls beigetragen haben, in seinem Werk beschreibt, verschafft er sich selber Ansehen. Ähnlich wie die Bauwerke für Au­gustus die Garantie für Nachruhm sind, so erfüllt die Schrift über ebendiese Bauwerke denselben Zweck in Bezug auf Vitruv.58 Vitruv verstärkt den Eindruck, das Ansehen des Kaisers werde im zweiten Satz seiner praefatio als überaus groß dargestellt, dadurch, dass er Wörter aus dem Wortfeld Macht verwendet.59 Augustus wird hier als der strah­lende Herrscher beschrieben, der durch seinen herausragenden Einfluss und sein Ansehen einen hohen Stellenwert innerhalb der Gesellschaft innehat.

Die Bedeutsamkeit der augusteischen Bauwerke kommt auch im abschließenden Teil von Vitruvs praefatio zum Ausdruck.

Cum ergo eo beneficio essem obligatus, ut ad exitum vitae non haberem inopiae timorem, haec tibi scribere coepi; quod animadverti multa te aedificavisse et nunc aedificare, reli- quo quoque tempore et publicorum et privatorum aedificiorum, pro amplitudine rerum gestarum ut posteris memoriae traderentur curam habiturum, conscripsi praescriptiones terminatas ut eas adtendens et ante facta et futura qualia sint opera, per te posses nota habere; namque his voluminibus aperui omnes disciplinae rationes.60 (Vitr. 1 praef. 3)

Diesen letzten Teil seiner praefatio verwendet Vitruv darauf, dem Leser die Taten des Augustus in Erinnerung zu rufen. Die Verbindung von aedificavisse und aedificare drückt die Vielzahl an Bauprojekten aus, die der Kaiser in der Vergangenheit beendet hat und gegenwärtig betreibt. Daran anschließend macht er mit publicorum et privatorum aedificiorum wieder auf die Wichtigkeit der Bauwerke für das römische Leben aufmerk­sam. In diesem Zusammenhang kann auch pro amplitudine erklärt werden. Die Größe und Wichtigkeit von Augustus' Taten sind es wert, dass man über sie in einem Werk be­richtet. Diese Aufgabe will Vitruv erfüllen. Ihm geht es primär darum, wie er sagt, den Nachruhm des Augustus bei späteren Generationen zu erhalten und ihn auch für seine Nachkommen als einen um das Wohl der Stadt und besonders der Bauwerke besorgten Mann zu charakterisieren. Zu diesem Zweck hat Vitruv alle Lehren seiner Disziplin zu­sammengestellt, um dem Kaiser zu zeigen, welche Werke er geschaffen hat und möglich­erweise noch erschaffen wird.61 Somit wird der Kaiser zu einer urteilsfähigen und kompe­tenten Person, die sich in Bezug auf Fragen zu Architektur nicht durch Spezialisten bera­ten lassen muss.62

Zusammenfassen lässt sich Vitruvs Panegyrik damit, dass der Kaiser als eine um das Wohl der Stadt, besonders um das der Bauwerke, besorgte, überhöhte und beinahe göttli­che Person dargestellt wird. Augustus ist während seines Prinzipats mit sehr vielen Auf­gaben beschäftigt, die es ihm unmöglich machen könnten, sich mit schriftstellerischen Werken wie De architectura des Vitruv auseinanderzusetzen. Nur, weil dieser sein Werk dem Kaiser widmet und ihn besonders zu Beginn seiner praefatio mit vielen wohlwollen­den Worten anspricht, bringt er den Kaiser in die Lage, sein Werk lesen zu müssen, um seine Wertschätzung gegenüber dem Werk zum Ausdruck zu bringen. Der Kaiser wird als übersteigerte Figur dargestellt, die durch verschiedenste Bauprojekte Nachruhm ver­dient habe.

3 Rerum natura, hoc est vita, narratur - Plinius' des Älteren Naturalis historia

Um Aussagen über Selbstinszenierung und Panegyrik in der praefatio zur Naturalis his- toria von Plinius dem Älteren treffen zu können, ist es zu Beginn nötig, einen kurzen Abriss zu Plinius' Person und zu seinen Werken voranzustellen.63

[...]


1 Bei Vitruv und Frontin wird darauf verzichtet, die Stellen der praefatio in den zweiten Kapiteln nochmals zu übersetzen. Da die Vorworte der beiden Schriftsteller vom Umfang her nicht sehr lang sind, werden sie bereits in den ersten Kapiteln jeweils vollständig übersetzt.

2 Fögen, Thorsten: Wissen, Kommunikation und Selbstdarstellung. Zur Struktur und Charakteristik römi­scher Fachtexte der frühen Kaiserzeit, München 2009, S. 214. Beispielhaft sei hier die Untersuchung zu Plinius angeführt. Die Ergebnisse lassen sich aber auch zu Frontin und Vitruv finden.

3 Köves-Zulauf, Thomas: Die Vorrede der plinianischen „Naturgeschichte“, WS 86 (1973), S. 134-184, hier besonders 140-144.

4 Sinclair, Patrick: Rhetoric of Writing and Reading in the Preface to Pliny's Naturalis Historia, in: Boyle, Anthony J.; Dominik, William J. (Hgg,): Flavian Rome. Culture, Image, Text, Leiden 2003, S. 285-292.

5 Ebd. S. 291.

6 Bayer, Karl: Vita vigilia est. Gedanken zur Praefatio der Historia naturalis des C. Plinius Secundus, JbMusLinz 149.1 (2004), S. 109-124.

7 Nicht behandelt werden solche Werke, die subjektive Bewertungen von Plinius' Werk vornehmen, wie z.B. Münzer, Friedrich: Beiträge zur Quellenkritik der Naturgeschichte des Plinius, Hildesheim 1988, S. 4, der die Arbeiten des Plinius teilweise als die schwächsten auf dem Gebiet der Forschung sieht.

8 Als Beispiel sei hier zu nennen Eck, Werner: Die Gestalt Frontins in ihrer politischen und sozialen Um­welt, in: Frontinus Gesellschaft e.V. (Hg.): Die Wasserversorgung im antiken Rom. Sextus Iulius Fronti­nus, sein Werk in Latein und Deutsch und begleitende Fachaufsätze, München 2013, S. 111-134.

9 DeLaine, Janet: „De aquis suis?“ The „Commentarius“ of Frontinus, in: Nicolet, Claude (Hg.): Les littéra- tures techniques dans l'antiqué Romaine. Statut, Public et Destination, Tradition, Genf 1996, S. 117-145.

10 Turner, Andrew: Frontinus and Domitian - Laus Principis in the Strategemata, HSPh 103 (2007), S. 426f.

11 Bruun, Christer: Warum verfasste Frontin sein Werk über die Wasserversorgung Roms?, in: Frontinus Gesellschaft e.V. (Hg.): Die Wasserversorgung im antiken Rom. Sextus Iulius Frontinus, sein Werk in Latein und Deutsch und begleitende Fachaufsätze, München 2013, S. 151-158.

12 Scholten, Helga: Technischer Fortschritt im Denken Vitruvs, AKG 91 (2009), S. 21f.

13 Lobe, Michael: Herrscher und Hofarchitekten: Kontrastkonzepte der commendatio bei Vitruv und Dein- okrates, in: Herrmann, Katrin; Geus, Klaus (Hgg,): Dona sunt pulcherrima. Festschrift für Rudolf Rieks, Roßdorf 2008, S. 149f.

14 Callebat, Louis: Encyclopédie et architecture: le ‘De Architectura' de Vitruve, in: Bouffartigue, Jean; Mélino, FranQoise (Hgg.): L'Enterprise encyclopédique, Nanterre 1997, S. 173-175.

15 Da sich diese Arbeit mit Panegyrik und Selbstdarstellung auseinandersetzt, wird bewusst eine ausschwei­fende Definition einer praefatio weggelassen. Es genügt hier die Anlehnung an Earl, Donald: Prologue­form in Ancient Historiography, in: ANRW 1.2, Berlin/New York 1973, S. 842-856. Earl beschreibt den Einleitungssatz einer praefatio damit, dass er die Wichtigkeit des behandelten Themas darstellen muss. Der erste Satz muss sagen, was Ziel des Werkes ist. Siehe dazu auch bei den Griechen beispielhaft ouKuSiSng Aönvaiog ^uvéypays tov noXspov Trov nsXonowqoiiw Kai Aönvairov, Thuk. 1,1 oder bei römischen Schriften Litteris C. Caesaris consulibus redditis, Caes. civ. 1,1. Ob dies auch auf die in dieser Arbeit be­handelten Texte zutrifft, bleibt zu klären. An dieser Stelle wird jedoch nicht gesondert mit einer zuvor erar­beiteten Definition von praefatio verglichen.

16 Fornaro, Sotera, DNP, Bd. 9, Stuttgart/Weimar 2000, s.v. Panegyrik I.

17 Mause, Michael: Die Darstellung des Kaisers in der lateinischen Panegyrik, Stuttgart 1994, S. 6 und 17.

18 Siehe dazu Ziegler, Konrat, RE, Bd. 32.3, Stuttgart 1965, s.v. Panegyrikos. Einen kurzen Überblick bietet auch Cancik, Hubert, LAW, Bd. 2, Zürich/München 1990, s.v. Panegyrikos.

19 Hierzu zählen, in Anlehnung an den Rhetor Menander, âv8ps^a, ^pövnoig, SiKaioouvn und oro^poouvn. Siehe hierzu Men. Rhet. 373,14-375,8.

20 Siehe hierzu Schindler, Claudia: Per carmina laudes. Untersuchungen zur spätantiken Verspanegyrik von Claudian bis Coripp, Berlin 2009, S. 17.

21 Für einen ausführlicheren Überblick über die Panegyrik in prosaischen Texten sei beispielhaft verwiesen auf Schindler, Claudia, Berlin 2009 und Ronning, Christian: Herrscherpanegyrik unter Trajan und Konstan­tin. Studien zur symbolischen Kommunikation in der römischen Kaiserzeit, Tübingen 2007.

22 Sed proprium laudis est res amplificare et ornare, Quint. Inst. 3,7,6.

23 Mause, Michael, Stuttgart 1994, S. 24. Genauso lässt sich die captatio benevolentiae jedoch auch auf Aspekte der Selbstinszenierung anwenden, denn durch die Tatsache, dass sich der Autor als unfähig aus­gibt, verleitet er den Leser geradezu dazu, dies beim Lesen zu verneinen.

24 Selbstdarstellung ist ein bedeutender Bestandteil literarischer Werke. Eine positive Selbstinszenierung ist dabei wichtiger als historische Richtigkeit. Siehe dazu Cancik, Hildegard, LAW, Bd. 3, Zürich/München 1990, s.v. Selbstdarstellung.

25 Diese kurze Beschreibung orientiert sich an Einträgen in einschlägigen Lexika und dient dazu, den ge­sellschaftlichen und sozialen Kontext, in dem Vitruv schreibt, zu bestimmen.

26 Hier und im Folgenden Bezug genommen auf Höcker, Christoph, DNP, Bd. 12.2, Stuttgart/Weimar 2003, s.v. Vitruvius.

27 Siehe hierzu Frontin. aq. 25.

28 Siehe hierzu 2.1.

29 Die Bücher sind inhaltlich folgendermaßen gegliedert: Buch 1 enthält Informationen zur Ausbildung eines Architekten und liefert eine Definition von Architektur. Buch 2 setzt sich mit Baumaterialien und Bautechniken auseinander, während mit Buch 3 und 4 eine Abhandlung zum Tempelbau folgt. Buch 5 beschäftigt sich mit öffentlichen Bauten, Buch 6 und 7 mit Privatbauten. In Buch 8 beschäftigt sich Vitruv mit Wasserversorgung, während mit den Büchern 9 und 10 Abhandlungen über Astronomie und Mechanik folgen.

30 Fensterbusch, Curt, LAW, Bd. 3, Zürich/München 1990, s.v. Vitruv.

31 Siehe hier z.B. Hesberg, Henner von: Vitruv, in: Ax, Wolfram (Hg.): Lateinische Lehrer Europas. Fünf­zehn Portraits von Varro bis Erasmus von Rotterdamm, Köln 2005, S. 27.

32 Vergleiche hier eine ähnliche Formulierung longo sermone morer tua tempora, Hor. epist. 2,14, die be­schreibt, dass auch Horaz auf einen geeigneten Zeitpunkt für die Veröffentlichung seines Werkes wartet.

33 Weiterhin ist auffällig, dass im Einleitungssatz kein Pronomen der 1. Person vorkommt. Der Fokus des Satzes scheint also auf dem Kaiser zu liegen, der in vielen Pronomen der 2. Person direkt angesprochen wird.

34 Siehe hier den Ausdruck non putavi praetermittendum (Vitr. 1 praef. 2a), der ähnlich einer moralischen Aufforderung verstanden werden kann. Die Alliteration lenkt den Fokus des Lesers auf diese Stelle.

35 Zur erhöhten Darstellung des Kaisers bei Vitruv siehe 2.2.

36 Weil er schon bei seinem Vater ein hohes Ansehen genoss, hat er diese Stellung auch bei Augustus ver­dient.

37 Siehe hierzu die Alliteration concilium caelestium (Vitr. 1 praef. 2b) in Verbindung mit dem Wiederauf­greifen des Göttlichen in immortalitatis. Hier wird der göttliche Status Caesars deutlich hervorgehoben.

38 M. Aurelius, P. Minidius und Cn. Cornelius stehen hier exemplarisch als Zeugen dafür, dass Vitruv als Kriegsbaumeister tätig war. Da die Personen beliebig sind und keine weitere Funktion neben der als Ge­währsmänner zu fungieren, erfüllen, kann eine detailliertere Darstellung dieser ausbleiben.

39 Inwiefern Vitruv an dieser Stelle eine Entlassung aus seinen bisherigen Posten meint, bleibt zu überprü­fen. Da es in dieser Arbeit jedoch nicht um den beruflichen Werdegang Vitruvs geht, kann diese Frage hier vernachlässigt werden.

40 Siehe dazu ego autem, Caesar, non ad pecuniam parandam ex arte dedi studium, sed potius tenuitatem cum bona fama quam abundantiam cum infamia sequendam probavi. Ideo notities parum est adsecuta. Sed tamen his voluminibus editis, ut spero, etiam posteris ero notus, Vitr. 6 praef. 5. Nicht aus Geldgründen verfasst Vitruv sein Werk, sondern weil er hofft, der Nachwelt hierdurch bekannt zu sein.

41 Die Verwendung obligatus drückt in diesem Zusammenhang die Verpflichtung aus, in der sich Vitruv dem Kaiser gegenüber sieht.

42 Hier bleibt zu fragen, warum Vitruv dem Kaiser einen Überblick über bereits vollendete Bauvorhaben geben will. Wenn diese bereits unter Augustus fertiggestellt wurden, ist doch davon auszugehen, dass er selbst weiß, wie sie ausgeführt wurden.

43 Interessant ist hierbei die Feststellung von Sallmann, Klaus: Bildungsvorhaben des Fachschriftstellers. Bemerkungen zur Pädagogik Vitruvs, in: Knell, Heiner; Wesenberg, Burkhard (Hgg.): Vitruv-Kolloquium des Deutschen Archäologen-Verbandes e.V., durchgeführt an der Technischen Hochschule Darmstadt vom 17.-18. Juni 1982, Darmstadt 1984, S. 22, der Leser werde durch die Lektüre von De architectura keines­falls zu einem Architekten oder einem Archäologen, er könne sich aber als gebildeter Laie bezeichnen, der Grundkenntnisse über die Materie hat. Ähnlich gestaltet es sich auch bei Plinius dem Älteren und Frontin, die mit ihren Werken dem Einfluss der Experten auf den Kaiser entgegenwirken wollen. Dazu 3 und 4.

44 Siehe hierzu Scholten, Helga, AKG 91 (2009), S. 28.

45 In diesem Zusammenhang steht auch institutiones novas (Vitr. 7 praef. 10). Siehe dazu auch Fögen, Thorsten, München 2009, S. 133.

46 Siehe dazu TLL, s.v. aperio, vol. 2, p. 218, l. 43-45, Prinz, Leipzig (u.a.) 1906.

47 Siehe dazu Kessissoglu, Alexander: Die fünfte Vorrede in Vitruvs „De architectura“, Frankfurt am Main 1993, S. 95. Auffällig ist, dass Vitruv im Vorwort zum ersten Buch einzig den Kaiser als von solchen Ab­lenkungen betroffen beschreibt, im Vorwort zu seinem fünften Buch jedoch den ganzen Staat als abgelenkt bezeichnet.

48 Siehe auch Vitr. 4 praef. 1.

49 Siehe dazu Scholten, Helga, AKG 91 (2009), S. 22, die feststellt, dass sich der Aspekt, etwas Nützliches für zukünftige Generationen schaffen zu wollen, wie ein roter Faden durch das gesamte Werk zieht. Das Prinzip der utilitas, das sich immer sowohl auf den Nutzen für die Allgemeinheit und den Kaiser als auch für Vitruv selbst bezieht, ist dabei einer der wichtigsten Aspekte in Vitruvs Werk.

50 Zur Übersetzung des Textes siehe S. 9.

51 Dafür spricht auch die Figura etymologica imperator [...] imperio, die den Status als Kaiser, der sich um die Weltherrschaft bemühte, verdeutlicht. In diesem Zusammenhang drückt orbis terrarum den unermüdli­chen Eifer aus, mit dem Augustus die Herrschaft der Römer ausweiten will.

52 Siehe hier cives und populusque Romanum. Vitruv führt zweimal das römische Volk an, um zu verdeutli­chen, dass die Herrschaft des Augustus gerade für dieses positive Auswirkungen hat (Herrschaftslegitima­tion).

53 In diesem Zusammenhang muss auch die ausschließliche Verwendung von Pronomina der 2. Person erwähnt werden, die darauf abzielen soll, das Interesse des Kaisers zu wecken, da Vitruv extra seinetwegen dieses Werk verfasst zu haben scheint.

54 Zur Übersetzung des Textes siehe S. 10.

55 Die Sorge um den Staat sowie die Vergrößerung des Reiches stehen jeweils im ersten Teil eines non solum [.] sed/verum etiam- Satzes. Gleichzeitig zeigt diese Aufzählung die Vielzahl der Aufgaben, mit denen der Kaiser nach Vitruv beschäftigt ist.

56 In Vitr. 1 praef. 3 mit dem Zusatz privatorum, der auch den Nutzen der privaten Bauwerke beschreibt.

57 Siehe dazu Schneider, Helmuth: Infrastruktur und politische Legitimation im frühen Principat, in: Kolb, Anne (Hg.): Infrastruktur und Herrschaftsorganisation im Imperium Romanum. Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis III - Akten der Tagung in Zürich 19.-20.10.2012, Berlin 2014, S. 45.

58 Vergleiche dazu die Ausführungen in Demandt, Alexander: Symbolfunktionen antiker Baukunst, in: Papenfuss, Dietrich; Strocka, Volker Michael (Hgg.): Palast und Hütte. Beiträge zum Bauen und Wohnen im Altertum von Archäologen, Vor- und Frühgeschichtlern, Mainz am Rhein 1982, S. 53. Dass Vitruv seinen Nachruhm mit dem von Augustus verknüpft, wird auch an der ausgewogenen Mischung von Pro­nomina und Verbformen der 1. und 2. Person deutlich.

59 Als Beispiele seien genannt egregrias, maiestas und auctoritas.

60 Zur Übersetzung des Textes siehe S. 14.

61 Die Absicht, den Kaiser in Architekturtheorie zu bilden, wurde bereits oben verdeutlicht.

62 Siehe hier eine ähnliche Parallele zu Plinius dem Älteren und Frontin, die der Unerfahrenheit des Kaisers und dem daraus resultierenden Zwang zu blindem Vertrauen in Experten entgegenwirken wollen.

63 Da dies jedoch nicht Hauptaugenmerk dieses Kapitels ist, orientiert sich der Abriss an kurzen Darstellun­gen in den einschlägigen Lexika bzw. an einem Brief von Plinius dem Jüngeren.

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Panegyrik und Selbstdarstellung in den "praefationes" der Fachschriftsteller Vitruv, Plinius und Frontin
Hochschule
Universität Osnabrück  (Institut für Romanistik und Latinistik)
Note
1,0
Jahr
2016
Seiten
71
Katalognummer
V1030288
ISBN (eBook)
9783346432957
ISBN (Buch)
9783346432964
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Herrscherlob, Fachschriftsteller
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Panegyrik und Selbstdarstellung in den "praefationes" der Fachschriftsteller Vitruv, Plinius und Frontin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030288

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