Die Bedeutung und Funktion des Tintorettos in der Novelle "L’Adultera" von Theodor Fontane


Hausarbeit, 2014

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Der Begriff Ekphrasis
2.2 Fontane und die Kunst

3 Die Bedeutung und Funktionen des Tintorettos
3.1 Fontanes Wahl des Tintorettos
3.2 Der Tintoretto in L’Adultera

4 Schluss

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Intention der vorliegenden Hausarbeit ist es, die Funktion und Bedeutung des Tintoretto-Gemäldes für Theodor Fontanes Novelle L’Adultera zu analysieren. Es handelt sich hierbei um den schon im Titel erwähnten Tintoretto mit dem Namen „Cristo e l’adultera“, oder wie Melanie ihn kurz bezeichnet, „L’Adultera“ (Fontane, 1983:9). Die Auswahl gerade dieses Gemäldes zur Analyse wurde nicht willkürlich getroffen, sondern beruht darauf, dass der Tintoretto, neben der Tatsache, dass er das am häufigsten in der Novelle erwähnte Gemälde darstellt, vielfältige Funktionen übernimmt und damit eine große Bedeutung für die Erzählhandlung, die Figurenbeziehungen und die Leserlenkung erhält. Wie vielschichtig und umfangreich diese Funktionen sind, lässt sich nur durch eine genauere Analyse im Zusammenhang und vor dem Hintergrund der theoretischen Aspekte zur Ekphrasis, der Kunstwerkbeschreibung in literarischen Texten, deuten. Daraus ergibt sich folgende Strukturierung für die Hausarbeit: Im ersten Teil sollen die zur Analyse nötigen theoretischen Grundlagen zum Begriff der Ekphrasis eingeführt werden. Als erstes wird dabei genauer auf die Definition, den Forschungsstand und die Funktionen von Ekphrasen eingegangen. In einem nächsten Schritt verengt sich der Blickwinkel auf die Betrachtung von Fontanes Kunstverständnis und seiner Nutzung von Kunst und Ekphrasen in seinen Werken, um dann einen kurzen Überblick über die neben dem Tintoretto erwähnten Kunstgegenstände vorzustellen, um die allgemeine Bedeutung und Funktion von Ekphrasen in L’Adultera offenzulegen. Der zweite Teil der vorliegenden Hausarbeit beschäftigt sich mit der als Schwerpunkt gesetzten Betrachtung der Bedeutung und Funktionen des Tintoretto in der Novelle L’Adultera. Vorgestellt vor die Analyse des Gemäldes in der Novelle, werden einige allgemeine Anmerkungen zur Analyse des Bildes durch Kritiker und durch Fontane sowie zur Künstlerdebatte. Darauf folgt die Analyse des Tintoretto-Gemäldes in L’Adultera. Dabei werden zentrale Funktionen, wie die Nutzung des Tintorettos als Strukturelement und als Mittel der Vorausdeutung, die Unterschiede in der figurenspezifischen Rezeption durch Melanie und Ezechiel, und die Bedeutung der Wiederaufnahme des Tintorettos am Ende analysiert.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Der Begriff Ekphrasis

Um den komplexen Begriff der Ekphrasis zu verstehen, muss zuerst zwischen einer weiten und einer engen, sprich der rhetorischen und der literaturwissenschaftlichen, Begriffsdefinition unterschieden werden. Dabei wird das Verständnis der Ekphrasis dadurch verkompliziert, dass sie über die Grenzen von unterschiedlichen Disziplinen hinaus agiert bzw. unterschiedliche Medien miteinander verbindet und somit im Spannungsfeld der Rhetorik, der Literaturwissenschaft und der Kunstwissenschaft steht (vgl, Klarer, 2001: 4). Daraus ergibt sich, dass je nachdem aus welcher der drei Perspektive die Ekphrasis betrachtet wird, man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt und z.T. unterschiedliche Termini bzw. Begriffsdefinitionen verwendet werden (vgl. Klarer, 2001: 4).

Definition

Der Begriff Ekphrasis taucht erstmals in der Antike, genauer gesagt in der griechischen Rhetorik auf und setzt sich aus dem griechischen Präfix „ek“ (aus, heraus) und dem Verb „phrazein“ (sprechen) zusammen (vgl. Klarer, 2001:3). Daraus ergibt sich bereits eine Problematik der Begriffsdefinition für die heutige Zeit, denn in der griechischen Rhetorik umfasste die Ekphrasis jegliche Formen der lebendigen und anschaulichen Beschreibung—es handelt sich folglich um eine sehr weite Definition (vgl. Klarer, 2001: 5). Das älteste Ekphrasis-Beispiel findet sich im 1. Jahrhundert v.Chr. bei Theon und gibt Aufschluss über die Definition, Verwendung und Charakteristika von Ekphrasen in der Antike (vgl. Klarer, 2001: 4). Es wird deutlich, dass der Begriff Ekphrasis in der Antike nicht im Sinne von Kunstwerkbeschreibungen verwendet wurde, sondern die Art des Beschreibungsgegenstandes beliebig war (vgl. Irisgler, 2012: 39). Bezeichnenderweise nennt Theon als Beschreibungsobjekte von Ekphrasen Lebewesen, Geschehnisse, Orte und Zeiten (vgl. Theon, In: Graf, 1995: 144); Kunstgegenstände werden nicht erwähnt. Verwendung fand die Ekphrasis vor allem im Übungsbereich für angehende Rhetoren, denn die Beschreibungen waren gedacht zur Erlernung von elementaren Rhetorikfähigkeiten (vgl. Graf, 1995: 144). Dabei war die Funktion häufig nicht eine „erzählerische Pause“ (Irsigler, 2012: 40), sondern sie bereicherte die Gesamterzählung durch Detailreichtum und Lebendigkeit (vgl. Irisgler, 2012: 40). Des Weiteren ist der Begriff eng mit dem Begriff der enargeia, einem Leitbegriff der antiken Rhetorik, verbunden (vgl. Boehm, 1995: 35). Unter enargeia versteht man Klarheit, Deutlichkeit und Anschaulichkeit (vgl. Boehm, 1995: 35), es ist „die Kraft des Textes, visuelle Bilder zu schaffen“ (Graf, 1995: 145). Dabei stellt sich die Verbindung der enargeia mit der Ekphrasis wie folgt dar: „Man setzt Anschaulichkeit als besonderes Merkmal der Ekphrasis an, weil sie sich vor allem dadurch vom Bericht unterscheidet—dieser enthält nämlich eine bloße Darstellung des Objekts, jene versucht die Hörer zu Zuschauern zu machen.“ (Nikolaos von Myra, In: Graf, 1995: 145). Mit dieser Beschreibung wird auch schon auf eine weitere wichtige Komponente der Ekphrasis hingewiesen: die deixis, oder Zeigefähigkeit der Sprache (vgl. Irsigler, 2012: 40). „Im Zeigen konvergiert die bildgebende Leistung der Sprache mit der ursprünglichen Leistung des Bildes“ (Boehm, 1995: 35) und durch die durch das Zeigen erreichte Anschaulichkeit verbindet es sich mit dem Begriff der enargeia (vgl. Boehm, 1995: 39).

Im Kontrast zu der oben ausgeführten weiten Definition der Ekphrasis als anschauliche Beschreibung jeglicher Objekte in der antiken Rhetorik, begrenzt die moderne Forschung den Begriff häufig auf eine enge Definition. Diese umfasst ausschließlich die verbale Beschreibung eines visuellen Objekts (vgl. Irsigler, 2012: 41). Meist zitiert ist W.T.J. Mitchells knappe, einprägsame Definition der Ekphrasis als „verbal representation of visual representation“ (In: Irisgler, 2012: 41). In der Literaturwissenschaft werden Ekphrasen somit als „verbale Beschreibungen eines visuellen, abbildenden Kunstwerks“ (Irsigler, 2012: 41), die oft im Rahmen eines narrativen Kontextes stehen, definiert. Damit verbunden sind Überlegungen zur Repräsentationstheorie: Ekphrasis beinhaltet eine „doppelte Abbildungsstruktur“ (Klarer, 2001: 1), indem sie bereits Repräsentiertes (ein Kunstwerk) in ein anderes Medium (Sprache/Literatur) überträgt und somit noch einmal repräsentiert (vgl. Klarer, 2001: 19). Mitunter lässt sich sogar noch eine weitere Repräsentationsebene hinzufügen: Bilder sind oft selbst schon „ikonographische Übersetzungen anderer poetischer Texte“ (Wandhoff, 2003: 10), d.h. sie basieren auf verbalen Repräsentationen. Damit ergibt sich eine dreifache Repräsentationsstruktur, in der verbal Repräsentiertes (Ausgangsebene) visuell repräsentiert wird, was dann wiederum verbal repräsentiert wird, sodass man am Ende wieder zum Ausgangsmedium zurückkehrt.

Einer der interessantesten Aspekte der Ekphrasis in seiner engen Definition ist dessen Fähigkeit „Schrift und Bild, Literatur und Malerei, verbale […] und visuelle […] Repräsentation“ (Wandhoff, 2003: 1) miteinander zu verknüpfen. Die Beschäftigung mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Medien Kunst und Literatur, datiert sich zurück bis in die Antike. Besonders bekannt ist hier Horaz‘ Aussage „ut pictura poesis“, die bedeutet, dass die Literatur eine redende Malerei ist und die Malerei eine redende Dichtung (vgl. Wandhoff, 2003: 4). Im Gegensatz dazu, wird die Beziehung von Kunst und Literatur auch oft als antithetisch charakterisiert: „Bilder sind im Gegensatz zu Texten syntaktisch und semantisch dicht, d.h. zwischen zwei Bildelementen […] ist immer noch eine Zwischenstufe möglich; weiterhin differenzieren sie durch ihren hohen Grad an Ikonizität, welcher bei Texten nur in geringen Abstufungen […] gegeben sein kann“ (Irsigler, 2012: 33). Durch diese antithetische Relation der beiden Disziplinen, vollzieht sich in der Ekphrasis die Begegnung des ‚Selbst‘ mit seinem ‚Anderen‘ (vgl. Wandhoff, 2003: 7). Aus diesem Grund bezeichnet Kofman die Ekphrase als paradox, weil die allgemeinste Definition von Malerei beinhaltet, dass sie „die Dinge den Wörtern, den Menschen das Wort entzieh[t]“ (In Irsigler, 2012: 1). Damit lässt sich auch einer der wichtigsten Aspekte der Ekphrase festlegen und erklären: Selbst die ausführlichste Ekphrase kann nie das gesamte Kunstwerk, mit all seinen sinnlichen Eindrücken auf den Betrachter, beschreiben; es bleibt immer ein „unbeschreibbarer Rest“ übrig (Irsigler, 2012: 36).

Die erste Verwendung der engen Definition findet sich im 3. Jahrhundert n.Chr. bei Philostratus dem Jüngeren (vgl. Klarer, 2001: 5). Trotzdem kennen auch schon frühere Autoren die Kunstwerkbeschreibung, ohne sie als Ekphrasis zu bezeichnen bzw. ohne einen Unterschied zwischen einer engen und weiten Definition vorzunehmen. Die ersten überlieferten Beispiele stammen aus Homers Epos Ilias und beziehen sich auf die Schildbeschreibung des Achilleus (vgl. Klarer, 2001: 9). Weitere wichtige Ekphrasen der Antike finden sich z.B. in Vergils Aeneis, die zusammen mit Homers Ekphrasen als klassische Vorbilder für mittelalterliche Ekphrasen dienen (vgl. Klarer, 2001: 9). Seitdem lassen sich Ekphrasen in Texten jeder Epoche nachweisen und analysieren (vgl. Irsigler, 2012: 41), jedoch lassen sich erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts überhaupt wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit diesem Thema finden, die Ekphrasen meistens aus einer kunstgeschichtlichen Perspektive betrachten (vgl. Wandhoff, 2003: 2). In den 1950er Jahren finden sich einige Pioneer-Studien von Leo Spitzer und Jean Hagstrum, während erst seit Ende der 1980er Jahre im angloamerikanische Raum, und etwa ein Jahrzehnt später im deutschen Sprachraum, von einer wirklichen Zunahme der Ekphrasis-Studien gesprochen werden kann (vgl. Wandhoff, 2003: 2).

2.2 Fontane und die Kunst

Vielfach bemerken Fontanes Kritiker sein ausgeprägtes Interesse an der Kunst, was sich nicht nur in seinen Kunstberichten niederschlägt, sondern auch Einzug in seine literarische Produktion hält. Trotzdem hat Fontane keinen Künstlerroman geschrieben, denn ihn interessierte weniger die Künstlerpsychologie, die Arbeit an der Kunst an sich, als die „Profilierung menschlicher Situationen“ (Schwan, 1985: 159) und die Reaktion darauf, sodass seine Romane als Gesellschaftsromane gelten können, in denen der Umgang mit der Kunst ein, wenn auch nicht immer zentrales, so doch stets wichtiges, aussagekräftiges und interessantes Thema darstellt (vgl. Schwan, 1985: 159).

Fontanes Auseinandersetzungen mit der Kunst

Angeregt durch seine Bekanntschaften mit Künstlern und Kunstkritikern aus verschiedenen Vereinigungen (z.B. „Tunnel über der Spree“), wurde Fontanes Interesse an der Kunst bereits in seiner Jugendzeit geweckt (vgl. Jung, 1991: 10). Daraus resultierte unter anderem, dass sich seine journalistische Tätigkeit durchaus häufig auf das Themenfeld der Kunst konzentrierte. Als Beispiel dafür dienen seine Ausstellungs- und Kunstberichte, die er zwischen 1852 und 1878 für verschiedene Berliner Zeitungen verfasste, und seine Tagebuchnotizen zu Kunstwerken und Ausstellungen während seiner beiden Italienreisen (1874, 1875) (vgl. Irsigler, 2012: 76). Dabei liegt sein Augenmerk weniger auf den kunsthistorischen oder kunsttechnischen Aspekten, sondern auf den Inhalten und den beim Betrachter hervorgerufenen Emotionen und Effekten, was wohl vor allem daran liegt, dass hier eine Parallele zur schriftstellerischen Tätigkeit vorliegt (vgl. Wüsten, 1978: 191). Daher ist es kaum verwunderlich, dass Fontanes Kunstkritiken z.T. seine Auffassungen zum und Forderungen an den Realismus in der Literatur widerspiegeln: Er fordert von der Kunst „Echtheit und Wahrheit“ (Wüsten, 1978: 181), eine Kunst „die den Stoff der Wirklichkeit des Lebens entnimmt“ (Wüsten, 1978: 177) aber unter Verzicht auf die—ihm auch im Realismus verhasste—ausschließliche Darstellung „seines Elends und seiner Schattenseiten“ (Wüsten, 1978: 177). Noch weniger verwunderlich ist es daher, dass Fontane die Kunst auch in seine literarischen Werke integriert und Céciles Aussage „Bilder und immer wieder Bilder“ auch für Fontanes Romanwerk zutreffend ist (In: Hoffmann, 2011: 198), denn in nahezu allen seiner Romane und Erzählungen werden Kunstwerke erwähnt und das selten nur einmal (vgl. Schwan, 1985: 153). Dabei lässt sich auch hier feststellen, dass den Romanen kunsthistorische und kunsttechnische Erläuterungen fehlen und sogar Bildbeschreibungen an sich oftmals zu einem Minimum reduziert oder gar nicht vorhanden sind (vgl. Irsigler, 2012: 79). Ekphrasen in Fontanes Werken beziehen sich meistens auf die Bildwirkung, sie dienen nicht einer Erzeugung von bewusster Bildlichkeit oder einer Literarischen Verdopplung des Kunstwerks (vgl. Irsigler, 2012: 79). Im Gegensatz dazu, erhalten sie oft präfigurative Funktionen im komplexen und umfangreichen Anspielungsnetzwerk des Romans (vgl. Irsigler 2012: 80) und stehen in vielfältigen Beziehungen zu Figuren und Handlungselementen im Roman sowie sie oftmals auch eine Gesellschaftskritik enthalten (vgl. Jung, 1991: 6). Zusammenfassend, erfasst Manfred Keune drei Hauptfunktionen des Bildmotivs in Fontanes Erzählwerke: 1. Es kann als bloßes Requisit dienen und somit eine „sozialindikatorische“ Funktion haben; es kann 2. als Handlungsmotivierung oder zur Einführung von thematischen Komplexen dienen; und es kann 3. eine Allegorie darstellen und somit die Problematik der Parallelisierung und Typisierung sowie das Dilemma zwischen gesellschaftlichen Normen und individuellen Ansichten aufwerfen (vgl. Keune, In: Jung, 1991: 9). Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass die Kunstwerke, und vor allem deren Wirkung, überwiegend aus „figurendialogischer Perspektive“ (Irsigler 2012: 80) beschrieben werden, da Fontane sehr stark an der Wirkung des Kunstwerks auf die Figuren interessiert war. Durch die Nutzung des Dialogs, der generell in Fontanes Romanwerk eine wichtige Stellung einnimmt, wird die Möglichkeit eröffnet, unterschiedliche Sichtweise und Interpretationen der Kunstgegenstände einzubringen und damit eine eindeutige Stellungnahme des Autors zurückzuweisen (vgl. Irsigler, 2012: 81). Zusätzlich sind es oft die Kunstwerke, auf die die Figuren unerwartet treffen, die für den Leser mehr Informationen bieten, weil die Figuren in einer spontanen Reaktion „unweigerlich etwas Privates offenbaren“ (Irsigler, 2012: 81).

Die Verwendung von Ekphrasen in L’Adultera

Wendet man sich nun L’Adultera zu, so lässt sich auch hier feststellen, dass der Tintoretto bei weitem nicht das einzige Kunstwerk ist, welches von Fontane in die Novelle integriert wird, denn das Werk ist durch die häufige und vielfältige Benutzung von Ekphrasen charakterisiert. Dabei dient vor allem van der Straatens Charakterisierung als Kunstsammler und seine Kunstleidschaft zur Integration von Ekphrasen. Es lässt sich dabei eine grundlegende Unterscheidung vornehmen: Es gibt einmal solche Gemälde, die als Objekte—als Besitz van der Straatens—im Roman auftauchen, die demzufolge tatsächlich Teil der erzählten Welt sind, während es andererseits solche gibt, die von den Figuren nur im Gespräch erwähnt werden und somit nicht als Objekte im Roman auftauchen.

Zu ersterem zählt der Tintoretto, daneben die „Hochzeit zu Cana“ (Veronese), sowie zwei Fisch-Stillleben, Melanies Porträt und Rubehns Photographie. Diese dienen, abgesehen von Rubehns Photographie, erst einmal als Requisit der Innenraumdarstellung und enthalten somit Aussagen über die Figuren selbst, indem sie Rückschlüsse über den Geschmack und den Charakter der Figuren ermöglichen. So wirkt z.B. van der Straatens Platzierung der „Hochzeit zu Cana“ neben zwei Fisch-Stillleben etwas sonderbar und kann als Unsicherheit im Geschmack gedeutet werden (vgl. Fontane, 1983: 22f.). Darüber hinaus erhalten die Kopien berühmter Kunstwerk, wie der Tintoretto und Veroneses Gemälde, eine „sozialindikatorische Funktionen“ (Jung, 1991: 81), da sie als Zeichen des Wohlstands des aufstrebenden Bürgertums im 19. Jahrhundert galten (vgl. Jung, 1991: 85). In L’Adultera zeigt van der Straatens Kunstsammlerschaft demnach seinen Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung an. Daneben erhält noch das Gemälde die „Hochzeit zu Cana“, die wie der Tintoretto eine Darstellung einer biblischen Szene ist, eine besondere Bedeutung. Sie zeigt die Eheschließung durch Christus und dient als eine Art „Predigt“ für Melanie, in dem ihr die ‚Heiligkeit‘ der Ehe jedes Mal vor Augen geführt wird, wenn sie das Zimmer verlässt (vgl. Jung, 1991: 94).

Die zweite Kategorie enthält u.a. verschiedene Madonnen-Gemälde (von Murillo und Tizian), Tizians Ausführungen zur Venus und „Die Mohrenwäsche“ (Karl Begas). Die Einführung dieser Werke in den Roman erfolgt ausschließlich in Form des Gesprächs und sie regen dort zu Diskussionen an, die nur vordergründig mit den Gemälden zu tun haben, auf einer zweiten Ebene aber wichtige Aussagen über die Figuren sowie deren Beziehung zueinander enthalten. Nicht selten werden dabei antithetische Auffassungen der Figuren zur Schau gestellt und gerade van der Straatens z.T. anzügliche Deutungen führen zu heftigen Diskussionen mit anderen Figuren, besonders mit seiner Frau (vgl. Fontane, 1983: 27ff; 62ff.). Gerade das Gemälde „Die Mohrenwäsche“ und van der Straatens generalisierende Aussage über die Frauen verweist wieder auf eine der wichtigen Thematiken des Romans: die Gegenüberstellung von Typisierung und Individualität (vgl. z.B. Hoffmann, 2011: 241ff.).

Zusammenfassend lassen sich die wichtigsten Ekphrasis-Funktionen in L’Adultera in ihrer Funktion als Kommunikationsanlass, als Prestigeobjekt, als Einführung und Verstärkung der im Roman vorhandenen Thematiken und als Charakterisierungsmittel aufzählen. Darüber hinaus erhält der Tintoretto noch weitere Aufgaben im komplexen Erzählgefüge.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung und Funktion des Tintorettos in der Novelle "L’Adultera" von Theodor Fontane
Hochschule
Universität Trier
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
24
Katalognummer
V1000961
ISBN (eBook)
9783346372543
ISBN (Buch)
9783346372550
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fontane, Ehebruch, L'Adultera, Tintoretto, Ekphrasis, Symbolik
Arbeit zitieren
Stephanie Desoye (Autor:in), 2014, Die Bedeutung und Funktion des Tintorettos in der Novelle "L’Adultera" von Theodor Fontane, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000961

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