Die Subprime-Krise in den USA

Ein Produkt mangelhafter Regulierung und inadäquater staatlicher Rahmenbedingungen


Facharbeit (Schule), 2020

27 Seiten, Note: 15.00

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zusammenfassung Subprime-Krise

3. Gründe für die staatliche Eigenheimförderung

4. Anfängliche Entwicklung des US-Häusermarktes

5.1 Staatlich forcierte Entstehung und Förderung des Subprime-Segments bei Banken

5.2 Staatlich induzierte Erleichterung der Kreditaufnahme

5.3 Staatlich forcierte Entstehung und Förderung des Sekundärmarktes für Hypothekenkredite

6. Kontextualisierung und Relativierung

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

9. Abbildungsverzeichnis

10. Anhang

1. Einleitung

Im Kontext der Subprime1 -Krise in den USA ab 2006 ist es weitgehend anerkannt, dass diese eine maßgebliche Schuld an den negativen wirtschaftlichen Entwicklungen in den chronologisch folgenden Jahren trägt2. Diese erreichten ihren Höhepunkt mit der Weltfinanzkrise, wobei bereits der Weg zu dieser von enormen wirtschaftlichen Verwerfungen3 und sogar ganzen Staatspleiten4 geprägt war. Aufgrund dieser global weitreichenden Folgen stellt sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der generellen Aufklärung dieser Krise, aber auch unter dem Aspekt der Prävention neuer Krisen die Frage nach den Ursachen der Subprime-Krise. Aufgrund der Komplexität dieser Krise erweisen sich jedoch singuläre Schuldzuweisungen als unzutreffend und nicht zielführend. Vielmehr stellt sich die Frage, wie schwer die individuelle Teilschuld der einzelnen Krisenverursacher gewichtet wird. Dabei besteht ein gesellschaftlicher Konsens über die prinzipiell beteiligten Akteure, deren individuelle Teilschuld wird jedoch kontrovers diskutiert. Im Fokus dieser Schuldzuweisungen stehen Wirtschaftssubjekte wie Banken und Ratingagenturen5 oder auch deren generelle Profitgier, weshalb die Subprime-Krise oft exemplarisch für eine Pauschalkritik am Kapitalismus genutzt wird.

Die Teilschuld der bereits genannten Akteure kann dabei keinesfalls negiert werden, jedoch wird die Rolle der US-Regierung in Relation zu den anderen Krisenverursachern nur geringfügig beleuchtet. Aus diesem Aspekt heraus befasst sich diese Arbeit mit der Rolle der US-Regierung im Kontext der Subprime-Krise, wobei der Fokus auf die zu dieser Krise führenden Entwicklungen gelegt wird.

In der in Kapitel zwei folgenden Zusammenfassung wird die Subprime-Krise zur besseren Kontextualisierung der folgenden Kapitel grob erläutert, wobei diese Zusammenfassung zusätzlich die Relevanz des Subprime-Segments für die Krisenentstehung aufzeigt. Das dritte Kapitel befasst sich mit den generellen Gründen für die Eigenheimförderung der US-Regierung, woraufhin in Kapitel vier die anfänglichen Entwicklungen auf dem US-Häusermarkt ab 1930 aufgezeigt werden. Das Kapitel fünf setzt sich aus drei Unterkapiteln zusammen und stellt den Hauptteil dieser Arbeit dar. Diese befassen sich mit dem Einfluss der US-Regierung auf das Subprime-Segment bei den Banken (5.1), den Einfluss der US-Regierung hinsichtlich einer Erleichterung der Kreditaufnahme für Schuldner mit geringer Bonität (5.2) und final dem Einfluss der US-Regierung auf den Sekundärmarkt für Hypothekenkredite (5.3). Im darauf folgenden sechsten Kapitel wird die „Schuld“ der Regierung vor dem Hintergrund anderer krisenrelevanter Akteure relativiert, woraufhin in Kapitel sieben das Fazit dieser Arbeit hinsichtlich der Gewichtung der Schuld der US-Regierung bei der Entstehung der Subprime-Krise folgt. In den Kapiteln 8 und 9 befinden sich das Literaturverzeichnis und das Abbildungsverzeichnis, woraufhin in Kapitel 10 der Anhang folgt.

2. Zusammenfassung Subprime-Krise

Die Subprime-Krise in den USA war die Folge massiver kreditinduzierter Fehlallokationen6 von Kapital auf dem US-Immobilienmarkt. Besonders ab dem Jahr 1975 bis hin zur Jahrhundertwende lässt sich eine sukzessive Wertsteigerung bei US-Immobilien beobachten7. In den darauffolgenden Jahren bis 2008 intensivierte sich dieser Wertzuwachs zunehmend, wobei die US-Häuserpreise die vorangegangene Wertsteigerung von 75 Indexpunkten in einem Zeitraum von 25 Jahren, nun in einem Zeitraum von nur acht Jahren wiederholten8. Gespeist wurde die Immobilienpreisblasenbildung durch eine über diesen Zeitraum stark steigende Hypothekenkreditvergabe9, welche die Immobiliennachfrage und damit deren Preis beflügelte. Besonders auffällig waren die Entwicklungen bei der Hypothekenkreditvergabe im risikoreicheren Subprime-Segment, welches sich durch die geringe Bonität der Schuldner auszeichnet. Dieses Segment erlebte seine „Boom-Zeit“ in den Jahren nach der Jahrhundertwende10, wobei eine starke Korrelation zwischen dieser „Boomphase“ im Subprime-Segment und den ab 2000 exzessiv steigenden Häuserpreisen11 besteht. Die fehlende Nachhaltigkeit dieses maßgeblich auf risikobehafteten Krediten basierenden Wachstums äußerte sich in ab 2004 kontinuierlich steigenden Kreditausfallraten bis hin zum Jahr 2006, in dem nahezu jeder fünfte Subprime-Kredit von Zahlungsausfällen betroffen war12. Es kam zu massenhaften Zwangsversteigerungen von Immobilien, wodurch die US-Häuserpreise nach langer Zeit erstmals zu sinken begannen13. Dieser Prozess katalysierte sich zunehmend selbst, da aus Gründen der Risikoaversion selbst „gesunde“ Hypothekenkreditlinien abgeschrieben wurden, wodurch diese Abwärtsdynamik die Immobilienpreisblase zum Platzen brachte.

3. Gründe für die staatliche Eigenheimförderung

Der Besitz eines Eigenheimes ist für viele US-Amerikaner ein signifikanter Bestandteil des American Dream. In einem Land wie Amerika mit, besonders im Vergleich zu Deutschland, geringfügiger sozialer Absicherung14 sowie staatlicher Rentenvorsorge, dient es nicht nur dem Ausdruck von sozialem Prestige, sondern stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Altersvorsorge dar. Zusätzlich wird die aus einem Eigenheim resultierende finanzielle Freiheit von US-Amerikanern mit dem in der Decleration of Independece verankerten Wort „freedom“ assoziiert. Den Weg auf die politische Agenda fand die Eigenheimförderung in den Jahren der Großen Depression (eng. Great Depression) von 1929-193315. Durch Arbeitslosenquoten jenseits der 20 %16 im Jahr 1932, in Kombination mit einer schwach ausgeprägten sozialen Absicherung, endeten viele Amerikaner auf der Straße und lebten unter dem Existenzminimum. Diese Umstände veranlassten die Politik zum Handeln, welche daraufhin die Eigenheimförderung zu einem zentralen „Element der amerikanischen Sozialpolitik17 “ ernannte und fortan dementsprechende Gesetzesinitiativen erließ.

„For the first time, the government would make itself responsible for the people’s welfare 18 .“

Zusätzlich verfolgten einige der von der US-Regierung erlassenen Gesetzesinitiativen im Kontext der Eigenheimförderung das Ziel, Diskriminierungen bei der Kreditvergabe zu verhindern. Da weiterreichende Ausführungen zu diesem Thema den Umfang dieser Arbeit jedoch überschreiten würden, beschränkt sich diese Facharbeit weitestgehend auf die generelle Kreditvergabe im Subprime-Segment, ohne eine weitere Differenzierung innerhalb dieses Segmentes vorzunehmen oder auf den genannten diskriminierenden Charakter dieser Praxis einzugehen.

4. Anfängliche Entwicklung des US-Häusermarktes

In Zuge der Great Depression sank der Anteil der US-Haushalte mit einem eigenen Haus von 47,8% in 1930 bis auf 43,6 % in 194019. Diese Baisse auf dem US-Häusermarkt erreichte 1940 ihren Tiefpunkt, woraufhin in den nächsten 20 Jahren der sogenannte „First Housing Boom“ folgte. Bis 1960 erhöhte sich die Anzahl der US-Haushalte mit einem Eigenheim auf beträchtliche 61,9%20. Ermöglicht wurde diese Entwicklung unter anderem durch eine generell stark erhöhte Hypothekenkreditvergabe, welche sich besonders in der Anzahl der jährlich begonnenen privaten Neubauten äußerte. Diese Anzahl stieg in den Jahren von 1944 bis 1962 mit einer mehr als Verzehnfachung21 binnen dieser 18 Jahre nahezu exponentiell. Die Profiteure dieser Entwicklung waren neben dem Staat, welcher seine sozialpolitischen Ziele erreicht sah, besonders die US-Amerikanische Oberschicht. Die Banken konzentrierten ihre Kreditvergabepraktiken während des First Housing Boom nahezu ausschließlich auf sogenannte Prime-Kredite22, welche sich durch eine hohe Bonität des Kreditnehmers auszeichnen. Da die finanzielle Oberschicht jedoch explizit nicht den Hauptadressat sozialpolitischer Maßnahmen darstellt, begann der Staat besonders ab den 1970-ern die Kreditvergabe im Subprime-Segment zu fördern. Die Ausgestaltung dieser staatlichen Förderung ist der Inhalt der folgenden Kapitel. Dabei finden innerhalb der drei Unterkapitel chronologische Überschneidungen statt, da diese thematisch sortiert sind. Zur besseren chronologischen Übersicht befindet dazu sich im Anhang eine Übersicht23 über die in den Kapiteln 5.1, 5.2 und 5.3 angesprochenen Marktinterventionen.

5.1 Staatlich forcierte Entstehung und Förderung des Subprime-Segments bei Banken

Zur Förderung der Kreditvergabe im in Kapitel 4 genannten Subprime-Segment startete die US-Regierung in den 1970ern eine Regulierungsinitiative, welche unter dem Namen Consumer Protection Regulation24 (CPR) firmierte. Im Zuge dessen wurde 1975 der Home Mortage Disclousure Act25 (HMDA) erlassen, welcher Banken ab einer gewissen Größe zu der Veröffentlichung geschäftsrelevanter Statistiken anhielt. Diese sollten aufzeigen, wie sich das Hypothekenkreditvergabevolumen der Bank über die einzelnen Stadtteile innerhalb des jeweiligen Einzugsgebietes verteilt. Mittels dieser Offenlegungspflicht wollte der Staat die Praktik des Redlinings bei Banken identifizieren, welche sich als ein starkes Hemmnis bei der Kreditvergabe im Subprime Segment erwies. Passend zum HMDA wurde zwei Jahre später der Community Reinvestment Act26 (CRA) erlassen, welcher den Banken gesetzliche Anforderungen bei der Kreditvergabe vorschrieb. Mittels des CRA wurden US-Banken dazu verpflichtet, in sämtlichen Einzugsgebieten Kredite zu vergeben, um die Kreditbedürfnisse aller Bürger zu bedienen27. Zusätzlich wurde es den Banken gesetzlich verboten, die Kreditvergabe von wirtschaftlichen Faktoren, wie der Lage oder dem Zustand des jeweiligen Hauses, abhängig zu machen. Sollten Banken diese gesetzlichen Vorgaben nachweislich nicht erfüllen, was durch die im Rahmen des HMDA veröffentlichen Statistiken kontrolliert werden konnte, waren Klagen sowohl ziviler als auch Sanktionen von politischer Seite per Gesetz legitimiert.

Diese staatlichen Marktinterventionen hatten einen starken Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten der Banken und markieren den Anfang eines Wandels in der Kreditvergabepraxis. Aus der Angst vor möglichen Sanktionen bei einem Verstoß gegen den CRA vergaben Banken Hypothekenkreditlinien an Schuldner, welche sich unter bonitätstechnischen Gesichtspunkten nicht für solch einen Kredit hätten qualifizieren können. Neben dem erhöhten Kreditausfallrisiko einer im Rahmen des CRA vergebenen Kreditlinie mussten die Banken zusätzlich wirtschaftliche Einbußen auf sich nehmen. Aufgrund der in Amerika zu dieser Zeit unter der Regulation Q geltenden Zinsschranken28 für Hypothekenkredite konnten sich die Banken dieses erhöhte Kreditausfallrisiko nicht durch einen adjustierten Zinssatz bepreisen lassen, wodurch die Kredite im Rahmen des CRA eine „lose-lose“ Situation für Banken darstellten.

Dementsprechend stagnierte die Kreditvergabe der Banken im Subprime Segment auf einem geringen Niveau29, da Banken lediglich so viele Subprime-Kredite vergaben, dass sie sich möglichen Sanktionen entziehen konnten. Da mit einer geringen Kreditvergabe das Ziel der Vitalisierung des Subprime-Segments30 noch nicht erreicht war, wurde im Jahr 1980 der Depository Institutions and Monetary Control Act31 (DIAMDC) erlassen. Dieser verfolgte maßgeblich das Ziel, die Kreditvergabe im Subprime-Segment für Banken attraktiver zu gestalten. Dazu schaffte dieser die die Banken bei der Vergabe von Subprime-Krediten wirtschaftlich hemmende Zinsschranke ab. Durch den DIAMDC begann sich das Subprime-Segment zu einem für die Banken nun profitablen Geschäftsfeld zu entwickeln, wodurch die Kreditablehnungsraten im Subprime-Segment stark sanken.

Diese unter sozialpolitischen Gesichtspunkten positiv zu bewertende Entwicklung genügte den Anforderungen der US-Regierung jedoch nicht, was sich explizit in der Novellierung des CRA32 von 1977 äußert. Durch diesen erhöhte sich unter der Präsidentschaft von Bill Clinton der politische Druck auf Banken hin zu einer höheren Kreditvergabe im Subprime-Segment maßgeblich. Während die Bewertung der Hypothekenkreditvergabe der Banken durch die Regierungsbehörden beim CRA von 1977 noch der individuellen Interpretation der Behörden unterlag, wurden mit der Novelle des CRA im Jahr 1995 strenge quantitative Standards festgelegt. Die Erfüllung dieser Vorgaben wurde durch die Bankenaufsicht mittels eines eigens für diesen Zweck entwickelten Rating-Systems bewertet, mit welchem Banken individuelle CRA-Bewertungen33 und damit auch Handlungsanreize erhielten. Neben den verschärften quantitativen Kreditvergabeanforderungen an die Banken im Subprime-Segment wurde der Zivilbevölkerung zudem die Möglichkeit eingeräumt, mit mehreren Bewohnern eines Stadtgebietes eine Sammelklage gegen eine Bank einzureichen, wenn in einem anderen Stadtteil nachweislich mehr Hypothekenkredite vergeben wurden. Diese Chance zur Mitbestimmung bei der Kreditvergabe von Hypothekenkrediten wurde verstärkt von sozialen Organisationen wie der Assoziation of Community Organization for Reform Now (ACORN) genutzt, welche aufgrund ihrer „erweiterten juristischen Möglichkeiten erhebliche Mitspracherechte bei der Vergabe von Krediten erhielten34 “.

Das Resultat dieser nun quantitativen Vorschriften und die strenge juristische Sanktionierung bei Verstößen gegen diese Vorgaben war ein beträchtliches Wachstum im Subprime-Segment. Allein in den Jahren zwischen 1990 bis 1999 wuchs das Gesamtvolumen der Hypothekenkredite im Subprime Segment von 7 Milliarden US-$ auf 150 Milliarden US-$ an35, was einer Multiplizierung des Gesamtvolumens von 1990 mit mehr als dem Faktor 21 entspricht.

Der Preis für dieses weder organische noch nachhaltige Wachstum wurde von dem wirtschaftlichen Prinzip der Bonitätsprüfung bezahlt. Unter dem Druck der Erfüllung nun verbindlicher, quantitativer Vorgaben im Rahmen der Gesetzesnovelle konnten die Banken ihre finanziellen Anforderungen an ihre Kreditnehmer nicht aufrechterhalten und fingen an, diese sukzessiv zu lockern.

„[..], you’d think that the banks came up with the idea of looser underwriting standards on their own, with regulators just asleep on the job. In fact, it was the regulator who relaxed these standards[...] 36 .“

Zusammenfassend hat dieses Kapitel aufgezeigt, wie die US-Regierung mittels mehrerer Gesetzesinitiativen einen Wandel der Kreditvergabepraxis der Banken erzwungen hat. Dabei hat die Regierung einen erheblichen Einfluss auf die Quantität der im Subprime-Segment vergebenen Kredite genommen, wodurch die Qualität der individuellen Kreditlinien zusätzlich stark rückläufig wurde. Dadurch stellte der Staat die Förderung der Kreditvergabe im Subprime-Segment über etablierte wirtschaftliche Kriterien, womit er eigene sozialpolitische Ziele auf Kosten der wirtschaftlichen Prinzipien im Markt agierender Wirtschaftssubjekte erzielte. Im Fokus der Kritik steht dabei der CRA und dessen Novellierung von 1995.

„IF the CRA had not been so aggressively pushed, it is conceivable that things would not be quite as bad 37

5.2 Staatlich induzierte Erleichterung der Kreditaufnahme

Neben der staatlich forcierten Kreditvergabe bei den Banken wollte die US-Regierung zusätzlich die Kreditaufnahme für Darlehensnehmer im Subprime-Segment generell erleichtern. Im Rahmen dieser Überlegungen identifizierte die Regierung unter Ronald Reagan die sogenannte Fixed-Rate-Mortage38 als ein Hemmnis bei der Kreditaufnahme, welche in den Jahren nach der Großen Depression in vielen US-Bundesstaaten zur gesetzlich vorgeschriebenen Norm wurde. Diese charakterisierte sich durch eine verhältnismäßig lange Laufzeit, von meist „30 Jahren mit fester Verzinsung und regelmäßiger Tilgung39 “, und wies dadurch einen eher defensiven, risikoaversen Charakter auf. Dieser erschwerte jedoch die Kreditaufnahme für Schuldner mit geringer Bonität, da sie sich aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht für eine, auf kontinuierlichen und konstanten Zahlungen basierende, Fixed-Rate-Mortage qualifizieren konnten. Da diese risikoregulatorische Vorgabe jedoch im Kontrast zu dem Ziel einer höheren Kreditvergabe im Subprime Segment stand40, erließ Ronald Reagan 1982 den Alternative Mortage Transaction Parity Act (AMTPA)41. Dieser räumte den Kreditgebern neue Kompetenzen bei der Vertragsgestaltung von Hypothekenkrediten ein, indem das Gesetz fortan „[...] variable Zinsen, Ballonzahlungen und negativ amortisierende Kredite [...]42 “ legalisierte. Diese neuen Möglichkeiten erleichterten die Kreditaufnahme für Darlehensnehmer im Subprime-Segment maßgeblich, jedoch musste der Kreditnehmer im Gegenzug gravierende finanzielle Nachteile in Kauf nehmen. So erhöhte sich bei Darlehen mit negativer Amortisierung die ursprüngliche Kreditschuld des Kreditnehmers sukzessiv, da dieser in den ersten Jahren lediglich die anfallenden Zinsen bezahlen muss und somit nicht zur Tilgung der eigentlichen Kreditschuld beisteuert. Die Möglichkeit von Ballonzahlungen erlaubte Schuldnern zudem eine Erhöhung des Kreditvolumens über den, für ihn in einem bestimmten Zeitraum monatlich finanzierbaren Betrag, indem er sich zu einer großen Sonderzahlung kurz vor dem Auslaufen der Kreditlinie verpflichtete. Die Kombination von negativ amortisierenden Krediten und Ballonzahlungen führte in Folge dessen zu einer starken Überschuldung des jeweiligen Kreditnehmers, da das Vertragsvolumen die finanziellen Rückzahlungsmöglichkeiten weit überstieg. Durch die Möglichkeit der variablen Verzinsung konnten die Banken zusätzlich das Zinsänderungsrisiko an die Kreditnehmer abwälzen, wodurch bei diesen eine gefährliche Abhängigkeit gegenüber dem Leitzins, bzw. dem Libor entstand.

Weitergehend erleichtert wurde die Kreditaufnahme unter der Regierung von George W. Bush (2000-2008). Dieser identifizierte zusätzlich hohe Anzahlungsraten bei Hypothekenkrediten als mit den Hauptgrund dafür, weshalb viele Familien vor der Kreditaufnahme zurückschreckten43. Diese waren in der Vertragsgestaltung jedoch weitgehend etabliert, weshalb die US-Regierung diese vertragliche Hürde durch gezielte Fördergelder umgehen wollte. Mit dem American Dream Downpayment Act44 (ADDA) von 2003 stellte die Regierung Gelder in Höhe von 200 Millionen US-$ jährlich an Kreditnehmer zur Verfügung, um damit die Anzahlung für deren Hypothekenkredit zu übernehmen. Zusätzlich motivierte George W. Bush die US-Amerikanische Bevölkerung in diversen Reden zu der Aufnahme von Hypothekenkrediten45, woraus eine generell steigende Nachfrage nach Subprime-Krediten resultierte. Diese äußert sich unter anderem in einer „Vervierfachung des Subprime-Kreditvolumens von 160 auf 600 Mrd. US-$46 “ in den Jahren von 2001-2006.

Zusammenfassend haben die sozialpolitisch motivierten staatlichen Interventionen in die Vertragsgestaltung von Hypothekenkrediten und die gezielten Fördergelder des ADDA weitrechende Folgen für das Supbrime-Segment gehabt. So hat die Regierung durch die Erleichterung der Kreditaufnahme sowohl einen maßgeblichen Einfluss auf die Anzahl der vergebenen Subprime-Kredite genommen, als auch auf das Kreditvolumina einzelner Subprime-Kredite und damit auf das gesamte Hypothekenkreditvolumen im Subprime-Segment. Zudem setzte die Regierung mit dem AMTPA den Grundstein für die im Subprime-Segment geläufige Vertragsgestaltung der variablen Verzinsung, welche besonders ab dem Jahr 2004 zu simultan mit dem Leitzins47 steigenden Kreditausfallraten führte.

5.3 Staatlich forcierte Entstehung und Förderung des Sekundärmarktes für Hypothekenkredite

Bei Betrachtung der in Kapitel 5.1 angeführten Zahlen bezüglich des Wachstums des Gesamtvolumens von Hypothekenkrediten im Subprime-Segment zwischen 1990 und 1999 von 7 Mrd. US-$ auf 150 Mrd. US-$ eröffnet sich für jemanden, der mit dem Bankensektor vertraut ist, eine simple aber dennoch äußerst prägnante Frage: Wie waren die Banken zu jener Zeit, entgegen regulatorischer Eigenkapitalanforderungen,48 in der Lage, derart viele neue Kredite zu vergeben? Besonders, da Hypothekenkredite eine typisch lange Laufzeit aufweisen und dementsprechend lange das hinterlegungspflichtige Eigenkapital der Bank binden. Die Antwort auf diese Frage findet sich unter anderem in dem Phänomen der Verbriefung und Veräußerung von Hypothekenkrediten auf dem Sekundärmarkt, wobei die Etablierung dieser Praxis maßgeblich durch die Regierung erfolgte, welche diese zusätzlich über Jahrzehnte hinweg sukzessiv förderte.

Die staatliche Etablierung eines Sekundärmarktes für Hypothekenkredite erfolgte bereits 1938 mit der Gründung der Federal National Mortage Accossiation49 (FNMA, ugs. Fannie Mae). Fannie Mae’s Geschäftspraxis bestand in dem Ankaufen staatlich versicherter Hypothekenkreditlinien von Banken, um diese bis zu deren Fälligkeit in ihrer Bilanz zu halten. Durch den Kauf solch einer Kreditlinie fügte Fannie Mae den Banken über die Schaffung eines Sekundärmarktes für Hypothekenkredite frisches Eigenkapital zu, mit welchem die Banken neue Kredite vergeben konnten. Dabei übernahm sie mit dem Erwerb dieser Kreditlinie sowohl das Kreditausfallrisiko als auch das Zinsänderungsrisiko, welches bis zur Einführung des AMTPA in jedem Fall bei dem Forderungshalter der Kreditlinie verblieb. Diese Geschäftspraxis verfolgte Fannie Mae bis zu dessen Privatisierung unter fortlaufender staatlicher Weisung gegen Ende der 1960-er Jahre, wodurch sie eine leichte Erhöhung der Hypothekenkreditvergabe in den Jahrzehnten zuvor erzielte. Im Rahmen dieser Privatisierung von 1968 wurde ein Teil der Aufgaben von Fannie Mae an die Gouvernmental National Mortage Accossiation (GNMA, ugs. Ginnie Mae) abgegeben50, welche offiziell den Titel einer Regierungsbehörde trägt. Im Jahr 1970 wurde zusätzlich die unter staatlicher Weisung stehende Federal Home Mortage Corporation (FHMC, ugs. Freddie Mac) mit der expliziten Aufgabe gegründet, einen „[…] Sekundärmarkt für konventionelle Hypothekenkredite51 […]“ zu beleben. Dieses Mandat, welches über den Ankauf staatlich versicherter Hypothekenkredite hinaus geht, würde im selben Jahr auch auf Finnie Mae und Ginnie Mae übertragen. Durch diese drei Organisationen hatte die Regierung einen „[…] erheblichen Einfluss auf den Sekundärmarkt52 […]“ für Hypothekenkredite, welcher zuvor maßgeblich durch diese drei Institutionen ins Leben gerufen wurde. Die Vitalisierung dieses Sekundärmarktes erfolgte jedoch erst mit der 1970 entstandenen Finanzinnovation der Verbriefung53.

Bei dieser stellt der Emittent der Wertpapiere (sog. Originator) entweder aus seinem eigenem Hypothekenkreditportfolio oder durch den Erwerb derartiger Kreditlinien von Primärkreditgebern einen Pool von Hypothekenkrediten zusammen. Dieser Pool wird daraufhin vom Originator gebündelt und in handelbare Wertpapiere umgewandelt, welche von diesem (gewinnbringend) auf dem Kapitalmarkt veräußert werden können.

Als erste der drei Organisationen nahm sich Ginnie Mae 1970 mit dem pass-through Programm dieser Finanzinnovation an, wobei sie jedoch nicht selber als Originator auftrat, sondern lediglich „[…] die vollständige und termingerechte Auszahlung der Zinsen und des eingesetzten Kapitals54 […]“ garantierte. Allerdings handelte es sich bei diesen Wertpapieren nicht um true-sale Verbriefungen, da die Kreditlinie weiter in der Bilanz des Emittenten verbleibt. Diese Praxis verfolgt Ginnie Mae bis heute, wobei sich jedoch nur staatlich versicherte Kreditlinien für das pass-through Programm qualifizieren können. Die im Rahmen dieses Programms vergebenen Wertpapiere zeichneten sich dabei durch ein für den Käufer äußerst geringes Risiko aus. Dieses rührt daher, dass, bevor der Ausfall einer Kreditlinie negative Auswirkungen auf den Besitzer der Wertpapiere hat, etliche Sicherheiten greifen:

-die Verpfändung der Immobilie der jeweiligen Kreditlinie zur Tilgung der Restschuld (Eigenkapital des Kreditnehmers)
-die staatliche Versicherung durch Institutionen wie die FHA und VA55
-die Garantie von Ginnie Mae, welche aufgrund des Status von GNMA als Regierungsbehörde einer Staatsgarantie entspricht56

[...]


1 Der Begriff Subprime bezieht sich auf ein Segment des US-amerikanischen Kreditmarktes, in welchem die Darlehensnehmer eine geringe bzw. mangelhafte Bonität aufweisen.

2 Vgl. S. Hähnel, Die Finanzkrise 2007-2000:Ein nicht intendiertes Resultat unangemessener institutioneller Rahmenbedingungen, Bayreuth:Verlag für Ökonomie,Management und Politikberatung, 2016. S.1.

3 Vgl. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Würtenberg, Finanz- und Wirtschaftskrise vor 10 Jahren, 2009.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 20.10.2020).

4 Vgl. C. Ferguson, Inside Job, USA: Sony Pictures Classic, 2011.

5

6 Eine Fehlallokation liegt vor, wenn aus der Verteilung von Kapital nicht der volkswirtschaftlich wünschenswerteste Nutzen resultiert.

7 Hier und im Folgenden: Siehe Anhang: Abb. 1.

8

9 Siehe Anhang: Abb. 2.

10 Siehe Anhang: Abb. 3.

11 Siehe Anhang: Abb. 1.

12 Vgl. S. Hähnel, 2016, S. 212.

13 Siehe Anhang: Abb. 1.

14 Vgl. A. Kahle, Sozialstaatlichkeit im Vergleich: Gegenüberstellung der sozialstaatlichen Aspekte in den USA und der Bundesrepublik Deutschland, Studienarbeit, 2005. S.5ff.

15 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.128.

16 Vgl. Statista Research Department, Historische Arbeitslosenquote in den USA in den Jahren 1919 bis 1980,2020.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 13.10.2020).

17 S. Hähnel, 2016, S.5.

18 P. Clemens, Prosperity, Depression and the New Deal – The USA 1890-1954,London: Hodder Education Publishers, 2008.

19 Siehe Anhang: Abb.4.

20 Siege Anhang: Abb.4.

21 Siehe Anhang: Abb.5.

22 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.131.

23 Siehe Anhang: Abb. 9

24 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.132.

25 Vgl. Consumer Financial Protection Bureau, Mortage Data (HMDA), Kein Datum. (Link siehe Literaturverzeichnis)/ (Zugriff am 12.10.2020).

26 Vgl. Board of Gouvernors of the Federal Reserve System, Community Reinvestment Act(CRA), 2020.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 28.09.2020).

27 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.133.

28 Vgl. R. A. Gilbert, Requiem for Regulation Q: What It Did and Why It Passed Away, 1986. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 23.10.2020).

29 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.134.

30 Vgl. R. Sommer, Die Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten, 2012. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 12.10.2020).

31 Vgl. Federal Deposit Insurance Corporation, FDIC Law, Regulations, Realated Acts, 2014. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 12.10.2020).

32 Vgl. R. E. Gropp, V. Saadi, Gute Absicht-Böses Ende:Die Us-Wohnungspolitik als Brandbeschleuniger der Weltfinanzkrise, 2019. (Link siehe Literaturvezeichnis) / (Zugriff am 12.10.2020).

33 Siehe Anhang: Abb. 6.1, 6.2.

34 S. Hähnel, 2016, S.204.

35 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.204.

36 S. J. Liebowitz, The Real Scandal: How Feds Invited the Mortage Mess, 2008. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 10.12.2020).

37 R. Gordon, Did Liberals Cause the Sub-Prime Crisis?,2008.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 20.10.2020).

38 Vgl. S. Hähnel, 2016, S.128.

39 S. Hähnel, 2016, S.128.

40 Vgl. United States Government, Chapter 39- Alternative Mortage Transactions, §3801. a. 1, Kein Datum. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 13.10.2020).

41 Vgl. J. Birger, How Congress helped create the supbrime mess, 2008.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 13.10.2020).

42 S.Hähnel, 2016, S.135.

43 Vgl. G. W. Bush, Remarks by the President at Signing of the American Dream Downpayment Act, 2003.(Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 20.10.2020).

44 Vgl. B. Badek, Prof. Dr. T. Ngyuen, Ursachen der Immobilienkrise in den USA, 2010. (Link siehe Literaturverzeichnis) / (Zugriff am 12.10.2020).

45 Vgl. G. W. Bush, 2003.

46 S. Hähnel, 2016, S.208.

47 Siehe Anhang: Abb. 7.

48 Bei der Vergabe von Krediten müssen Primärkreditgeber wie Banken aufgrund von risikoregulatorischen Vorschriften einen bestimmten Prozentsatz des Kreditvolumens als Eigenkapital vorhalten.

49 Vgl. B. Badek, Prof. Dr. T. Nguyen, 2010.

50 Vgl. B. Badek, Prof. Dr. T. Nguyen, 2010.

51 Hier und im Folgenden: S. Hähnel, 2016, S. 147.

52

53 Verbriefung beschreibt die Umwandlung Cash-Flow erzeugender, aber ansonsten illiquider Assets (in diesem Kontext Hypothekenkreditforderungen) in handelbare Wertpapiere, auch Asset Backed Securities (ABS) genannt.

54 S. Hähnel, 2016, S.149.

55 Die Federal Housing Administration (FHA) und die Veterans Administration (VA) sind staatliche Versicherungsgeber im Prime Segment.

56 Vgl. B. Badek, Prof. Dr. T. Nguyen, 2010.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Subprime-Krise in den USA
Untertitel
Ein Produkt mangelhafter Regulierung und inadäquater staatlicher Rahmenbedingungen
Note
15.00
Jahr
2020
Seiten
27
Katalognummer
V991293
ISBN (eBook)
9783346363251
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Subprime-Krise, Deregulierung, Finanzkrise, Staatliche Rahmenbedingungen
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Die Subprime-Krise in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991293

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