Das Motiv des Wanderns bei Eichendorff. Eine Analyse anhand verschiedener Textbeispiele


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Romantik und das Motiv des Wanderns

3. Wandern bei Eichendorff
3.1 Zwielicht
3.2 Die frische Fahrt
3.3 Der frohe Wandersmann
3.4 Aus dem Leben eines Taugenichts

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Joseph von Eichendorff gilt als „der letzte Ritter der Romantik, dessen Gedichte, Erzählungen und Romane Dokumente einer Epoche sind, die mit ihm endgültig endete.“1

Benno von Wiese spricht in seinem Buch „Deutsche Dichter der Romantik“ davon, dass bedeutende Schriftsteller, wie Heinrich Heine, Max Kommerell, Thomas Mann und Hugo von Hofmannsthal Eichendorff bewundert, von ihm gelernt und sich für ihn eingesetzt haben.2 „Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemüte“3, so beschreibt der Taugenichts seinen Reiseantritt und schickt die Botschaft für die gesamte Novelle voraus und ebenso positiv wird Eichendorffs Beitrag zur Epoche der Romantik empfunden.

Neben der Begriffsklärung der Romantik und wie sich das Motiv des Wanderns verhält, liegt der Fokus dieser Arbeit auf der Wanderlyrik Eichendorffs: Anhand von einigen Gedichten und an der Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ sollen die vielen Facetten von Eichendorffs Wanderlyrik aufgezeigt werden und damit der Beitrag zur Epoche der Romantik sichtbar gemacht werden.

Neben Literatur von Erika und Ernst von Borries wurde auch Literatur von Hans Jürg Lüthi, Heinrich Bosse und Anderer hinzugezogen, um nicht nur meinerseits eine subjektive Analyse und Interpretation zu liefern und anhand der Literatur diese zu unterstützen, sondern vor allem durch die Querschnittanalyse die Bedeutungen für die deutsche Literatur des 19. Und 20. Jahrhunderts herauszustellen.

2. Die Romantik und das Motiv des Wanderns

Die Epoche der Romantik wird auf den Zeitraum von etwa 1790 bis etwa 18404 datiert und bezeichnet Gedichte und Literatur, „an denen Merkmale des Wunderbaren, Phantasievollen und Unendlichen einen Abstand zum Alltäglichen einerseits und zu klassizistischen Ordnungen […] andererseits“5 zu finden sind.

Die „Poetik der Imagination und des Phantastischen“6 konstruierten neben Eichendorff auch Tieck, Brentano, Novalis, Hoffmann und Andere und zählen damit bis heute zu den wichtigsten Vertretern der Romantik. Typische Motive der Romantik sind die Sehnsucht, das Reisen und Wandern, das Fernweh, die Natur, die Jahreszeiten, die Verherrlichung des Mittelalters, die Nacht, die Ironie, Fabelwesen und die Kritik an der Gesellschaft bzw. an bestimmten gesellschaftlichen Schichten.

Das Motiv des Wanderns, was im 18. Jahrhundert in der Literatur eine Modernisierung darstellt, soll vor allem die jungen Menschen dazu anregen, auf Reisen „ihre eigene Jugend, die Freiheit und Bewegungsfreiheit vor den Bindungen des Erwachsenseins“7 zu erfahren. Zu vormodernen Zeiten waren die Ortskenntnisse an die bekannten Orte gebunden und Bildungsreisen nicht unüblich, wobei die Reisen aufgrund des Standes unterschieden. So reisten Adlige mit der Kutsche, während Bürgerliche oftmals zu Fuß die Welt bereisten.8 So finden sich auch die Gründe, weshalb Reisen angetreten wurden: Auf der Suche nach einem neuen Abenteuer, nach dem Unbekannten, und aus Sehnsucht oder Fernweh nach einem bestimmten Ort, den man schon bereist hatte oder von dem man erzählt bekommen hatte oder von dem man gelesen hatte.

Nicht anders ist auch das Wander- und Reisemotiv in der Romantik zu erklären: Die Suche und Sehnsucht nach dem Abenteuer, wie etwa bei Eichendorffs Taugenichts, führt den Protagonisten auf Wanderschaft. Dabei ist der Reisende der Natur in ihrem unberührten Zustand am nächsten und es herrschen keine sozialen Unterschiede.9 Dabei liegt der Hauptaugenmerk nicht nur auf der Reise selbst, sondern auch auf der Schönheit der Natur, den Erlebnissen, aber auch auf der Düsterheit, dem Alleinsein. Der Reisende wächst an seiner Reise, reift in seinem Sein und ist am Ende der Reise sein vollkommenes Selbst.

Eichendorff wählte sehr oft das Motiv des Wanderns und stellte damit einen Gegensatz zu seinem eigenen Leben10 und zur gesellschaftlichen Ordnung dar.

Die Motive in der Romantik wurden als Kontrast zum eigenen Leben gewählt, um zu flüchten, sich eine neue Traumwelt zu erschaffen und auf diese Weise eigene Sehnsüchte wahrnehmen zu können. Zu erwähnen ist noch, dass viele Gedichte zum Thema Wandern an Lieder erinnern durch ihre Reimform oder Komposition, weshalb auch von Wanderliedern die Rede ist. Auf diese Weise hat Eichendorff eine Vielzahl „seiner Werke komponiert“11.

3. Wandern bei Eichendorff

Joseph von Eichendorff wurde 1788 auf Schloss Lubowitz in Schlesien geboren, das seiner Familie gehörte, studiere Jura in Heidelberg und Wien, reiste, nahm an den Freiheitskriegen teil, leistete seinen Referendariatsdienst, arbeitete in Danzig und Berlin und starb 1857.12 Wie die Reisen in seinem Leben, so findet sich das Motiv des Wanderns in seiner Lyrik: Ob es der Taugenichts ist, der auf Reisen geht, um sein Glück zu finden, oder Gedichte, die die Thematik des Wanderns aufgreifen, „Eichendorff habe in seiner Dichtung das beschrieben, was er nicht leben konnte – und tatsächlich hat man deren Kraft nicht selten aus dem Kontrast zur eigenen Wirklichkeit Eichendorffs erklärt.“13

Motive des Abschieds, der Reise, der Wanderung und des Gedenkens sowie die Themen der Natur, Liebe und Heimat sind zentrale Leitthemen in Eichendorffs Werken.14

Im Folgenden werden ausgewählte Gedichte kurz analysiert und interpretiert, um die Motive der Romantik und die Umsetzung durch Eichendorff aufzuzeigen.

Abgeschlossen wird die Querschnittanalyse mit Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“, was als Beispiel an Wanderlyrik für die Spätromantik gesehen wird.

3.1 Zwielicht

Das Gedicht „Zwielicht“, das Eichendorff 1815 verfasste, lässt sich sowohl der Naturlyrik als auch der Wanderlyrik zuschreiben. Das Gedicht, das Teil von Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart“ ist, thematisiert die Dämmerung und die mit ihr wachsende Bedrohung für Mensch und Tier. Es hat vier Strophen mit jeweils vier Versen, wobei der erste und der letzte Vers jeweils die beiden mittleren Verse, die einen Paarreim bilden, durch einen umarmenden Reim einrahmen. Nur in der ersten Strophe handelt es sich bei dem umarmenden Reim um einen unsauberen Reim. Bei dem Versmaß handelt es sich durchgehend gleichmäßigen vierhebigen Trochäus und das gesamte Gedicht wurde im Präsens verfasst. Zudem ist auffällig, dass die erste Strophe mit einer Frage endet und die letzte Strophe eine Mahnung an den Leser darstellt.

Die erste Strophe beschreibt die sich verändernde Natur, die durch die Dämmerung, die wie ein Vogel mit ihren Flügeln über die Natur zieht, verursacht wird. „Schaurig“ (St. 1, V. 2) und „wie schwere Träume“ (St. 1, V. 3) beschreiben eine düstere Stimmung, in der „die Wolken schwer wie Alpträume“15 sind und an den Leser die Frage nach der Bedeutung des Grauen gestellt wird. Die zweite Strophe warnt davor, dass ein Reh von Jägern geschossen werden könnte. Der Leser wird im ersten Vers direkt mit „du“ angesprochen und davor gewarnt, dass er sein Reh nicht allein grasen lassen sollte (St. 2, V.2), da Jäger durch den Wald ziehen (St. 2, V.3) und man Stimmen wandern höre (St. 2, V. 4). Das Wandern wird hier in die Umgebungskulisse aufgenommen, um die Gefahr, die das Tier umgibt, zu untermauern. Die dritte Strophe geht einen Schritt weiter als die zweite und warnt den Leser nicht mehr vor der Umgebung für das liebgewonnene Tier, sondern vor den Menschen, denen zur Stunden der Dämmerung nicht mehr zu trauen sei (St. 3, V. 1-2), da dieser „Krieg im tück´schen Frieden“ (St. 3, V.4) suche. Die vierte und letzte Strophe befasst sich mit dem Ende der Dämmerung, der Nacht und der Warnung, dass nicht jeder Morgen als Neuanfang zu sehen ist (St. 4, V. 3). Abgeschlossen wird die Strophe und das gesamte Gedicht mit einer direkten Warnung an den Leser, er solle sich hüten und wach und munter bleiben. Mit dem „Munter“ verleiht Eichendorff dem Gedicht zum Schluss eine positive Nuance in dem recht düster gestalteten Gedicht. Das lyrische Ich in dem Gedicht tritt direkt an den Leser heran und spricht diesen auch direkt mit „du“ (St. 2, V. 1) oder „dich“ (St. 4, V. 4) direkt an. Zudem will das lyrische Ich den Leser warnen, achtsam zu sein.

Wie der Titel „Zwielicht“ schon besagt, geht es in dem Gedicht um Zweifel, die die Menschen bewegen, wie in der zweiten Strophe, wo die Geliebte, dargestellt als das scheue Reh, von jemandem verführt werden könnte oder von dem Freund in Strophe drei, der sich als Verräter entpuppen könnte.16 Mit der vierten Strophe jedoch kehrt Hoffnung in den Leser, der mit dem neuen Morgen die Schatten der Nacht und der Zweifel abschüttelt und neu in den neuen Tag starten konnte.17 Das lyrische Ich verläuft sich in den Gedanken, er könnte seine Geliebte an jemanden verlieren, womöglich einer flüchtigen Person (Vgl. wandernde Stimmen), die ihren Weg kreuzt. In dem Gedicht sieht man gut die Gedankengänge und Zweifel, die das lyrische Ich durchmacht, und kann den Zwiespalt erkennen, sich den Vorstellungen hinzugeben. Jedoch nimmt das Gedicht eine glückliche Wendung mit dem Anbruch des neuen morgens, nicht aber ohne eine Warnung an sich selbst, sich zu hüten und wachsam zu sein, zu geben.

Das Motiv des Wanderns ist hier nur flüchtig von Eichendorff aufgegriffen und nicht zentral thematisiert. In der Reclam-Ausgabe wird dieses Gedicht unter den Wanderliedern im Verzeichnis geführt. Die Motive der Romantik, hier die Natur, die Nacht und das Unbekannte, werden von Eichendorff verwendet.

Eichendorff will mit dem Gedicht die Menschen zu Aufmerksamkeit und Achtsamkeit aufrufen und dazu, Situationen, Gedanken und Gefühle zu hinterfragen.

3.2 Die frische Fahrt

Das Gedicht „Die frische Fahrt“ von 1815 beschreibt die Wahrnehmung des lyrischen Ichs des Frühlingsbeginns und der Sehnsucht nach einer ihm noch unbekannten Fahrt.

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen zu je 8 Versen, die im Reimschema des Kreuzreimes geschrieben wurden. Bei dem Versmaß handelt es sich um einen vierhebigen Trochäus, wobei ein Wechsel im Kreuzreim von weiblichen zu männlichen Kadenzen stattfindet. Das Gedicht wurde im Präsens aus der Sicht des lyrischen Ichs verfasst, das in der ersten Strophe die ersten Anzeichen des Frühlings beschreibt.

Die erste Strophe wird sehr bildhaft von Eichendorff eingeleitet, der das Geschehen für den Leser aus der Erzählerperspektive beschreibt. „Die Laue Luft kommt blau geflossen“ (St. 1, V. 1) beschreibt bildhaft, wie die Luft des Frühlings sich flussartig über die Natur verteilt. Im zweiten Vers wird durch den doppelten Ausruf des Frühlings eine Vorfreude und Euphorie erzeugt, die den Leser nicht nur anspricht, sondern ganz ergreift. Als Teil des Frühlings spricht Eichendorff vom Hörnerklang im Wald (St. 1, V. 3) und weist damit auf die Jagd als typisches Motiv der Romantik hin. Im vierten Vers wird die Jagd durch die Ellipse „Mut´ger Augen lichter Schein“ untermauert. Durch eine Zäsur finden sich zwei Sinneinheiten, in der die „mut´gen Augen“ als Jäger gedeutet werden können und der „lichte Schein“ die Frühlingssonne zu verstehen ist. Im zweiten Teil der ersten Strophe verliert sich die genaue Beschreibung der Natur, denn sie wird allgemeiner, mitreißender, wie der Fluss der lauen Luft, der die Strophe eingeleitet hat. Als Wirren wird im fünften Vers die Umgebung beschrieben, die durch die Dopplung „bunt und bunter“ den Anschein von Bewegung erzeugt, als würde man einem Fluss folgen und in der Geschwindigkeit der Bewegung die Umgebung wahrnehmen. Diese Deutung wird von Eichendorff im sechsten Vers aufgegriffen, wo er den Vergleich mit einem „magisch wildem Fluß“ selber macht. Die letzten beiden Verse der ersten Strophen greifen die Romantik und das Thema des Frühlings wieder direkt auf. Der „Gruß“ wird auf den Frühling und die laue Luft bezogen, die den Leser dazu animieren soll, dem Strom des Frühlings zu folgen, in die Welt hinauszugehen und die Natur zum Frühlingsbeginn zu erfahren. Erika und Ernst von Borries interpretieren die Beschreibungen der Natur als „Lockungen der Welt“18 und das Wirren (St. 1, V. 5), das Magische (St. 1, V. 6) und das Wilde (St. 1, V. 6) als „Verwirrung der Sinne, des Verstands“19 durch die schöne Welt. Es soll eine Warnung vor den Gefahren des „blinden Sich-Treiben-Lassens“20 sein.

[...]


1 Koopmann, Helmut: Joseph von Eichendorff. In: Wiese, Benno von: Deutsche Dichter der Romantik. Ihr Leben und Werk. Berlin 2. Auflage 1983. S. 507.

2 Vgl. Koopmann (1983), S. 507.

3 Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts, Reclam XL, Stuttgart 2015, S. 5.

4 Vgl. Schmitz-Emans, Monika. Einführung in die Literatur der Romantik. Darmstadt 4. Auflage 2016, S. 7f.

5 Kremer, Detlef: Romantik. Lehrbuch Germanistik. Stuttgart 3. Auflage 2007, S. 40.

6 Kremer, S. 1.

7 Bosse, Heinrich/ Neumeyer, Harald: „Da blüht der Winter schön“ – Musensohn und Wanderlied um 1800. Rombach 1995, S. 17.

8 Vgl. Bosse/Neumeyer, S. 7f., S. 22.

9 Vgl. Bosse/Neumeyer, S. 29f.

10 Vgl. Koopmann (1983), S. 509.

11 Koopmann, Helmut: Deutsche Literatur 19. Jahrhundert. Kindler Kompakt. Stuttgart 2015, S. 66f.

12 Vgl. Koopmann (1983), S. 508-509.

13 Koopmann (1983), S. 509.

14 Vgl. Koopmann (2015), S. 66f.

15 Borries, Erika und Ernst: Deutsche Literaturgeschichte Band 5: Romantik. München 3. Auflage 2003. S. 333.

16 Vgl. Borries, S. 333.

17 Vgl. Borries, S. 334.

18 Borries, S. 363.

19 Ebd.

20 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das Motiv des Wanderns bei Eichendorff. Eine Analyse anhand verschiedener Textbeispiele
Hochschule
Universität Paderborn  (Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
13
Katalognummer
V987265
ISBN (eBook)
9783346344113
ISBN (Buch)
9783346344120
Sprache
Deutsch
Schlagworte
motiv, wanderns, eichendorff, eine, analyse, textbeispiele
Arbeit zitieren
Julia Kosbart (Autor:in), 2020, Das Motiv des Wanderns bei Eichendorff. Eine Analyse anhand verschiedener Textbeispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/987265

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