1 Einleitung

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung von Gesellschaft und Industrie etablieren sich neue Wege zur Erfassung und Übertragung großer Datenmengen. Flankiert wird dieser Trend mit Fortschritten in der Informationstechnik, die die Möglichkeiten bieten diese Datenmenge im größeren Kontext zu analysieren. Unternehmen sind daher zunehmend bestrebt, diese neuen digitalen Technologien in ihren Dienstleistungsangeboten zu nutzen. Für sie ist es ein vielversprechender Weg, um ihre Marktposition zu sichern oder neue Marktpotenziale zu erschließen (Legner et al. 2017).

In diesem Zusammenhang lässt sich ein zunehmendes Aufkommen von analysebasierten Dienstleistungen am Markt beobachten (Hunke et al. 2019a). Bei analysebasierten Dienstleistungen handelt es sich um eine neue Form von Dienstleistungen, deren Wertschöpfung im Schwerpunkt auf der Anwendung statistischer Analyseverfahren auf Daten basiert. Die so bereitgestellten Erkenntnisse unterstützen Kunden dabei, bessere Entscheidungen zu treffen oder komplexere Probleme zu lösen, damit sie letztlich ihre Ziele effektiver oder effizienter erreichen können. Folglich weist der entsprechende Diskurs in Wissenschaft und Praxis einstimmig darauf hin, dass analysebasierte Dienstleistungen ein vielversprechender Ansatz für Unternehmen sind, um neue Wettbewerbsvorteile zu erlangen, indem sie eine tiefergehende Kundenbindung beziehungsweise die Erschließung völlig neuer Märkte ermöglichen. Die systematische Erschließung der Potenziale für analysebasierte Dienstleistungen hat daher einen Schwerpunkt in der Forschung erhalten und wird intensiv von Unternehmen vorangetrieben (Ostrom et al. 2015; Hunke et al. 2020).

Das Service Design beschreibt einen formalisierten, multidisziplinären Ansatz, der als „bewusst durchgeführter Dienstleistungsinnovationsprozess mit dem Ziel, bislang ungenutzte Wertschöpfungspotenziale zu erschließen“ (Becker et al. 2015, S. 6), verstanden wird. Diesem Verständnis folgend kann das Service Design auch als Hilfsmittel zur Anleitung und Förderung bei der Entwicklung neuer analysebasierter Dienstleistungen dienen. Erstaunlicherweise gibt es bislang jedoch kaum Beiträge, die das Service Design in dieser Hinsicht gezielt ergänzen würden (Hunke und Engel 2018). Es fehlen konkrete, praktikable Handlungsanweisungen zur besseren Handhabung des Service Design bei der Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen. Infolgedessen fällt es Service Design Teams in der Praxis immer noch schwer, Dienstleistungen zu entwickeln, die den antizipierten Mehrwert von Daten und gezielten Analyseverfahren in neuartigen Dienstleistungsangeboten angemessen umsetzen.

Speziell die Entwicklung und Verfeinerung des Servicekonzepts bleibt an dieser Stelle eine Herausforderung bei der Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen. Als zentrales Instrument des Service Designs dient das Servicekonzept als Mittel zur Spezifizierung der Art der zu erbringenden Dienstleistung (Goldstein et al. 2002). Als solches liefert es eine detaillierte Beschreibung einer Dienstleistungsidee im Hinblick auf ihre Wertschöpfungs- und Erbringungsprozesse (Becker et al. 2015). Daher ist ein klares und gemeinsames Verständnis des Servicekonzepts innerhalb der Service Design Teams von entscheidender Bedeutung, um eine konsistente Entscheidungsfindung während des Verlaufs eines Service Design Projekts zu gewährleisten. Ungeachtet dieser entscheidenden Rolle des Servicekonzepts für das konzeptionelle Verständnis analysebasierter Dienstleistungen bleiben umsetzbare Einsichten in das Servicekonzept jedoch begrenzt.

Methodische Werkzeuge, die das Service Design unterstützen, haben das Potenzial, dieses Problem zu lösen. Vorherige Untersuchungen haben gezeigt, dass speziell kreative und interdisziplinäre Aufgaben von der Unterstützung durch methodische Werkzeuge profitieren können, indem sie ein besseres Verständnis durch Visualisierung, Kommunikation und Dokumentation fördern (Szopinski et al. 2019). Das Hinzuziehen derartiger methodische Werkzeuge zur Etablierung eines gemeinsamen Verständnisses des Servicekonzepts könnten die Arbeit von Service Design Teams in der Praxis während der Entwicklung analysebasierter Dienstleistungen positiv beeinflussen. Entsprechendes Wissen über Form und Funktion solcher Werkzeuge ist jedoch kaum vorhanden. Ziel dieses Beitrags soll es daher sein, diese Lücke in Forschung und Praxis zu schließen und ein methodisches Werkzeug für die Entwicklung eines Servicekonzepts analysebasierter Dienstleistungen vorzuschlagen. Hierzu stellen wir zunächst entsprechendes Gestaltungswissen auf, um Service Designern eine Grundlage für die zukünftige Auswahl geeigneter methodischer Werkzeuge für ihre Projekte zur Verfügung zu stellen. Anschließend stellen wir ein methodisches Werkzeug vor, das diesen Gestaltungsrichtlinien folgt. Wir verfolgen daher in diesem Beitrag die folgende Fragestellung:

Wie kann ein methodisches Werkzeug zur Unterstützung des Service Designs gestaltet werden, um das konzeptionelle Verständnis analysebasierter Dienstleistungen zu verbessern?

Im weiteren Verlauf des Beitrags legen wir zunächst die notwendigen Grundlagen in Bezug auf analysebasierte Dienstleistungen sowie das Service Design und die Rolle methodischer Werkzeuge. Danach folgt unsere Forschungsmethodik in Abschn. 3. Die Ergebnisse unserer Forschung werden in Abschn. 4 dargestellt. Wir stellen konkrete Gestaltungsrichtlinien für ein neues methodisches Werkzeug auf, implementieren diese im Analysebasierte-Dienstleistungs-Canvas (ADC) und demonstrieren die Anwendung des ADC exemplarisch anhand eines Anwendungsszenarios aus der Praxis. Wir schließen mit einer Diskussion hinsichtlich der Implikationen für die Unternehmenspraxis.

2 Grundlagen

Dieser Beitrag zielt darauf ab, Service Designer bei der Entwicklung analysebasierter Dienstleistungen zu unterstützen, indem die Gestaltung methodischer Werkzeuge beleuchtet wird, die das konzeptionelle Verständnis von analysebasierten Dienstleistungen fördern. Zu diesem Zweck legen wir in diesem Kapitel zunächst die relevanten Grundlagen bzgl. (1.) der Verwendung von Daten und Analyseverfahren in kundenorientierten Dienstleistungen und (2.) des Service Design und der Rolle methodischer Werkzeuge innerhalb dieser Disziplin.

2.1 Daten und Analyseverfahren als Treiber für kundenorientierte Wertschöpfung

Die Anwendung statistischer Analyseverfahren auf Daten ist als Mittel zur Rationalisierung der internen Geschäftsprozesse in Unternehmen und zur Gewinnung von Erkenntnissen für die Entscheidungsfindung von Führungskräften bereits intensiv untersucht worden. Zunehmend lässt sich jedoch auch beobachten, wie Unternehmen neuartige, kundenorientierte Dienstleistungen anbieten, die auf Daten und Analysen aufbauen, um neue, aussagekräftige Werte für ihre Kunden zu schaffen (Hunke et al. 2019b). Diese analysebasierten Dienstleistungen ermöglichen es den Kunden, bessere Entscheidungen zu treffen und komplexere Probleme zu lösen, um letztendlich ihre Ziele effizienter oder effektiver zu erreichen (Hunke et al. 2019a).

Die steigende Verfügbarkeit von Daten und den entsprechenden analytischen Fähigkeiten, diese auszuwerten, bietet Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten, ihr Dienstleistungsangebot mit Daten und Analyseverfahren anzureichern (Hunke et al. 2020). Eine frühe Unterscheidung in dieser Hinsicht wird zwischen Data-as-a-Service und Analytics-as-a-Service getroffen (Chen et al. 2011). Ersteres Angebot konzentriert sich auf die Bereitstellung aggregierter Daten. Letzteres bezieht sich auf Dienstleistungen, die anpassbare Analysemethoden und Infrastruktur auf skalierbare Weise zur Verfügung stellen. Während sich diese Angebote vornehmlich auf Business-to-Business-Anwendungen beziehen, birgt die gezielte Analyse von Kundendaten das Potenzial für Unternehmen zu verstehen, warum ihre Kunden bestimmte Entscheidungen treffen oder sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten (Huang und Rust 2013). Hierdurch wird ein tiefgreifender Zugang zum Kunden ermöglicht, der neue Möglichkeiten der kundenorientierten Wertschöpfung aufdecken kann.

Deutlich wird dieses Potenzial bspw. im Kontext smarter Produkte (Knoll und Strahringer 2019). Zunehmend ausgestattet mit Sensortechnologie, die es ermöglicht, ihren eigenen Zustand und ihre äußere Umgebung zu erfassen, ermöglichen diese Produkte eine Datenerfassung in Echtzeit. Auf der Grundlage dieser Daten können Unternehmen Informationen ableiten, um kontextbezogene und präventive Dienstleistungen für die Kunden des Kernprodukts anzubieten.

Unabhängig von unterschiedlichen Konzepten oder Begrifflichkeiten beschreibt die aktuelle Forschung in diesem Bereich durchgängig die Nutzung von Daten und Analyseverfahren als Grundlage für neue kundenorientierte Wertversprechen – sei es als eigenständiges Angebot oder gebündelt in hybriden Produkt-Service-Anwendungen. Im Rahmen dieses Beitrags adressieren wir diese Angebote einheitlich als analysebasierte Dienstleistungen.

2.2 Service Design und die unterstützende Rolle methodischer Werkzeuge

Wie oben beschrieben, wurde in einer Reihe von Studien die Nutzung von Daten und Analyseverfahren als Basis neuer Wertschöpfungspotenziale in Dienstleistungen untersucht. Das Service Design, ein formalisierter Ansatz, der zur Innovation von Dienstleistungsangeboten beiträgt, könnte als Instrument zur Anleitung und Förderung der Entwicklung neuer analysebasierter Dienstleistungen dienen (Becker et al. 2015). Verschiedene Forscher haben Prozessmodelle entwickelt, in denen sie die notwendigen Schritte für die Entwicklung neuer Dienstleistungen definieren. Im Wesentlichen bestehen diese Prozesse aus drei elementaren Schritten (Becker et al. 2015): (1) Identifikation von Dienstleistungspotenzialen, (2) Konzeptentwicklung, (4) Prozessdesign und Implementierung. In der Literatur wird insbesondere die Bedeutung des Servicekonzept während dieses Prozesses betont, da die Verfeinerung des Servicekonzepts in den nachfolgenden Prozessschritten letztlich zu der gewünschten Serviceinnovation führt. Ein Servicekonzept beschreibt und konkretisiert die spezifischen Merkmale einer Dienstleistungsidee. Es identifiziert den Nutzen, den die Dienstleistung dem Kunden bringen soll, zeigt auf, wie die Dienstleistung angeboten werden soll und vermittelt zwischen den Kundenbedürfnissen und der strategischen Absicht des Unternehmens (Goldstein et al. 2002).

Service Design wird als multidisziplinärer Ansatz beschrieben, bei dem Service Design Teams aus Mitgliedern bestehen, die mit ihren unterschiedlichen Hintergründen, Wissensbereichen und Kompetenzen zur Problemlösung beitragen (Becker et al. 2015). Um diese Vielfalt zu managen und für die Problemlösung zu kanalisieren, wird die Zusammenarbeit in Service Design Teams zunehmend durch methodische Werkzeuge unterstützt. Verallgemeinert unterstützen methodische Werkzeuge dabei, ein gemeinsames Verständnis der Problemstellung unter den Teammitglieder zu schaffen und tragen dazu bei, dass sich alle Teilnehmer auf die gleiche Problemstruktur beziehen können (Avdiji et al. 2018; Szopinski et al. 2019). Sie spielen daher eine entscheidende Rolle beim Service Design, da sie auf eine gemeinsame Visualisierung setzen, um eine Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen, in der die Teammitglieder ihr vielfältiges Wissen, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse einbringen können.

Trotz des Aufkommens verschiedener Werkzeuge in der Vergangenheit fehlt es bisher dennoch an klaren Prinzipien für die Gestaltung solcher Werkzeuge in allgemeiner Form, die dokumentieren, wie methodische Werkzeuge aufgebaut werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen. Dies gilt speziell für die Unterstützung bei der Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen.

3 Methodisches Vorgehen

Um die in diesem Beitrag angestrebten Gestaltungsrichtlinien für methodische Werkzeuge abzuleiten und ein neues methodisches Werkzeug zu entwickeln, das das konzeptionelle Verständnis analysebasierter Dienstleistungen während des Service Designs stärken kann, richten wir unser Vorgehen gemäß des Three-Cycle-View des Design-Science-Research- (DSR-)Ansatzes aus (Hevner 2007). Um Lösungen für reale Probleme zu entwerfen, setzt sich dieses Vorgehen aus drei inhärenten Zyklen zusammen. Der Rigor-Zyklus fokussiert die Einbeziehung existierenden Forschungsarbeiten. Der Relevance-Zyklus sorgt für eine Verknüpfung mit dem Kontext der Anwendungsdomäne. Der Design-Zyklus forciert letztlich die Gestaltung und Evaluierung einer prototypischen Evaluierung zur Lösung des identifizierten Problems auf Basis der beiden vorangegangenen Zyklen.

Hinsichtlich des Rigor-Zyklus führten wir zunächst eine systematischen Literaturrecherche an der Themenschnittstelle Daten, Analyseverfahren und Dienstleistungsentwicklung durch, um ein grundlegendes Verständnis des bereits geführten Diskurses zu gewinnen (vgl. Hunke und Engel 2018). Hieraus ging hervor, dass ein grundlegendes Verständnis analysebasierter Dienstleistungen und speziell deren systematische Entwicklung bisher wenig thematisiert wurde. Folglich beschlossen wir, eine Taxonomie zu erstellen, die uns dabei hilft, die Grundzüge dieses Dienstleistungstyps zu konzeptualisieren (vgl. Hunke et al. 2019a).

Um auch Einblicke in die reale Umgebung zu gewinnen (Relevance-Zyklus), d. h. Service Design Teams, die an Projekten zur Entwicklung von analysebasierten Dienstleistungen beteiligt sind, führten wir eine Serie von elf Interviews durch. Da das Service Design multidisziplinäre Disziplinen verbindet (Becker et al. 2015), wie (1) Service Management, (2) Informationstechnologie und, im Zusammenhang mit analysebasierten Dienstleistungen, (3) Data Science, haben wir unsere Interviewpartner gezielt entlang dieser Expertenbereiche befragt. Unser Hauptaugenmerk lag darauf zu verstehen, wie Service Design Teams derzeit die Entwicklung von analysebasierten Dienstleistungen forcieren und welche Probleme sie während ihrer Projekte wahrnehmen. Zu diesem Zweck fragten wir unsere Interviewpartner nach ihren Erfahrungen mit derartigen Projekten, ihrer Rolle innerhalb der Service Design Teams und nach wichtigen Erkenntnissen, die sie im Laufe ihrer Projekte gesammelt haben. Die Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert. Zur Analyse der Interviews wendeten wir eine qualitative Inhaltsanalyse an und verwendeten einen offenen Kodierungsansatz, um Offenheit für alle Aspekte zu gewährleisten, die Probleme im Zusammenhang mit dem Design und der Entwicklung von analysebasierten Dienstleistungen aufdecken könnten.

Die Ergebnisse dieser Forschungsaktivitäten – ein Literaturrecherche, eine Taxonomieentwicklung und eine Interviewreihe – dienten als Grundlage zur Generierung von Gestaltungsrichtlinien für methodische Werkzeuge, die das Verständnis der Servicekonzepte für analysebasierte Dienstleistungen bei den Service Design Teams erhöhen können. Um dies zu systematisieren, identifizierten wir zunächst Meta-Anforderungen, d. h. allgemeine Anforderungen, die ein Artefakt stets erfüllen. In einem zweiten Schritt leiteten wir hieraus Gestaltungsprinzipien für Form und Funktion ab, die generische Fähigkeiten der entworfenen Artefakte beschreiben, um die identifizierten Meta-Anforderungen zu erfüllen. Auf Basis dieser Gestaltungsrichtlinien gestalteten wir anschließend ein entsprechendes methodisches Werkzeug (Design-Zyklus).

4 Methodische Werkzeuge zur Verbesserung des konzeptionellen Verständnisses von analysebasierten Dienstleistungen

In diesem Kapitel stellen wir die Ergebnisse unseres methodischen Vorgehens vor. Dabei gehen wir zunächst auf die erarbeiteten Gestaltungsrichtlinien in Form von Meta-Anforderungen und Gestaltungsprinzipien ein. Diese Gestaltungsrichtlinien sind so formuliert, dass sie Praktikern als eine allgemeine Entscheidungshilfe für die Auswahl geeigneter methodischer Werkzeuge in ihren Projekten dienen können, die während der Entwicklung analysebasierter Dienstleistungen zum Einsatz kommen sollen.

Wir implementieren diese Gestaltungsrichtlinien ebenfalls in einem neuen methodischen Werkzeug, das wir vorschlagen, um das konzeptionelle Verständnis von analysebasierten Dienstleistungen während dem Service Design zu verbessern. Dessen Vorstellung und exemplarische Anwendung erfolgt im Anschluss.

4.1 Gestaltungsrichtlinien für Form und Funktion

Für Service Design Teams ist das Servicekonzept ein wichtiger Treiber für ihre Entscheidungsfindung und damit ein wesentliches Instrument für ihre Arbeit während des Service Design- und Entwicklungsprozesses (vgl. Abschn. 2.2). Das Servicekonzept definiert die Art einer Dienstleistung, indem es eine detaillierte Beschreibung dessen liefert, was zu tun ist und wie dies erreicht werden soll (Goldstein et al. 2002). Es hilft den Teams, zwischen der strategischen Absicht der Organisation und den Kundenbedürfnissen zu vermitteln. Servicekonzepte dienen Service Design Teams daher dazu, Serviceideen genauer auszuarbeiten, indem sie diese in ihre relevanten Komponenten zerlegen, die weiterer Aufmerksamkeit bedürfen. Im Zusammenhang mit analysebasierten Dienstleistungen betonten die Praktiker in unseren Interviews, dass noch immer Unsicherheiten herrschen in Bezug auf die Rolle von Daten und Analysenverfahren in Dienstleistungen, und dass es in ihrer Arbeit einen noch stärkeren Fokus darauf bedarf. Die erste Meta-Anforderung an methodische Werkzeuge lautet folglich: Das methodische Werkzeug sollte analysebasierte Dienstleistungen aus einer datengetriebenen Perspektive konzeptualisieren.

Unsere Interviewpartner stimmten überein, dass interdisziplinäre Service Design Teams als Schlüssel zum Erfolg bei der Gestaltung von analysebasierten Dienstleistungen gesehen werden. Die Experten betonten jedoch auch, dass die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren oft unzureichend ist, etwa weil sie nicht über Herausforderungen außerhalb ihres spezifischen Fachgebietes informiert sind. Dem Servicekonzept kommt an dieser Stelle eine Schlüsselrolle während des Service Designs zu. Die Identifizierung relevanter Komponenten, die nachgelagerte Entscheidungen erfordern, ist dabei eine entscheidende Aufgabe. Nur wenn diese Entscheidungen unter den Teammitgliedern konsistent und im Einklang mit der Serviceidee während des gesamten Designprozesses getroffen werden, sind Service Design Teams in der Lage, eine neue Serviceidee von der Ideenphase über die Konzeptionsphase bis hin zur Umsetzungsphase zu entwickeln (Goldstein et al. 2002; Becker et al. 2015). Daher ist ein gemeinsames und klares Verständnis des Servicekonzepts eine notwendige Voraussetzung für ein erfolgreiches Service Design Projekt und die Grundlage für eine zielgerichtete Kommunikation zwischen den Teammitgliedern. Die zweite Meta-Anforderung lautet daher: Das methodische Werkzeug sollte als Kommunikationskonstrukt dienen und es Service Design Teams ermöglichen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln.

Während die Service Design Literatur Praktikern einen allgemeinen Überblick über die elementaren Schritte gibt, auf die sie sich in ihren Projekten konzentrieren sollten, haben wir in unseren Interviews eine grundlegende Unsicherheit bezüglich des Ansatzes zur Gestaltung von analysebasierten Dienstleistungen festgestellt. Insbesondere betonten die Praktiker, dass ihnen noch immer die Erfahrung fehlt, um klar zu entscheiden, auf welche Serviceaspekte sie sich konzentrieren sollten. Dementsprechend lautet die dritte Meta-Anforderung: Das methodische Werkzeug sollte anleitende Schritte für die Konzeptionierung analysebasierter Dienstleistungen bieten.

Das Service Design wurde von unseren Interviewpartnern als ein kreativer und iterativer Ansatz beschrieben und sie betonten die Vielzahl der Varianten von Servicekonzepten, die im Laufe eines Projekts entstehen. Diese werden prototypisch formuliert, getestet und verfeinert oder ggf. verworfen. Um diese Dynamik widerzuspiegeln, lautet die vierte Meta-Anforderung: Das methodische Werkzeug sollte die agilen Routinen der Service Design Teams unterstützen.

Diese Meta-Anforderungen werden nun in Gestaltungsprinzipien übersetzt, die einen direkten Bezug auf Form und Funktion methodischer Werkzeuge zur Unterstützung bei der Gestaltung von analysebasierten Dienstleistungen nehmen:

Wie eingangs erwähnt ist die konzeptionelle Arbeit in Bezug auf analysebasierte Dienstleistungen nach wie vor sehr überschaubar, was Service Design Teams in der Praxis mit Unsicherheiten zurücklässt, welchen Schlüsselaspekten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Wir glauben, dass generischen Designoptionen für Servicekonzepte hier Abhilfe schaffen können. Folglich sollten methodische Werkzeuge spezifische Aspekte analysebasierter Dienstleistungen hervorheben, auf die sich Service Design Teams konzentrieren sollten. Daher spezifizieren wir die oben genannten Meta-Anforderungen in Gestaltungsprinzip eins: Das methodische Werkzeug nutzt eine generische Grundstruktur, nach der das Servicekonzept aufgebaut ist; und in Gestaltungsprinzip zwei: Das methodische Werkzeug zeigt Service Design Teams generische Gestaltungsmöglichkeiten für analysebasierte Dienstleistungen auf.

Für das Service Design sind viele domänenspezifische Experten in Service Design Teams erforderlich, die von Geschäftsstrategen bis zu nutzerorientierten Designern oder IT-Spezialisten reichen. Folglich ist das Team durch heterogen verteiltes Wissen gekennzeichnet, das zu vielen unterschiedlichen Meinungen und Wahrnehmungen innerhalb des Teams führt. Um ein gemeinsames Verständnis eines Servicekonzepts zu etablieren, bedarf es einer Unterstützung, die die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern erleichtert. In ähnlichen Kontexten haben vordefinierte Rahmenwerke bereits gezeigt, dass visuelle Hilfsmittel in dieser Hinsicht effektiv und ergebnisfördernd sind. Obwohl der visuelle Stimulus nur ein Aspekt dieser Rahmenwerke ist, wird er als wesentlich für den Erfolg der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses durch die logische Strukturierung der wichtigsten konzeptuellen Elemente angesehen (Avdiji et al. 2018). Um die erste Meta-Anforderung in dieser Hinsicht weiter auszugestalten lautet Gestaltungsprinzip drei: Das methodische Werkzeug nutzt ein vordefiniertes Rahmenwerk, um eine greifbare Visualisierung von analysebasierten Dienstleistungen zu schaffen und eine gemeinsame Terminologie bereitzustellen.

Darüber hinaus ist die Dokumentation der Servicekonzepte, sowie der damit verbundenen Erkenntnisse entscheidend, um eine Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten und das Verständnis des Service Konzepts in späteren Phasen sicherzustellen. Unseren Interviews zeigten auf, dass der Erfolg von Projekten zur Gestaltung von Dienstleistungen oft vom impliziten Wissen erfahrener Teammitglieder abhängt. Um dieses Problem zu lösen und die aus Projekten zur Entwicklung analysebasierter Dienstleistungen gewonnenen Erkenntnisse langfristig verfügbar zu machen, formulieren wir Gestaltungsprinzip vier: Das methodische Werkzeug ermöglicht eine systematische Dokumentation und Kommunikation des entwickelten individuellen Servicekonzepts.

4.2 Prototypische Implementierung der Gestaltungsrichtlinien: Das „Analysebasierte-Dienstleistungs-Canvas“

Wir implementierten die zuvor ausgearbeiteten Gestaltungsrichtlinien in einem Prototyp – dem ADC (vgl.Abb. 1). Service Design findet als kreativer und interdisziplinärer Ansatz oft in Innovationslaboren statt (Roth und Jonas 2018). Daher entschieden wir uns für die Verwendung eines Canvas-Formats. Für die konkrete Ausgestaltung trafen wir auf Basis der vorgestellten Gestaltungsprinzipien die folgenden Entscheidungen:

  1. 1.

    Um eine generische Grundstruktur für den Aufbau von Servicekonzepten zu nutzen (Gestaltungsprinzip 1) und ein vordefiniertes Rahmenwerk zur leichteren Visualisierung des Service Konzepts zu implementieren (Gestaltungsprinzip 3) nutzten wir die Ergebnisse unserer zuvor entwickelten Taxonomie, die allgemeingültige Dimensionen zur Beschreibung analysebasierter Dienstleistungen identifizierte (eine detaillierte Darstellung dieser Ergebnisse findet sich in Hunke et al. 2019a). Hieraus ging hervor, dass sich die folgenden sechs Dimensionen zur konzeptionellen Beschreibung analysebasierter Dienstleistungen eignen. Data Generator spezifiziert die zur Datengenerierung erforderliche Datenquelle. Data Origin beschreibt, wo die Datenquelle lokalisiert ist. Data Target gibt an, auf wen oder was sich die abzuleitenden Erkenntnisse beziehen. Analytics Type beschreibt die Art des angewandten Verfahrens. Portfolio Integration legt die Rolle der Dienstleistung im Unternehmensportfolio fest. Service User Role beschreibt die Rolle des Kunden innerhalb des Service Systems.

  2. 2.

    Um über die Grundstruktur hinaus generische Gestaltungsmöglichkeiten während der Konzeptionierung aufzeigen zu können, integrierten wir ebenfalls die charakteristischen Merkmale jeder Dimension aus unserer Taxonomie (Gestaltungsprinzip 2). Hiermit beabsichtigten wir, der berichteten Unerfahrenheit der Service Design Teams in Bezug auf analysebasierte Dienstleistungen entgegenzuwirken, indem stets ein großer Gestaltungsraum aufgezeigt wird.

  3. 3.

    Um eine vollständige Dokumentation zu ermöglichen und eine Plattform zur einfachen Kommunikation mit beispielsweise der Teamleitung bereitstellen zu können (Gestaltungsprinzip 4), fügten wir darüber hinaus einen Purpose Statement Platzhalter hinzu. An dieser Stelle wird die Keimzelle des Servicekonzepts, das heißt die Serviceidee, kurz und prägnant festgehalten. Dies kann etwa ein identifiziertes Kundenbedürfnis oder die Formulierung eines speziellen Wertversprechens beinhalten.

  4. 4.

    Servicekonzepte werden in diesem Prototyp nun dergestalt erarbeitet, dass sich Service Design Teams sukzessive von oben beginnend durch die einzelnen Dimensionen leiten lassen. Für jede Schlüsseldimension werden Ausprägungen mit der Hilfe von Post-its an der entsprechenden Stelle festgehalten. Wir empfehlen darüber hinaus für die Anwendung unterschiedliche Farben von Post-its zu nutzen. Auf diese Weise lassen sich im Falle komplexerer Servicekonzepte unterschiedliche Teilaspekte (Service Features) darstellen.

Abb. 1
figure 1

Prototypische Implementierung der Gestaltungsrichtlinien im ADC

4.3 Exemplarische Anwendung des Analysebasierte-Dienstleistungs-Canvas

In diesem Abschnitt stellen wir ein exemplarisches Anwendungsszenario vor und veranschaulichen den Einsatz und den Nutzen des ADC, indem wir eine existierende personennahe Dienstleistung mithilfe des ADC beschreiben (vgl. Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Ergebnis der Anwendung des ADC innerhalb des Anwendungsszenarios

Anwendungsszenario

Der Trend zur Elektromobilität ist nicht nur mit technischen Herausforderungen verbunden, sondern erfordert auch ein Umdenken bei den Konsumenten. Viele Konsumenten stehen dem Kauf eines Elektroautos skeptisch gegenüber, da sie die im Vergleich zu Fahrzeugen mit herkömmlichen Verbrennungsmotor geringeren Reichweiten abschrecken. An dieser Stelle setzt das hier vorgestellte Konzept der Dienstleistung eines deutschen Stromanbieters an. Mithilfe einer Smartphone-App soll dem Kunden ein unabhängiger Berater für den Kauf eines Elektroautos zur Verfügung gestellt werden. Neben der Bereitstellung von redaktionellen Inhalten zum Thema Elektromobilität kann der Kunde seine täglichen Autofahrten mit seinem bisherigen Fahrzeug aufzeichnen und bekommt anschließend auf Basis dieser individuellen Daten und einsprechender Analyseverfahren ein für ihn passendes Elektroauto empfohlen.

Bei der Darstellung der beschriebenen Dienstleistung im ADC wird zunächst das Purpose Statement definiert. Ziel der Dienstleistung ist es, den Kunden im Kaufprozess eines Elektroautos zu beraten und eine personalisierte Empfehlung für das passende Elektroauto auszusprechen. Mithilfe der sechs Schlüsseldimensionen einer analysebasierten Dienstleistung kann im Folgenden das zugrundeliegende Servicekonzept herausgearbeitet werden.

Die analysebasierte Dienstleistung basiert auf den aufgezeichneten Autofahrten des Kunden. Auf Grundlage von Daten, wie beispielsweise der Fahrtstrecke und Geschwindigkeit, wird das Fahrtenprofil bestimmt. Erfasst werden diese Daten durch das Smartphone des Kunden. Weiterhin werden die Fahrzeugdaten der Elektroautos sowie die Außentemperatur für eine aussagekräftige Empfehlung benötigt. Diese Daten werden von Herstellern und unabhängigen Dienstleistern bereitgestellt. Die Data Generators sind folglich das Objekt Smartphone und Anbieter außerhalb der Kundenbeziehung. Die kundenspezifischen Daten werden im Rahmen der Dienstleistungsnutzung intern erhoben, während die Fahrzeugdaten und die Außentemperatur extern bezogen werden müssen. In der Schlüsseldimension Data Origin werden in diesem Fall sowohl interne als auch externe Datenquellen abgebildet.

Das Data Target sind der Kunde der Dienstleistung, die Fahrzeugdaten und die Außentemperatur. Die erfassten Kundendaten geben detaillierte Auskünfte über das Fahrverhalten des einzelnen Kunden. Angereichert mit der vorherrschenden Außentemperatur und den Fahrzeugdaten der Elektroautos kann eine personalisierte Empfehlung abgeleitet werden, die den Kunden in seinem Kaufprozess unterstützt.

Der Analytics Type der Dienstleistung ist deskriptiv. In einem Empfehlungsalgorithmus werden die historischen Daten der vergangenen Fahrten ausgewertet und eine personalisierte Empfehlung für das passende Elektroauto auf Basis des individuellen Fahrverhaltens abgeleitet.

Die Portfolio Integration im Unternehmensportfolio des Stromanbieters erfolgt als unabhängige Dienstleistung, da die Erfüllung der Dienstleistung nicht die Nutzung weiterer Produkte und Dienstleistungen erfordert.

Zuletzt wird die Rolle des Kunden, die Service User Role, im Service System genauer spezifiziert. Im vorliegenden Fall ist der Kunde nicht nur schlichter Empfänger der Dienstleistung, sondern stellt aktiv seine Daten zur Verfügung und bindet die Dienstleistung in seine Entscheidungsprozesse ein, um eine bessere Kaufentscheidung treffen zu können.

In Summe lässt sich sagen, dass das ADC ermöglicht, das Servicekonzept der Dienstleistung innerhalb der sechs Schlüsseldimensionen zu beschreiben und somit greifbar zu machen. Dadurch bietet das ADC Service Designern bei der Entwicklung und Beschreibung von Servicekonzepten für analysebasierte Dienstleistungen wertvolle Orientierung und verbessert das konzeptionelle Verständnis der sich in Planung befindlichen analysebasierten Dienstleistung.

5 Implikationen für die Unternehmenspraxis

Analysebasierte Dienstleistungen sind ein neuartiger Servicetyp, bei dem die Anwendung von Analyseverfahren auf Daten die Basis für neuen Kundenmehrwert bereitet, indem kontextrelevante Erkenntnisse geliefert beziehungsweise wertvolle Entscheidungsgrundlagen für den Kunden bereitgestellt werden können. Trotz des wachsenden Interesses an diesen Dienstleistungen fehlt es im Service Design noch an speziellen Methoden und Werkzeugen, die die systematische Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen unterstützen könnten. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, dass Service Designer (1.) methodische Werkzeuge für diese Unterstützung zukünftig zielorientierter für ihre Projekte auswählen können und (2.) ihnen ein erstes methodisches Werkzeug an die Hand gegeben wird, das es ihnen ermöglicht das konzeptionelle Verständnis analysebasierter Dienstleistungen innerhalb ihres Service Design Teams systematisch erarbeiten zu können. Zu diesem Zweck stellen wir vier Meta-Anforderungen an methodische Werkzeuge vor, d. h. allgemeine Anforderungen, die ein Artefakt stets erfüllen muss. Zusätzlich leiten wir aus diesen Anforderungen Gestaltungsprinzipien für Form und Funktion ab, die wir zur Implementierung unseres ADC nutzen. In Summe sollten die hier vorgestellten Ergebnisse Unternehmen also wertvolle organisatorische und methodische Unterstützung liefern, um Service Design Initiativen intern zu unterstützen, damit sie ihren Weg zur Entwicklung analysebasierter Dienstleistungen beginnen und so die Wettbewerbsdynamik im Rahmen der Digitalisierung zu ihrem Vorteil nutzen können.