Romanisch-arabischer Sprachkontakt auf der iberischen Halbinsel

Sein Erbe für die spanische Sprache


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

16 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprachkontakt

3. Sprachkontakte vor der arabischen Eroberung
3.1 Die Römer
3.2 Die Germanen

4. Sprachkontakt(-e) während der arabischen Herrschaft
4.1 Ein Überblick
4.2 Eine sprachgeschichtliche Betrachtung
4.2.1 Die Mozaraber
4.2.2 Die Juden
4.2.3 Der Norden
4.2.4 Die Reconquista
4.2.5 Das Ende der arabischen Herrschaft

5. Arabismen im heutigen Spanisch
5.1 Arten von Arabismen
5.1.1 Lexikalische Arabismen
5.1.2 Morphologische Arabismen
5.1.3 Lehnbedeutungen
5.1.4 Lehnbildungen
5.1.5 Lehnsyntax

6. Abschließende Betrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Mezquita-Catedral de Córdoba und die Alhambra in Granada zählen zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Spaniens. Bei beiden Bauten handelt es sich um Erben aus der Herr- schaftszeit der Araber auf der iberischen Halbinsel. Dass die Araber einen prägenden Einfluss auf das heutige Spanien ausgeübt haben, ist nicht weiter verwunderlich, immerhin haben sie fast 800 Jahre lang auf der iberischen Halbinsel geherrscht. Dadurch ist deren Einfluss weit- aus größer als man denkt.

„Nach der lateinischen Basis bilden die Arabismen die wichtigste Schicht des spanischen Wortschatzes“ (Muñoz 2006: 1658).

Das immaterielle (sprachliche) Erbe ist dementsprechend enorm und das, obwohl die Herr- schaftszeit schon viele Jahrhunderte zurückliegt. Durch die arabische Eroberung der iberi- schen Halbinsel (711) kam es nicht nur zum Zusammentreffen unterschiedlicher Religionen und Kulturen, sondern auch zum Zusammentreffen unterschiedlicher Sprachen. Die Auswir- kungen dieses Sprachkontakts sind noch heute essenziell für die spanische Sprache.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie genau der Sprachkontakt zwischen den damaligen Einwohnern der iberischen Halbinsel und den arabischen Eroberern zu Stande kam und wie dieser sich entwickelte. Dementsprechend soll hier eine historische Betrachtung vor- genommen werden.

Des Weiteren soll betrachtet werden, in welchem Ausmaß das Arabische das heutige Spa- nisch beeinflusst hat und wie genau es zu der Übernahme von Arabismen gekommen ist. Im- merhin handelt es sich hier um zwei komplett unterschiedliche Sprachen, bei denen gegensei- tige Beeinflussungen unwahrscheinlich zu sein scheinen. Wo genau lassen sich Arabismen im Spanischen vorfinden? Ist ausschließlich der spanische Wortschatz von Arabismen betroffen oder hat die arabische Sprache auch einen Einfluss auf die spanische Grammatik gehabt?

2. Sprachkontakt

Um zu verstehen, wie der Begriff Sprachkontakt in dieser Arbeit verwendet wird, ist es vorab wichtig zu klären, welche Terminologien in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind und wie diese in den Verlauf der spanischen Sprachgeschichte eingeordnet werden können.

Eine Sprache befindet sich ständig im Wandel. So wurde auch das Spanische in der Vergan- genheit immer wieder von anderen Sprachen beeinflusst.

Unter Substraten sind somit die „Ursprachen“ einer bestimmten Sprache zu verstehen, wie im Spanischen das Iberische, Keltische und das Baskische.

Als Strat wird die daraus entstandene „neue“ Sprache bezeichnet, in diesem Fall also das Spanische.

Bei den Superstraten handelt es sich um Sprachen, die eine Zeit lang gesprochen wurden, dann aber wieder verschwunden sind. Ein Beispiel dafür ist die arabische Sprache, die wäh- rend der arabischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel gesprochen wurde.

Wenn zwei/mehrere Sprachen parallel an einem Ort existieren und sich gegenseitig beeinflus- sen, so wie im Falle der arabischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel, spricht man von Adstrateinflüssen (vgl. Kabatek, Pusch 2011: 191).

3. Sprachkontakte vor der arabischen Eroberung

3.1 Die Römer

Durch die römische Eroberung (218 v. Chr.) kam es zum Sprachkontakt zwischen den römi- schen Eroberern und den Einwohnern der iberischen Halbinsel (u.a. Kelten, Iberer, Basken) (vgl. Born et al. 2013: 18-19). Das von den Römern gesprochene Vulgärlatein1 wurde auf Grund seines Prestiges von der Bevölkerung übernommen und in Folge der Zweisprachigkeit über die Jahre abgewandelt (vgl. ebd.). Dabei wurden die Substratsprachen verdrängt.2 Dieser lange Prozess wird als Romanisierung bezeichnet (vgl. Kabatek, Pusch 2011: 242). Damit war der Grundstein für die Entstehung der uns heute bekannten romanischen Sprachen gelegt.

3.2 Die Germanen

Im Jahr 409 eroberten die Germanen die iberische Halbinsel. Der Einfluss des germanischen Superstrats auf das Spanische war jedoch sehr gering (vgl. Kabatek, Pusch 2011: 251). Ledig- lich Ortsnamen wie z.B. Guitiriz, Mondariz oder Gondomar (vgl. ebd.) sowie einige wenige lexikalische Entlehnungen wie z.B. ganar,gewinnen‘ oder sacar,herausnehmen‘ werden auf das Germanische zurückgeführt (vgl. Born et al. 2013: 20).

4. Sprachkontakt(-e) während der arabischen Herrschaft

4.1 Ein Überblick

Von 710-1492 herrschten die Araber auf der iberischen Halbinsel. Das von ihnen besetze Ge- biet wurde al-Andalus bezeichnet. Davon leitet sich der heutige Name für das im Süden Spa- niens gelegene Andalucía (, Andalusien‘) ab, welches zu den Kerngebieten der arabischen Eroberer gehörte (Bossong 2007: 7-9). Von der arabischen Eroberung verschont blieben Gali- zien, Asturien, Kantabrien und Navarra (vgl. Winet 1996: 527). Durch das lange Zusammen- leben der Araber und der iberoromanischen Bevölkerung haben wir es hier in sprachlicher Hinsicht mit einer Adstratsituation zu tun.

Das Leben in al-Andalus war von einer „einzigartigen Symbiose der verschiedenen ethni- schen und religiösen Gruppen“ (Born et al. 2013: 20) geprägt, hauptsächlich von Christen, Muslimen und Juden. Dementsprechend war die sprachliche Situation auf der Halbinsel sehr komplex. „Jahrhundertelang gab es in al-Andalus ein Wir-Gefühl, für das sprachlich- kulturelle Gemeinsamkeiten mindestens so wichtig waren wie die Religionszugehörigkeit“ (Bossong 2007: 71). Es kam zu einer schnellen Akzeptanz und Übernahme der arabischen Kultur sowie der arabischen Schriftsprache (vgl. Bossong 2007: 67). Außerdem war al- Andalus zur damaligen Zeit bereits sehr weit entwickelt, insbesondere in den Bereichen der Wissenschaft (u.a. Mathematik, Astronomie, Biologie und Geografie) sowie in der Philoso- phie (vgl. Bossong 2007: 79-88).

Durch das Zusammentreffen der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen in den arabisch besiedelten Gebieten kam es zum „religiös nicht diskriminierte[n] volkssprachli- che[n] Bilinguismus“ (Ineichen 1997: 22). Bei den auf der iberischen Halbinsel gesprochenen Sprachen bzw. Dialekten3 unterscheidet Bossong in Form einer Kommunikationspyramide in Hocharabisch, dialektales Arabisch4, Latein, romanische Dialekte, Hebräisch und in berberi- sche Dialekte (vgl. Bossong 2007: 72).5 Bilinguismus herrschte demnach in allen ethnischen und religiösen Gruppen zwischen dem dialektalen Arabisch und dem dialektalen Romanisch. Das Hocharabisch galt (bei nicht religiösen Themen) als die von allen genutzte Schriftspra- che, wobei von den Christen das Lateinische und von den Juden das Hebräische zur Aus- übung ihrer Religionen genutzt wurde (vgl. Bossong 2006: 1335).

Generell kann von einer Diglossiesituation6 gesprochen werden, bei der die Schriftsprachen die high varieties und die Dialekte die low varieties darstellen (vgl. Bossong 2006: 1334).7

4.2 Eine sprachgeschichtliche Betrachtung

Die sprachlichen Einflüsse des Arabischen waren zunächst bis ca. 718, bedingt durch die niedrige Zahl an Eroberern, relativ gering. Die christliche Bevölkerung blieb ihrer Sprache und ihrer Religion treu und übernahm zunächst nur einige Wörter aus dem Arabischen (vgl. Kabatek, Pusch 2011: 251). Sie sprach zu diesem Zeitpunkt bereits romanische Varietäten8, die dem Latein zwar noch sehr ähnelten, sich jedoch immer weiter davon entfernten und so- mit bereits als Romanisch bzw. als Protoromanisch bezeichnet werden können (vgl. Kabatek, Pusch 2011: 252).

4.2.1 Die Mozaraber

Die als Mozaraber bezeichneten, „unter islamischer Herrschaft lebenden [arabisierten] Chris- ten“ (Ineichen 1997: 20) erkannten bereits nach kurzer Zeit das Arabische als Kultursprache an. Einige konvertierten sogar zum Islam. Diejenigen, die ihren christlichen Glauben beibe- hielten, wurden jedoch ebenfalls geduldet (vgl. Bossong 2007: 68-69). Ihren romanischen Dialekt (mozarabisch9 ), der wie der Name bereits verrät vom Arabischen beeinflusst war, behielten sie jedoch bei (vgl. Tovar 1989: 69).

4.2.2 Die Juden

Auch die auf der Halbinsel lebenden Juden waren in der Regel zweisprachig. Im Hinblick auf ihre Religion galt Hebräisch als Verständigungssprache. Die Meisten waren jedoch auch der arabischen Sprache mächtig. Die Sprachkultur der jüdischen Dichter war sowohl durch das Hebräische als auch durch das Arabische geprägt (vgl. Bossong 2007: 70).10 Somit entstand das sogenannte Mittelarabisch, eine Variante des Schriftarabischen (vgl. Ineichen 1997: 14).

4.2.3 Der Norden

Während der romanische Dialekt der Mozaraber vom Arabischen geprägt war, breiteten sich unabhängig davon im nicht arabisierten Norden weitere romanische, auf dem Vulgärlatein basierende Dialekte aus (vgl. Winet 1996: 528). Diese wurden insbesondere im Verlauf der Reconquista (, Rückeroberung‘) prägend für die weiteren sprachlichen Entwicklungen. Als Literatursprache wurde hier Latein verwendet. Die unterschiedlichen Dialekte galten als Volkssprachen. Erst Mitte des 12. Jh. und insbesondere unter Alfons X. dem Weisen erlang- ten die Volkssprachen an Wichtigkeit, vor allem in der Literatur (vgl. ebd.). Auch in den „Übersetzerschulen von Toledo“11 im 13. Jahrhundert gewannen die Volkssprachen als Schriftsprachen an größerer Bedeutung (vgl. Bossong 2006: 1337). Darüber hinaus führte der Ausbau der romanischen Dialekte zur Literatursprache dazu, dass diese sich immer mehr (und schneller) vom Lateinischen entfernten (vgl. Bossong 2006: 1340) und somit neue und eigen- ständige (romanische) Sprachen - wie wir sie heute kennen - entstehen konnten.

Im Unterschied zu der sprachlichen Situation der Mozaraber und der Juden stehen sich hier die romanischen Dialekte und das Lateinische (anstelle des Arabischen) in einer Diglossiesi- tuation gegenüber.12 Sowohl das Mozarabische als auch die Dialekte der nicht eroberten nörd- lichen Gebiete wurden von den Arabern als barbarisch bzw. nicht-arabisch bezeichnet, was später durch den Begriff aljamía ersetzt wurde (vgl. Winet 1996: 527).

4.2.4 Die Reconquista

Das friedliche (sprachliche) Zusammenleben (vgl. Winet 1996: 529) wurde durch politische Instabilität (vgl. Winet 1996: 528) sowie durch die die Bildung der unbeliebten neuen berberi- schen Gruppierungen13 gestört (vgl. Bossong 2007: 71). Viele Mozaraber wanderten in den christlichen Norden aus (vgl. Winet 1996: 528) und beeinflussten diesen sowohl sprachlich als auch kulturell. Der Einfluss war jedoch gering.14 Im Norden breitete sich zunehmend Wi- derstand gegen die Arabisierung aus, sodass bereits acht Jahre nach der Eroberung, im Jahr 718, von dort aus die Reconquista eingeleitet wurde (vgl. Born et al. 2013: 21). Die Araber hatten zu dem Zeitpunkt bereits fast die ganze Halbinsel eingenommen, mit Ausnahme der bereits erwähnten Gebiete im Norden. Die dort lebenden Christen machten es sich somit zur Aufgabe, die von den Arabern eroberten Gebiete wieder zurückzugewinnen (vgl. ebd.).15

[...]


1 Der Begriff Vulgärlatein bezeichnet das von den römischen Eroberern gesprochene, vereinfachte Latein (vgl. Born 2013: 18). Der Begriff wurde von dem Romanisten Hugo Schuchardt geprägt (vgl. Kabatek 2011: 243).

2 Das Baskische ist als einzige Substratsprache bis heute erhalten geblieben.Diese können folglich als Weiterentwicklung des Vulgärlateins betrachtet werden (vgl. Born et al. 2013: 18).

3 Zur Unterscheidung der Termini Sprache/ Dialekt : (Sinner 2014: 96ff.).

4 Auch als Vulgärarabisch bezeichnet (vgl. Bossong 2006: 1334).

5 Eine überschaubare Auflistung der religiösen und ethnischen Gruppierungen, sowie der Sprachen und ihrer Funktionen (Kommunikationspyramide) ist in (Bossong 2007: 72) vorzufinden.

6 „In der Regel finden sich in mehrsprachigen Gesellschaften Situationen vo n Diglossie (diglosia), d. h. dass in einer Gesellschaft zwei Formen einer Sprache oder zwei Sprachen mit unterschiedlicher Funktionsaufteilung und mit unterschiedlichem Prestige verwendet werden;“ (Kabatek, Pusch 2011: 185).

7 Hierbei handelt sich um Begriffe im Sinne der Diglossie-Theorie.

8 Wie bereits erwähnt handelt sich dabei um die Weiterentwicklung aus dem zur Zeit der römischen Eroberung gesprochenem Vulgärlatein. Oft wird dafür auch der Terminus Romance verwendet (vgl. Winet 1996: 528).

9 Wurde ausschließlich mündlich gebraucht (vgl. Tovar 1977: 72).

10 Als Blüte jüdisch-arabischer Dichtung gilt das Goldene Zeitalter (vgl. Bossong 2006: 1337).

11 Eine nähere Erläuterung dazu ist im Kapitel „Die Reconquista“ zu finden.

12 Nur einzelne Personen verfügten über arabische Kenntnisse (vgl. Bossong 2006: 1335).

13 Dabei handelt es sich um aus Nordafrika stammende, erst kürzlich zum Islam konvertierte und weder sprach- lich noch kulturell integrierten Berber.

14 Obwohl der Einfluss nur gering war, sind sogar heute noch einige wenige Arabismen im Katalanischen sowie im Baskischen vorhanden (vgl. Tovar 1989: 73).

15 Dieser Prozess wird auch als repoblación bezeichnet.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Romanisch-arabischer Sprachkontakt auf der iberischen Halbinsel
Untertitel
Sein Erbe für die spanische Sprache
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Romanistik)
Veranstaltung
Varietätenlinguistik
Note
14
Autor
Jahr
2018
Seiten
16
Katalognummer
V513553
ISBN (eBook)
9783346105097
ISBN (Buch)
9783346105103
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Varietätenlinguistik, Sprachkontakt, iberische Halbinsel, Arabismen, Spanisch, arabische Eroberung, Reconquista, sprachgeschichtliche Betrachtung, Mauren, Sprachgeschichte, romanische Sprachen
Arbeit zitieren
Karina Stolte (Autor:in), 2018, Romanisch-arabischer Sprachkontakt auf der iberischen Halbinsel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513553

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