"Das Venusfest" von Peter Paul Rubens. Interpretationsansätze und biografische Zusammenhänge


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 2,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Peter Paul Rubens: "Das Venusfest"
2.1 Bildbeschreibung
2.2 Ikonografie
2.2.1. Tizian - "Das Venusfest"
2.2.2. Hélène Fourment - "Das Pelzchen"

3 Bildinterpretation
3.1. Das Fest der Venus Verticordia
3.2. Eine Hommage an die Liebe

4. Resümee

Literaturverzeichnis

Bildverzeichnis

1 Einleitung

„Venus, die bevorzugte Göttin seiner letzten mythologischen Werke, war keine andere als Helene. Sie war die Venus in Rubens‘ Neuinterpretation nach Ovid [...] natürlich ganz im Lichte Tizians gesehen, den Rubens am Ende seines Lebens nicht müde wurde zu kopieren“1 (Gilles Néret: Rubens. 2017. Köln.S.72)

Das Werk des Antwerpener Malers Peter Paul Rubens, war schon zu Lebzeiten von Erfolg und Lob gekrönt. Trotz unsicherer Krisenzeiten zwischen Krieg und Kirchenspaltung war es Rubens vergönnt, ein hohes Ansehen als Hofmaler und zugleich Diplomat zu erleben. Neben seinen Portraits von Angehörigen aus Adels- und Regierungskreisen, fertigte er Landschafts-, Altar, - und Historienbilder an. Inspiriert durch sein großes Vorbild, dem Maler Tizian, beschäftigte sich Rubens in seinen späten Lebensjahren vor allem mit der Darstellung von mythologischen Szenen. „Das Venusfest“ aus dem Jahr 1636/37 (Abbil­dung 1) vereint die Verehrung zu seinem Vorbild Tizian, sowie zu seiner zweiten Ehefrau Hélène Fourment. Inspiriert von antiken Texten Ovids und Philostratos, ist dieses Kunst­werk Rubens bis heute Gegenstand von zahlreichen Interpretationen. Ist eine der ab ge­bildeten Nymphen, tatsächlich seine junge Ehefrau? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Tizians „Venusfest“ und dem von Rubens? Wie stark hat sich der Künstler von den antiken Textvorlagen tatsächlich beeinflussen lassen und inwiefern wird dies in sei­nem Gemälde deutlich? Gibt es einen biografischen Zusammenhang zwischen der ge­wählten Bildthematik und Rubens Lebenssituation zu jener Zeit?

„Wo Rubens in seinen Bildern Zeitgenossen in mythischen Kreisen auftreten lässt, gelangen Gegenwartserfahrungen- und Hoffnungen in die Sphären vorgestellten Glücks. Es gibt nur ganz wenige Beispiele, in denen Rubens einen solchen Bereich des Einklangs intakt gelassen hat.“2 (Martin Warnke: Rubens. 2011. Köln.S.169)

Im Folgenden sollen diese Fragen genauer beleuchtet werden. Beginnend mit einer de­taillierten Bildbeschreibung, erfolgt im Anschluss eine ikonographische Untersuchung des Gemäldes, sowie eine Darstellung der bedeutendsten Interpretationsansätze.

2 Peter Paul Rubens: „Das Venusfest“

2.1. Bildbeschreibung

„Das Venusfest“ oder auch „Das Fest der Venus Verticordia“ (Abbildung 1) genannt, entstand ca. 1630-1637. Es ist ein 217x350 cm großes Öl auf Leinwand Gemälde, welches sich heute in der Gemäldegalerie, des Kunsthistorischen Museums in Wien befindet. Das Bild gehört in die letzten Schaffensjahre von Rubens und war vermutlich nie für die Öf­fentlichkeit bestimmt. Der Maler behielt das Kunstwerk zu Lebzeiten bei sich im Haus. Nach seinem Tod wurde es dann der kaiserlichen Sammlung in Wien übergeben. Der Entstehungsprozess lässt sich heute noch kunsthistorisch nachvollziehen. Rubens hat das große Gemälde zunächst in einem viel kleineren Format begonnen, im mittleren Bildteil. Im späteren Schaffensprozess wurde es fortlaufend in sämtliche Richtungen um ein Viel­faches erweitert. Auf die damit einhergehenden Rückschlüsse bezüglich der ersten Bild­gedanken und deren allmählichen thematischen Veränderungen in Bezug auf den Bildin­halt, wird später genauer eingegangen.

Dargestellt ist eine Lichtung im Wald. Diese ist umringt von einer Wiesenlandschaft. Im Zentrum des Bildes, befindet sich eine Venus Statue, welche auf einem Sockel steht. Die Figurine ist umhüllt von einem blauen Tuch und hält Ihre Brust und Scham mit den Hän­den bedeckt. Die Venus Statue ist umringt von vier Frauen. Eine dieser Frauen putzt die Statue mit einem weißen Tuch. Zwei weitere Damen, rechts von der Statue halten dieser einen Spiegel vor das Gesicht. Sie sind nur in Tücher gekleidet. Zu den Füßen der Venus Figurine, befindet sich eine Frau im rot-blauen Gewand. Sie steht vor einer goldenen Schale, aus welcher Rauch aufsteigt und blickt der Statue entgegen, eine Hand auf die Brust gelegt. Rechts von der Venus, eilen weitere Frauen herbei. Eine von Ihnen, wird von einem Satyr an der Hand gehalten und in Richtung der Venus Statue gezogen. Die benachbarte Frau im Bild, hält ein Tamburin in der Hand. Ganz rechts im Bild, strömen zwei weitere Damen heran. Eine von Ihnen hält zwei kleine Figuren in den Händen. Über der Venus Statue fliegen Engel in den Baumwipfeln. Sie halten eine Girlande aus Früch­ten, sowie ein rotes Tuch als Drapperie, welches Sie um den Baum hüllen. Zwei der En­gel, halten einen Blumenkranz über den Kopf der Venus Statue. Zu Füßen der Figurine befinden sich neben der bereits erwähnten Dame auch noch im Halbkreis tanzende Engel, welche sich an den Händen halten. Auf dem Wiesenboden verstreut befinden sich Äpfel, Blumen, eine Maske und mehrere Panflöten. Am rechten Bildrand liegen zwei Engel auf dem Wiesenboden, welche sich küssen. Neben Ihnen ein Köcher mit Pfeilen, sowie zwei Tauben. Im Hintergrund der Waldlichtung, ist der sich verdunkelnden Himmel zu erken­nen, sowie ein roter Streifen am Horizont. Auf der linken Bildseite ist in der Ferne ein antikes Gebäude angedeutet. Dargestellt ist ein griechisch anmutender Tempelbau mit runder Dachkuppel und 5 korinthischen Säulen. Eine Treppe führt von diesem hinab zu der Lichtung. Das antike Gebäude wird durch ein steinernes Tor halb verdeckt, dessen Dach mit Pflanzen umrankt ist. Davor befindet sich ein großer Felsen, auf welchem zwei antike Statuen mit einem Hund zu finden sind. Unterhalb des Steines, befindet sich ein Brunnen, aus welchem Wasser sprudelt. Einer der Engel ist im Anflug auf das Wasser, während ein Zweiter schon aus diesem trinkt. In der linken Bildhälfte befinden sich im Vordergrund drei Frauen, welche mit drei Satyrn tanzen. Die Frauen sind nackt und nur mit Tüchern bekleidet. Eine der Frauen hält ein Tamburin in der Hand während Sie einen der Satyrn küsst. Die Frau ganz links im Bild, schaut den Betrachter aus dem Bild direkt heraus an, während die anderen im Tanz versunken sind. Die Engelfiguren sind im Ge­gensatz zum dunkel eingefärbten Landschaftshintergrund stark beleuchtet. Ebenso die tanzenden Figuren am linken Bildrand und die Venus Statue. Die Tempelanlage im Bild­hintergrund verblasst vor dem wolkenvergangenen Himmel. Die Farbwahl ist typisch für Rubens von kräftigen rot-blau und grün Tönen bestimmt. Der sich verdunkelnde Himmel und der rote Streifen am Horizont bestimmt die Tageszeit in Sonnenauf- beziehungsweise Sonnenuntergang.

2.2. Ikonografie

2.2.1.Tizian - „Das Venusfest“

In der Literatur findet man häufig die Bezeichnung, dass Rubens „Venusfest“ (Abbildung 1) ein Weiterphantasieren von Tizians „Kinderfest“ darstellt3 (vgl.: Martin Warnke: Ru­bens. 2011. Köln). Tatsächlich war der führende Maler der italienischen Renaissance Ti­zian für Rubens ein lebenslanges Vorbild. Bevor der flämische Künstler sich an seine eigene Interpretation des „Venusfestes“ wagte, studierte er das Werk Tizians, bei einem seiner Italienaufenthalte eingehend und erstellte eine Kopie dessen, welche sich heute in Stockholm im Nationalmuseum befindet. Kopieren, Aneignen und Verarbeiten war die zeitgenössisch umgängliche Praxis in der Aus- und Weiterbildung als Künstler. Das von Tizian um 1518/19 geschaffene „Venusfest“ (Abbildung 2) Gemälde, misst 175 x 172 cm und befindet sich heute im Museo Nacional del Prado in Madrid. In Auftrag gegeben wurde das Öl auf Leinwand Bildnis von Alfonso d’Este, dem Herzog von Ferrara für die Ausschmückung seines Camerino d‘alabastro:

„Indem er sich auf Philostratos berief, ließ Tizian ein verlorenes Meisterwerk der Antike wieder erstehen. Dies schmeichelte dem Auftraggeber, der sich so mit Alexander dem Gro­ßen vergleichen konnte, der ein Gönner von Apelles, dem berühmtesten Maler der Antike, war.“4 Gilles Néret: Rubens. 2017. Köln.S.35

Das Gemälde von Tizian basiert wie bereits erwähnt, auf dem antiken Text des Dichters Philostratos, der in seinen Eikones ein ähnliches Gemälde beschreibt, wie es der Künstler hier auf die Leinwand bringt. Dargestellt sind Wald- und Wiesenlandschaften. Auf dem grünen Erdenboden tummeln sich Eroten, welche Äpfel sammeln. Einige der Engel flat­tern um die Bäume und versuchen die Früchte, welche noch an den Ästen hängen zu pflücken. Im Bildvordergrund sitzen zwei sich küssende Eroten auf dem Wiesenboden. Rechts von Ihnen schießt einer der Engel mit Pfeil und Bogen. Auf dem Boden verstreut befinden sich Weidenkörbe für die Früchte, sowie bunte Tücher. Am rechten Bildrand befindet sich eine Venusstatue auf einem Sockel. In einer Hand hält Sie eine Schale, mit der anderen ein Tuch, welches Ihre Scham bedeckt. Zwei bekleidete Frauen strömen aus der rechten Bildhälfte auf die Venus zu. Eine der Frauen hält einen Spiegel in die Höhe und blickt die Statue direkt an. Die andere Dame in blau gekleidet, blickt im Laufen hinter sich, als würden sich weitere Personen nähern. Die Wiesenlichtung, auf welcher sich die Szenerie abspielt, ist hügelig und in der Ferne erstrecken sich begrünte Hügel. Im Bild­hintergrund sind Gebäude zu sehen und am Horizont ist eine Stadt angedeutet. Der Him­mel ist wolkenverhangen und in diversen Blautönen getaucht.

„Wie der Landschaftshintergrund sind auch Venus und ihre Gefährten tonaler gemalt als die Putti, deren anschaulich wiedergegebene Körper die glänzende Schale, den fruchtigen Duft, ja sogar die Frische der Äpfel evozieren, die sie sammeln.“5 (Ian G. Kennedy: Ti- zian.2018.Köln.S.35)

Tizian hält sich stark an die literarische Vorgabe. Aus Philostratos Schriften lässt sich entnehmen, dass die Farbe in venezianischen Gemälden eine wichtige und lebensspende Funktion einnahm und nicht nur wie zuvor in der Malerei als „Schmuck“ diente. Die sich tummelnden Eroten, welche stark beleuchtet im Vordergrund des Bildes gerückt sind, erweckt Tizian durch Ihre lebendigen Bewegungen für den Betrachter zum Leben, so wie es schon Philostratos schriftlich vor Ihm gelungen war.

„Äpfel sammeln die Eroten auf, sieh nur! Wenn es eine große Anzahl von Eroten ist, wundere dich nicht [...] Hast du etwa schon etwas von dem Wohlgeruch wahrgenommen, der durch den Garten weht, oder bist du noch nicht so weit? Nun, dann hör aufmerksam zu: Es wird dich nämlich mit meiner Rede auch der Geruch von Äpfeln treffen[.] Und über die Tan­zenden [Eroten ]wollen wir gar nicht sprechen oder über die Umherlaufenden oder die Schla­fenden oder darüber, wie sie mit Lust in die Äpfel beißen.“6 ( Philostratos: Bilder einer Ausstellung Eikones. Wiesbaden.2018.S.37

Der zentrale Mittelpunkt des Textes und somit auch das wichtigste Sujet in der Verbild­lichung durch Tizian, sind die dargestellten Eroten, welche die Göttin Venus beschenken und huldigen. Die Venus Statue an den rechten Bildrand gerückt gerät für den Betrachter zunächst eher in den Hintergrund. Durch die Kenntnis des antiken Textes als Grundlagen wird jedoch das Bildsujet für den Betrachter deutlich und somit auch der Zusammenhang der dargestellten Putti und der Venus Figurine. Das Tizians Venusfest eine Inspiration für Rubens war, kann man vor allem durch die ähnlichen Bildmotive erkennen. So finden sich bei Tizian am unteren Bildrand mittig, zwei sich küssende Eroten. (Abbildung 3) Diese Szene, exakt wie bei Philostratos so schriftlich festgehalten, spiegelt sich auch in Rubens „Venusfest“ wider. Das Liebesmotiv wird beim flämischen Maler sogar noch durch das Abbilden zweier Tauben, neben den sich küssenden Eroten verstärkt. (Abbil­dung 5) Bei Rubens finden sich ebenso tanzende und in Bewegung festgehaltene Engel. Allerdings sind diese von der Anzahl her begrenzter als in Tizians Vorlage. Die geflügel­ten Götterboten sind in beiden Gemälden starkbeleuchtet dargestellt. Auch findet man bei Tizian und Rubens die in den Baumwipfeln fliegenden Eroten wieder. Allerdings pflü­cken diese, ganz in Philostratos Sinne, bei Tizian nur die Äpfel vom Baum, während Sie bei Rubens eine Obstgirlande, sowie eine Drapperie in den Händen halten. In beiden Ge­mälden ist die Venus Statue von Bedeutung. In dem Gemälde von Tizian, ist diese als Venus Pudica dargestellt, denn Sie verdeckt Ihre Scham, während die Brüste jedoch noch zu sehen sind. (Abbildung 4) Eine der heraneilenden Frauen, hält der Figurine einen Spie­gel vor das Gesicht. Dieses Motiv, lässt sich auch bei Rubens wiederfinden. Zwar ver­sammeln sich hier mehr Frauen um die Statue, jedoch entdeckt der Betrachter auch hier diese eine, welche der Venus den Spiegel entgegenstreckt. Die Venusfigur von Rubens hat zusätzlich noch Ihre Brüste in ein Tuch gehüllt und hier wird hier ebenso als „scham­hafte Venus“ Pudica noch sittengemäßer verhüllter als bei Tizian dargestellt. (Abbildung 5) Das die Venus Statue auch hier mit einem Spiegel in Verbindung gebracht wird, ent­spricht nicht nur den zugeordneten Symbolen von Myrte, Muschelschale, zwei Tauben, Delphin und Spiegel welche der Göttin stets zugeordnet werden sondern auch dem Bild­sujet, auf welches später noch detaillierter eingegangen wird.7 (vgl.: Georges Didi-Hu- berman: Venus öffnen. 2006. Berlin). Die Venusstatue ist bei Tizian seitlich ausgerichtet und am rechten Bildrand verankert. Bei Rubens befindet sich die Figurine der Gottheit im Bildzentrum, wodurch dem Betrachter sogleich klar wird, dass die Bildmotive sich zwar ähneln, jedoch einen anderen Stellenwert einnehmen. Bei Tizian wird das „Ge­folge“ der Göttin Venus in den Vordergrund gerückt. Das Motiv der Liebe spiegelt sich in der Erneuerung und Preisung der Natur. Doch was hat Rubens dazu veranlasst, nach der Replik von Tizians originalem „Venusfest“, noch ein „Weiterphantasieren“ des Sze­narios zu konstruieren? Inwiefern hat sich der flämische Maler hierbei von der antiken Lyrik Philostratos inspirieren lassen? Gibt es einen Grund dafür, dass Rubens in seiner Version des „Venusfestes“ die Figurine der Göttin in den Mittelpunkt der Komposition rückt?

[...]


1 Gilles Néret: Rubens. 2017. Köln

2 Martin Warnke: Rubens. 2011. Köln

3 Martin Warnke: Rubens. 2011. Köln

4 Gilles Néret: Rubens. 2017. Köln. S.35

5 Ian G. Kennedy: Tizian. 2018. Köln.S.35

6 Philostratos: Bilder einer Ausstellung Eikones. 2018. Wiesbaden.S.37

7 Georges Didi-Huberman: Venus öffnen. 2006. Berlin

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Das Venusfest" von Peter Paul Rubens. Interpretationsansätze und biografische Zusammenhänge
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,3
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V506709
ISBN (eBook)
9783346065278
ISBN (Buch)
9783346065285
Sprache
Deutsch
Schlagworte
venusfest, peter, paul, rubens, interpretationsansätze, zusammenhänge
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, "Das Venusfest" von Peter Paul Rubens. Interpretationsansätze und biografische Zusammenhänge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506709

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