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Mehr InfosMagisterarbeit, 1998, 139 Seiten
Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien
Magisterarbeit
Universität Duisburg-Essen (Fachbereich 3 - Literatur- und Sprachwissenschaften)
1,7
Vorwort
1. Einleitung
2. Kommunikation mit und durch den Computer
2.1 Technisch vermittelte Kommunikation: Stellenwert und Rolle der Kommunikation am Ende der 90er Jahre
2.2 Zum Begriff computer-vermittelter Kommunikation 21
2.3 Klärung von Mißverständnissen zu generellen Beobachtungs problemen von Mensch-Computer-Interaktion
3. Das Internet
3.1 Eine kurze Einführung: Historischer Abriß, Aufbau und Dienste des Internet
3.2 Computer-vermittelte Kommunikation im Internet:
E-mail, Mailing-Listen, Chat und Newsgroups
4. Die Newsgroups
4.1 Entwicklungs- und Wesensgeschichte
4.2 Themen, die die Welt bewegen: Aufbau des News-Systems
4.3 Diskutieren in Newsgroups: Über den Aufbau von News-Artikeln und das Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht von Usern
5. Medial bedingte Merkmale computer-vermittelter Kommunikation
5.1 Einordnung der Newsgroups-Kommunikation in eine Kommunika-tionstypologie
5.1.1 Medial bedingte Merkmale der Newsgroups-Kommunikation
5.1.1.1 Zeitliche und räumliche Direktheit
5.1.1.2 Sensorische Qualitäten
5.1.1.3 Gegenseitigkeit
5.1.1.4 Öffentlichkeitsbezug
5.1.1.5 Wiederholbarkeit / Speicherfähigkeit
5.1.1.6 Bekanntheitsgrad der Teilnehmer
6. Gruppenspezifische Merkmale der Newsgroups-Kommunikation
6.1 Die Usenet-Gemeinschaft: Soziodemographische Merkmale
von Usern
6.2 Über Kommunikations- und Verhaltensregeln in Newsgroups
6.2.1 Netiquette und Kooperationsprinzip
6.3 Kommunikationsrequisiten und netzspezifischer Sprachgebrauch
6.3.1 Smileys und der Sinn der Worte
6.3.2 Acronyme und Internet-Slang
6.3.3 Schreibe, wie Du sprichst? Über das Verhältnis von Schriftlichkeit und Mündlichkeit in Newsgroups-Kommunikation
6.4 Identitätsrequisiten und Selbstdarstellung im Netz
7. Resümee
8. Literaturverzeichnis
8.1 Newsgroups-Artikel
9. Tabellenverzeichnis
10. Abbildungsverzeichnis
Titel meiner Arbeit ist Verständigung im Netz: Gruppenspezifisches Verhalten in Newsgroups. Dieser Titel stand nicht von Anfang an fest, sondern hat sich erst im Laufe der Beschäftigung mit dem Themenkomplex Internet und Usenet ergeben. Eine spätere Betitelung einer Arbeit ist im "Findungs-prozeß" und der Bearbeitung eines speziellen Themas durchaus nicht un-üblich. Ich betone dies dennoch, um so den Aufbau meiner Arbeit zu verdeutlichen. Denn meine Ausgangslage war die eines "Greenhorn im Internet". Internet - was ist das? World Wide Web, bunte Bilder, Informationen rund um die Uhr und globale Kommunikation - dies waren anfangs nur Begriffe, die mir im Kopf herumschwirrten, und diese Begriffe galt es alsbald praktisch mit Inhalt zu füllen, d. h. konkret: ein User im Internet zu werden. Im Laufe der eigenen Praxis habe ich erfahren, daß Kommunikation im Internet bzw. Usenet durchaus mehr ist als bloßer Plausch oder Informationsaustausch von Menschen mit ähnlichen Interessen.
Ein jeder Verfasser kommt in die unausweichliche Zwangslage, sich entscheiden zu müssen, wie das Grundkonzept seiner Arbeit auszusehen hat und wo Prioritäten zu setzen sind. Dies stellt nicht selten ein mehr oder minder schwieriges Unterfangen dar, denn während des gesamten Arbeitsprozesses stößt man an Grenzen und Probleme und muß die Fülle an eigenen Erfahrungen und Vorstellungen in brauchbar und unbrauchbar selektieren und strukturieren. Als mein "eigenes Versuchsobjekt" zu gelten, mit bestimmten Vorstellungen von der Netzkommunikation Anschluß an das Internet (und "seine" Menschen) zu erhalten und diese durch die Praxis zu verifizieren aber auch zu falsifizieren, auf der Suche nach dem Besonderen dieser Kommunikationsform schien mir die spannendste Alternative. Der Aufbau meiner Arbeit spiegelt daher die einzelnen Etappen meiner gedanklichen, methodischen sowie praktischen Herangehensweise an das Internet wider. Die thematische Hinführung, Ziele der Arbeit und die Kapitelbeschreibung erfolgen in der Einleitung.
Zuvor einige konzeptionelle und formal-organisatorische Hinweise: Ich bin bemüht, verwendete Termini (aus dem Bereich "Computer und Internet") schon beim ersten Auftreten im Text zu erläutern. Ist eine Erklärung eines erstmals verwendeten Begriffes bzw. Terminus allerdings störend für den "Leseprozeß", so habe ich das Verstehen durch Verweise innerhalb der Arbeit gesichert. Damit der Textfluß allerdings nicht ständig durch Verweise unterbrochen wird, habe ich diese Begriffe ebenso durch Kursivdruck kenntlich gemacht, sie werden im weiteren Verlauf der Arbeit erklärt. Besonders betonte Begriffe sind ebenfalls kursiv gedruckt (sowie metakommunikativer Gebrauch). Englischsprachige Wörter, für die es keine adäquaten deutschen Entsprechungen gibt bzw. die als Termini der Internet-Sprache gelten, verwende ich in eingedeutschter und deutsch flektierter Form, z. B. für das Veröffentlichen von Artikeln in Newsgroups: er hat einen Artikel gepostet, von engl. to post = 'mit der Post versenden' bzw. in Newsgroups: 'als Aushang bekannt geben'. Englischsprachige Wörter deutsch zu konjugieren oder zu deklinieren geht allerdings nicht auf mich zurück, sondern wird in den News ebenso gehandhabt. Bei der Literaturrecherche habe ich mir selbst das Internet zu nutze gemacht und bin teilweise auf sehr interessante Texte zu computer-vermittelter Kommunikation gestoßen. Hierbei handelt es sich um Texte, die auch in gedruckter Form vorliegen, aber auch um Texte, die ausschließlich im Netz veröffentlicht werden. Gegenüber den relativ hohen technischen und organisatorischen Aufwendungen, angefangen vom Verfassen und Korrigieren bis hin zum Drucken und Erscheinen von Büchern oder Zeitschriften, kann man in Netz-Veröffentlichungen einen Vorteil in der großen Aktualität (bezogen auf das Erscheinungsdatum, das schnelle Veröffentlichen) sehen. Nachteilig gestaltet sich allerdings die Zitierung und das spätere Auffinden von Netz-Artikeln z. B. dann, wenn Texte bzw. Dateien auf andere Internet-Seiten verlegt wurden und ein link (ein Verweis) auf die neue Seite ausbleibt, der Text somit zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar ist. Flüchtigkeit und Willkür sind hier Faktoren, die wir stets berücksichtigen müssen. Für das Zitieren von Internet-Quellen, e-mails oder Newsgroups-Artikel gibt es derzeit noch keine einheitliche Richtlinie, nur Empfehlungen (z. B. Bleuel (1995), Ott/ Krüger/Funke (1997)).
Ich übernehme für Internet-Quellen die Zitierweise, die ich auch bei "herkömmlichen" Bibliographieangaben verwende. Allerdings mit dem Unterschied, daß es keinen Erscheinungsort (außer dem Datennetz des Internet), keine genauen Seitenangaben (da sie sich je nach Formatierung der Textfiles verändern) und kein zuverlässiges Erscheinungsdatum (da Texte häufig aktualisiert werden (update)) gibt. Daher werde ich elektronische Publikationen im Literaturverzeichnis neben der Autoren- und Titelangabe mit der URL und dem dazugehörigen Veröffentlichungsdatum kennzeichnen. Wenn kein Veröffentlichungsdatum angegeben ist, so benenne ich den Stand des Abrufens der Internet-Seite. Ist die Publikation auch in gedruckter Form erhältlich, so habe ich dies in eckige Klammern hinzugefügt.
Weiterhin führe ich im Literaturverzeichnis nach den eigentlichen Bibliographieangaben Artikel aus Newsgroups auf (als Unterkapitel 8.1), die mir für die Erstellung der Arbeit hilfreich waren und die als grundlegende Einführungsartikel zur Nutzung der News (Netiquette, Einrichtung von Newsgroups etc.) betrachtet werden. Bei dieser Bibliographieangabe übernehme ich das englischsprachige Erscheinungsbild des headers wie es im Newsreader Netscape 3.01 (englische Version) bei Abruf der Newsgroups erscheint.
Beispielhafte News-Artikel und einen Auszug aus einem eigenen e-mail-Wechsel, die ich im Verlauf der Arbeit zur Verdeutlichung und als Beleg für meine Thesen heranziehe, führe ich nicht gesondert als Anhang auf, da sie lediglich Beispiele darstellen und es jederzeit in einer x-beliebigen Newsgroup äquivalente Artikel gibt. Ist eine genauere Besprechung eines Artikels nötig, so habe ich die Zeilen durchnumeriert, Auslassungen sind durch [...] gekennzeichnet und explizit zu besprechende Wörter oder Sätze sind fett gedruckt. Diese beispielhaften, wörtlich zitierten News-Artikel habe ich mit dem subject, also dem Thema der Diskussion, dem Datum und dem Namen der Newsgroup versehen, aus der sie stammen. Um den Verfassern (abermalige) Anonymität gewährleisten zu können, habe ich die Beispiele anonymisiert bzw. zur Kommentierung eines Artikels lediglich mit einem Vornamen gekennzeichnet. Diese Angaben gelten hier als Beleg. Der Zeitraum der Artikelauswahl ist willkürlich gewählt.
Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hier nicht um eine für sämtliche Newsgroups (allgemein)gültige Beschreibung handeln kann. Insgesamt wird die Zahl der heute existierenden Newsgroups auf weltweit mehr als 17.000 geschätzt, in denen Hunderttausende von Artikeln zu finden sind. Zum einen gibt es globale Newsgroups, deren Sprache englisch ist, zum anderen gibt es regionale und lokale Newsgroups in der jeweiligen Landessprache. Um "Herr der Lage" zu werden, habe ich eine Einschränkung auf die deutschsprachigen de*.-Newsgroups des Usenet vorgenommen, wobei ich mich dann auf einige wenige Gruppen, v. a. auf de.newusers.questions und de.news.admin.* konzentriert habe. Ich konnte beobachten, daß sich gerade in diesen Gruppen spezifische und typische Verhaltensweisen von Usern zeigen, weil sie dort über das in allen anderen Gruppen vorhandene inhaltliche, thematische Interesse hinaus auch organisatorische und administrative Probleme im Netz besprechen. Wobei anzunehmen ist, daß ähnliche Verhaltensweisen wie sie sich dort zeigen, auch in englischsprachigen News vorherrschen.
Essen, im Februar 1998 Bianca Kasperski
Die Tatsache, daß das Internet als das Kommunikations- und Informationsmedium der Zukunft, zumindest der 90er Jahre angesehen wird und somit die Kommunikation in aller Munde ist, gab mir Anlaß genug, mich eingehender mit dem Internet beschäftigen zu wollen. Elektronische Datennetze verbinden die Welt, verbinden Tausende von Menschen miteinander. Worin liegt der Reiz und Nutzen, über Computernetze kurz und kompakt verfaßte sprachliche Mitteilungen miteinander auszutauschen und somit schnell(er), zeitsparend(er) und ggf. effektiv(er) (als in bzw. mit anderen Kommunikationsmedien) zu kommunizieren? Und was ist mit den Netzen, die sich nicht nur wie e-mail durch Zeiteinsparung und Ökonomie auszeichnen, sondern in oder mit denen Menschen auf der ganzen Welt in ihrer Freizeit kommunizieren? Worin liegt das Besondere und ist es überhaupt so besonders computer-vermittelt zu kommunizieren?
Gleich ob man das Internet geschäftlich oder privat nutzt, welche positiven oder negativen Erfahrungen man im Netz gemacht hat oder welche Vorstellungen, ggf. Vorurteile man sich in bezug auf die Nutzung und den Nutzen gebildet oder welche man adaptiert hat: Allein an dem Begriff des Users läßt sich zeigen, weshalb sich das Internet in der Tat von allen anderen technischen Kommunikationsmitteln abgrenzt. Kommunikation über das Internet als das völlig Neue, das noch nie Dagewesene zu bezeichnen ist ebenso unsinnig wie Analogien zu bilden, e-mail sei mit dem herkömmlichen Briefeschreiben zu vergleichen, nur ginge der Austausch schneller, und Chats seien im Grunde Plaudereien, wie wir sie auf Partys oder am Telefon (Flirt-Line etc.) betreiben, nur daß man sie in den Computer eintippe. Vergleichen wir das Internet bspw. mit dem Telefon: Seit mehr als 120 Jahren wird das Telefon selbstverständlich als Kommunikationshilfsmittel benutzt, um mit räumlich entfernten Personen zu kommunizieren. Seit der Erfindung des Anrufbeantworters vor einigen Jahren können wir zudem raum- und zeitunabhängig Informationen übermitteln. Würde uns jemand erstaunt und wißbegierig fragen: "Ach, du hast ein Telefon?" würden wir ihn ebenso erstaunt anschauen, da wir diese Frage nicht zu deuten wüßten und sie mit größter Wahrscheinlichkeit nicht ernst nehmen würden. Das Telefon ist integraler Bestandteil unseres zivilisierten und progressiven Lebens und aus dem Haushalt und Berufsleben nicht mehr "wegzudenken". Anders verhält es sich mit dem Internet, denn es ist erst im Begriff Bestandteil eines alltäglichen technischen Kommunikationsmittels zu werden. Als weltweites Informations- und Kommunikationsnetz, daß jeder nutzen und mitgestalten kann, existiert es erst seit Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre. Fortschrittliche Firmen haben einen Internetanschluß und repräsentieren sich auch im Internet. Ein privater Internetanschluß hingegen ist noch weitgehend mit Faszination belegt. Erzähle ich anderen, daß ich mich mit dem Internet beschäftige, höre ich häufig Fragen wie "Ach, du hast Internet? Wie geht denn das?" Fragen solcher Art sind durchaus nicht verwunderlich, da das Internet eben noch nicht den Einzug ins Privatleben genommen hat, wie bspw. das Telefon, und der Erklärungsbedarf daher noch relativ hoch ist.
Dies ist allerdings nicht der wesentliche Unterschied, den ich zuvor angesprochen habe. Telefoniert man mit jemandem, so ist und bleibt man immer noch Privatperson XY, sowohl während als auch vor und nach dem Telefongespräch und wird nicht etwa als Telefonist(in)[1] oder dergleichen klassifiziert. "Betritt" man hingegen das Internet, so wird man in diesem Moment ein User - ein Benutzer des Internet. Kommuniziert man das erste Mal in einer Newsgroup, ist man ein Newbie, kommuniziert man häufiger wird man ein Newuser. Betritt man einen Chatroom, ist man nicht nur ein Chatter, sondern erhält oder verschafft sich eine andere, eine eigene Netz-Identität. Vielleicht ist man männlich statt weiblich (oder umgekehrt), älter oder jünger, Topmanager oder Junkie, je nachdem welche Informationen man von sich preisgibt, welche man erfindet und welche Vorstellungen sich andere von einem machen. "stephi, uri, lula15, Trudi, Ratboy, Saturn5, Jimmy17, Unerfahrener, mika22, HAILANDER, basti30, Adrian2, frischling, RoterKaefer, Iimbert, Skira, Cyruz, Vivien21, Bermuda, spargel" - dies sind bspw. die Teilnehmer des uni-online Chat-Channels in Chatcity (http://www. chatcity.de) vom 2.11.1997 um 17.17 Uhr. Wer sich hinter diesen skurrilen, z. T. ominösen Namen verbirgt, erfährt man unter Umständen nie. Faszination, Nervenkitzel, Zeitvertreib, das wie auch immer geartete Kennenlernen anderer Personen, Wissensaustausch - gleich welche Gründe man für die Nutzung von Chats oder Newsgroups finden mag, es gibt Tausende von Chat-Channels, Newsgroups und Usern, Newusern oder Chattern, die im und über das Internet kommunizieren.
Habe ich zuvor erwähnt, daß ich in Gesprächen mit anderen erfahren habe, daß das Interesse am Internet relativ hoch ist (bezogen auf Informationssuche und e-mail), so finde ich es angesichts der Tatsache von Tausenden von Usern hingegen erstaunlich, daß das Interesse am Usenet und den Newsgroups relativ gering ist. Eine häufig zu vernehmende Einstellung über interpersonale Kommunikation im Internet ist die, daß sie zu unpersönlich sei, man Freunde doch lieber von Angesicht zu Angesicht oder per Telefon spreche und nicht stundenlang allein vor dem Computer hocke.[2] Gleich welches Thema, welcher Sachverhalt oder Umstand, natürlich gibt es immer ein Pro und Contra. Geht es um Computer und Internet, so scheint es, daß sich zwei Kategorien von Menschen abzeichnen (extrem ausgedrückt): Einerseits gibt es Personen, die wir als Computerfreaks bezeichnen und von denen wir nicht selten ein stark negativ geprägtes Bild mit folgenden Attributen im Kopf haben: blaß, kontaktarm und geradezu computerbesessen. Andererseits gibt es Menschen, die sozusagen "voll im Leben stehen", weil sie nicht ständig vor dem Computerbildschirm sitzen. Aber was sind das für Leute, die sich über das Internet weltweit miteinander unterhalten? Sind es tatsächlich nur Computerfanatiker oder sind es zukunftsorientierte, fortschrittlich denkende Menschen, die das Internet als "Kommunikationsrevolution" ansehen und gerade deshalb "voll im Leben stehen"? Es geht mir hier nicht um eine konkrete Beantwortung dieser Fragen oder um ein psychologisches Nutzerprofil, dennoch sind es Leitgedanken. Denn allein anhand der Begriffe User, Newuser und Chatter wird eines deutlich: Es wird unterschieden in eine Welt außerhalb des Netzes (in der Internet-Sprache heißt dies dann RL für Real Life) und eine im Netz (VR für Virtual Reality). Im Privat- bzw. Alltagsleben bin ich Bianca K., im Internet bin ich User (bzw. Userin - allerdings gibt es diesen eingedeutschten Ausdruck noch nicht) Bianca K. aber vielleicht auch Jimmy17 oder Skira.
Ein User zu werden heißt, sich auf die Menschen "im Netz", ihre Kommunikationsgewohnheiten, auf ihr Verhalten einzulassen. Nicht mehr und nicht weniger als wir es im Alltag, etwa in einer face-to-face Kommunikation, gewohnt sind. Im Netz zu kommunizieren, heißt nicht zwangsläufig anders zu sein, sich der Realität zu entziehen und sich in der Netzwelt oder gar der Virtualität (welchen Raum oder besser welchen "Nicht-Raum" man auch immer damit bezeichnen möchte) zu verstecken, nur weil wir die Personen, mit denen wir über den Bildschirm und die Tastatur kommunizieren, nicht sehen, hören oder anfassen können. Ob sich Menschen im Netz generell anders verhalten als im "realen Leben" steht hier nicht zur Diskussion. Allerdings bietet das Internet eine Form der Kommunikation, die noch kein anderes technisches Kommunikationsmedium so integrativ ermöglicht hat. Wer sich als Neuling mit dem Internet beschäftigt, wird fasziniert sein von der Fülle der Informationen und deren schnellen Verfügbarkeit, wird erstaunt sein, wie leicht es doch ist, weltweiten Kontakt mit anderen Menschen zu knüpfen. Die erste e-mail aus Canada! - war ich begeistert.
Doch diese erste Faszination über die Leichtigkeit und Kommunikationsfreudigkeit im Netz kann sich schnell legen. Denn Kommunikation im Usenet heißt Arbeit (wobei ich dieser natürlich eine Faszination nicht absprechen möchte). Es heißt, sich Wissen über Computer, Netzwerke und Software anzueignen, sich an administrative und kommunikative Regeln zu halten, Vorschriften zu beachten, sich gekonnt darzustellen, d. h. für andere interessant zu erscheinen, und Informatives statt Unsinnigem zu schreiben, damit man der Enttäuschung entgeht, übersehen worden zu sein oder gar schlimmer, geflamt oder sanktioniert zu werden. Wer sich darauf einläßt, ein "echter" User zu werden, wird im Netz "eine Welt" vorfinden, in der man Wirklichkeiten konstruiert, Identitäten aushandelt und Beziehungen und Gemeinschaften bildet. Auch die Kommunikation im Netz ist "echte" soziale Kommunikation.
In der vorliegenden Arbeit geht es mir also weniger um positive oder negative Eigenschaften des Internet allgemein oder um soziale und psychologische Folgen und Wirkungen der Computernutzung auf den Menschen und seine Kommunikationsfähigkeit, sondern ich möchte mich hier vornehmlich den privat-kommunikativen Bereichen des Internet als dem Kommunikationsmedium schlechthin, konkret dem Usenet als dem Diskussionsforum und der "stattfindenden Kommunikation" in Newsgroups im Netz widmen. Dabei soll es nicht um Fragen gehen, ob sie die Kommunikation im Alltag ersetzen soll oder wird.[3] Ich möchte mich hier vornehmlich auf das Wie konzentrieren, d. h. in welcher Weise gestaltet sich der Ablauf, der Vollzug und das Herstellen von Kommunikation in Newsgroups. Hierbei werde ich stellenweise auch auf mögliche Parallelen und gegebene Unterschiede anderer textbasierter (z. B. dem "konventionellen" Briefwechsel) und auch technisch vermittelter Kommunikationsformen (z. B. dem Telefon) eingehen. Jegliche Bewertungen oder Mutmaßungen über das Warum oder mit welchen Konsequenzen, die sich auf kommunikativ-gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse beziehen, sind und bleiben spekulativ und sollen in der Arbeit wenig Verwendung finden. Währenddessen sich Einstellungen, Wünsche und Vorstellungen, die sich mit dieser neuen Art von Kommunikation verbinden und in ihr zum Ausdruck kommen, nicht vom eigentlichen Kommunikationsvorgang trennen lassen. Somit werden mich natürlich auch motivationale Aspekte der Nutzung dieser Kommunikationsform interessieren.
Informationen über das Internet, populärwissenschaftliche Texte und umfangreiche wissenschaftliche Literatur aus den Bereichen Informatik, Soziologie, Psychologie und den Sprachwissenschaften, seien es Kommentare, Essays oder nur Benutzerhandbücher, gibt es momentan reichlich, wobei der Bereich der Internet-Kommunikation und Sprachentwicklung (und möglichen Sprachveränderung) erst allmählich Gegenstand von sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen wird. Allzu leicht wird man beeinflußt von gesellschaftskritischen, computerfeindlichen, gar apokalyptischen Visionen, in denen die Technik den Menschen beherrscht, aber auch von technikgläubigen Gedanken und Vorstellungen, das Internet sei "das Tor zur Welt". Schnell stellte sich mir das Problem: Wo stehe ich mit meiner Meinung in all den positiv wie auch negativ ausgerichteten Standpunkten über die doch so menschenentfremdende wie zugleich menschenverbindende computer-vermittelte Kommunikation des Internet? Sinnvollerweise stellt man sich erst am Schluß einer Themenbearbeitung diese Frage und beginnt mehr oder weniger vorurteilsfrei mit der Lektüre und eigenen Erfahrung als User im Internet. In Kapitel 2 thematisiere ich daher eine Reihe von ersten Fragen und anfänglichen Gedanken, die ich mir über das Thema Kommunikation mit und durch den Computer gemacht habe und zeige, wie ich das Thema näher eingegrenzt habe.
In den Kapiteln 3 und 4 folgen, kurz gesagt, Informationen über das Internet und Usenet sowie praktische Erfahrungswerte. Diese Kapitel sind eher deskriptiv ausgelegt und gehen auf die Frage zurück, wie Kommunikation im Internet organisiert ist. Wobei ich allerdings darauf hinweisen muß, daß es nicht darum gehen kann, ein Benutzerhandbuch für Internet und Newsgroups zu schreiben und eine vollständige Beschreibung dessen zu geben, was das Internet ist und wie es funktioniert, was Newsgroups sind und wie man in bzw. mit ihnen kommunizieren kann. Abgesehen davon, daß eine annähernd vollständige Beschreibung sicherlich den Rahmen von mindestens 400-500 Seiten einnehmen würde. Vielmehr ist es eine einführende Beschreibung der Informationen, die ich für wichtig erachte und die ich selbst zum Verständnis und zur Anwendung benötigt habe, um mich im Internet und in den Newsgroups zurechtzufinden. Dabei bin ich notwendigerweise auch auf technische Aspekte eingegangen.
Der Computer als Medium determiniert unsere "natürlichen" verbalen und nonverbalen Kommunikationsmittel weit stärker als bisherige Kommunikationsgeräte, wie z. B. das Telefon, oder als andere schriftlich fixierte Kommunikationsformen, wie z. B. der Brief. Um aufzuzeigen, in welcher Art und Weise dies geschieht, sind Ausführungen zur Funktionsweise von Computern und Computernetzwerken, die auf den ersten Blick zu technisch erscheinen und in einer sprach- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Arbeit überraschen könnten, unverzichtbar. Spreche ich von gruppenspezifischem Verhalten bzw. von gruppenspezifischer Kommunikation in Newsgroups, so nehme ich eine Klassifizierung und Unterscheidung vor, die einer Rechtfertigung und Diskussionsgrundlage bedarf. Ich betrachte die Ausführungen der Kapitel 3 und 4 als grundlegendes Vorwissen, das vonnöten ist, um in den anschließenden Kapiteln 5 und 6 überhaupt erst Aussagen über Newsgroups und deren Teilnehmer machen zu können. Kommunikation in Newsgroups ist neben e-mail, Chat und Mailing-Listen eine mögliche Form der computer-vermittelten Kommunikation im Internet. Generelle Unterschiede von Funktions- und Einsatzweisen werde ich in Kapitel 3.2 beschreiben. Um die Newsgroups-Kommunikation konzeptionell fassen und erklären zu können, werde ich in Kapitel 5 eine detaillierte Merkmalsunterscheidung vornehmen, bezogen auf medial bedingte Äußerungsformen von bzw. in e-mails, Chats und Newsgroups und sie speziell in Kapitel 5.1.1 in eine allgemeine Typologie von Kommunikation (wie Individual- und Massenkommunikation) einordnen.
Merkmale in computer-vermittelter Kommunikation begründen sich aber keineswegs allein durch die Tatsache, daß der Computer als Medium zwischen die Teilnehmer geschaltet ist oder durch die Annahme, daß das Medium Computer die Art und Weise der Kommunikation festlegt. Zwar kann man aufgrund des Mediums nur begrenzt, und zwar nur durch den Austausch von schriftsprachlichen per Computertastatur eingetippten Mitteilungen mit jemandem kommunizieren, aber allein diese Tatsache sagt noch nichts über den eigentlichen Sprach- und Kommunikationsstil aus. Hier handelt es sich neben den in Kapitel 5 angesprochenen formalen bzw. medial bedingten Merkmalen um eine zweite Ebene von Merkmalen. Es sind materielle und materiale Komponenten (in Anlehnung an Ungeheuer 1974a: 92-95) der Kommunikation, die die Sprache und das Primärthema (in unserem Fall das subject einer Newsgroup) betreffen. Wie und warum man etwas sagt, hängt u. a. von den Einstellungen, Vorstellungen und Wissenszuständen der jeweiligen Personen und im besonderen von dem Kommunikationsziel ab, das Verständigung i. S. v. Verstehen heißt. In unserem Fall ist die Einstellung der News-Nutzer zu dem Medium bzw. zu der Kommunikationsmöglichkeit Newsgroup und zu deren Teilnehmern für die Art und Weise der Kommunikation relevant. Wir können hier (wiederum in Anlehnung an Ungeheuer 1974a: 92-95) von modalen Komponenten sprechen, die sich konkret durch die bzw. in den kommunikativen Äußerungen ausdrücken und sich im Kommunikationsprozeß beobachten lassen. Die Ausführungen zu materiellen und modalen Komponenten habe ich in Kapitel 6 als gruppenspezifische Merkmale von Newsgroups-Kommunikation zusammengefaßt.
Nun ist es nicht so, daß ich von vornherein die These aufstellte, Kommunikation in Newsgroups sei gruppenspezifisch. Erst durch aktive Teilnahme und Durchsicht von Artikeln aus Newsgroups, die ich mehr oder weniger willkürlich "besuchte", sowie durch Literaturrecherche habe ich ganz bestimmte Merkmale gefunden, die für diese These sprechen. Genau diesen Weg möchte ich beschreiben, d. h. ich werde beispielhafte Artikel oder Auszüge aufführen und genauer besprechen, um meine These zu begründen und zu verifizieren. Dabei ist weniger relevant welche konkrete Situation vorliegt und welche speziellen kommunikativen Strategien und Handlungsentscheidungen getroffen werden. Denn es zeigen sich charakteristische Verhaltensweisen (wohlgemerkt keine allgemeingültigen Verhaltensmuster), die ich deshalb als gruppenspezifisch ansehe, weil sie zum einen dadurch gekennzeichnet sind, daß User spezielle schriftsprachliche Kommunikations(hilfs-)mittel unabhängig von einer konkreten Kommunikationssituation verwenden (wie etwa Smileys oder Acronyme), die allgemein auf Kommunikation in Newsgroups zutreffen und weil sie zum anderen aus einem noch näher zu spezifizierenden Gemeinschaftssinn resultieren (wie z. B. Mitgestaltung und Einrichtung von Newsgroups, Sanktionierung von flames und "Streitsüchtigen", Verantwortungen eines Moderators).
Nun lautet mein Thema nicht nur gruppenspezifisches Verhalten in Newsgroups, sondern dieses ist eingebettet in das "Oberthema"Verständigung im Netz. Der Begriff der Verständigung ist eng mit den Begriffen Verstehen, Verständnis und Verständlichkeit verbunden und beinhaltet mehrere Bedeutungen, Ableitungen und Assoziationen zugleich:
- wir sprechen, um uns zu verständigen i. S. v. mitteilen, sprechen, Kommunikation als Verständigung (Newsgroups als Form der Verständigung und Schriftsprache als Mittel der Verständigung),
- sich verständlich machen i. S. v. gut zu verstehen, bezogen auf klar und deutlich sprechen, sich klar und deutlich ausdrücken (z. B. kurze und wohlüberlegte Sätze in News-Artikeln schreiben),
- sich über etwas verständigen i. S. v. von Einigung, Einvernehmen und Konsens, Übereinstimmung (etwa Herstellung und Eingrenzung eines Kommunikationsthemas einer Newsgroup, Übereinstimmung über einen Standpunkt in einer Diskussion),
- jemanden verstehen i. S. v. Verständnis und Einfühlungsvermögen haben, bezogen auf das emotionale Verständnis, Kommunikation als Beziehung
- etwas verstehen i. S. v. begreifen, etwas können, logisch einordnen,
- "ja, ich verstehe dich" i. S. v. wahrnehmen, hören, bezogen auf die bloße auditive Leistung.
Verständigung ist daher ein etwas unklar gefaßter Begriff, der den Prozeß des Verstehens umschreibt, in dem das Ergebnis wieder Verständigung lautet bzw. erreicht werden soll, in welchem eine Einigung Verstehen voraussetzt und in dem Einverständnis der Kommunikationszweck und Verstehen das Kommunikationsziel ist.[4]
Verständigung im Netz behandelt einerseits die bekanntesten computer-vermittelten Kommunikations- bzw. Verständigungsformen des Internet und bezieht sich andererseits auf das Herstellen von Verständigung durch kommunikatives, soziales Verhalten der User untereinander, also auf Faktoren und Merkmale des Verstehensprozesses. Es geht mir darum, wie Verständigung in Newsgroups hergestellt bzw. erreicht wird und an welche Grenzen sie stößt, d. h. in welchen Situationen Mißverständnisse aufkommen (können).
Ich möchte in bzw. mit meiner Arbeit aufzeigen und begründen, welches Verhalten durch Netzkommunikation zu Tage tritt, d. h. welches durch den Einsatz des Computers (in begrenztem Maße) vorgegeben bzw. nur möglich ist und welches kommunikative und soziale Verhalten ich in Newsgroups anhand spezieller kommunikativer und sprachlicher Merkmale und Eigenarten als netz- und gruppenspezifisch ansehe - im Sinne einer “Ethnographie der Netzgemeinde“. Sprachwahl und Sprachgebrauch sowie das gesamte kommunikative Verhalten sind Ausdruck ganz spezieller Einstellungen, Erwartungen und Ansprüche der Kommunikationsteilnehmer an den Kommunikationsprozeß und bezeugen, wenn dieses Verhalten annähernd normiert und kollektiv übernommen oder erlernt wird, nicht zuletzt eine Gruppenzugehörigkeit.
Die Revolution in der Kommunikation steht erst am Anfang. (Bill Gates 1995:12)
Die Kommunikations- und Informationstechnologie wird als der entscheidende ökonomische Faktor für das ausgehende 20. und das kommende 21. Jahrhundert angesehen. Information und Kommunikation sind zum vierten großen Wirtschaftsfaktor geworden, so wichtig wie Rohstoffe, Arbeit und Kapital. Die Symbole der heutigen sog. Informationsgesellschaft sind der Chip und der Computer (vgl. BMWi 1995: 2 und Weingarten/Fiehler 1988: 3). Computer und programmierte Maschinen werden zunehmend arbeitsteilig oder arbeits-, personal- und zeiteinsparend eingesetzt. Multimedia und Datenautobahn sind Begriffe, die wirtschaftlich und gesellschaftlich pro und contra heiß diskutiert werden. Befürchtungen, daß die Menschen Lesen und Schreiben verlernen, daß wir uns zunehmend passiv verhalten, indem wir uns durch den (Multi-)Medienkonsum sozial isolieren, gar vereinsamen und daß mediale Kommunikationsangebote die zwischenmenschliche Kommunikation zerstört[5], stehen den Prognosen einer effizienteren Lern- und Arbeitsmethodik durch multimediale Technologien, die das Leistungs- und Wissensniveau der Gesellschaft anheben und durch Schaffung neuer Arbeitsplätze das Wachstum der Wirtschaft ankurbeln könnten, gegenüber. Zusammengefaßt sind es im wesentlichen drei große technologische Bereiche, die die entscheidenden Veränderungen der Zukunft bringen werden. Hier können wir die von Weingarten/Fiehler (1988: 3) vorgenommene Einteilung dieser Bereiche übernehmen:
a) Fortschritte in der Computertechnik, sowohl größere Speicherplatzkapazitäten und kürzere Verarbeitungszeiten der Hardware als auch die Konstruktion von leicht erlernbaren Benutzeroberflächen der Software zeigen ein kontinuierliches Wachstum (bezogen auf die Entwicklung und den Einsatz).
b) Mit der angestrebten Breitbandverkabelung (ISDN) und Nutzung der Satellitentechnik sollen sowohl national als auch international Optionen geschaffen werden, die eine nachrichtentechnische Infrastruktur für verschiedenste Informationsdienste ermöglichen.
c) Eine dritte Komponente ist die Verknüpfung der zuvor in a) und b) angesprochenen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Als Beispiele seien hier genannt: Btx, electronic mail (e-mail oder kurz mail genannt), Video conferencing, Bildschirmtelefon (I-Phone) und (ergänzend zu den bereits im Buch von Weingarten und Fiehler im Jahre 1988 benannten Bereichen, die bis dahin noch nicht so sehr ausgefeilten und einsatzbereiten) Dienste des weltweiten Internet.
Das "multikommunikative" Spektrum, das sich wie ein großflächiges und breit gespanntes Netz aus Begriffen wie Multimedia, Internet, Global Village, Information Highway oder auch Superhighway, Information und Kommunikation zusammensetzt, reicht in viele Lebensbereiche hinein. Hersteller und Betreiber prognostizieren eine universelle Verwendbarkeit der komplexen neuen Technologien in fast allen Lebensbereichen (inkl. Arbeitsbereichen): In der Industrie werden die Konstruktion (durch CAD), die Produktion (durch CAM), der Vertrieb und die Bürokommunikation mit Hilfe des Computers erledigt. Ebenso werden im Dienstleistungssektor Bürokommunikation und Informationsverwaltung zunehmend auf neue Technologien umgestellt. Im gesellschaftlichen Bereich des Lernens und der Weiterbildung sollen herkömmliche Lernmethoden durch computergesteuerte, interaktive[6] Lernsysteme ergänzt oder ersetzt werden. Besonders steht der private Bereich im Zentrum wirtschaflticher wie privater Interessen und öffentlicher Diskussionen: Unterhaltung per Kabelfernsehen, interaktive individuell gestaltbare Videoprogramme und CD-Rom Angebote oder persönlicher Geschäftsverkehr, geregelt und bewältigt durch Kontoführung per Telefon oder Computer (electronic bzw. home banking). Buchungen per PC oder Bestellungen können zeiteinsparend und direkt per CD-Rom und Home Shopping via Satellit und TV erledigt werden. (vgl. Weingarten/Fiehler 1988: 3)
Über das persönliche Gespräch hinaus lernten die Menschen im Laufe der Zeit auf neue Arten zu kommunizieren. Durch die Schrift ist es möglich geworden, andere Personen zu erreichen, die zeit-räumlich nicht anwesend sind[7]: zunächst durch Briefkontakt und telegraphische Übermittlungen, dann durch Telefonkommunikation bis hin zum Verschicken von Faxen. Diese Möglichkeiten werden nun Ende der 90er Jahre durch das Medium Computer erweitert.[8] "Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wir vor einem Umbruch, dessen Folgen sich erst langsam abzeichnen: Die digitale Technik ist immer und überall. Die neue Welt wird im Takt von 0 und 1 beschleunigt." (BMWi 1995: 2).
Der Bereich der technisch vermittelten Kommunikation bzw. enger gefaßt, der Bereich der computer-vermittelten Kommunikation eröffnet den Menschen durch e-mail sowie Diskussions- und Kommunikationsforen im Internet neue Dimensionen, mit anderen Menschen weltweit und jederzeit in Kontakt zu treten und Kontakte zu knüpfen. Die Ideale interpersoneller und technisch vermittelter Kommunikation "mit jedem gewünschten Menschen [Hvhbg. auch im Orig. wie nachfolgende auch] zu jeder gewünschten Zeit an jedem gewünschten Ort in jeder gewünschten Form mit möglichst geringem Aufwand"direkt" in Verbindung zu treten" (Lange 1989: 167) scheinen Ende der 90er Jahre unlängst jederzeit erfüllbar zu sein und als Normalfall zu gelten.
Das Wissen um Computer und Multimedia gehört schon fast selbstverständlich zu unserem heutigen Alltagsleben dazu. Neuheiten auf dem Computermarkt wurden "früher" ausschließlich in Fachzeitschriften diskutiert, "heute"[9] gibt es kaum eine Publikumszeitschrift, die nicht die Sparte 'Software- oder Medien-News' aufzuweisen hat. Selbst die sog. Frauenzeitschriften haben neben Kosmetiktips und Backrezepten Neuigkeiten auf dem Online-Markt anzubieten. Dies ist durchaus nicht abwertend gemeint, sondern es soll verdeutlichen, welchen Stellenwert das Thema Kommunikation und Multimedia eingenommen hat.[10] Ebenso haben wir die Möglichkeit, uns durch das Fernsehen über Computer und neue Kommunikationstechniken zu informieren. Neben einzelnen Berichten gibt es speziell gestaltete Sendungen, die sich diesem Thema wöchentlich oder monatlich widmen.[11]
Die sich ständig ergebenden Veränderungen und Neuerungen auf dem "Computer-Markt" machen es für den einzelnen fast unerläßlich, sich diesen in seinem Lebens- und Arbeitsbereich anzupassen (abhängig davon, ob es von ihm gefordert wird oder persönliches Interesse ist). Wer sich nicht mit Datenverarbeitungssoftware auskennt, gilt auf dem heutigen Arbeitsmarkt fast schon als Analphabet. Richtungsweisende Pläne und Bestrebungen, schon Vorschulkindern und Schülern erste Kontakte mit dem Computer zu ermöglichen, werden mehr und mehr durch finanzielle Unterstützung v. a. betreffender Telekommunikations- und Softwareunternehmen realisierbar.[12]
"Dank der neuen Technologie werden wir besser in der Lage sein, unser Leben selbst zu gestalten; sie wird uns Erfahrungen und Produkte liefern, die speziell auf unsere Interessen und Bedürfnisse zugeschnitten sind. Den Mitgliedern der Informationsgesellschaft werden sich ganz neue Wege zu Produktivität, Lernen und Unterhaltung erschließen." (Bill Gates 1995: 360) Diese beiden Sätze des Gründers und Chefs des weltweit führenden Softwareherstellers Microsoft sollen hier exemplarisch für viele andere Äußerungen von Computer-Befürwortern stehen, die im Zuge der rasanten kommunikationstechnologischen Entwicklung gravierende Einschnitte u. a. im Arbeitsleben, Schulalltag oder Freizeitverhalten für die nächsten Jahrzehnte "vorhersagen". Bill Gates geht gar in seinen Prognosen in bezug auf die Nutzung des Information Highway noch einen Schritt weiter: "Vielleicht wird Ihre Identität, Ihr Gefühl, wer Sie sind und wo Sie hingehören, sich beträchtlich erweitern." (1995: 22)[13] Ähnliches können wir auch von Kritikern der Datenautobahn vernehmen (allerdings im Gegensatz zu Gates eher im negativen Sinne gemeint): "Die digitale Welt verändert unsere Sprache, unsere Art zu schreiben und letzten Endes unsere Art zu denken." (Heuser 1996: 3). Diese Veränderung mündet häufig in der Vision, daß uns der Untergang der Welt des von John Updike benannten Gutenberg-Zeitalters bevorsteht (vgl. Frühwald 1996: 8).
Wir dürfen hier nicht außer acht lassen, daß ein "prophezeiter" Untergang des Buchdrucks nicht mit einem Ende der Buchkultur gleichzusetzen ist. Hier spricht gerade der Rekordumsatz der Verlage und Buchhandlungen im ersten Drittel des Jahres 1997 dagegen. Trotz Multimedia-Konkurrenz wurden noch nie so viele Bücher verkauft (vgl. Der Spiegel 1997). Die Vermittlung von Wissen durch Bücher wird durch die Nutzung des Internet nicht zwangsläufig verhindert oder eingeschränkt. Das Internet kann im Gegenteil gerade als weitere, alternative Quelle der Wissensvermittlung und -aneignung genutzt werden und Informationen (an)bieten. Es gibt (derzeit) keinerlei nachgewiesene Relation zwischen der Annahme der Option, die neuen Kommunikationsmittel zu nutzen, und einem Verschwinden des Buchdrucks oder gar der Verdrängung von "stilistisch schönem Schrei-ben".[14] Verhalten ist stets individuell (wenngleich stark von äußeren Einflüssen geprägt). Die Tatsache, daß man vor seinem Computer sitzt und sich die Zeit z. B. mit dem Herumblättern in Internet-Pages vertreibt, schließt nicht aus, daß man danach nicht noch ein Buch lesen könnte oder einem Freund einen netten (handgeschriebenen) Brief schreiben würde. Natürlich kann solch eine Situation auch aus negativer Sicht beschrieben werden, indem wir eben annehmen, daß das Lesen eines Buches gänzlich durch die Beschäftigung mit dem Computer ersetzt wird. Gerade in bezug auf heutige Lern- und Spielschemata von Kindern ist dies unter pädagogischen Gesichtspunkten immer kritisch und aufmerksam zu verfolgen.
Eine weitere Sichtweise ist die, quasi als positives Element einer negativen Kritik der Massenmedien, daß die Überschüttung mit elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten als Vorteil angesehen und bewertet wird. Die Annahme geht dahin, daß die Zunahme elektronischer, interaktiver Medien oder Online-Medien zu einer Rückbesinnung auf die bildenden und darstellenden Künste, auf Literatur und Musik und zu einer vermehrten Beschäftigung "mit sich selbst", zu einem Verlangen nach Transzendenz führe. Diese Entwicklung wollen manche in der Beobachtung einer Zunahme von Esoterikläden, Selbsterfahrungskursen o. ä. begründet sehen.[15]
Angesichts dieser o. g. exemplarischen Äußerungen und Thesen in bezug auf Möglichkeiten und Konsequenzen des Computereinsatzes (unabhängig davon, wie man sie bewerten soll) halte ich es für interessant und gar notwendig, sich eingehender mit diesem Themenkomplex zu befassen. Wenngleich wir darauf verweisen müssen, daß dieses Pro und Contra einer "Vernetzung" zugleich ein Desiderat innerhalb der derzeitigen Forschung markiert, sowohl in der Kommunikationswissenschaft als auch in den Sozialwissenschaften. Denn häufig wird "der Mythos einer übermächtigen Technik" impliziert, "die ihre Nutzer automatisch zu passiven unkritischen Technikgläubigen macht" (Döring 1996). Die Empirie hinkt hier noch weit den Spekulationen über isolierende und kommunikationszerstörende Wirkungen moderner computerbasierter Technologie hinterher. Oder mit den Worten Moores (1996: 15): "Die Prahlerei der einen wird von der Schwarzseherei der anderen ad absurdum geführt, und jedwede Vorstellung bricht unter entstellenden Übertreibungen der Massenmedien zusammen. Anders ausgedrückt, niemand weiß Genaues. Jeder kann nur Vermutungen anstellen."
Studien über einen möglichen Einfluß "vernetzter Computerwelten" auf das Bewußtsein, das Denken und gar die Identität der Computerbenutzer[16] oder Umfragen, in denen den Fragen nach Vereinsamung am Computer und der Substitution zwischenmenschlicher Kommunikation durch computer-vermittelte Kommunikation nachgegangen wird[17], sind richtungsweisend, wenngleich nicht repräsentativ. Sie zeigen vielfach, daß die "schwarzseherischen" Äußerungen über Computer-Autismus oder "Kommunikationszerstörung" nicht belegt und pauschalisiert werden können. Dies soll heißen, daß wir je nach Vorhaben oder auch Vorurteil zwar Studien zu einem (bestimmten) Nutzerverhalten finden und wir somit unsere (vorgefertigte) Meinung gegenüber diesem Medium als bestätigt ansehen, wir aber in gleichem Maße "Gegenstudien" finden. Eine systematische Empirie, allgemeine Feststellungen und auch allgemeine oder allgemeingültige zum Vergleich vorausgesetzte Grundlagen, auf die wir bei einem Vergleich "Mensch-Computer-Verhalten" zurückgreifen könnten, fehlen, so daß wir, wie eingangs angesprochen, meist über eine Pro und Contra-Darstellung der Funktion, des Nutzens des Computers und seine Wirkung oder gar Beeinflussung auf den Menschen nicht hinauskommen. Ein einheitliches "Vergleichsgerüst Computer-Mensch", das Wirkungen und Nutzungsverhalten widerspiegelt, gibt es schon allein deshalb nicht, weil ein Computer sich auf vielfältigste Weise nutzen läßt, z. B. als reine funktionale Schreibmaschine, als Arbeitshilfsmittel, als Spielmöglichkeit oder zur Nutzung des Internet. Zudem steht nicht, wie vereinzelt gewünscht oder prophezeit, jedem Haushalt ein Computer zur Verfügung.[18]
Zweifellos erreicht technisch vermittelte Kommunikation einen immer größer werdenden Stellenwert, der nicht ohne Auswirkungen auf die Formen der Konstitution von Gesellschaft bleiben wird. Und wir wollen und können uns im Rahmen dieser Arbeit nicht anmaßen, die Lücke dieses Forschungsdesiderats zu füllen. Abhängig von unserem Vorhaben, die stattfindende Kommunikation zwischen den Netz-Nutzern zu beschreiben, können wir an dieser Stelle "nur" beobachten, wie auf dem Information Highway mit dem Begriff und der "Ware"Kommunikation umgegangen wird und wie die jeweiligen Kommunikationshandlungen konkret gestaltet sind. Denn trotz aller "Prophezeiungen" glaube ich an die Wahlfreiheit des Menschen und nicht an einen kollektiven Verfall sog. "alter Werte" durch eine Computerisierung unserer Welt. Kritische Kultur- oder Gesellschaftsbeobachtung ist sicherlich ein notwendiges demokratisches "Muß" eines jeden, doch wollen wir dies nicht zum Thema der vorliegenden Arbeit machen.
Daher ist eine Ausgangsvoraussetzung dieser Arbeit, daß wir die Möglichkeit, per e-mail, Chat und Newsgroups zu kommunizieren, zunächst als gegeben ansehen und uns unvoreingenommen als "objektiver Beobachter" diesem Themenkomplex nähern wollen. Denn, betrachtet man computer-vermittelte Kommunikation nicht als Surrogat für face-to-face-Kommunikation, sondern als Ergänzung, wird der Computerkritik vieles von ihrer Dramatik genommen. Computerkommunikation ist ebensowenig eine defizitäre Variante der face-to-face-Kommunikation wie es ein Brief oder ein Telefonat ist. In bestimmten Situationen bieten bestimmte Kommunikationsmedien bestimmte Vorteile oder Möglichkeiten, derer sich Menschen selektiv bedienen. (vgl. Döring 1994)
Somit wollen wir zunächst akzeptieren, daß einige (wenngleich nicht alle) Aufgaben oder Kommunikationsvorgänge durch verschiedenste neue Informations- und Kommunikationstechnologien bewältigt werden können. Anhand von Merkmalsbeschreibungen der Kommunikation werden wir ersehen können, wieviel "Wahres" in den o. g. Vor- und Nachteilen der computer-vermittelten Kommunikation steckt, bzw. auf welcher Grundlage solche Beurteilungen überhaupt erst entstehen können.
Im Laufe der Literaturrecherche (sowohl in "gebundener Form" als auch in elektronischer Form im Netz) bin ich auf eine Fülle von Ungereimtheiten und definitorisch ungenauen Kommunikationsausdrücken und -beschreibungen gestoßen, die uns aus unserer Alltagserfahrung aufgrund der Übermittlung durch unsere heutigen Massenmedien bekannt sind. Meist sind sie so bekannt und alltäglich, daß wir sie schon verinnerlicht haben und ebenso alltäglich, fast selbstverständlich verwenden. So sprechen oder lesen wir über Neue Medien, Interaktive Kommunikation und durch den Computer vermittelte Kommunikation oder über Informationen, die weltumspannend verarbeitet, gespeichert, abgerufen und kommuniziert werden (vgl. z. B. Rexrodt 1995). Das Dilemma, welches hier besteht (bestehen könnte), ist das, daß wir ständig von unterschiedlichen Bezugsrahmen und -momenten ausgehen müssen. Zum einen wollen wir in metakommunikativer Rezeption über Phänomene "menschlicher Kommunikation" sprechen, zum anderen bezieht sich diese Rezeption wieder auf eine Sprache der Kommunikationstechnologie, die Kommunikation zur außersprachlichen und außermenschlichen Ware abstempelt und Information zum Faktum macht.
Wir beziehen uns hier in zweierlei Hinsicht auf den Begriff der Kommunikation:[19]
- Zum einen umfaßt der Ausdruck Kommunikation im Zusammenhang mit Kommunikationsmedien die Technologie der Nachrichten- bzw. Informationserzeugung und -vermittlung. Hierbei wird Kommunikation "in Analogie zum Transport von Gegenständen oder Gütern konzeptualisiert" (Fiehler 1990: 104). Fiehler erkennt, angelehnt an Reddy (1979, in: Fiehler 1990), in einer solchen alltagsweltlichen Begriffserklärung die sogenannte Conduit-Metapher (engl. conduit: ‘Kanal’, ‘Rohrleitung’). Kommunikation funktioniert demnach nach Art eines "Paketdienstes", wie es Brinker/Sager (1989: 126) beschreiben: Mitteilungen werden von Sendern verfertigt (bzw. kodiert), wie Pakete verpackt und über einen Transportkanal zu Empfängern transportiert, die die Pakete auspacken (und dadurch die Mitteilung dekodieren). Aus wissenschaftlicher Sicht kennen wir diese Vorstellung von Kommunikation u. a. von dem nachrichtentechnisch und eher mathematisch orientierten, informationstheoretischen Modell von Shannon & Weaver (1948/49) sowie von der sog. Lasswell-Formel (1948) (vgl. Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 1990: 100-102). Beide Modelle beschreiben den Kommunikationsprozeß als einseitig ausgerichtete Informationsweitergabe von Sender zu Empfänger (mit ggf. auftretenden Störungen und dessen Abhilfe) und simplifizieren den Kommunikationsprozeß als Dekodierungs-Enkodierungs-Vorgang. Solche Modelle erlauben es (maximal) von Mensch-Maschine-Kommunikation zu sprechen.
- Zum anderen sprechen wir von Kommunikation, verallgemeinernd gesagt, als einem menschlichen Anliegen, sich zu verständigen mit dem Ziel, sich zu verstehen. Gleich mit welchen Mitteln wir dieses Ziel zu erreichen versuchen, treten wir mit anderen in einen wie auch immer gearteten sozialen Kontakt, in eine (kommunikative) Interaktion (vgl. Ungeheuer 1974a: 82, 90 und 1974b: 34). Kommunikation ist daher immer ein Prozeß des Verstehens, wobei die Bestimmung des Sinns (des Gesagten) allen am Kommunikationsprozeß Beteiligten obliegt. Kommunikative Aktivitäten gelten hier lediglich als Versuche, "einen bestimmten Sinnkomplex, der zunächst nur als kognitives Konzept dem einzelnen verfügbar ist, aufzubauen, zu beeinflussen, umzuändern, zu erweitern, zu verengen oder gänzlich zu demontieren." (Brinker/Sager 1989: 126-128).
Computer-vermittelte Kommunikation ist eine Form der technisch vermittelten Kommunikation und umfaßt streng genommen beide Kommunikationsbegriffe zugleich. Aber auch wenn schriftsprachliche Äußerungen (als Teil kommunikativer Verständigungsmittel) über den Computer bzw. über die Leitungen der Computernetzwerke quasi als Transportgut (Informations-weitergabe) verschickt werden, werden diese erst "zur" Kommunikation, wenn sie beim Empfänger ankommen und von ihm und dem Versender gemeinsam interpretiert und kommentiert werden (wie im Falle von Diskussionen in Newsgroups). Menschen funktionieren nicht wie Maschinen und Kommunikation geschieht nicht nach einem Input-Output-Schema. Daher lasse ich hier auch nur ein Verständnis von Kommunikation im Sinne eines zwischenmenschlichen Verstehensprozesses zu.
Unter technisch vermittelter Kommunikation bzw. technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation [20] verstehen wir jene Situationen, "in denen ein technisches Medium in den Prozeß der Kommunikation zwischengeschaltet wird" (vgl. Höflich 1996: 57). Eine ähnliche begriffliche Annäherung finden wir bei Weingarten/Fiehler (1988), wobei sie die Kommunikation mit oder durch ein technisches Medium als technisierte Kommunikation umschreiben. Kommunikation wird, allgemein gesagt, dann als technisiert betrachtet, "wenn (irgend-)eine Komponente des Kommunikationsprozesses technisch affiziert ist" (1988: 5), d. h. wenn eines der oder mehrere Elemente der Kommunikation durch "etwas Technisches" gebildet oder verändert werden, wenn ein technisches System die kommunikativen Möglichkeiten bedingt. Allerdings gibt es keine einheitliche Festlegung des Begriffes technisierte Kommunikation. Zum Beispiel kommunizieren Menschen über einen technischen Kanal (Mikrophon) oder in einem technischen Medium (Morsen, Austausch von Programmen) oder in einem technischen Medium über einen technischen Kanal (Telefon, Computernetze) (vgl. Zoeppritz 1988: 110). So könnte man ein Gespräch zwischen zwei Personen über das technische Medium Telefon als technisierte Kommunikation betrachten, wir könnten aber auch von technisierter Kommunikation sprechen, wenn eine Maschine, speziell der Computer die Stelle eines Kommunikationsbeteiligten einnimmt. Selbiges gilt für den Begriff der technisch vermittelten Kommunikation.
Für die Kommunikation in den Newsgroups ziehe ich daher die konkretere Umschreibung der computer-vermittelten Kommunikation vor. In der englischsprachigen Literatur bzw. Diskussion finden wir auch den Begriff der Computer Mediated Communication (CMC).
Sprechen wir hier von vermittelter Kommunikation, so ist anzumerken, daß es unvermittelte Kommunikation i. e. S. nie geben kann. Kommunikation bedarf immer eines Mediums (vgl. auch Fußnote 8), auch direkte, face-to-face Kommunikation ist vermittelte Kommunikation (Luft als Medium gesprochener Sprache) und das Kommunikationsziel ist immer das Verstehen, das Vermitteln von bestimmten Botschaften, Meinungen o. ä.
In diesem Sinne soll uns für die Arbeit folgendes Zitat von Juchem (1985: 3) begleiten:
So reden Vertreter der Kommunikationstechnologie unbefangen von "vermittelter Kommunikation", als ob nicht die "Vermittlung" das ureigenste Prinzip der Kommunikation im eigentlichen Sinne wäre, ohne daß man sie erst über Computer simulieren muß.
Wir wollen uns hier aber nicht zu sehr in Definitionen verstricken, sondern auch den psychologischen Aspekt vermittelter Kommunikation berücksichtigen. So sieht Graumann (1972: 1182f.) den wesentlichen Unterschied von vermittelter und unvermittelter Kommunikation nicht in der Tatsache, daß objektiv ein technisches Medium in den Kommunikationsprozeß zwischengeschaltet ist, sondern in der Einstellung der Kommunizierenden zu diesem Medium. Wenn dieses Medium zum einen aktuale wechselseitige Kommunikation gewährleistet und zum anderen "im Prozeß der Kommunikation erlebnismäßig zurücktritt, kann von einer psychologisch unvermittelten Kommunikation gesprochen werden" (1972: 1183). Medien, die keine direkte Wechselseitigkeit zulassen und schon deshalb als Hilfsmittel betrachtet werden (wie z. B. Briefe, Filme, Massenmedien), nennen wir nach Graumann auch im psychologischen Sinne vermittelte Kommunikation. Ich denke, daß wir gerade heute diesen Medienbegriff differenzieren müssen. Sprachen wir vor 25 Jahren von einem Medium, das aktuale Reziprozität zuläßt und in den meisten Fällen im psychologischen Sinne unvermittelt erscheint, so meinten wir damit v. a. das Telefon. Wir telefonieren ohne über technische Abläufe des Telefons oder über Kabelnetzwerke nachzudenken, außer wir stoßen an Grenzen des Kommunikationsverlaufes (z. B. "Das kann ich dir am Telefon nicht sagen.").
Da es sich bei der Internet-Kommunikation um eine relativ neue Art technisch vermittelter Kommunikation handelt, ist der Erklärungsbedarf (wie das Internet funktioniert oder wie man in Newsgroups kommuniziert) allerdings noch relativ hoch. Ich denke, daß die Kommunikation durch den Computer im Prozeß der Kommunikation nicht immer erlebnismäßig zurücktritt und nicht nur selten thematisch in den Vordergrund tritt. Denn ich glaube, daß sich ein jeder (zumindest ein Neuling) im Netz schon mal die Frage gestellt hat, warum man gerade mit einem unbekannten Gegenüber relativ offen und teilweise gar vertraut kommunizieren kann und dies auch Thema einer Kommunikationssituation geworden ist. Einige Newsgroups, v. a. de. newusers.questions, thematisieren ja gerade wie das Medium funktioniert. Hierzu ein beispielhafter Auszug aus dem Artikel "Werdegang eines Newbies" (verschickt am 10.5.1997 in eben genannte Newsgroup) von User Hans, der sich in dem "Wirrwarr"Internet und Newsgroup nach mühseligem Arbeits-, Zeit- und Telefonkostenaufwand endlich zurechtgefunden hat, nun begeistert in den Newsgroups mitdiskutiert und dieses Erfolgserlebnis mit anderen teilen möchte:
Anfang Februar dieses Jahres hat mich (49) die neue Zeit eingeholt. Mit einem Internet-Anschluß. [...] Usenet, was is`n das für ein unbekanntes Wesen. Usedom kenn` ich, aber Usenet. Beim Weiterlesen wird`s langsam klarer. Weltweite Kommunikation, man stellt Fragen, liest Meinungen, lernt Leute kennen, also genau das, was mich interessiert. [...] Aber etwas über 19.000 Gruppen zu übertragen dauert seine Zeit. Und dann der nächste Schock - wo ich auch reinschau - English-spoken-Group. [...] Noch etwas verunsichert traue ich mich, auch eine Frage zu stellen. Uups, das hatte ich nicht erwartet. Drei, vier Antworten trudeln ein, zwei private Mails mit dezidierten Hinweisen und Anleitungen. ICH BIN DER GRÖSSTE, ICH BIN AKZEPTIERT. [...] Und jetzt, vor etwa zwei Tagen lese ich eine Antwort auf mehrere Anfragen. Eine Antwort die mich zu diesem Artikel inspiriert hat. Eine Antwort die jedes Newbie-Herz höher schlagen läßt. Kein "besorg` dir einen Offline-Reader" sondern: für dein Betriebssystem wäre dieses oder jenes Programm am besten geeignet, das hat diesen oder jenen Vorteil, das bekommst du genau unter dieser Adresse. Keine "Gruppe de.xxxx" sondern: poste deine Frage in *diese* Gruppe, die ist genau für solche Fragen zuständig. Kein "lies die FAQ" sondern: wenn du noch etwas unsicher bist, unter *dieser* Adresse bekommst du die FAQ und unter jener Adresse die Nettikette. Wouw, das ist USENET. [...]
Jaja, ich weiß: zu lang und wahrscheinlich in der falschen Group. Ich mach` ja schon Schluß.
auf eure Reaktion gespannt
Viele Grüße und ein ;-)
Hans
Daher betrachten wir computer-vermittelte Kommunikation auch im psychologischen Sinne als vermittelte Kommunikation. Die Vorstellung von einer Vermittlung und den damit einhergehenden Konsequenzen (wie bspw. Anonymität und Identitätsverwischung) ist bei Usern durchaus vorhanden. Zumindest denke ich, daß dies für einen Großteil der Netzneulinge gilt. Routiniert sich die Anwendung, kann es natürlich sein, daß Kommunikationssituationen zu einem späteren Zeitpunkt unvermittelt erscheinen (vgl. auch Höflich 1996: 60), so wie es sich mit den Medien Telefon und auch dem Fernsehen verhält. Gerade die Einstellung von Gegnern der Internet-Kommunikation zeigt diese psychologische Komponente, da sie ja aus der bewußten Vorstellung resultiert, daß man durch oder mit einer "leblosen anonymisierenden Maschine" kommuniziert und somit soziale Kontakte meidet, verliert oder gar vereinsamt. Im Verlauf meiner Arbeit werde ich aufzeigen, daß Cathcarts und Gumperts (1986 zit. n. Höflich 1996: 59f.) Auffassungen, ein vermittelter Austausch funktioniere wirklich nur dann als interpersonale Kommunikation, wenn die Tatsache der Mediatisierung im Prozeß der Kommunikation nicht thematisiert oder problematisiert wird und sich die Kommunikationsteilnehmer wie in einer face-to-face Situation verhalten, für Newsgroups nicht zutreffen.
Festzuhalten ist hier zunächst, daß computer-vermittelte Kommunikation eine Form der schriftsprachlichen Verständigung ist, die sich durch medial bedingte Charakteristika prinzipiell von anderen direkten und indirekten Kommunikationsformen unterscheidet.
Sprechen wir über oder lesen wir von dem Internet, so sind oftmals Assoziationen und Begriffe wie virtuelle Realität (z. B. virtuelle Universität im Internet) oder Cyberspace nicht fern. Fragen nach dem Wert der Menschlichkeit oder der Rolle des Menschen werden laut, wobei sich der Mensch nicht mehr in sozialen Gefügen, sondern in simulierten und virtuellen Räumen bewegt. Verkabelte Menschen im Cyberspace nehmen mehr und mehr die Form einer Maschine an. Hierzu möchte ich kurz folgendes klären:
Grob gesagt, setzt die Beobachtung als eine empirische Kategorie der Sozialwissenschaften und der Kommunikationswissenschaft mindestens zwei Aktionsanteile voraus: zum einen die Symbolvermittlung der Menschen, die innere Welt (Sprache, Medialität etc.) und zum anderen die symbolgeprägte Kultur, die äußere Umwelt. Diese Anteile muß man "beobachtbar machen", um sich eine vergleichbare Grundlage zu schaffen. Die Beobachtung von face-to-face Kommunikation ist immer bezogen auf eine Innen- und eine Außenwelt mindestens zweier Individuen. Bezogen auf die Beobachtung von Handlungen am Computer kann die "herkömmliche" Beobachtungssystematik auseinanderbrechen: Gerade, wenn es sich um den sog. Cyberspace (Stichwort smart rooms oder hybride Kopplung) handelt, werden Probleme und Differenzen herkömmlicher Interaktions- und Kommunikationsmodelle deutlich, denn die Beobachtung der "inneren Welt" wird durch das externe Medium gänzlich eingenommen. Hier müssen neue Beobachtungskategorien und differenzierte Definitionen geschaffen werden. Gehen wir von der Beobachtung nur zweier Menschen aus, so tritt an die Stelle des einen Menschen und seiner zu beobachtbaren Handlungen das Medium Computer. Bezogen auf das Verhältnis Individuum und Computer kann der Kommunikationsverlauf zwar protokolliert werden, der eigentliche "Nutzerverlauf" von Teilnehmer und Computer ist aber im "herkömmlichen Sinne" schwierig zu beobachten. Ebenso erhält der Begriff der Interaktion hier eine völlig andere Bedeutung, als ihm in zwischenmenschlicher Beziehung zuteil wird. Können wir hier überhaupt noch von Interaktion i. e. S. sprechen, wenn ein Teil des Kommunikationsprozesses eine Maschine ist? Verstehen wir im zwischenmenschlichen Miteinander Interaktion als "gegenseitige Handlungsbeeinflussung" (Ungeheuer 1974a: 82), so kann in einer "reinen" Mensch-Computer-Interaktion Gegenseitigkeit kein Kriterium für Interaktion sein. Sondern die Interaktion definiert sich allein durch das Nutzungsverhalten des Menschen gegenüber dem Medium (vgl. Fußnote 6).
Was die computer-vermittelte Kommunikation durch e-mail und Newsgroups betrifft, so müssen wir solche Überlegungen differenzieren. Wir wollen Newsgroups-Kommunikation weniger als einseitige Mensch-Computer-Interaktion verstehen, sondern stellen die handelnden Personen hinter bzw. vor dem Bildschirm in den Mittelpunkt der Betrachtung. Dem Computer soll "lediglich" die Rolle eines technischen Hilfsmittels zur Kommunikation zukommen (wenngleich seine Präsenz Auswirkungen auf das Handeln und Verhalten der Teilnehmer hat) - ähnlich dem Telefon, das die Personen z. B. auch räumlich voneinander trennt. Die Beobachtung ist also weniger problembehaftet, denn wir gehen hier immer noch von (mindestens zwei) "real existierenden" Kommunikationsteilnehmern aus, wobei der Computer nicht einen der Teilnehmer ersetzt, sondern (nur) als Vermittlungsinstanz auftritt. Daher wird in diesem Rahmen der Begriff der Virtualität keine Rolle spielen, denn virtuell meint ja etwas nicht wirklich existierendes, nur der Anlage nach als Möglichkeit vorhandenes. Kommunikationsteilnehmer in einer Newsgroups-Runde sind zwar nicht in direktem Kontakt wahrnehmbar oder erfahrbar, dennoch gibt es sie, denn wer sonst tippt die Mitteilungen ein? In diesem Sinne sind es keine virtuellen Gesprächspartner, sondern real existierende.[21]
"Warum behandelte jedes Magazin, jede Zeitung oder jeder Fernsehkommentar das Internet so, als handelte es sich dabei um die Wiedergeburt eines elektronischen Messias?" (Moore 1996: 11f.)
Die Frage, ob es sich bei dem Internet bzw. dem Information Highway[22] um einen elektronischen Messias handelt oder nicht, können wir natürlich nicht beantworten. Wir wollen dies aber dennoch als erheiternden roten Faden für die Arbeit "im Hinterkopf behalten". Denn, warum ist es so wichtig, daß sich derzeit "alle" Leute und Firmen im Internet vertreten wissen wollen? Ist es (nur) der Zwang der Zeit und/oder sind es gar (nur) marketingpolitische Zielsetzungen, die zu einer Präsenz im Internet drängen? Hierbei müssen wir bedenken, daß das Internet in seiner ursprünglichen Form militärischen und dann wissenschaftlichen Einrichtungen diente und weniger kommerziellen Verwendungen zugedacht war. Für welche Zwecke nutzen wir als Anwender oder Anbieter das Internet also? Als Informationsterminal oder als weitere Unterhaltungsszenerie? Betrachten wir einmal Serviceleistungen von Organisationen und Unternehmen: Während der Ausstrahlung einer reinen Unterhaltungssendung wie z. B. "Pleiten, Pech und Pannen" (Moderation: Max Schautzer, gesendet in der ARD) wird es für wichtig erachtet auf die Adresse, die URL [23] im Internet hinzuweisen. Die gleiche "Notwendigkeit" bzw. der gleiche Service besteht bei namhaften und eher "konservativ-informativen" Zeitschriften oder Wochenzeitungen wie z. B. Der Spiegel oder die FAZ. Beliebige weitere (Gegenpaar-)Beispiele ließen sich anführen, denn es gibt heutzutage "nichts", was man nicht im Internet nachlesen könnte.
An dieser Stelle möchte ich wiederum den Begründer des größten Softwareunternehmens zitieren: Bill Gates (1995: 20f.) sieht das Internet als "Informationswerkzeug", welches "Information auf Knopfdruck" bereitstellt. Für ihn sind Informationswerkzeuge "symbolische Vermittler, die nicht die Muskeln, sondern den Intellekt ihrer Benutzer verstärken". Zwangsläufig drängt sich mir hierbei die Frage auf, welche Art von Intellekt verstärkt werden soll bzw. in welcher Dimension, wenn sich ein Interessent der oben erwähnten Sendung "Pleiten, Pech und Pannen" im Internet die dazugehörige Info-Seite abruft? Es scheint, daß diese neue "Kommunikationserfindung Internet" viel mehr an kommerziellen Zwängen und Verpflichtungen, individuellen und gesellschaftlichen Wünschen und Vorstellungen beinhaltet, als es sich in einer einzigen Umschreibung, nämlich "Internet als Informationswerkzeug", ausdrücken läßt.
Um nicht Gefahr zu laufen, in die eingangs angesprochene "Bewerter-Rolle" zu verfallen, wollen wir statt dessen dieses Kapitel nutzen, um kurz zu erläutern, was das Internet überhaupt ist und wie es funktioniert. Gleichzeitig wollen wir uns damit eine Basis der im Folgenden verwendeten Fachausdrücke schaffen. Hier sei zuvor angemerkt, daß die Beschreibung vereinzelt zu technisch erscheinen mag und man argumentieren kann, daß es hier nicht darauf ankomme, wie das Internet organisatorisch und technisch gesehen funktioniert, sondern wie das soziale und kommunikative Handeln mit der oder durch die Technik funktioniert. Aber ich schlage diese Aufteilung bewußt vor, um meine eigene Herangehensweise an das "Phänomen"Internet aufzuzeigen und um zu verdeutlichen, daß gerade computer-vermittelte Kommunikation eine genauere technische Beschäftigung mit dem Medium Computer erfordert (im Gegensatz zu anderen Medien).[24]
"Ich will Internet." - "Ja, ist ja alles ganz einfach." vermittelt uns die Werbung. Hat man einen leistungsstarken Computer, die richtige Telefondose, ein Modem (der Schlüssel zum Internet) und die nötige Software, steht der technischen Anbindung ans Netz im Grunde nichts mehr im Wege. Aber was ist eine URL oder ein DNS-entry oder was bedeutet BBS? Es ist unumgänglich, sich auch mit elektronischen Funktionsweisen und Grundbegriffen des "Computerlebens" auseinanderzusetzen, bevor man überhaupt in der Lage ist - wie es so schön heißt - "um die Welt zu surfen", ein Posting zu machen oder eine e-mail zu erhalten. Zumindest wird man im Laufe der Beschäftigung mit dem Internet auf die im Folgenden genannten Begriffe und Erläuterungen immer wieder stoßen. Und zwar geschieht dies frühestens beim Kauf und Einrichten eines Modems und spätestens, wenn die ersten "Connect-Probleme" auftauchen und es bspw. heißt "An online error occured. Looking up server news.hrz.uni-essen.de. Error reported by winsock driver: host name not found." Oder wenn wir Bekanntschaft mit dem Mailer Daemon machen, der uns die verschickte mail in die eigene Mailbox zurücksendet oder wir Artikel in Newsgroups nicht mehr aufrufen können, mit der Begründung "Perhaps the articel has expired." [25]
Computerkenntnisse und Orientierung im Netz markieren zudem einen wichtigen Bestandteil der Gruppenzugehörigkeit im Internet, gerade auch für das eigene Ansehen in den Newsgroups. Nicht selten werden Neueinsteiger mit ihren Fragen aus einer Diskussion mit dem Hinweis verwiesen, sich die nötigen Handbücher durchzulesen, bevor mitdiskutiert werden darf. "Gemeinsames Herabsehen auf die niederen Dilettanten der Peripherie fördert das Gemeinschaftsgefühl. Im Netz kursieren eine Menge Insiderwitze, in denen auf Kosten dummer "loser" gelacht wird." (Helmers 1994)
Das heutige Internet ist ein Zusammenschluß mehrerer Rechnernetzwerke über das Protokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) zu einem globalen Großnetzwerk. Als Protokoll wird ein Satz von Regeln und Vereinbarungen verstanden, der den Informationsfluß und die Datenübertragung in einem (technischen) Kommunikationssystem steuert (vgl. Rosenbaum 1996: 198). Zusammenschlüsse von Rechnern zu einem Großnetzwerk gibt es nicht erst seit kurzem, auch wenn die Popularität des Internet erst seit einiger Zeit besteht, vornehmlich durch die kommerzielle und weltweite Nutzung des World Wide Web-Dienstes. Das Internet als Verbindung zwischen Computern besteht als solches schon seit Ende der 60er Jahre. Ursprünglich wurde diese Idee zum Zusammenschluß mehrerer Rechner vom amerikanischen Verteidigungsministerium gefaßt. Es sollte dem Ziel dienen, das Kommunikationssystem des U. S. Militärs vor ernsten Zerstörungen durch atomare Angriffe zu schützen. (vgl. RRZN 1996: 13) Das Internet (das zuvor ARPANET und später DARPANET hieß)[26] sollte somit als System ohne zentrale Steuerung und ohne Kontrolle fungieren, wobei die "überlebenden" Rechneranschlüsse trotz (atomaren) Ausfalls anderer Punkte in der Lage sein sollten, wesentliche Verbindungen aufrechtzuerhalten. Dieses Prinzip wurde 1969 zunächst als Zusammenschluß von vier Großrechnern einiger amerikanischer Universitäten genutzt. Drei Jahre später bestand das ARPANET aus 40 Rechnern. Bei seiner ersten öffentlichen Vorstellung auf der First International Conference on Computer Communications wurde beschlossen, weitere Protokolle zu entwickeln, die für internationale Verbindungen genutzt werden könnten. 1982 wurde die Protokollfamilie TCP/IP eingeführt, die unsere heutigen Rechner und Netzwerke im weltweiten Internet verbindet.
Da das ARPANET durch das Department of Defense kontrolliert und beschränkt wurde, entwickelte sich parallel dazu in den Jahren 1979-1983 das Computer Science Research Network, kurz CSNET. Das CSNET war eine Entwicklung amerikanischer Universitäten, die keinen Zugang zum ARPANET hatten. Die Verbindung zum ARPANET über TCP/IP war ein erster Meilenstein auf dem Weg zum heutigen Internet. Das 1979 bei den Bell Labs von AT&T entwickelte UUCP (Unix-to-Unix-Copy-Protocol) ermöglichte eine einfache Datenübertragung mit Hilfe eines Modems über das bestehende Telefonnetz. Dieser Einwählvorgang per Modem an einen Hostrechner oder einen Serverrechner wird heute noch genauso wie damals gehandhabt. 1986 wurde dann mit dem NSFNET der National Science Foundation ein großer Backbone (eine Art Hauptleitung) des Internet mit fünf Supercomputer-Zentren in den USA in Betrieb genommen, der jedem Forscher Zugriff auf Hochleistungscomputer gewährte. Bald wurden die Netzwerkverbindungen auch für Zwecke genutzt, die mit den Zentren selbst nichts zu tun hatten, z. B. für e-mail. Die Kosten- und Zeiteinsparungen durch elektronischen Postverkehr waren für viele Wirtschaftsunternehmen Anreiz genug, um Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre in Computer und Netzwerkverbindungen zu investieren. Dieser Nutzen wurde schnell populär und so wurde das Internet über e-mail bis hin zum heutigen interaktiven Hypermedia-Informationssystem des World Wide Web (kurz WWW), welches 1989 von Physikern am Kernforschungszentrum CERN in Genf entwickelt wurde, immer weiter ausgebaut. (vgl. RRZN 1996: 14, 27, Gates 1995: 425f. und Maier/Wildberger 1994: 7ff.) Anzumerken ist hier, daß das Internet nicht als das weltweit vernetzte Kommunikationsmedium anzu-sehen ist, sondern das Internet stellt nur einen Bruchteil der heutigen weltweit vernetzten (Tele-) Kommunikationsnetze dar, existent neben etlichen privaten und staatlichen weltweit verknüpften Daten- und Telefon-netzen.
Die einzelnen Dienste, die das Internet zur Verfügung stellt, bzw. die Daten und Informationen, die vom Benutzer abgerufen werden können, sind im wesentlichen:
[...]
[1] Sehen wir hier davon ab, daß Telefonist(in) auch als spezielle Berufsbezeichnung eines Angestellten im Fernsprechverkehr gelten kann.
[2] Dies ist ein grob zusammengefaßtes Resümee von Meinungen, die ich in meinem Bekannten-, Freundes- und Verwandtenkreis vernommen habe. Auch wenn diese weder repräsentativ noch zahlenmäßig empirisch belegt sind, halte ich sie dennoch für charakteristisch, gerade für Personen, die selbst noch keine praktischen Erfahrungen im Internet und Usenet gesammelt haben.
[3] Wie es bspw. Rammert (1990) macht.
[4] Vgl. stellenweise auch Ungeheuer (1974b) und Duden-Etymologie (1963: 739f.)
[5] Vgl. hierzu z. B. Postman (1991), Mettler-Meibom (1990) und Döring (1994) und (1996).
[6] Der Begriff der Interaktion bzw. der Interaktivität erhält im Zusammenhang der Computertechnologie eine andere Bedeutung als im "klassischen" soziologischen und sprachwissenschaftlichen Verständnis. Hier ist nicht das direkte zwischenmenschliche, soziale und kommunikative Handeln i.e.S. gemeint, sondern wenn wir hier von Interaktivität sprechen, so meinen wir insbesondere die Rückkopplungs- und Rückmeldemöglichkeiten von massenmedial ausgerichteten Kommunikationssystemen (vgl. Höflich 1996: 14). Ohne konkreter auf Konzepte der Mensch-Computer-Interaktion eingehen zu wollen, meinen wir mit Interaktion durch oder mit dem Computer wie der Mensch das Medium nutzt. Unter Nutzung fallen bspw. Aspekte der operationalen Angleichung von individuellen Wissens-, Verhaltens- und Kommunikationsfähigkeiten, vorkonfigurierte Nutzungsmöglichkeiten oder das Abspeichern und Reproduzieren von Ergebnissen (vgl. Faßler 1997: 165-178). So verstehen wir z. B. unter einer interaktiven Spiele CD-Rom, die Möglichkeit den eigentlich vorgegebenen programmierten Spielverlauf durch individuell wählbare Spielstadien selbst zu bestimmen, "so daß letztlich der "aktive" Rezipient zu einem "interaktiven" Nutzer wird" (Höflich 1995: 519). Dieser Interaktivitäts-Begriff hat wenig gemein mit "menschenbezogenem", kommunikativem bzw. sozialem Handeln.
[7] Sehen wir hier einmal ab von Zeichen, Symbolen und Bilderschriften, die in der vorchristlichen Zeitzählung (steinzeitliche Höhlenmalerei, ägyptische Hieroglyphen etc.) schon verwandt wurden.
[8] Zum Begriff des Mediums möchte ich bemerken: Gerade in bezug auf (neue) Computertechnologien und das Internet hören bzw. lesen wir häufig die Unterscheidung von "alten" und "neuen Medien". Was sind denn "die neuen Medien" und in welchem Zusammenhang stehen sie zu "alten Medien"? Im allgemeinen (oft auch alltagssprachlichen) Gebrauch werden schriftliche Fixierungen (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher) sowie Radio und Rundfunk als "alte Medien" bezeichnet. Unter "neuen Medien" verstehen wir meist das heutige Fernsehangebot (v. a. auch Dienste wie Pay per View oder Video on Demand) und den Computer mit seinen vielfältigsten (interaktiven) Nutzungsoptionen als neueste revolutionäre Errungenschaft, wobei wir hier auch auf die Begriffe Online-Medien und Multimedia stoßen. Hierzu sei gesagt, daß die Bedeutung des Wortes Medium völlig unabhängig von Qualitätszuweisungen wie "neu" und "alt" steht. Ein Medium ist ein Medium. Verallgemeinernd gesagt, charakterisiert es ein Ver- oder Übermittlungs(hilfs)mittel, das in einem bestimmten Verwendungszusammenhang von einer Kommunikationsgemeinschaft eine zuvor festgelegte Botschaft oder Funktion zugewiesen bekommt. Eine Einteilung in "alte" und "neue Medien" simplifiziert den Medienbegriff und erfaßt seine Erklärung nur sehr unzureichend. Abgesehen davon, daß wir auch von Multimedien oder Massenmedien, von primären, sekundären und tertiären (vgl. Pross zit. n. Faßler 1997: 116f.) und quartären Medien (vgl. Faßler 1997: 117) sprechen. Streng genommen, sind "alte Medien" oder die "ältesten Medien" überhaupt z. B. die Luft (als Medium der Sprache), das Licht (als Medium der Gestik und Mimik) oder Steine, auf denen eine Inschrift eingraviert wurde (vgl. Schreiber 1990: 133). Daher ist i. e. S. die Diskussion um "alte" oder "neue Medien" völlig irrelevant bzw. falsch ausgelegt. Verwende ich im Folgenden dennoch die Klassifizierung Neue Medien, so möchte ich diese Anmerkung als "im Hinterkopf behalten" wissen.
[9] Die Verwendung der Begriffe früher und heute mag zu allgemein und oberflächlich erscheinen. Was war "früher" oder "heute", welchen Zeitraum umfaßt "früher", 5 oder 10 Jahre? Diese Unzulänglichkeit ist ähnlich dem Gebrauch der Verallgemeinerungen oder Erweiterungen "jeder" (wer ist jeder?) oder "alles" zu sehen. Es soll gar nicht so sehr um eine zeitliche Konkretheit oder Faßbarkeit gehen, sondern ich möchte damit grob den Wandel und die Veränderung von der "früheren" Industrie- zur "heutigen" Informationsgesellschaft charakterisieren.
[10] Zum Beispiel können wir in freundin (O. A.b 1996: 134) unter der Rubrik 'Aktuell' erfahren, wie wir per Mausklick virtuelle Hilfe bei Liebeskummer bekommen können. Oder s. auch Prima/Carina (Pfitzinger 1996: 133).
[11] Als Beispiele: "netNite - Das Online-Magazin", eine im ZDF ausgestrahlte Sendereihe, die über Internet-News informiert oder die eher praktisch orientierte Sendereihe in 3Sat "Neues...Der Anwenderkurs", die am Bildschirm Hilfestellungen für die Anwendung neuer PC-Programme gibt oder das auf VOX ausgestrahlte Multimedia-Magazin "Click". Gerade zu Neuheiten auf dem Computermarkt wie sie z. B. auf der CeBit in Hannover vorgestellt werden, finden wir auf fast allen Kanälen aktuelle Berichte.
[12] Beispiele hierfür sind das Projekt "Futurekids" in Essen, ein Computerzentrum, in dem Kinder Computererfahrung sammeln können (vgl. Wolf 1996 und O. A.c 1996) oder die Initiative "Schulen ans Netz", gefördert u. a. durch die Software Firma Novell sowie die Bill Gates-Stiftung (vgl. Lanwert 1996, O. A.e 1997: 16 und O. A.d 1996).
[13] Vgl. hierzu z. B. den Spielfilm von Columbia Tristar Pictures Industries Inc. 1995: Das Netz. Die Problematik des Datenschutzes, der Manipulation von Daten (in diesem Film: die Manipulation elektronisch erfaßter Identität) in einer "alles umfassenden vernetzten Welt", die als unterhaltende Action und mögliche Fiktion dargestellt wird, kennen Verbraucher- und Datenschützer schon längst (Stichwort: "Gläserner Mensch").
[14] Vgl. hierzu: "Das richtige, gar das stilistisch schöne Schreiben wird dabei [beim "Kommunizieren" im Internet; Anm. B. K.] unwillkürlich eine Kunst von gestern, weil es nicht auf Stil und Lektüre, sondern auf rasche Information ankommt. Sprache und Schrift verlieren ihre bisher dominierende Kraft an die perfekte [...] Beherrschung der technischen Medien." (Frühwald 1996: 10)
[15] Ähnliche Kontroversen, wie sie es "zu einem Ende des Buchdrucks" gibt, finden wir auch in der Diskussion um Kunst und visuelle Medien, der Umsetzung von Kunst in elektronischen Medien und das visuelle Medium als Kunst. Man spricht hier von einer "Bilderkrise", von dem Verschwinden der echten Bilder zugunsten eines "bloßen Visuellen".
[16] Wie die Studien von Turkle (in: Der Spiegel 1996) oder Bruckman (1992).
[17] Vgl. Döring (1994) und (1996), Kneer (1994), Wetzstein et al. (1995), Forschungsprojekte am IWSP der Uni Göttingen (http://www.gwdg.de/~jheuer1/forsch/cvk.htm).
[18] Ein Beispiel soll hier die Problematik der "Aussagenfällung" über Nutzen und Wirkung des Computers und seines Menschen verdeutlichen: Wollten wir bspw. die Nutzung von Online-Diensten (wie z. B. Home-Shopping, Shopping per Internet) mit einer persönlichen face-to-face Verkaufssituation vergleichen, um die plakative These der "Zerstörung" der zwischenmenschlichen Kommunikation zu stützen, können wir nicht auf (häufig existierende) idealisierte Schemata zurückgreifen, die die Kommunikation im Alltag als immer "funktionierend", persönlich und freundlich abstempelt. Hier spielen persönliche Erfahrungen eine immense Rolle. Vielleicht hat man ja mit "realen" Verkäufern in einem Verkaufshaus häufig schlechte Erfahrungen gemacht, sie waren oft oder immer unfreundlich, wollten nicht beraten o. ä. und man nutzt allein aus diesem Grund den "virtuellen Verkaufsraum" im Internet. Diese Netz-Nutzung würde nicht im geringsten die persönliche Einstellung gegenüber dem Computer bzw. dem Internet oder das eigene sonstige Kommunikationsverhalten widerspiegeln. Dies soll verdeutlichen, daß eine Fülle von neuen Kriterien geschaffen werden und eine Aufbereitung von Alltagserfahrungen erfolgen muß, bevor man Vergleiche ziehen kann, die systematische und wissenschaftlich fundierte Aussagen überhaupt erst zulassen.
[19] Abgesehen davon, daß wir es hier mit einer "Doppelbelegung" des Verständnisses von Kommunikation zu tun haben (technisch und interpersonal gesehen), gibt es per se zur Fragestellung "Was ist Kommunikation?" keine allgemeingültige Lösung oder Definition. Dies können wir z. B. auch parallel zur Fragestellung "Was ist Kunst?" sehen. Zwar gehen wir in unserer Alltagspraxis davon aus, daß wir wissen, was Kommunikation oder was Kunst (für uns selbst) ist, doch versucht man eine wissenschaftliche Einkreisung dieser Begriffe, so stößt man auf eine Vielschichtigkeit komplexer Sinn-, Wirkungs- und Bedeutungszusammenhänge. Bezüglich der Definition kann es nur verschiedene Ansätze und Näherungsversuche geben, die in der Verwendung eines eingekreisten, speziellen Deutungszusammenhanges (innerhalb eines Wissenschaftsbereiches) ihre Gültigkeit erhalten.
[20] Alternativ finden wir auch den Begriff der mediatisierten Kommunikation oder der interpersonal mediatisierten Kommunikation (vgl. z. B. Höflich 1996: 58).
[21] Ebenso finde ich den Begriff der virtuellen Gemeinschaft unpassend, denn in Newsgroups sind Bildungen von Gemeinschaften von sozialer und nicht von fiktiver Natur. Ich ziehe es vor von elektronischen oder durch Computer erzeugte Gemeinschaften zu sprechen.
[22] Unklar ist, ob mit dem Information Highway nur das Internet bezeichnet wird oder ob damit sowohl das Internet als auch die Services der kommerziellen Anbieter und die Dienste wie z. B. Home-Shopping, Home-Banking und Btx als auch Bulletin Board Systems (zur Erklärung s. 4.1) gemeint sind. Weiterhin existiert der Begriff das Netz, der sämtliche computer-vermittelte Kommunikationsleistungen vereint. (vgl. Moore 1996: 19f.) Die Begrifflichkeiten sind unklar voneinander abgegrenzt und werden zumeist synonym gebraucht.
[23] URL steht für "Unified oder Uniform Resource Locator"; genauere Ausführungen folgen weiter unten.
[24] Hier verweise ich auf die vorangegangenen Überlegungen in Kap. 2.2. Denn computer-vermittelte Kommunikation hat heute noch nicht den gleichen Stellenwert in bezug auf Medienpraxis und -kompetenz eingenommen wie z. B. technisch vermittelte Kommunikation durch das Telefon. Zudem werden wir feststellen, daß sich sowohl technische Fragen zum Computer als auch organisatorische Fragen zum Internet und insbesondere zum kommunikativen Verhalten im Netz vielfach in Newsgroups niederschlagen und dies nicht nur in Gruppen zum Thema 'Computertechnik'. Der Beispielartikel von Hans hat dies verdeutlicht.
[25] Hier setzen erste Überlegungen an, wie verbreitet diese Form der Kommunikation tatsächlich ist oder sein wird. Denn die Auseinandersetzung mit technischen Erklärungen kann für viele eine Hemmschwelle sein und Desinteresse erzeugen, i. S. v. "bloße Anwendung ja, aber das "Eingemachte" interessiert mich nicht", hinzu kommt der Kostenfaktor (Anschaffung eines Modems, Providergebühren, Telefonkosten). Allerdings gibt es für Leute mit finanziellen Engpässen, die nur deshalb keinen privaten Internet-Anschluß haben, mittlerweile in fast jeder Stadt öffentliche Internet-Cafés (z. T. mit kostenloser Nutzung).
[26] ARPA steht für Advanced Research Project Agency, später in DARPA umbenannt, wobei "D" für Defense steht (vgl. RRZN 1996:13).
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