Christliche Symbolik und biblische Anspielungen in „Weihnachtslied“, „Erdbeerlied“ und „Antichristgedicht“ vom Wilden Alexander


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das “Weihnachtslied”

3 Das “Erdbeerlied”

4 Das “Antichristgedicht”

5 Vergleichende Verknüpfung der analysierten Werke und deren Bezüge auf andere Sangsprüche des Wilden Alexander

6 Weitere religiöse Sangsprüche innerhalb des Oeuvres des Wilden Alexander

7 Schluss

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Da im Oeuvre des Wilden Alexander Texte mit religiöser Thematik einen großen Platz einnehmen, setzte er anscheinend voraus, dass sein Publikum, welches sich überwiegend aus der Oberschicht zusammensetzte, nicht nur literaturkundig, sondern auch bibelfest war.[1] Denn nur so können seine häufig verwendeten Doppeldeutigkeiten überhaupt erfasst und gedeutet werden. Das einfache Volk hingegen bemerkte die intendierten Illokutionen erst gar nicht und verstand die Texte somit nur verbaliter beziehungsweise eindimensional. Dabei wurden beide Schichten wenn auch unterschiedlich intensiv, aufgrund ihrer konzeptionellen Differenzen, von der bedrohlichen Weltuntergangsstimmung und apokalyptischen Endzeiterwartung, welche Alexander mit den meisten seiner religiösen Sangsprüche erzeugte, ergriffen.

Um dieser Tatsache auf den Grund zu gehen, bildet den Hauptgegenstand dieser Hausarbeit eine Untersuchung der religiösen Sangsprüche „Weihnachtslied“ (I 1-3), „Erdbeerlied“ (V 1-7) und „Antichristgedicht“ (II 17-21) aus dem Oeuvre des Wilden Alexander. Bei der Analyse sollen insbesondere biblische Anspielungen, christliche Symbole und Allegorien sowie theologische Hintergründe herausgearbeitet werden. Die Allegorese will dabei als textauslegende Methode genutzt werden, um beispielsweise rätselhafte Bilder allegorisch und didaktisch deuten zu können.

Nachdem die einzelnen Untersuchungen der ausgesuchten Werke aufgezeigt worden sind, soll ein Vergleich dieser stattfinden. Ist es möglich eine Beziehung zwischen den Werken oder auch zu anderen Strophen des Oeuvres herzustellen? Zum Schluss soll ein Ausblick auf andere religiöse Sangspruchlieder des Wilden Alexander und deren Interpretations- und Deutungsspielräume hinsichtlich der theologischen Thematik vorgenommen werden.

2 Das “Weihnachtslied”

Das „Weihnachtslied“ löst im Gegensatz zu anderen religiösen Sangspruchliedern des Wilden Alexander keine düstere Weltuntergangsstimmung aus, sondern vermittelt eher eine festliche Hochstimmung.[2]

Das Gedicht setzt mit einem prächtigen Lobgesang der Cherubin und Seraphin von Gottes Thron aus ein. „Die Seraphin werden nur in Jes. 6,1-6 erwähnt. Ihre Aufgabe ist es, den Namen und das Wesen Gottes im Himmel zu preisen. […] Die Cherubin werden in Hesekiel 10 beschrieben. [Auch sie] sind unmittelbar im Zusammenhang mit der Herrlichkeit Gottes zu sehen; sie haben ihren Platz neben dem Thron Gottes (Ps. 80,2).“[3] Somit besteht die Aufgabe dieser Engel darin Gott zu verherrlichen. Dies tun sie hier durch „niuwez lop in hôher wunne“ (I 1,4). Sie verkünden dem menschlichen Geschlecht, dass es den „gotelîchen vride“ (I 1,6) empfangen hat. Dies ist mit der Erlösung der Sünden am Tag des Jüngsten Gerichts assoziierbar. Wenn dies zutreffend ist, so findet die Erlösung im „Weihnachtslied“ bereits „hiute“ (I 1,5) statt. Vom Himmel kam die Nachricht, dass Gott zu einem Menschen geworden sei, dies wird als „hôch gewin“ (I 1,9) bezeichnet. Allerdings kann hierbei statt der Menschwerdung Gottes auch die von Christus gemeint sein.

In der zweiten Strophe erscheint ein mächtiger Kämpfer aus einem fremden Land. Dabei intendiert das „vremdem lande“ (I 2,1) den Himmel und der „kempfe“ (I 2,2) Jesus Christus. Er erscheint „in dem gewande“ (I 2,2). Gestützt durch die Äußerung des vorletzten Verses der ersten Strophe wird daraufhin gedeutet, dass das Kriegsgewand eine menschliche Gestalt darstellt. Der Held kommt in seiner Rüstung und der Sohn Gottes als Mensch. „Vür uns“ (I 2,7) schreitet er zum Kampf, um die Menschheit zu erlösen, währenddessen erfährt er durch „manic engel“ (I 2,4) sowohl Lobgesang als auch Unterstützung, indem sie ihn, den „jungelinge“ (I 2,5), als seine Gefolgschaft in „ze ringe“ (I 2,4) auf die Erde bringen. „Während neben Gottes Thron die in der Engelshierarchie den ersten Platz einnehmenden Cherubin und Seraphin stehen, ist jetzt nur mehr von den einfachen Engeln der untersten Hierarchie die Rede, was auch zum Schauplatz Erde im Gegensatz zum vorher genannten Himmel paßt.“[4]

Der würdige Krieger vertreibt unser altes Leid „von beiden sîten“ (I 2,8). Folglich agiert er von der Seite der Erde als Mensch und von der Seite des Himmels als Gott. Daraus kann man schließen, dass sich Mensch und Gott in einer Person, in diesem Falle in der des Kriegers beziehungsweise Jesus Christus, vereinen.

Die dritte Strophe handelt von der jungfräulichen Geburt und weist damit eindeutig auf die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria hin, welche an Heiligabend den Erlöser gebar. Doch dies wird nicht eindeutig ausgedrückt, sondern durch Andeutungen wie „empfangen“ (I 3,1), „vierzic wochen“ (I 3,7) sowie die letzten Verse, welche beschreiben, dass ihr ihre Jungfräulichkeit „unzevuort und ungebrochen“ (I 3,8) bleibt, umrissen. Insofern stellt sich erst an dieser Stelle ein direkter Zusammenhang zu dem Titel „Weihnachtslied“ heraus.

Alexander bedient sich innerhalb dieses Werkes der Zahlenallegorie, welche für das Mittelalter maßgeblich war. Die Zahl „vierzic“ findet sehr häufig Verwendung in der Bibel, hier sind beispielsweise für das Neue Testament die 40 Tage und Nächte, die sich Jesus durch die Versuchung des Teufels fastend in der Wüste aufhielt (Matthäus 3.4) und für das Alte Testament die Sintflut, welche ebenfalls 40 Tage dauerte ( I Mose/ Genesis 6.7) zu nennen. „Meist ist die Vierzig der numerische Wert für eine Anbahnungs- oder Läuterungszeit bis ein konkretes göttliches Wirken auftritt, sie dient aber auch als Merkmal für eine von Gott gewährte Gnade.“[5]

Desweiteren wird in der letzten Strophe ein dritter Lobgesang der Engel ausgelöst: „lop in himele, vride ûf erde!“ (I 3,4). Die Zahl Drei findet sich ebenfalls in der biblischen Zahlensymbolik wieder. So beispielsweise in der göttlichen Dreifaltigkeit, in den 33 Lebensjahren Jesu oder dessen Auferstehung nach drei Tagen (Markus 8,31).

„Insgesamt also stellt das Gedicht einen dreifachen Hymnus auf Gottvater, Sohn, Maria und deren Tat, die Menschwerdung Christi dar, welcher mittels eines ganzen Mosaiks an Bibelallegorien illustriert worden ist.“[6]

3 Das “Erdbeerlied”

In diesem melodisierten Lehrgedicht, welches eine zweidimensionale Textstruktur mit religiösem Unterton aufweist, skizziert Alexander eine Rückblende an die vergangene Zeit des „kintlich spil“ (V 4,3). Anfänglich wird das unbeschwerte Spiel, der Tanz und die Erdbeersuche der Kinder im Wald thematisiert. Der Wald ist dabei mit dem biblischen Paradies beziehungsweise Garten Eden oder aber auch der Welt assoziierbar. Doch es kommt durch eine zunehmende Bedrohtheit zur Überschattung der zeitvergessenen idyllischen Kindheitserinnerung. Diese beginnt mit der zur Heimkehr zwingenden appellhaften Mahnung des „waltwiser“ (V 3,5): „wol dan, kinder, und gêt hein!“ (V 3,6). Er drängt sie dazu den Wald, folglich die Welt schnellstmöglich zu verlassen.[7]

In der vierten Strophe erhalten die Kinder „alle mâsen“ (V 4,1). Damit sind zunächst wohl die Flecken von der Erdbeersuche gemeint, darüberhinaus deuten sie ferner auf die Flecken der Sünde hin, welche die Kinder reuelos empfangen.

Die Erdbeere dient dabei symbolhaft „als Sinnbild der Verlockung zu weltlicher Lust“[8], welche alle befleckt. An dieser Stelle kommt es zur zweiten und direkten Warnung durch den „hirte“ (V 4,5): „kinder, hie gêt slangen vil“ (V 4,6). Die Bezeichnung „hirte“ (V 4,5) ist ebenfalls ambivalent, da mit ihr sowohl der Viehhirte als auch der geistliche Hirte gemeint sein kann. Er warnt die Kinder vor den „slangen“, welche nicht nur auf die Versuchung und die Sünde hindeuten, sondern bereits an sich für das Böse und den Teufel stehen. „Die Schlangen als die allerorten lauernde Sünde; tückisch verborgen, tödlich beißend, bereitet sie den blinden Liebhabern der Welt ewiges Verderben.“[9] Somit beginnt bereits an dieser Stelle die Darstellung der Allgegenwärtigkeit der Sünde. Doch dies kann nicht explizit gedeutet, sondern bloß durch Kombination der biblischen Anspielungen erschlossen werden. In der darauffolgenden Strophe erfolgt die entsetzliche Bewahrheitung und die damit verbundene Zerstörung der idyllischen Szenerie, denn das „gfeterlîn“ (V 5,4) wird unheilvoll von einer Schlange gebissen. Carl von Kraus schlägt für „pherierlin“ die Übersetzung „gfeterlîn“ vor. Er versteht diese „Allegorie [als] eine Anspielung auf unseren Stammvater Adam […], der in dem krûte (dem Paradiesgarten) von der Schlange gebissen wurde.“[10] Dabei erleidet das „gfeterlîn“ unauslöschliche Folgen: „daz enheilet nimmer / er muoz immer / sûren unde unsaelic sîn“ (V 5,5-7). „Das unsaelic sîn des phetterlîn als dauernde Folge des Schlangenbisses kann nie endendes Unglück, aber auch ewiges Unheil [oder auch] Ausgeschlossenheit von der ewigen Seligkeit meinen.“[11] Des Weiteren kann das „sûren unde unsaelic sîn“ allegorisch auf die Erbsünde verweisen.

[...]


[1] Vgl.: Weber, Barbara: Oeuvre - Zusammensetzungen bei den Minnesängern des 13. Jahrhunderts. Göppingen: Kümmerle 1995. S. 279.

[2] Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Band I Text. Hrsg. von Carl von Kraus. 2. Auflage.

Tübingen: Max Niemeyer 1987. S. 1.

[3] Graham, Billy: Engel - Gottes Geheimagenten. www.mboeger.de/buju/Engel01.pdf (31.7.2008).

[4] Weber, Barbara: Oeuvre - Zusammensetzungen bei den Minnesängern des 13. Jahrhunderts.

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Numerologie#Biblische_Zahlensymbolik (31.07.2008).

[6] Weber, Barbara: Oeuvre - Zusammensetzungen bei den Minnesängern des 13. Jahrhunderts.

Göppingen: Kümmerle 1995. S. 281.

[7] Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Band I Text. Hrsg. von Carl von Kraus. 2. Auflage.

Tübingen: Max Niemeyer 1987. S. 12f.

[8] Kern, Peter: Das ‚Kindheitslied‘ des Wilden Alexander. Zur verhüllenden Redeweise in mittel-

hochdeutscher Lyrik, in: ZfdPh 98 (1979) (Sonderheft). S. 87.

[9] Worstbrock, Franz Josef: Das ‚Kindheitslied‘ des Wilden Alexander. Zur Poetik allegorischen

Dichtens im deutschen Spätmittelalter, in: Medium Aevum deutsch. Fs. Kurt Ruh, Hrsg. von

Dietrich Huschenbett u.a., Tübingen 1979. S. 456.

[10] Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Band II Kommentar. Hrsg. von Carl von Kraus. 2.

Auflage. Tübingen: Max Niemeyer 1987. S. 12.

[11] Kern, Peter: Das ‚Kindheitslied‘ des Wilden Alexander. Zur verhüllenden Redeweise in mittelhoch-

deutscher Lyrik, in: ZfdPh 98 (1979) (Sonderheft). S. 84.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Christliche Symbolik und biblische Anspielungen in „Weihnachtslied“, „Erdbeerlied“ und „Antichristgedicht“ vom Wilden Alexander
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Der wilde Alexander
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V126094
ISBN (eBook)
9783640314867
ISBN (Buch)
9783640318339
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wilder Alexander, Weihnachtslied, Erdbeerlied, Antichristgedicht, Christliche Symbolik
Arbeit zitieren
Rebecca Tille (Autor:in), 2008, Christliche Symbolik und biblische Anspielungen in „Weihnachtslied“, „Erdbeerlied“ und „Antichristgedicht“ vom Wilden Alexander, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126094

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