Untersuchung der Bedeutungsveränderung des Begriffs "Ansehen" in der Literatur des deutschen Mittelalters. Im „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke und dem „Fortunatus“


Hausarbeit, 2014

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Das Wort „Ansehen“ und seine Bedeutung im Mittelalter 3

2. Ansehen bei Eneas. 4

3. Ansehen bei Fortunatus. 7

4. Analyse der Unterschiede bei der Zusammensetzung des Ansehens von Eneas und Fortunatus 12

5. Glücksmetaphorik. 13

6. Literaturverzeichnis. 15

1. Das Wort „Ansehen“ und seine Bedeutung im Mittelalter

Das deutsche Substantiv „Ansehen“ lässt sich leicht vom gleichlautenden Verb „ansehen“ ableiten. Die Bedeutung hat sich bei der Entwicklung vom Verb zum Substantiv jedoch bedeutend erweitert. So kann man das „Ansehen“ nicht mit dem ähnlich klingenden Wort „Aussehen“ gleichsetzen, denn das Ansehen einer Person meint eigentlich nicht ihre äußere Erscheinung. Ganz im Gegenteil das „Ansehen“ einer Person referiert eher auf ihre inneren Werte. Im Duden heißt es hierzu: „Achtung, Wertschätzung, hohe Meinung (…)“[1]. Wie jedoch kann ein Nomen, das sich aus einem Verb entwickelt hat, dessen Bedeutung sich so eindeutig auf Äußerlichkeit und Oberflächenbeschaffenheit bezieht sich in der Ableitung so verändern?

Die Antwort darauf könnte in der Entwicklung dieses Wortes vom Mittelalter hin zur Neuzeit liegen, oder besser gesagt im Zusammenspiel von „Ansehen“ und der Bedeutung von Visualität für die mittelalterliche Gesellschaft. In dem mittelhochdeutschen Wörterbuch herausgegeben von Mathias Lexer findet sich zum Wort „ansehen“ noch keine große Veränderung zum Verb, jedoch weist das Substantiv im Wörterbuch der Gebrüder Grimm bereits große Nähe zur heutigen Bedeutung auf. Außerdem wird hier noch auf ein mittelhochdeutsches Wort „anesehen“ verwiesen, das sich jedoch bei Lexer nicht finden lässt. [2][3] Abgesehen von der exakten lexikalischen Bedeutung lässt sich durchaus eine Verbindung von Ansehen im Sinne von Ehre, Macht, Einfluss und der feudalen Gesellschaft des Mittelalters ziehen. Die äußere Erscheinung einer Person, denn nur in Bezug auf Personen oder personalisierte Gegenstände wird das Wort „Ansehen“ gebraucht, lässt im Mittelalter häufig auf die soziale Stellung schließen. Bestimmte Stoffe oder Schmuck durften beispielsweise nur von Angehörigen des Adels verwendet werden. In der Literatur wird das Aussehen schließlich mit Tugenden verbunden – in der Figur des klassischen Helden. Wer gut aussieht ist somit auch innerlich gut, im Umkehrschluss sieht man den Widersachern ihren schlechten Charakter auch an ihrer Hässlichkeit an. Natürlich wird dieses Konzept in der Literatur auch häufig durchbrochen oder umgekehrt, dennoch bestätigt es einen in der Literatur überspitzten Kult der Öffentlichkeit im Mittelalter. Abstammung und Charakter sollen immer öffentlich zur Schau getragen werden, das wortwörtliche „ansehen“ einer Person kann also durchaus zu Rückschlüssen auf ihren Charakter führen. Diese Verbindung soll in dieser Arbeit an zwei Werken exemplarisch gezeigt werden, die beide wichtige Texte am Anfang und das Ende des Mittelalters markieren: Heinrich von Veldekes „Eneasroman“ und der anonym überlieferte „Fortunatus“. Beiden Texten wird sowohl durch Zeitgenossen als auch durch die moderne Forschung große Bedeutung als Spiegel der sozialen Veränderungen ihrer Zeit zugewiesen.

Das Ansehen, obwohl nicht namentlich erwähnt, spielt im „Eneasroman“ sowie im „Fortunatus“ eine große Rolle und wird doch ganz unterschiedlich verhandelt. Anhand dieser beiden Texte soll also schlaglichtartig eine Veränderung der mittelalterlichen Gesellschaft gezeigt werden, die sich in der Umbesetzung, beziehungsweise Variation des ursprünglich visuellen Begriffs „Ansehen“ zeigt.

2. Ansehen bei Eneas

Wie bereits erwähnt steht der „Eneasroman“ Heinrichs von Veldeke, der Ende des 12.Jahrhunderts entstand, am Anfang einer Tradition deutschsprachiger Epen, wofür er sich sowohl des lateinischen Originals von Vergil als auch der kurz zuvor entstandenen altfranzösischen Vorlage, dem „Le Roman d’Eneas“ bediente, um so auch im deutschsprachigen Raum Maßstäbe für die entstehende weltliche Literatur zu setzen. Beide mittelalterlichen Werke bereiten vor allem durch ihre Veränderungen und Erweiterungen gegenüber der „Aeneis“ sowohl inhaltlich, als auch formal den Weg für eine neue weltliche, unterhaltende und belehrende Literatur in der Volkssprache.[4] Bei der Aneignung des antiken Stoffes wurde, wie im Mittelalter üblich, die antike Welt der eigenen, das heißt der der Autoren und des Publikums, angepasst.[5] Eneas sowie die weiteren Figuren aus Veldekes Werk hätten sich etwa hundert Jahre später ebenso gut im Umkreis der Tafelrunde aufhalten und nach den ritterlichen Tugenden leben können. Denn die Ideale einer neu entstehenden höfischen Gesellschaft besonders durch deutschsprachige Literatur zu verbreiten, ist eine der Hauptintentionen des Autors.

Denn Eneas ist nicht nur ein Ritter, der einen Auftrag der Götter zu erfüllen hat, er ist auch ein Held sozusagen am Anfang seiner Karriereleiter, der sich sein Ansehen, genau wie viele mittelalterliche Helden, erst noch verdienen muss. Dennoch wird schnell klar, dass man Eneas Werdegang im Text nicht mit einem neuzeitlichen Bildungsroman vergleichen kann, weder sind allein seine Fähigkeiten für seine Erfolge verantwortlich, noch ist er ein Niemand am Beginn seiner Abenteuer. Ein wesentliches Element für Eneas‘ Ansehen ist seine Abstammung: als Sohn des Trojaners Anchises und der Göttin Venus, ist er als Halbgott eindeutig über seine Mitmenschen erhaben und genießt von Anfang an einen gewissen Respekt. Gleichzeitig kann er sich auch der Unterstützung der Götter – jedenfalls derer, die auf Seiten seiner Mutter und seinem Großvater Jupiter sind – sicher sein. Diese Unterstützung macht einen Großteil von Eneas Erfolgen aus: ohne die Rüstung von Vulkans beispielweise wäre er Turnus, seinem Rivalen in Latium nicht unbedingt überlegen gewesen (Veldeke 1986: Vers 5666- 5675.).


[1] Klosa 1984: S.156.
[2] Lexer 1979: S.76.
[3] Grimm 1854: S.457.
[4] Opitz (1998): S.50.
[5] Ebd.: S.53.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Untersuchung der Bedeutungsveränderung des Begriffs "Ansehen" in der Literatur des deutschen Mittelalters. Im „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke und dem „Fortunatus“
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V287855
ISBN (eBook)
9783656878780
ISBN (Buch)
9783656878797
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ansehen, Fortunatus, Eneas, Semantik
Arbeit zitieren
Sophie Strohmeier (Autor:in), 2014, Untersuchung der Bedeutungsveränderung des Begriffs "Ansehen" in der Literatur des deutschen Mittelalters. Im „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke und dem „Fortunatus“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287855

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