Das Legendäre des Pnins in Nabokovs gleichnamigen Roman


Hausarbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Die Legende in der Literaturwissenschaft
1.1 Verschiedene Legendentheorien

2 Die literarische Heiligenlegende
2.1 Allgemeine Begriffsbestimmung
2.2 Werkrelevante Merkmale

3 Nabokovs Pnin
3.1 Der Autor und sein Werk
3.2 Pnin – ein von Gott begnadeter Heiliger?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Bei der Beschäftigung mit Legenden stößt man unweigerlich auf die unterschiedlichsten Begriffsbestimmungen in den verschiedenen Wissenschaften und im Alltag.

Der Ursprung des Wortes liegt im lateinischen legere mit dessen abgeleiteten Gerundiv legenda, was das zu Lesende bedeutet.

Zunächst findet der Begriff seinen Gebrauch noch heute in der Wissenschaft.

„In der wissenschaftlichen Fachsprache wird >Legende< heute noch nahezu in

der ursprünglichen Bedeutung gebraucht, nämlich für die Inschriften am Rand

oder auf der Kante von Münzen und Medaillen, (...) oder für die Texte und

Zeichenerklärungen auf Architektur- und Stadtplänen oder Landkarten, überdies

für Bildunterschriften in Büchern und Zeitungen.“

(Rosenfeld, H.: Legende. 1982, S.1)

Weiterhin wird das Wort Legende in Bereichen der Psychologie, ebenso in der Soziologie, und auch in der Ethnologie verwendet. 1

Häufig findet diese Begrifflichkeit eine Verwendung im Alltag. Zumeist wird sie in Zusammenhang mit einigen wenigen charismatischen Persönlichkeiten gebracht, welche durch außergewöhnliches Handeln Berühmtheit erlangen. Diese prominenten Menschen gelten als Legenden, ebenso besondere, intensiv berührende Geschichten mit wunderhaften Charakter.

Hier stellt sich nun die Frage, woher eine solche Bedeutung stammt. Bei darauf folgenden Forschungen stößt man im religiösen und im literarischen Bereich unmittelbar auf die Heiligenlegenden der katholischen Kirche. Diese christlich katholische Form der Legende ist die Darstellung der Lebensgeschichte oder die Beschreibung einiger Passagen aus dem Leben eines Heiligen. Im weitesten Sinne betrachtet, ist theologisch dabei von Bedeutung, dass die Erzählung eine von Gott begnadete Person behandelt, die als historisch bezeugt gilt. Durch diesen Anspruch an Authentizität soll die Heiligenlegende den Leser bzw. Hörer zu einem gottgefälligen Leben anregen.

Diese Funktionalität wird im nächsten Kapitel ausführlicher beleuchtet, da diese Form der Legende primär den Focus dieser Arbeit bildet.

Im ersten Teil gehe ich im Detail auf die Heiligenlegende ein, um im zweiten Teil die herausgefilterten Merkmale auf Vladimir Nabokovs Roman Pnin zu beziehen. Dabei wird sich zeigen, dass Pnin eine Figur mit Zügen eines Heiligen ist und der Roman durchaus als Legende des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden kann.

1 Vgl. hierzu: Rosenfeld, S.3.

1 Die Legende in der Literaturwissenschaft

1.1 Verschiedene Legendentheorien

Bevor der Versuch unternommen wird, eine Legende zu erforschen, muss dieser Begriff näher definiert werden, indem man nach seinen Ursprüngen und nach den etwaigen Veränderungen seiner Semantik forscht unter der Betrachtung der wissenschaftlichen, in diesem Fall in erster Linie literaturwissenschaftlichen, Auseinandersetzung mit diesem durchaus problematischen Begriff. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat es weitreichende Diskussionen über die Gattung Legende gegeben, die bis heute noch nicht abgeschlossen sind, da keine endgültige Definition entwickelt werden konnte. Grund dafür ist zunächst die breitgefächerte Verwendung des Begriffes. Wenn man das Forschungsgebiet in der Literaturwissenschaft eingrenzt und schriftlich fixierten Legenden den Status einer Gattung einräumt, fällt eine eindeutige Abgrenzung zu verwandten Formen wie der Sage, dem Märchen oder dem Mythos schwer. Jedoch lässt der Anspruch auf eine klare Abgrenzung der Gattungen den Inhalt der Legende zu einem literaturwissenschaftlichen Problem werden, welches sich am Ende des 19. Jahrhunderts manifestiert.

1879 erkannte Hermann Usener in den Protagonisten der christlichen Heiligenlegenden Nachfahren der antiken Götter. Er unternahm den Versuch, die Legenden den antiken Überlieferungen gegenüber zu stellen, um somit Übereinstimmungen zu finden. Doch konnte dieses Muster nicht auf alle Heiligen angewendet werden, sodass die Theorie als unzureichend gewertet wurde.

Allerdings wurde durch Usener der Gattung Legende zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr Interesse entgegengebracht. Es wurde immer wieder versucht zwischen den Gattungen Märchen, Sage, Legende und Mythos eine genau bestimmte Differenzierung sowie eine haltbare Definition der einzelnen Kategorien zu finden.

1906 unterschied Wilhelm Wundt zwischen den einzelnen Begriffen und erfasste die Legende als Unterform des Göttermythos, der die Beziehung zum Kult darstellen sollte. Dieser Göttermythos beinhaltet jedoch, wie der Name schon sagt, mythische Strukturen und Merkmale. Die Legende müsse somit nach Wundt einem religiösen Kontext entspringen und könne ohne denselben nicht existieren. Allerdings unterscheidet er nicht zwischen christlichen und vorchristlichen Religionen und meint, dass eine motivische Abgrenzung der vier Gattungen nicht möglich sei.

Ab den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts beschäftigte sich die Forschung vermehrt mit der Quellensituation der Legenden. Hippolyte Delehaye und Heinrich Günther betrachteten als erste die Legenden unter diesem Aspekt. 1930 versuchte Günther Müller eine Phänomenologie der Legende zu entwickeln, wobei er nachdrücklich die Bindung zu Kult und Religion betonte, was allerdings eine rein literaturwissenschaftliche Gattungsbestimmung schwierig machte. Außerdem verglich er die Grundstruktur der Legende mit jener der Novelle. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass im Mittelpunkt der Novelle ein einzigartiges Ereignis steht, welches durch eine Wendung im zweiten Teil erklärt und aufgelöst wird. Bei der Legende besteht dieser Mittelpunkt in der Heiligkeit des Protagonisten und dessen Erfahrung von Wundern. Jedoch steht dieser Theorie entgegen, dass es etliche Legenden ohne Wunder gibt, dass diese Merkmal sein können, es aber nicht zwingend sind.

Im selben Jahr beschäftigte sich André Jolles in seinem umstrittenen Buch Einfache Formen neben Gattungsformen wie z.B. Sage, Mythe, Rätsel mit der Legende, welche er im ersten Kapitel beschreibt. Jolles betrachtet die Heiligenlegende als besonders im Christentum ausgeprägt. Ihr Hauptinteresse besteht darin, so Jolles, das Leben eines Menschen zu schildern, der sich durch tätige Tugend auszeichnet, welche dann auf die Mitmenschen im Sprachlichen sowie im Gegenständlichen als Reliquie wirkt. 1 Den Schwerpunkt legt er also auf den Begriff imitatio, welcher den Aspekt der Legende benennt, dass diese zur Nachahmung anregen soll. Diese Nachahmung soll durch bestimmte sprachliche Gebärden erzielt werden, die für die Gattung Legende, laut Jolles, typisch sind. 2 So enthält die Legende nur solche Abschnitte aus dem Leben des Heiligen, in denen man seine Heiligkeit erkennen kann und den gewöhnlichen Menschen zu imitatio veranlassen. Sprachliche Gebärden werden in der Legende dann angewandt, wenn sie von der Gottnähe der Hauptfiguren verkünden. Allerdings geht Jolles bei seinen Analysen nicht direkt auf die Religiosität des Themas ein. Hellmut Rosenfeld betont in seinem Buch Legende die Unzulänglichkeiten von Jolles Theorie, verweist aber auf die wichtigen Ansätze, die von anderen aufgegriffen und weiter entwickelt wurden. 3

1934 lehnte Joseph Darbrock Jolles Definition von Legende ab, insbesondere den Aspekt der imitatio als Hauptmerkmal, und erklärte, dass die Funktion derselbigen die Beweisführung zur Existenz Gottes sei. Dem widersprach Hellmut Rosenfeld:

[...]


1 Vgl. hierzu: Jolles, S.29/30.

2 Ebenda, S.36.

3 Vgl. hierzu: Rosenfeld, S.8/9.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Legendäre des Pnins in Nabokovs gleichnamigen Roman
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Die Legende
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V44658
ISBN (eBook)
9783638422123
ISBN (Buch)
9783638763462
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Legendäre, Pnins, Nabokovs, Roman, Legende
Arbeit zitieren
Diana Riege (Autor:in), 2003, Das Legendäre des Pnins in Nabokovs gleichnamigen Roman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44658

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