Der Erzähler in Hartmanns von Aue „Erec“: Formen und Funktionen der Erzählerbemerkungen und Erzählerkommentare in der Zelterepisode von Vers 7264 bis 7755


Seminararbeit, 2005

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I. Einleitung

„Das rhetorische Prunkstück der Pferdebeschreibung (7286-7766) übertrifft die Vorlage (Chrét. 5316-5351) um das annähernd Vierzehnfache.“[1]

Hartmann von Aue weitet die Beschreibung Enites Zelters, wie von Ruh festgestellt, im Gegensatz zu seiner Hauptquelle enorm aus. Diese Tatsache führt zu verschiedenen Fragen wie beispielsweise nach der Art und dem Grund dieser detaillierten Ausführungen.

Die Digressio ist geschickt in die Handlung eingesetzt und rhetorisch deutlich abgegrenzt. Vers 7264 und 7765 haben den gleichen Wortlaut, nämlich Arme vrouwe Eniten[2] Sowohl Erec, der bereits zwei Wochen auf seine Weiterreise von der Burg Penefrec warten musste, als auch der Rezipient müssen ungefähr noch eine halbe Stunde innehalten – denn etwa so lange dauert es, bis der Erzähler seine Ausführung vorgetragen hat, egal, ob mündlich vor einem Publikum oder schriftlich.[3]

Chrétien de Troyes beschreibt ebenfalls die Abreiseszene von Penefrec, allerdings setzt er seine Akzente ganz anders: Er stellt den Abschied sehr genau dar, Enites neues Pferd hingegen nur kurz. Hartmann von Aue geht nur am Rande auf den eigentlichen Abschied ein, stattdessen redet er lieber insgesamt 502 Verse über den Zelter und sein Sattelzeug.

Die Forschung beschäftigt sich mit dieser Eigenart erst seit den sechziger Jahren, obwohl der „Erec“ schon viel länger für die Literaturwissenschaftler interessant war.

Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit hauptsächlich Sekundärliteratur von den Siebzigern bis Heute verwendet. Die Ausführungen von Haiko Wandhoff zu der Zelterepisode sind sehr detailliert und deutlich dargestellt, können hier aber nicht verwendet werden, da sie nicht den Erzähler, sondern den Kosmos in den Mittelpunkt stellen.

Diese Arbeit konzentriert sich im Wesentlichen auf Erzählerbemerkungen und Erzählerkommentare. Sie legt außerdem den Fokus auf die Funktion eben dieser und auf die Länge der Digressio. Warum Hartmann aber die Geschichte von Troja und andere Verweise auf Literatur einfügt, wird allerdings nicht geklärt, da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde.

II. Verschiedene Arten der Erzählerbemerkungen und ihre Funktion

II.1 Beglaubigende Bemerkungen

Wie bereits festgestellt nutzt Hartmann von Aue eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich als Autor einzubringen oder den Erzähler sichtbar werden zu lassen, die zunächst alle mehr oder minder ähnlich bis gleich erscheinen. Erst bei näherer Betrachtung fällt auf, dass Hartmann eine breite Variationsfähigkeit an verschiedenen rhetorischen Mitteln beweist.

Den ersten Punkt bilden die beglaubigenden Bemerkungen. Hier liegt es nahe, zwischen Quellenberufungen und Wahrheitsbeteuerungen zu unterscheiden. Arndt stellt allerdings fest, dass „beide […] demselben Zweck [dienen]: eben der Beglaubigung des Erzählten“.[4] Außerdem seien auch die Übergänge zwischen diesen beiden Formen fließend, so dass sich einige Bemerkungen sowohl der einen als auch der anderen Gruppe zuordnen ließen.[5] In dieser Arbeit wurde für jede Textstelle eine Zuordnung gefunden, sollte aber kritisch verstanden werden. Pörksen definiert die Beglaubigung zudem als „Grundforderung des Publikums an den Erzähler“[6].

Doch auch die Art der Quellenberufungen wird von der Forschungsliteratur unterschiedlich angenommen: So gibt es beispielsweise fingierte Berufungen[7]. Scholz begründet die Fiktion dadurch, dass bei Chrétien an den gleichen Stellen der Handlung keine Verweise auf andere Quellen zu finden seien. Außerdem würde in ihnen keine genaue Namensangabe gemacht.[8] Pörksen hingegen bezeichnet des hôrte ich im den meister jehen und als uns der meister seite[9] einfach nur als Formel für mündliche Überlieferung.[10] In beiden genannten Versen wird der meister erwähnt, der im gesamten Roman nur vier Mal auftaucht. Da Hartmann aufgrund starker inhaltlicher Abweichungen mit dem meister aber weder Chrétien noch dessen Ausführungen meinen kann, obwohl er sich auf ein buoche[11] beruft, ist dies ein weiteres Indiz für die Fiktion dieser Erzählerbemerkungen.

Es kann leicht festgestellt werden, dass die Mehrzahl der beglaubigenden Berufungen dazu dient, lobende Hervorhebungen seriös und glaubhaft darzustellen.

[...]


[1] Ruh, Kurt: Höfische E pik des deutschen Mittelalters. I. Von den Anfängen bis z u Hartmann von Aue. Berlin 1977, S. 136 (im Folgenden zitiert als: Ruh, 1977).

[2] Hartmann von Aue: Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. Frankfurt am Main 1972.

[3] Vgl. Scholz, Manfred Günter (Hrsg.): Hartmann von Aue. Erec. In: Haug, Walter (Hrsg.): Bibliothek des Mittelalters. Texte und Übertragungen. Frankfurt am Main 2004. (im Folgenden zitiert als: Scholz, 2004).

[4] Arndt, Paul Herbert: Der Erzähler bei Hartmann von Aue. Formen und Funktionen seines Hervortretens und seine Äußerungen. Göppingen 1980, S. 43 (im Folgenden zitiert als: Arndt, 1980).

[5] Vgl. ebd., S. 43.

[6] Pörksen, Uwe: Der Erzähler im mittelhochdeutschen Epos: Formen seines Hervortretens bei Lamprecht, Konrad, Hartmann, in Wolframs Willehalm und in den ‚Spielmannsepen’. Berlin 1971, S. 18. (im Folgenden zitiert als Pörksen, 1971).

[7] Stellennachweis: Hartmann von Aue: Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer. Frankfurt am Main 1972 (im Folgenden zitiert als: Hartmann, 1972), Vers 7299 und 7462.

[8] Vgl. Scholz, Manfred Günter (Hrsg.): Hartmann von Aue. Erec. In: Haug, Walter (Hrsg.): Bibliothek des Mittelalters. Texte und Übertragungen. Frankfurt am Main 2004. (im Folgenden zitiert als: Scholz, 2004).

[9] Hartmann, 1972, Vers 7299 und 7462.

[10] Vgl. Pörksen, 1971, S. 70.

[11] Hartmann, 1972, Vers 7491.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Der Erzähler in Hartmanns von Aue „Erec“: Formen und Funktionen der Erzählerbemerkungen und Erzählerkommentare in der Zelterepisode von Vers 7264 bis 7755
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
13
Katalognummer
V88332
ISBN (eBook)
9783638024235
ISBN (Buch)
9783638925396
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzähler, Hartmanns, Formen, Funktionen, Erzählerbemerkungen, Erzählerkommentare, Zelterepisode, Vers
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Isabelle Strohkamp (Autor:in), 2005, Der Erzähler in Hartmanns von Aue „Erec“: Formen und Funktionen der Erzählerbemerkungen und Erzählerkommentare in der Zelterepisode von Vers 7264 bis 7755, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88332

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