Die prognostische Validität von Rahmentrainingsplänen im Radsport


Magisterarbeit, 2004

118 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Training im Leistungssport
2.2 Konzeptionelle Positionen zu den Systemen Nachwuchsleistungssport und Spitzensport
2.2.1 Die Konzeption der RTP vor dem Hintergrund von Trainingswissenschaft und Trainingslehre
2.3 Herkunft und Entwicklung aktueller Rahmentrainingspläne und Trainingskonzeptionen
2.3.1 Die Etappen von Nachwuchstraining im Kontext der Rahmenkonzeptionen am Beispiel der Sportart Radsport
2.3.2 Herkunft und Entwicklung aktueller Rahmentrainingspläne und Trainingskonzeptionen der Sportart Radsport
2.4 Der Trainingsmittelkatalog des Bund Deutscher Radfahrer vor dem Hintergrund der folgenden Untersuchung
2.4.1 Herkunft des Trainingsmittelkataloges
2.4.2 Die Darstellung der spezifischen Trainingsbereiche des BDR vor dem Hintergrund ihrer Durchführung
2.5 Herleitung der Grundannahmen

3 Methodologie
3.1 Forschungsmethoden
3.2 Hypothesenformulierung
3.3 Operationalisierung
3.4 Anmerkungen zur Datenerhebung
3.5 Versuchspersonen
3.6 Datenauswertung

4 Ergebnisse
4.1 H1: Unterschiede im Belastungsumfang international erfolgreicher und national erfolgreicher Radsportler
4.1.1 H1 a1: Unterschied in den sportartspezifischen Belastungskategorien
4.1.2 H 1 a2 Unterschied „international erfolgreicher“ und „national erfolgreicher“ Radsportler in sportart – unspezifischen Belastungskategorien
4.1.3 H1 b: Unterschied der Umfänge in der Belastungskategorie „Grundlagenausdauer“
4.1.4 H1 c: Unterschied der Umfänge in der Belastungs-kategorie „Entwicklungsbereich“
4.1.5 H1 d: Unterschied der Umfänge in der Belastungs-kategorie „Spitzenbereich“
4.1.6 H1 e: Unterschied im Umfang der Belastungskategorie „Kraft mit Rad“
4.1.7 H1 f: Unterschied im Umfang der Belastungskategorie „Kompensationsbereich“
4.1.8 H1 g: Unterschied in der Belastungskategorie „Wettkampfkilometer“
4.1.9 H1 h: Unterschied in der Belastungskategorie „allgemeine athletische Ausbildung“
4.1.10 H1 i: Unterschied im Umfang der Belastungskategorie „Kraft andere Mittel“
4.2. H 2: Größerer Umfang „international erfolgreicher“ Nachwuchsradsportler gegenüber „national erfolgreicher“ Nachwuchsradsportler
4.2.1 H 2 a: Größerer Umfang in den Gesamtumfängen sportartspezifischer Belastungskategorien bei „international erfolgreichen“ Sportlern
4.2.2 H2 b: Größerer Umfang in sportartunspezifischen Belastungskategorien bei „international erfolgreichen“ Radsportlern
4.3 H3: Richtung des Unterschieds im Umfang der einzelnen Belastungskategorien
4.3.1 H3 a: Unterschied in den Belastungsumfängen der Belastungskategorie „Grundlagenausdauer“
4.3.2 H3 b: Unterschiede in den Belastungsumfängen der Belastungskategorie „Entwicklungsbereich“
4.3.3 H3 c: Unterschiede in den Umfängen der Belastungs-kategorie „Spitzenbereich“
4.3.4 H3 d: Unterschiede in den Umfängen der Belastungs-kategorie „Kraft mit Rad“
4.3.5 H3 e: Unterschiede in den Umfängen der Belastungskategorie „Kompensationsbereich“
4.3.6 H3 f: Unterschiede in den Umfängen der Belastungskategorie „Wettkampfkilometer“
4.3.7 H3 g Unterschiede in den Umfängen der Belastungskategorie „allgemeine athletische Ausbildung“
4.3.8 H3 h Unterschiede in der Belastungskategorie „Kraft andere Mittel“
4.4 H IV: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgaben des Umfanges der gegebenen Belastungskategorien bei „international-“ und „national erfolgreichen“ Sportler
4.4.1 H IV a: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgaben der Belastungskategorie „Grundlagenausdauer“
4.4.2 H IV b: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgaben in der Belastungskategorie Entwicklugsbereich
4.4.3 H IV c: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgabe für die Belastungskategorie „Spitzenbereich“
4.4.4 H IV d: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgabe für die Belastungskategorie „Kraft mit Rad“
4.4.5 H IV e: Unterschied im Grad der Erfüllung der Vorgabe für die Belastungskategorie „Kompensationsbereich“
4.4.6 H IV f: Unterschied im Grad der Erfüllung der Belastungskategorie „Wettkampfkilometer“
4.4.7 H IV g: Unterschied im Grad der Erfüllung der Belastungskategorie „allgemeine athletische Ausbildung“
4.4.8 H IV h: Unterschied im Grad der Erfüllung der Belastungskategorie „Kraft andere Mittel“
4.5 H V: Zusammenhang von juvenilen Erfolgen und Erfolgen im Erwachsenenalter bei identischen Personen

5. Diskussion
5.1 Hypothese 1
5.2 Hypothese 2
5.3 Hypothese 3
5.4 Hypothese 4
5.5 Hypothese 5
5.6 Zusammenfassende Diskussion

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1. Strukturmodell des langfristigen Leistungsaufbaus

Abb. 2. Trainingskennziffern des BDR, männlicher Bereich

Abb. 3.Vergleich der Mittelwerte des Gesamtbelastungsumfangs in sportartspezifischen Belastungskategorien (H1 a1

Abb. 4. Diagramm zur Untersuchung auf Normalverteilung (H1d)

Abb. 5. Vergleich absoluter Umfänge (H2a)

Abb. 6.Mittelwerte Umfang (H3a)

Abb. 7. Vergleich des Grades der Erfüllung

Abb. 7. Überblick über den Umfang der Abweichung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1. Bestandteile der langfristigen Trainingsplanung

Tab. 2. Altersklassenstruktur des Bund Deutscher Radfahrer

Tab. 3. Minimal und Maximalvorgaben für den Umfang in der Belastungskategorie des GA Trainings

Tab. 4. Vergleich Krafttraining im Radsport mit Empfehlungen aus der Wissenschaft

Tab. 5. Erfolg zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Kariere

Tabellenverzeichnis im Anhang

Tab. 1. Deskriptive Statistik „international-“ und „national erfolgreicher“ Radsportler der Gruppe >18 Jahre

Tab. 2. Test auf Normalverteilung aller Variablen der Gruppe >18 Jahre.

Tab. 3. t – Test für unabhängige Stichproben der Gruppe >18 Jahre.

Tab. 4. Deskriptive Statistik beider Gruppen < 18 Jahre.

Tab. 5. Test auf Normalverteilung Gruppe < 18 Jahre.

Tab. 6. t – Test für unabhängige Stichproben Gruppe < 18 Jahre.

Tab. 7. Deskriptive Statistik, Grad der Erfüllung der Vorgaben, Gruppe > 18 Jahre

Tab.8. Test auf Normalverteilung bei „Grad der Erfüllung“ der Gruppe > 18 Jahre .

Tab.9. t – Test für unabhängige Stichproben „Grad der Erfüllung“ > 18 Jahre.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Angesichts hoher Zuschauerzahlen bei zahlreichen sportlichen Wettkämpfen scheint das Interesse der europäischen Bevölkerung an sportlichen Wettbewerben weiterhin sehr stark zu sein. So erreichen die 10 größten Sportereignisse Europas durchschnittlich 30% Marktanteile bei den deutschen Fernsehzuschauern (Horizont Sport Business, 49, 2003). Diese Tendenz setzt sich, ungeachtet der durch viele Medien in den Mittelpunkt gerückten Probleme, hinsichtlich einer Abweichung von olympischen – und gesellschaftlichen Idealen fort. Das Bundesministerium des Inneren (BMI) fördert derzeit „30 olympische und 16 nichtolympische Bundessportfachverbände“ (BMI, 2004), sowie sechs Bundesfachverbände mit besonderer Aufgabenstellung.

Der Deutsche Sportbund (DSB) beschreibt in seinem „Leitbild des Deutschen Sports“ (DSB, 2000, S. 8) „die große Bedeutung des Sports für den einzelnen Menschen wie für die Nation“ und legt nachweislich sehr großen Wert auf die Förderung und Entwicklung des deutschen Nachwuchsleistungssportes. In vielen Beiträgen wird in diesem Zusammenhang die gesellschaftliche Bedeutung des Sports im Allgemeinen, sowie des Nachwuchsleistungssports im Speziellen in den Vordergrund gestellt. Dies zeigt sich insbesondere in den Veröffentlichungen des DSB zu diesem Thema. Beispielsweise beschreibt der Vizepräsident Ullrich Feldhoff im Vorwort des Nationalen Spitzensportkonzeptes implizit die gesellschaftliche Wirkung des Spitzensports als immens groß. Er schreibt diesem selbst eine positive Wirkung auf den proklamierten gesellschaftlichen Wertewandel zu (DSB, 1997 b, S. 5). Zudem soll der Spitzensport nach Feldhoff ein Garant für hohe Motivation und kreative Eigenleistung sein (ebd.). Diesbezüglich räumt er dem Spitzensport eine herausragende Bedeutung als kulturellen Wert ein

Die Förderung des Deutschen Leistungssportsystems, in Form von finanziellen Zuwendungen durch das Ministerium des Inneren der Bundesrepublik Deutschland orientiert sich an den jeweiligen sportlichen Erfolgen der einzelnen Spitzenfachverbände, wobei die Platzierungen der, einer Sportart zugehörigen Sportler, bei nationalen und internationalen Kriteriumswettkämpfen maßgeblich die Höhe der Zuschüsse bestimmen (vgl. DSB 1997). Die Erhaltung der finanziellen Ressourcen der deutschen Spitzenfachverbände ist somit entscheidend von der Erzielung sportlicher Spitzenleistungen abhängig. Dieser Aspekt der Aufgabenstellung impliziert so die Notwendigkeit, der spezifischen Ressourcenallokation, im Sinne einer Bündelung der Kräfte, hinsichtlich der Rekrutierung von Nachwuchsleistungssportlern. Insbesondere die olympischen Spitzenverbände sind im Hinblick auf die erfolgsorientierte Verteilung öffentlicher Gelder, auf eine beständige Produktion von Weltklasseleistungen angewiesen. Die fortwährende Produktion nationaler und internationaler Spitzenleistungen dient somit der Existenzsicherung des deutschen Spitzensportsystems und der in diesem System handelnden Akteure. Inwiefern in diesem Zusammenhang jedoch von einem Produktionsprozess ähnlich der ökonomischen Güterproduktion ausgegangen werden kann, ist bezüglich der ungewissen, von vielen Variablen abhängigen, Erfolgswahrscheinlichkeit zu hinterfragen (vgl. Emrich & Pitsch, 2002, S.14). Insbesondere der Versuch der Erhöhung der Erfolgschancen mittels zielgerichteter Interventionen, steht im Vordergrund der Bemühungen des organisierten Sports. Dieses wird in Konzepten und Leitlinien der Sportverbände hinsichtlich der Veränderungen oder Beibehaltung bestehender quantitativer oder qualitativer Trainingsvorgaben diskutiert. Festzuhalten bleibt, dass es sich bei einer Vielzahl von Maßnahmen um ungeprüfte Zusammenhangsannahmen handelt, die diesen zugrunde liegen. Hierzu gehören Forderungen nach höheren zeitlichen Umfängen der Einwirkung auf den biologischen Organismus durch Training sowie einheitlichen Rahmenbedingungen für diesen Trainingsprozess. Verbunden wird dies mit Hinweisen auf die Notwendigkeit eines rechtzeitigen Einstiegs in den geregelten Trainingsalltag einer Sportart im Sinne des Trainingsbeginns zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Ontogenese (vgl. Martin & Rost, 1996; vgl. auch Stark, 1997; Krug 1998; Martin et al. 1999). Auch der Kontinuität diese Prozesses im Verlauf und der Zugehörigkeit zu einer Sportart wird große Bedeutung beigemessen. Eine ausreichend hohe Zahl an kumulierten Trainingsjahren in einer Sportart soll demnach eine möglichst hohe Leistungsfähigkeit zum angenommenen Höchstleistungsalter bedingen (Güllich et al, 2000, S. 46). Den Hintergrund solcher Annahmen bilden „Trial and Error“ basierte Erfahrungen von in der Praxis tätigen Menschen (vgl. Güllich & Emrich, 2004, S. 7).

Ungeachtet dieser unbelegten Hintergründe kann konstatiert werden, dass der DSB ein Konzept zur Förderung des Nachwuchsleistungssportes verabschiedet hat, in welchem die Forderung nach langfristigen Maßnahmen mit perspektivischer Zielstellung der individuellen maximal Möglichen Leistungsausprägung unter Berücksichtigung der Steuerung des Umfeldes durch Kooperation – und Kommunikationsmaßnahmen der Steuerungsorgane des Sports und der Politik .

Die Intention dieses Konzeptes könnte, unter Einbeziehung der oben aufgeführten Hintergründe, die Notwendigkeit beinhalten, dem Betrachter zu verdeutlichen, dass Weltklasseathleten, die aus Gründen des altersabhängigen Leistungsabfalls oder verletzungsbedingt aus dem System ausscheiden, durch adäquate Anschlussleistungen junger Nachwuchssportler ersetzt werden müssen. Die Bedeutung der Heranführung von Nachwuchssportlern an internationale Spitzenleistungen für das Leistungssportsystem wird entsprechend oft hervorgehoben. „Das Ziel der Spitzensportförderung ist es, auf Ebene der Individuen die Voraussetzung für eine maximale sportliche Leistung im Individuellen Höchstleistungsalter zu schaffen“ (vgl. Emrich & Pitsch, 2002, S. 20). Ziel ist die gleichsam die programmatische Sicherung des möglichen Auftretens von sportlichen Erfolgen in internationalen Wettbewerben.

Entsprechend dieser Einlassungen kann bestätigt werden, dass die Nachwuchsförderung, innerhalb des Bereichs Leistungssport im DSB einen Arbeitschwerpunkt mit zentraler Bedeutung bildet (vgl. Güllich 2001, S. 4). Gleiches findet sich für die Spitzenverbände der olympischen Sportarten und im Kontext der vorliegenden Arbeit ebenso für den Bund Deutscher Radfahrer, dessen Nachwuchsprogramm fünf Jahre vor Verabschiedung des Nachwuchsleistungssportkonzeptes des DSB beschlossen wurde. In diesem Konzept sieht der BDR den Grund für anhaltend positive Bilanzen innerhalb vieler Weltstandsanalysen des Nachwuchsbereiches in den vergangenen Jahren bestätigt (vgl. BDR, 2001, S. 5).

Die aktuelle Position des Verbandes im internationalen Vergleich, wie z.B. die zahlreichen Medaillengewinne der deutschen Bahnradsportler bei den Olympischen Spielen von Sydney oder der erste Rang in der aktuellen Nationenwertung[1] wird diesen Vorlagen zugeschrieben.

„Der in Sydney erreichte Weltrekord ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit der beteiligten Sportler gepaart mit einem schlüssigen trainingsmethodischem Konzept“ (Schumacher & Müller 2001, S. 47). Die erreichten Erfolge im folgenden Olympiazyklus 2000 – 2004 bei Welt- und Europameisterschaften der Nachwuchsklassen lassen gemäß der Aussage des Sportdirektors vom BDR den Schluss zu, dass die Rahmentrainingspläne des Verbandes als erfolgsbestimmende Variable zu betrachten sind (Bremer, 2003, Rede Landesverbands – Trainer – Tagung, Frankfurt am Main)1. Als Voraussetzung gilt hierbei, dass die Landesverbände (LV) eine ausreichende Anzahl an Nachwuchssportlern mit Hilfe dieser Vorgaben in den entsprechenden Altersklassen an die nationale Spitze heranführen (Müller 2003, Vortrag LV – Trainer - Tagung, Frankfurt am Main)[2].

Auf die in dieser Aussage explizit herausgestellte Forderung nach einer „ausreichende Anzahl Nachwuchssportler“ als Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung vorliegender Trainingskonzeptionen, soll im Anschluss an die durchgeführte Untersuchung noch einmal näher eingegangen werden.

Es wird im Rahmen dieser Arbeit angestrebt, die Frage inwiefern sich Sportler in der quantitativen Durchführung von Trainingsmerkmalen unterscheiden bzw. ob diese ein „erfolgsbestimmendes“ Merkmal darstellen, zu untersuchen. Des Weiteren wird die Frage untersucht, ob sich international erfolgreiche Radsportler hinsichtlich des erreichten Erfolges zum Zeitpunkt juveniler Leistungserbringung von national erfolgreichen Radsportlern unterscheiden.

2 Theoretische Grundlagen

In diesem Abschnitt werden die Konstrukte der nationalen Spitzensportförderung dargestellt, sowie die Entwicklung und Zielsetzung von Rahmentrainingsplänen diskutiert. Aktuelle Studien, die in ihrer Interpretation den Nachwuchsleistungssportkonzepten immanente Grundannahmen partiell oder grundlegend widerlegen, sollen im Kontext der der einleitend dargestellten Kernfrage vorgestellt werden. Sich aus der Diskussion ergebende Fragestellungen bilden das Fundament für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage nach der Möglichkeit mittels der vorgestellten Rahmentrainingspläne die Erfolgschancen von Sportlern nachhaltig positiv beeinflussen zu können. Anzumerken ist, dass der wissenschaftliche Prozess hierbei die Intention einer möglichen Falsifikation beinhalten. Grundsätzlich gilt, dass Wissenschaft Annahmen und Zuständen nicht zu verifizieren vermag. Im Vordergrund steht die Möglichkeit einer vorläufigen Falsifikation.

Nicht zuletzt hieraus ergibt sich die Notwendigkeit die Quantität unterschiedlicher Trainingsinhalte sowie deren Zusammensetzung im Trainingsprozess näher zu beleuchten, da diese auf normativen, empirisch nicht geprüften Vorgaben beruhen. Ebenso soll die oft formulierte Annahme der Steigerung von Erfolgschancen durch Quantitätssteigerung im Trainingsprozess, in Form der gängigen „Tonnenideologien“ geprüft werden. Doch zunächst sollen die Hintergrüne näher dargestellt werden.

2.1 Training im Leistungssport

Wird Training als „komplexer Handlungsprozess, mit dem Ziel der planmäßigen und sachorientierten Einwirkung auf den sportlichen Leistungszustand und auf die Fähigkeit zur bestmöglichen Leistungspräsentation in Bewährungssituationen“ (Carl, 2003, S. 606)[3] verstanden, ergeben sich für den Bereich des Leistungssports Aspekte, die in Zusammenhang mit der leitenden Forschungsfrage nach der prognostischen Validität von Rahmentrainingsplänen zu beachten sind. Die von Carl (2003) beschriebenen Variablen „sportlicher Leistungszustand“ sowie die Fähigkeit der „bestmöglichen Leistungspräsentation“ zielen im Wesentlichen auf ein möglichst erfolgreiches Abschneiden innerhalb eines sportlichen Wettkampfes ab. Der allgemein auf der sportlichen Leistung basierende „sportliche Erfolg“ wird zur Zielvariablen (Emrich, Güllich & Pitsch, 2004, S.1.) des Trainingsprozesses und den entsprechenden Strukturen des Sportsystems. Dies ergibt sich unter anderem aus der Tatsache, dass sowohl die Institutionen des Sports, als auch die in diesen aktiven Sportler, von der Produktion von Spitzenleistungen abhängig sind.

Diese existenzielle Abhängigkeit lässt den Trainingsprozess gleichsam als Produktionsprozess erscheinen. Dessen Position innerhalb der Struktur des Fördersystems ergibt sich aufgrund des „angenommenen direkten Effektes auf die Leistungsentwicklung“ (Emrich, Güllich & Pitsch, 2004) durch Interventionen in Form von Training. Demzufolge sind zahlreiche Inhalte und Strukturen des Fördersystems auf die Unterstützung des Trainingsprozesses ausgerichtet (ebenda).

2.2 Konzeptionelle Positionen zu den Systemen Nachwuchsleistungssport und Spitzensport

Für die weitere Darstellung der theoretischen Bezüge des Themas ergeben sich relevante Probleme, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Dies betrifft Strukturen und Interventionen, von denen angenommen wird, dass sie die auf der sportlichen Leistung basierende Zielvariable „sportlicher Erfolg“, funktional beeinflussen (vgl. Emrich, Güllich & Pitsch, (2004, S. 1). In diesem Zusammenhang stehen insbesondere Bedingungen im Nachwuchsleistungssport für langfristige Erfolge im Spitzensport, Strukturmerkmale und –konstellationen, die im Sinne solcher Bedingungen als funktional gelten, sowie auch Steuerungsmodelle, die entsprechende Handlungsstrukturen begünstigen oder sich ihnen annähern sollen, zwecks der Erhöhung der Wahrscheinlichkeit den Zielzustand erreichen zu können (ebd.) im Vordergrund.

Es finden sich insbesondere auf der Ebene der Zustandsbeschreibungen eine Vielzahl von Arbeiten, in denen eine ausgeprägte Krisenrhetorik auf der Grundlage internationaler Erfolgsbilanzen im Zusammenhang mit unzureichenden Trainingsumfängen und einer mangelnden Systematik und Rigidität des Trainingssystems zu finden ist (vgl. Lehnert, 2003, S. 7 ff, Wille, 2003, S. 79 ff). Die Erfolge deutscher Nachwuchsleistungssportler werden auf der Ebene der Zustandsbeschreibung oft als unzureichend Bezeichnet. Einher geht dies mit negativen gerichteten Schlussfolgerungen hieraus für die zukünftigen Erfolge und den internationalen Stellenwert des deutschen Spitzensports. (Bauer 1998, vgl. auch Martin et al. 1998, Reiss & Tschiene, 1995, Rost & Martin, 1998). Hieraus folgende Empfehlungen und Forderungen nach umfassenden Veränderungen schließen in der Regel eine Erhöhung der Trainingsumfänge im Kindes- und Jugendalter sowie eine frühzeitige Aufnahme des Trainingsprozesses zur Kumulation möglichst vieler Trainingsjahre mit ein (vgl., Martin et al. 1998; Güllich et al. 2000). Ergänzt wird dies häufig durch Forderungen nach einer steigenden Rigidität des Systems unter Reduzierung von Verhaltensfreiräumen des Individuums (vgl. Lehnert, 2003, vgl. auch Wille, 2003 Bauersfeld, 2003, Emrich et al. 2004). Einher geht dies partiell mit explizitem Herausstellen der erreichten Erfolge, des in seiner Rigidität stark ausgeprägten Sportfördersystems der DDR unter großer Kritik an dem in seiner Rigidität weniger stark ausgeprägten Sportsystems der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Lehnert, 2003, Thorhauer 2003, Wille 2003). Es wird in diesem Zusammenhang auf einzelne Insellösungen ohne perspektivischen Charakter, vor dem Hintergrund des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland verwiesen(Lehnert, 2003; Wille, 2003). Genannte, aus Sicht der Autoren positive Beispiele sind häufig aus der DDR übernommene Talentwettbewerbe wie Kinder- und Jugendspartakiaden in modernisierter Form.

2.2.1 Die Konzeption der RTP vor dem Hintergrund von Trainingswissenschaft und Trainingslehre

Eingedenk der Vermutung, dass sportliche Spitzenleistungen „immer das Ergebnis eines mehrjährigen Entwicklungsprozesses“ sind (Bauersfeld, 2003, S. 33) steht die Erhöhung der Leistung als „Zielgröße des Trainings“ (vgl. Schnabel, 1986, S.182) im Fokus „aller Aktivitäten“ des Trainingsprozesses (a.a.O.).

Nicht zuletzt dadurch wird deutlich, wie sehr sowohl Praktiker als auch Theoretiker, vor dem zweckrationalen Hintergrund der Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit des Individuums, von der Annahme ausgehen, dass eine hohe Leistung Grundlage des Erfolges im Wettkampf sei und dass ein „ gesetzmäßiger Zusammenhang von Leistung und Training“ (Schnabel, 1986, S. 180) bestehe. Daraus schlussfolgernd ergab sich für die Entwicklung der „Systematik des Trainings“ (Lehnert, 2003, S. 7 ff.) die These, dass „sportlicher Erfolg“ als Gütekriterium für die Bestimmung von Effektivität und Niveau des Trainings- und Wettkampfprozesses“ (Thorhauer, 1980, S. 141) anzusehen ist.

Die Entwicklung der heute noch gültigen Trainingskennziffern der Rahmentrainingspläne des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) in der DDR führen zur Notwendigkeit eines Exkurses zur Beleuchtung und Darstellung relevanter Hintergründe, Folgen und Unterschiede der Trainingswissenschaft und Trainingslehre in Ost und Westdeutschland zur Zeit des geteilten Deutschlands, um so Anhaltspunkte für die der Entwicklung zugrunde liegenden Theorien finden zu können.

In einer chronologischen Abfolge legt der Autor zunächst die Unterschiede zwischen Trainingswissenschaft und Trainingslehre dar, um im Anschluss daran die Rolle der Trainingswissenschaft der DDR in aller Kürze darzustellen.

Als einer der Ursprünge der Trainingswissenschaft sind die Lehrmeinungen von Praktikern zu nennen (vgl. Lames, Hohmann & Letzelter, 2003, S. 11). Diese Lehrmeinungen werden heute als Meisterlehren bezeichnet und sind als „Trainingskonzeptionen, die auf Basis jahrelanger Erfahrungen entstanden sind und sich hauptsächlich durch herausragende sportliche Erfolge legitimieren“ (ebenda) zu verstehen.

Bei dem Wissensbestand der Trainingswissenschaft handelt es sich im Gegensatz dazu ausschließlich um wissenschaftlich fundiertes Wissen (vgl. Lames, Hohmann & Letzelter, 2003, S 11). Trainingswissenschaft hat in diesem Zusammenhang die Aufgabe „zuverlässigeres (interne Validität) und verallgemeinerbares Wissen (externe Validität) zu erhalten, als dies Trainingslehren und Meisterlehren können“ (Lames et al. 2003). Werden schließlich die Meisterlehren verdichtet zu einem System handlungsrelevanter Aussagen, abgesichert durch unmittelbar handlungsrelevantes, wissenschaftlich abgesichertes Wissen, kann man dies nach Lames et al. (2003) als Trainingslehre bezeichnen. Diese Differenzierung ist insofern wichtig für die vorliegende Untersuchung, da sich an dieser Stelle Parallelen zum theoretischen Gehalt der Rahmentrainingspläne ziehen lassen, da diese primär an (herausragenden) sportlichen Erfolgen in ihrer Konsistenz und „Zielgenauigkeit“ gemessen wurden und werden. Gerade auf diese Bestätigung durch erfolgreiche Wettkampfleistungen wurde bei der Erstellung vorliegender Normen wert gelegt. So bezeichnen viele Autoren die eingeflossenen praktischen Erfahrungen der verantwortlichen Trainer als ausschlaggebend für den späteren Erfolg des in der DDR entwickelten Trainingssystems mit seinen normativen Trainingsvorgaben in Form der Rahmentrainingspläne und trainingsmethodischen Grundkonzeptionen (vgl. Lehnert 2003; Stark 2003; Thorhauer 2003).

„Die erreichte Spitzenleistung eines einzelnen Athleten (…) ist jedoch nicht zwingend ein Indikator für das Vorhandensein eines Systems ihrer Entwicklung“ (Bauersfeld, 2003, S. 33), so dass unter Anwendung dialektischer Denkweisen an dieser Stelle die theoretische Konsistenz der Rahmentrainingspläne durchaus kritisch betrachtet werden sollte.

Verschiedene Autoren, die im Leistungssportsystem der DDR aktiv waren, fordern aktuell Adaptationen des bundesdeutschen Leistungssportsystems an das der ehemaligen DDR (Lehnert, 2003; Stark, 2003, Thorhauer, 2003). Hintergrund dessen sind vordergründig Krisenkonstruktionen angesichts vermeintlich stark gesunkener deutscher Medaillenchancen im internationalen Vergleich und einem subjektiv „erfolgreicheren“ DDR Sport. Vielfach wird der Wegfall des rigiden Sportsystems der DDR für diesen Zustand verantwortlich gemacht wie dies an vielen Statements erkennbar ist:

„Beim olympischen Treffen der Weltbesten in Barcelona (1992) und Atlanta (1996) noch mit Rang und Namen, bröckelte dann 2000 in Sydney schon deutlich der Putz ab (….) Das breite Potential an Leistungskadern aus der DDR ist ziemlich aufgebraucht“ (Wille, 2003, S. 79). An diesem Beispiel lassen sich deutlich die implikativen Bewertungen des aktuellen Sportfördersystems Deutschlands dem der ehemaligen DDR gegenüberstellen.

Die Prognosen für die Olympischen Spiele in Athen 2004 sehen entsprechend pessimistisch aus (ebenda). Diese gehen einher mit einer starken Kritik an einem vermeintlich fehlenden System zur Leistungsentwicklung ähnlich dem der DDR (Wille, 2003).

„Durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und die Verallgemeinerung fortgeschrittener praktischer Erfahrungen entstand im DDR – Leistungssport ein Trainingsplansystem, dass den Anforderungen an eine systematische Entwicklung von Weltspitzenleistungen gerecht wurde“ (Stark, 2003, S. 57). Stark (ebenda) bezeichnet die Wechselbeziehung zwischen Sportwissenschaft und Sportpraxis als Entwicklungsvorrausetzung für das „System der Leistungs- und Trainingsplanung (…), das man als Grundmethodik der planmäßigen Entwicklung von Höchstleistungen bezeichnen kann“ (vgl. Stark, 2003, S. 59; vgl. auch Lehnert, 2003; Thorhauer, 2003). Diesen Forderungen immanent ist die These, dass planmäßiges, langfristiges Training in einer Sportart die Voraussetzung für sportlichen Erfolg darstellt. Dem aktuellen Sportsystem Deutschlands werden dementsprechend kaum Entwicklungs- und Erfolgsperspektiven zugestanden, da „notwendige Systembestandteile fehlen oder nur vorübergehend gesichert werden können“ (Stark, 2003, S. 60).

Ähnliche Tendenzen sind auch im Nachwuchsleistungssportkonzept des DSB zu finden, da hier von einem möglichst langen Verbleib im System, bei kontinuierlicher Steigerung des Trainings als Grundvoraussetzung für Erfolg ausgegangen wird (DSB, 1997).

Auffällig ist in diesem Zusammenhang die vielfach nicht vorhandene empirische Überprüfung der Annahmen sowie die Behauptung von Trends, Entwicklungen etc., „teilweise sich äußernd in Prognosen, ohne jeweils tatsächlich längsschnittliche Befunde extrapoliert zu haben“ (Güllich & Emrich, 2004, S. 8). Aus wissenschaftstheorethischer Sicht lässt sich festhalten, dass die in der DDR entstandenen Rahmentrainingskonzeptionen im Wesentlichen auf normativen denn auf empirischen Befunden beruhen. Erklärend ergibt sich dieses aus der spezifischen Rolle der Sportwissenschaft als Produktivkraft innerhalb des sozialistischen Gesellschaftssystems mit einer fast ausschließlichen Praxisorientierung (vgl. Lames, Hohmann & Letzelter, 2003, S. 49).

Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer empirischen Prüfung der vorgegebenen Rahmentrainingspläne, nicht allein um zweckrationale Handlungsrelevanz in den Vordergrund zu stellen und Sportverbänden beratend hinsichtlich einer Veränderung oder Beibehaltung aktueller RTP zu Seite stehen zu können, sondern vielmehr um erkenntnistheoretische Anhaltspunkte für weiterführende Arbeiten wissenschaftlicher Art in ihren jeweiligen interdisziplinären Bereichen geben zu können.

2.3 Herkunft und Entwicklung aktueller Rahmentrainingspläne und Trainingskonzeptionen

Bei der „Planung und systematischen Entwicklung von sportlichen Leistungen“ handelt es sich um ein eng mit der Kategorie Leistungssport im territorialen Bereich der DDR verbundenes Begriffspaar (vgl. Stark, 2003, S. 45). Aufgrund der Wurzeln der untersuchten Rahmentrainingspläne ist es notwendig, sich mit deren Entwicklungsgeschichte, theoretischem Hintergrund sowie deren inhaltlicher Aufschlüsselung auseinanderzusetzen.

Erste Vorläufer dieser „Pläne zur kontinuierlichen Leistungsentwicklung“ existierten bereits in der Zeit vor der Gründung des Deutschen Turn und Sportbundes (DTSB) im Zusammenhang der Sportbewegung der DDR (vgl. Stark, a.a.O.) zur Vorbereitung von 55 DDR – Sportlern auf die Olympische Spiele von Cortina d’ Ampezzo innerhalb einer gemeinsamen deutschen Olympiamannschaft. Mit der Gründung der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHFK) in Leipzig sowie der Installation einer Abteilung Leitungssport mit Hilfe eines starken sowjetischen Einflusses (Stark, a.a.O.) begann die Arbeit an einem „Trainingssystem“. Den Ausgangspunkt bildete die Vorstellung, dass „Höchstleitungen, d.h. olympische Medaillen (…) nur durch eine langfristige, zielstrebige und systematische Trainingsgestaltung über mehrere Jahre möglich sei“ (Stark, 2003, S. 47).

Die langfristige Trainingsplanung wurde anschließend durch Lehnert (in: Stark, 2003, S. 47) wie folgt definiert:

„Unter langfristiger Trainingsplanung versteht man den systematischen, auf den allgemeinen Gesetzen der Entwicklung der Persönlichkeit des Sportlers und der sportlichen Höchstleistungen aufgebauten pädagogischen Prozess (der die wichtigsten Bestandteile des Trainings umfasst) über mehrere Jahre (2, 3, 4, 8 Jahre und noch mehr)[4], mit dem Ziel, sportliche Höchstleistungen zu erzielen“

(Lehnert 1961, S. ? zitiert nach Stark, 2003, S.47).

Als Bestandteile der langfristigen Trainingsplanung wurden 7 Hauptbestandteile extrahiert, die sich auch in aktuellen Konzepten häufig noch wieder finden lassen (s. Tab. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Bestandteile der langfristigen Trainingsplanung in Anlehnung an Stark, 2003, S. 48)

In der Tabelle werden neben Zielvorgaben auch Inhalt und Form der Konzepte beschrieben und somit deren Konsistenz näher erläutert.

Im Zusammenhang mit der Ausweitung dieser Form der Trainingsplanung auf spezielle Zeiträume der Vorbereitung sowie auf den Nachwuchsbereich, wurden einige Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt und wesentliche Punkte der Entwicklung von Rahmenkonzeptionen erarbeitet. So wurde am 04. und 05.10.1962 von der Abteilung Kinder- und Jugendsport der Forschungsstelle der DHfK ein Symposium zum Thema „Grundlagen zur Aufstellung von Rahmentrainingsplänen für das Aufbautraining“ durchgeführt. Die erarbeiteten Inhalte wurden an die Sportführung der DDR weitergeben und von dieser als Handlungsempfehlung an die Trainer und Funktionäre weitergegeben. Die Initialzündung für die Entwicklung der Trainingssysteme ging in diesem Zusammenhang von der Sportwissenschaft aus, die ausgearbeiteten Grundlagen wurden im Gegensatz dazu in einem „Prozess der praktischen Durchsetzung eigenständig weiter entwickelt“ (vgl. Stark, 2003, S. 49). Dieser Hinweis auf Notwendigkeit des Einbaus praktischer Erkenntnisse zieht sich stringent durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen, in denen explizit auf die notwendige Verknüpfung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen hingewiesen wird (vgl. Bauersfeld, 2003, S. 33 ff, Lehnert, 2003, S. 7 ff, Stark, 2003, S. 45 ff, Thorhauer, 2003, S. 21 ff).

Unter der Prämisse, dass nicht das Nahziel im Sinne des erfolgreichen Abschneidens bei lokalen Wettkämpfen entscheidend sein solle sondern die perspektivische Höchstleistung bei internationalen Wettkämpfen, wurde der Rahmentrainingsplan als Entwicklungsplan (Stark, 2003, S. 52) angesehen, der zugleich „Ziel, Mittel und Kontrollen für den einzelnen Nachwuchssportler festlegte“ (ebenda). Der Rahmentrainingsplan dient somit vorrangig der „Einordnung in den Gesamtprozess der langfristigen Ausbildung und zur Hinlenkung auf das Weltniveau“ (Stark, 2003, S. 52). Die Vorgabe von Normwerten wird in diesem Zusammenhang als zwingend notwendig erachtet, was dem aufbauenden Charakter der Planung zugeschrieben wird. Diese Richtwerte werden unterteilt in Anfangs –, Zwischen – und Endnormen.

Die ersten Rahmentrainingspläne[5] für den Bereich des Nachwuchsleistungssports wurden von der Abteilung Kinder– und Jugendsport der Forschungsstelle der DHfK erarbeitet. Ein eigenes Normensystem wurde aufgrund von sportartübergreifenden Untersuchungen am gesamten Nachwuchskader erarbeitet. Der Leistungssportbeschluss für den Olympiazyklus 1969/1972 beinhaltete u.a. die Aufgabenstellung, die inhaltliche Qualifizierung der Trainingspläne durch sportartengruppen-spezifische Arbeitskreise aufzubauen und zu entwickeln (vgl. Stark, 2003, S. 55). Diese Arbeitskreise bestanden aus Wissenschaftlern des Forschungsinstitutes für Körperkultur und Sport (FKS), der DHfK sowie anderen Universitätsinstituten für Sportwissenschaft, die „ebenso Erkenntnisse einbrachten wie führende Trainer eine Verallgemeinerung der praktischen Erfahrungen“ (Stark, ebenda). In diesen Gruppen wurden Erkenntnisse aus „Weltstandsanalyse, Prognose, Analyse der Wettkampfleistungsstruktur und der Analyse trainingsbegleitender Maßnahmen bei Kadersportlern als Kennziffern in die Trainingspläne eingearbeitet“ (Stark, 2003, S. 56). Eckpunkte dieses Planungssystems waren neben der Trainingsmethodischen Grundkonzeption insbesondere der Rahmentrainingsplan sowie Individuelle Trainingspläne, Operativpläne und die Pläne für die unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Diese Eckpunkte sollten als Ganzes die Ereigniswahrscheinlichkeit für erfolgreiches Abschneiden im Wettkampf wesentlich erhöhen. Im Einzelnen bargen die jeweiligen Bestandteile folgende Ideen:

- Trainingsmethodische Grundkonzeption (TGK)

Die TKG beinhalteten die spezifischen Planungen einzelner Fachverbänden im jeweiligen Olympiazyklus für den Aufbau von Spitzenleistungen (Stark, 2003, S. 57). Als Grundlage diente die prognostische Leistungsentwicklung bis zu den nächsten Olympischen Spielen. Die zu realisierenden Umfangssteigerungen im Training zur Erreichung der erwarteten Prognoseleistungen wurden hier einbezogen.

- Rahmentrainingsplan (RTP)

Der RTP enthält direkt umzusetzende Trainingsvorgaben, deren Erfüllung als Bedingung für erfolgreiches Abschneiden angesehen wurde und z. T. immer noch wird. Die Pläne sind im Wesentlichen für die Etappen des Hochleistungs- und Anschlusstrainings und behielten ihre Gültigkeit für 4 Jahre (Aufbautraining), bzw. 6 bis 8 Jahre (Grundlagentraining) (a.a.O.)

- Individueller Trainingsplan (ITP)

Die Bezeichnung „Individueller Rahmentrainingsplan“ lässt vermuten, dass es sich hierbei um einen individuell erstellten Trainingsplan eines Sportlers handelt. Stattdessen handelt es sich in diesem Fall, entgegen der Bezeichnung, um eine Ableitung quantitativer oder qualitativer Belastungskennziffern aus dem RTP abgestimmt auf Hochleistungs- oder Anschlusskader (a.a.O.).

- Operativplan

Operativpläne sind Monats-, Perioden- oder Abschlusspläne (a.a.O.) und dienen der Darstellung von Meso- und Mikrozyklen innerhalb des Gesamttrainingsprozesses.

- Plan für unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV)

Dies gilt auch für den Plan der UWV denn hier werden lediglich die letzten Wochen vor einem entscheidenden Wettkampf beschrieben. Die sehr kurze Laufzeit beträgt nur 3 bis 6 Wochen.

Angesichts der hier beschriebenen Hintergründe wird klar wie sehr Akteure des Sportsystems sowohl auf der Ebene der Sportler als auch auf der Funktionärs- und Trainerebene von der Steuerbarkeit des Systems ausgehen und inwiefern man sich in diesem Zusammenhang auf das Normensystem der Rahmentrainingspläne verlässt. Athleten und Trainer stellen hierbei den Sieg und die Leistungserhöhung in das Zentrum ihrer Bemühungen in der Annahme eines Zusammenhanges zwischen Trainingsumfängen und sportlicher Leistung (Emrich, Pitsch, 1998, S. 6 f). Dieser stellt jedoch lediglich ein synthetisches a priori dar, dessen ungeprüfte Annahme als Grundlage für die Formulierung einer einseitig gerichteten Hypothese sich im Rahmen empirischer Untersuchungen verbietet (ebenda).

2.3.1 Die Etappen von Nachwuchstraining im Kontext der Rahmenkonzeptionen am Beispiel der Sportart Radsport

Das Nachwuchsleistungssportkonzept ist die aktuelle Rahmenkonzeption und beschreibt „in welche Richtung und mit welchen qualitativen Ansprüchen“ (Rost, Pfeiffer & Ostrowski 2001, S. 5) die Elemente des Nachwuchsleistungssportsystems entwickelt werden sollen. Als Elemente des Nachwuchsleistungssportkonzeptes bezeichnen Rost et al. (2001) hier sowohl strukturelle Elemente wie z.B. die Verbünde Leistungssport und Schule oder die Organisations- und Förderstruktur, sowie inhaltliche Aspekte des Trainingssystems (vgl. ebd.). Es lässt sich somit die gewünschte zielgerichtete Handlungsebene als Wegbereiter für perspektivische sportliche Spitzenleistungen erkennen.

In diesem Zusammenhang behauptet Feldhoff (DSB, 1997 b, S. 1), dass ausschließlich durch zielgerichtete Systematik sowie mit gezielten Förderstrukturen Erfolge im Spitzensport überhaupt möglich sind. Er folgt hier tradierten Erkenntnissen, aus der ehemaligen DDR wo umfangreiche Veröffentlichungen zu diesem Thema erschienen sind (vgl. Lehnert, 2003, S. 7 ff, Wille, 2003, S. 79 ff). Lehnert (Lehnert, zitiert in Stark,2003, S. 47)[6] betont, dass 400 Trainer, Wissenschaftler und Sportfunktionäre zu diesem Thema konferierten und hier zu dem Schluss gelangten, dass „Höchstleistungen in Form von Olympischen Medaillen unter den heutigen Bedingungen nur durch eine langfristige, zielstrebige und systematische Trainingsgestaltung über mehrere Jahre möglich sei“ (Lehnert 1961 zitiert nach Stark, 2003, S. 47).

Auch an diesem Beispiel lassen sich konstruierte Zusammenhänge identifizieren, die einer empirischen Prüfung entbehren und somit als Thesen einer Prüfung der zugrunde liegenden Zusammenhangsannahmen bedürfen, zumal die „regelmäßige Evaluation der Gesamtheit realisierter Maßnahmen“ explizit gefordert wird (DSB 1997, S. 1), man somit mit dieser Forderung konvergiert.

Dies ist um so wichtiger, da die formulierten Annahmen als gesichert geltend, oftmals Eingang in den sportwissenschaftlichen Diskurs finden aber auch durch Sportverbände entsprechend bewertet werden (vgl. Reiß, 2003, S. 61 ff, Wille, 2003, 79 ff).

Ausgehend von allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Trainings entwickelten DDR – Sportwissenschaftler, unter Verwurf der herkömmlichen Begriffe Kinder – und Jugendtraining, eine „Theorie des systematischen Gesamttrainingsprozesses“[7] (Stark, 2003, S. 51). Auf diese Art und Weise entstanden die Begriffe „Grundlagen-, Aufbau – und Hochleistungstraining[8] (Stark, 2003, S. 51). In späteren Arbeiten wurde, aufgrund von Erfahrungen zum schwierigen Übergang vom Aufbau zum Hochleistungstraining, die selbständige Etappe Anschlusstraining hinzugefügt (vgl. Schuster & Rost, 1983, S. 5; vgl. auch Stark, 2003, S. 51).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Strukturmodell des langfristigen Trainings- und Leistungsaufbaus (DSB, 1997 b, S. XX).

Das in Abb. 1 dargestellte Schaubild wird als konzeptioneller Lösungsansatz verstanden, das den allgemeinen äußeren Rahmen zur Ausprägung leistungsbestimmender Voraussetzungen darstellt. Es zeigt sich hier jedoch die vehement geäußerte und gemeinhin als gesichert geltende Vermutung, dass dem Kinder – und Jugendsport sowie den hier praktisch durchgeführten Inhalten eine Basisfunktion für den Hochleistungssport zukomme. Entsprechend kann konstatiert werden, dass aus Sicht der Sportverbände als Zielzustand anzustreben ist, dass „ allen ehren- und hauptamtlich im Sport Tätigen, vor allem denen, die sich mit dem zielstrebigen und langfristigen Leistungsaufbau von Nachwuchsathleten befassen, hinlänglich bekannt ist, dass dem Kinder – und Jugendsport in seiner Breite und Tiefe eine fundamentale Bedeutung zukommt“ (Wille, 2003, S. 81).

Das in Abb. 1 beschriebene Grundkonzept der Talent- und Nachwuchsförderung des Deutschen Sportbundes wird durch den BDR im Wesentlichen auf die Bedingungen der Altersklassen und der Kaderstruktur des Verbandes übertragen (BDR, 2001, S. 8). Diese Zuordnung bildet gleichsam die „Grundlage für das Programm der Nachwuchsentwicklung[9] “ (ebenda) innerhalb der Strukturen des Bundes Deutscher Radfahrer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Altersklassenstruktur des Bund Deutscher Radfahrer (BDR, 2001, S. 9)

Innerhalb der Etappen soll die inhaltliche Erfüllung der Aufgaben jeder Ausbildungsetappe im Vordergrund stehen (Martin et al, 1999, S. 20), sportliche Höchstleistungen sind noch nicht anzustreben.

Anzumerken ist, dass aufgrund des Status als Profisportart im Elitebereich keine Kader mehr geführt werden. Dieses gilt gleichfalls für Sportler, die vor Vollendung des 22. Lebensjahres einen Vertrag bei einem Profiteam, den so genannten Sportgruppen[10] unterschreiben. Dementsprechend kann die normative Einordnung der U 23 Klasse als Etappe des Hochleistungsbereichs je nach Perspektive hinterfragt werden, da dieser Bereich noch als Nachwuchsbereich anzusehen ist, zumal hier eigene kontinentale Meisterschaften und Weltmeisterschaften ausgerichtet werden.

Innerhalb der einzelnen Etappen existieren unterschiedliche Rahmentrainingspläne, in denen die zu fahrenden Gesamtkilometer sowie deren Zusammensetzung aus den unterschiedlichen Trainingsmittelkategorien angegeben wird. Sie sind als Empfehlung für die Trainer zu sehen und sollen in Form des Stufenprogramms den langfristigen Leistungsaufbau sichern helfen (BDR, 2001, S. 15). Speziell in den unteren Klassen werden die Vorgaben vom Verband als Richtwerte angesehen und können von den Sportlern in der Erfüllung über- als auch unterschritten werden. (ebd.). Die Bezeichnung Stufenprogramm liegt im stufenweisen Anstieg der Gesamtbelastungsumfänge über die unterschiedlichen Altersklassen begründet. Diese Steigerungsraten werden als ausschlaggebend für eine fortwährende Steigerung der Leistungsausprägung gewertet und betragen 15 – 20 % von Jahr zu Jahr. „Noch immer ist die durchgehende Belastungssteigerung die sicherste Gewähr für eine kontinuierliche Leistungsentwicklung“ (Lychatz, 2000, S. 54). Diese Steigerungsraten so wird gefordert, sollen „von Altersklasse zu Altersklasse eingehalten werden“ (BDR, 2001, S. 15.).

[...]


[1] Der BDR belegt in der Nationenwertung vom 01.05.2004 den ersten Rang (vgl. UCI, 2004). Dieser resultiert aus Erfolgen der deutschen Rad – Profis, welche mehrheitlich seit mehreren Jahren in Internationalen Firmenmannschaften fahren. Der Einfluss des Nachwuchsprogramms ist hier sehr fraglich zumal nicht alle Profis Mitglieder der Nachwuchsnationalmannschaften waren.

[2] Vortrag Dr. Peter Müller anlässlich der jährlich stattfindenden Tagung aller Landestrainer sowie der Bundestrainer des BDR und dem Referat Leistungssport am 17.10.2003 in der Sportschule des Landessportbund Hessen (LSBH) in Frankfurt am Main

[3] Anm. d. Verfassers: Die angegebene Definition des Sportwissenschaftlichen Lexikons weist eine tendenziell eindimensionale Bedeutung des Begriffes Training auf, da beispielsweise Freizeitsportler nicht unbedingt eine „bestmögliche Leistungspräsentation“ anstreben, wenn sie das Training um ihrer Selbstwillen oder zur Kontaktsuche (Rampf, 1999) durchführen.

[4] Klammer gesetzt im Original

[5] „In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Begriff „Rahmentrainingsplan“ von Lehnert ausschließlich für das Nachwuchstraining verwendet wurde, möglicherweise, weil für die Nachwuchskaderkreise eine individuelle Trainingsplanung als nicht notwendig erachtet wurde“ (Stark, 2003, S. 53)

[6] Auswertung der Olympischen Spiele 1960, Konferenz vom 14. – 16.12.1969

[7] Apostrophierung durch den Verfasser. Die programmatischen Feststellungen einer vermeintlich „wissenschaftlichen“ Erarbeitung von Annahmen unter explizier Erwähnung des Einflusses von „praktischen Erfahrungen“ nicht unerheblicher Art verlangen eine Einordnung derselben als (ungeprüfte) Theorie oder gar Ideologie Anm. d. Verfassers.

[8] Kursivschrift im Original

[9] Die angeführte „Nachwuchsentwicklung“ ist in diesem Zusammenhang in zweierlei Deutungsmöglichkeit verstehbar. Neben einem ontogenetischen Verständnis der Entwicklung von Nachwuchssportlern ist auch ein technokratisch – geprägtes Entwicklungsverständnis an Anlehnung an Produktionsprozesse denkbar. Anm. des Verf.

[10] Das Wort Sportgruppe hat seinen Ursprung in der Bezeichnung Groupe Sportif (GS), der offiziellen Bezeichnung des Radsportweltverbandes Union Cycliste International (UCI) für im Radsport gängige Firmenmannschaften

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Die prognostische Validität von Rahmentrainingsplänen im Radsport
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
118
Katalognummer
V46217
ISBN (eBook)
9783638434515
ISBN (Buch)
9783638707763
Dateigröße
893 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Validität, Rahmentrainingsplänen, Radsport
Arbeit zitieren
Dennis Sandig (Autor:in), 2004, Die prognostische Validität von Rahmentrainingsplänen im Radsport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46217

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