Das Konzept der Totalen Propaganda

Alex S. Edelsteins Analysen zu Mediengesellschaft und Populärkultur


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALT

1.0 Einleitung

2.0 Propaganda heute – ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung von Jacques Ellul

3.0 Alex S. Edelsteins Konzept der Totalen Propaganda
3.1 Totale Propaganda
3.2 Von der Massen- zur Populärkultur
3.3 Alte vs. Neue Propaganda
3.4 Sprachliche Konsequenzen
3.5 Generationen und Klassen
3.6 Cyberpropaganda

4.0 Medien- und Unterhaltungspropaganda
4.1 Werbepropaganda
4.2 Journalismuspropaganda
4.3 Umfragepropaganda

5.0 Zusammenfassende Bewertung

6.0 Ausblick

7.0 Literaturverzeichnis

8.0 Anhang: Übersetzung der Tabelle

1. Einleitung

Mediengesellschaft und Populärkultur- Es bedarf keiner Be- oder Verweise, dass diese beiden Begriffe einen Großteil des heutigen Alltagslebens in der westlichen Welt beschreiben.

Medien, vor allem neue, sind überall präsent und zeigen sich in immer neuer Form.

Das Internet verbreitet sich nach wie vor und schafft es, über immer schnellere Anschlüsse, immer mehr Medien in sich zu vereinen. Es gibt Internettelefonie, Faxangebote, Radiostreams und Podcasts aus allen Teilen der Welt und zu jeder Musikrichtung, sogar Internetangebote, die als virtueller Videorecorder nutzbar sind. Dies alles zu bezahlbaren Festpreisangeboten. Außerdem die unterschied-lichsten Angebote in Textform, seien es Chatrooms, Newsgroups, Foren, oder die beinahe schon klassische E-Mail. Die Möglichkeiten legal oder illegal Musik, Filme, Software, Bücher und Hörbücher auf verschiedenen Wegen aus dem Internet direkt auf den heimischen Computer herunter zu laden, werden immer breiter und sind oft schon verfügbar, bevor sie im Handel erhältlich sind.

Mobiltelefone bieten neben dem Telefonieren und dem Austausch von Kurznachrichten, mit oder ohne Bild, die Möglichkeit Filme zu schauen und zu speichern, selber zu filmen, in einer Qualität die mit mittleren Digitalkameras vergleichbar ist, Fernsehen zu empfangen und als Walkmanersatz Musik abzuspielen. Die Rechenleistung vieler Handys ist höher, als die von Computer vor nur weni-gen Jahren und viele beherrschen deren Programme.

Selbst klassische Medien erweitern ihre Nutzbarkeit. Fernsehen bietet Bild in Bild und Video on demand, Zeitungen bringen Buch- und Musikkollektionen heraus, selbst Plakatwände und Fahrplan-informationen öffentlicher Verkehrsmittel weichen digitalen Äquivalenten. Medien, gerade neue, sind in den heutigen Gesellschaften omnipräsent.

Das ist eine wichtige Vorraussetzung für die kontinuierliche Ausdifferenzierung der Populärkultur, hier mit EDELSTEIN verstanden als Gegensatz zur Massenkultur, in der jeder mit den gleichen, wenig ausdifferenzierten Medien konfrontiert war. Beinahe jeder hat mittlerweile die fast freie Auswahl aus dem überschwellenden Angebot genau das für sich herauszuziehen, was ihn interessiert. Selbst zu den seltensten Interessenfeldern und obskursten Themengebieten sind Informationen abrufbar und ist der Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten weltweit möglich.

Nun sind solche Sonderinteressen im Einzelfall natürlich alles andere als populär, also eher Individu-alkultur, diese aber ist populär und macht den eklatanten Unterschied zur Massenkultur aus. Diese Arbeit gibt zunächst einen kurzen Überblick zum Stand der Forschung zu Propaganda heute und in der jüngeren Vergangenheit, um sich danach mit der radikalen Neubeuteilung des Begriffs und Konzepts der Propaganda des Kommunikationsforschers Alex S. EDELSTEIN zu befassen und um schließlich zu beurteilen, inwieweit eine derartige Neudefinition dem Begriff hilft, Aspekte der heutigen Mediengesellschaft und Populärkultur neu zu verorten.

2. Propaganda heute

– ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung von Jacques Ellul

Propaganda heute – bereits die Formulierung macht deutlich, dass hier nicht die gesamte Geschichte des Begriffs und der Forschung dargestellt werden kann, sondern erst an einem bestimmten

Punkt mit der Betrachtung begonnen wird. Dieser Punkt läuft selbstverständlich immer Gefahr, einigermaßen beliebig zu wirken.

Die Jahre um die Kulturrevolution von 1968 scheinen aber ein geeigneter zeitlicher Ansatzpunkt zu sein, da hier einerseits ein wichtiger Schritt weg von der Massen- hin zur Populärkultur gemacht wurde, andererseits auch in der Propagandaforschung eine Zäsur stattfand, die allerdings fast in die entgegen gesetzte Richtung wies.

»Die Sozialtheorie verfiel (...) einer einseitig-kritischen, apodiktischen Sichtweise des Phäno-mens: Massenmedien dienten der Manipulation der Öffentlichkeit. Diese Auffassung wurde nicht als Hypothese vorgebracht, um empirisch geprüft zu werden, sondern sie wurde als Pau-schalverdacht unterstellt, der in seiner offensichtlichen Begründetheit nicht weiter bewiesen werden musste.«1

Einer der wichtigsten Beiträge aus dieser Zeit ist sicherlich Jacques ELLULS »Propagandes« von 1962 bzw. dessen englische Übersetzung »Propaganda – The Formation of Men`s Attitudes« von 1965.2 Interessant hier vor allem deshalb, weil für ELLUL zwar ein massiver Zusammenhang zwischen Massengesellschaft und Propaganda besteht, in seinen Zitaten aber bereits Anzeichen einer immer aktiveren und auf Partizipation bedachten gesellschaftlichen Öffentlichkeit herauszulesen sind.

»Propaganda is needed in the exercise of power for the simple reason that the masses have come to participate in political affairs. (...) Nowadays the ruler can no longer detach himself from the masses and conduct a more or less secret policy; he no longer has an ivory tower; and everywhere he is confronted with this multiple presence. (...) The government is in fact

Propaganda. A Pluralistic Perspective, 1989, S. 2f., zit. n.: BUSSEMER, S. 355)

»In der Forschungslandschaft der 1960er und 1970er war Ellul ein Monolith, der aus der Masse der Literatur einsam herausragte.« (BUSSEMER, S. 355) under the control of the people – not juridical control, but the kind of control that stems to the simple fact that the people are interested in politics and try to keep up with and under­stand governmental action, as well as make their opinions known. For after all, the masses are interested in politics. This, too, is new.€3

Außerdem versteht ELLUL unter Propaganda, im Gegensatz zu Vertretern der Massentheorie, keine bewussten Manipulationsversuche mehr, sondern eher einen Prozess der aus sich selbst heraus entsteht und überall wirkt. Diese Auffassung kann zusammengefasst werden in einem Satz von ELLUL, der für alle weiteren Konzepte von Propaganda gültig bleiben soll, bis hin zu EDELSTEIN: »Nowadays propaganda pervades all aspects of public life.€4

Durch diese angenommene Omnipräsenz von Propaganda nämlich, stellt ELLUL als erster die Tren-nung von Propaganda und anderen Formen von Kommunikation in Frage; und, was noch wichtiger scheint, stellt alle Lebensbereiche als von Propaganda durchdrungen dar.

Vor ihm stand Propaganda meist für eine ganz bestimmte Art der Kommunikation, nämlich geplante und zielgerichtete Beeinflussungsversuche, etwa durch eine Bewegung, eine Partei oder einen Staat.5 Die von ELLUL dagegen gesetzte Durchdringung, zeigt sich ihm vor allem im Übergang von politischer zu soziologischer Propaganda. Soziologische Propaganda bedeutet ihm, dass er Propagan­da nicht mehr als mehr oder weniger lang angelegte Beeinflussungsversuche der Gesellschaft durch die Politik für relativ klar umrissene Ziele versteht, sondern eher als allgemeine Stimmung, als eine Art common sense, an dem die Gesellschaftsmitglieder selbst, unbewusst teilnehmen.

»Through the medium of economic and political structures a certain ideology is established, which leads to the active participation of the masses and the adaptation of individuals. (...)Such propaganda is essentially diffuse. It is rarely conveyed by catchwords or expressed intentions. Instead it is based on a general climate, an atmosphere that influences people im­perceptibly without having the appearance of propaganda; it gets to man through his custo­ms, through his most unconscious habits. It creates new habits in him; it is a sort of persuasi­on from within. As a result, man adopts new criteria of judgment and choice, adopts them spontaneously, as if he had chosen them himself. But all these criteria are in conformity with the environment and are essentially of a collective nature. Sociological propaganda produces a progressive adaptation to a certain order of things, a certain concept of human relations, which unconsciously molds individuals and makes them conform to society.€6

» Propaganda [lat., zu propagare ‚weiter ausbreiten, ausdehnen’], urspr. Bez. Für die Verbreitung der christl. Glaubensüberzeugung (...) heute die mündl. Beeinflussungsversuche durch Redner, Tätigkeiten zur Beeinflussung durch rationale sprachl. Strategien (...)€ Meyers Grosses Taschenlexikon, 1992 6ELLUL, 1973, S. 64

Weiterhin interessant an ELLULs Auffassung von Propaganda ist, dass er Erziehung als notwendige Vorraussetzung für die Empfänglichkeit von Propaganda ansieht. Erst lesen und schreiben versetzt ihm zu Folge die Empfänger von Propaganda in die Lage, diese aufzunehmen. Diese Auffassung treibt er soweit, die Intellektuellen als am stärksten von Propaganda beeinflusst aufzufassen: »The more cultivated a man is, the more he is propagandized€.7

Auch diese Auffassung basiert zum großen Teil auf der Annahme einer Trennung von Information und Propaganda, sei schlicht unmöglich.

»Contrary to the simplistic differentiation between propaganda and information, we have de­monstrated a close relationship between the two. In reality, to distinguish exactly between propaganda and information is impossible.€8

Trotz neuer Denkansätze und dem Bruch mit alten Propagandavorstellungen, steht ELLUL in anderen Punkten aber in langer Tradition, etwa in Bezug auf die Massenwirksamkeit von Propaganda.

»Thus information prepares the ground for propaganda. To the extent that a large number of individuals receive the same information, their reactions will be similar. As a result, identical ›centers of interest‹ will be produced and then become the great questions of our time made public by press and radio, and group opinions will be formed which will establish contact with each other– one of the essential processes in the formation of public opinion. Moreover, this leads to the formation of common reflexes and common prejudices. Naturally, there are deviationists – individuals who do not share the same responses to the same information, (...). But their number is much smaller than in generally believed.€9

In dieser Auffassung wird dem Großteil der Individuen wirkliche Entscheidungsfähigkeit abgespro-chen. Die Möglichkeit auf gleiche Informationen unterschiedlich zu reagieren, oder unterschiedlich viele, unterschiedlich detaillierte Informationen zu einem Thema oder Themenkomplex geistig aufzu-nehmen, zieht ELLUL scheinbar nicht in Betracht.

[...]


1 WENZEL, HARALD, Die Abenteuer der Kommunikation, 2001, S. 28, zit. n. BUSSEMER, S. 353 5

2 »But perhaps the most important factor was the publication in 1965 of an English translation of Jacques Elluls book Propaganda.«(SMITH, TED J. (Hg.),

3 ELLUL, 1973, S. 121 ff

4 Ebd. S. 119

5 » Propaganda [lat.], eine Unterart der -> Werbung, die bes. für bestimmte geistige Ziele und Ideen wirbt, wobei es sich um politische, religiöse oder wirtschaftliche Ideen handeln kann. Sie wird durchgeführt meist von einer Bewegung, einer Partei oder einem Staat, um Anhängerschaft zu gewinnen und dauernd zu beeinflussen.(...)€ Der Grosse Brockhaus, 1956

7 Ebd. S. 110 7

8 Ebd. S. 112

9 Ebd. S. 115f.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Das Konzept der Totalen Propaganda
Untertitel
Alex S. Edelsteins Analysen zu Mediengesellschaft und Populärkultur
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig  (IMF)
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V138188
ISBN (eBook)
9783640477517
ISBN (Buch)
9783640477746
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Gegenüberstellung alter und neuer Propaganda im Anhang.
Schlagworte
Konzept, Totalen, Propaganda, Alex, Edelsteins, Analysen, Mediengesellschaft, Populärkultur
Arbeit zitieren
Malte Gärtner (Autor:in), 2006, Das Konzept der Totalen Propaganda, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138188

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