Die 'Regula Virginium'

Einblick in die weibliche Monastizität des frühen Mittelalters


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Weibliche Monastizität im frühen Mittelalter – Quellenlage und Forschungsstand

3 Caesarius von Arles

4 Caesaria von Arles

5 Das Kloster St. Jean von Arles
5.1 Die Regula Virginium
5.2 Die Klausur
5.3 Die Äbtissin

6 Bedeutung der Regula Virginium

7 Schluss

8 Bibliografie
8.1 Quellen
8.2 Bibliografien

1 Einleitung

Die Regula Virginium1 gilt als erste uns heut bekannte Nonnenregel. Das Kloster, für welches sie geschrieben wurde, war das Kloster St.Jean in Arles (Südfrankreich) und ihm stand seine Schwester und erste uns heute bekannte Äbtissin Caesaria von Arles vor.

Die Regula Virginium regelte sehr streng das gesamte Leben im Kloster der Frauen. Die Schilderung eines detaillierten Tagesablaufes und Vorgehensweisen bei Ungehorsam prägen den Charakter der Regula Virginium. Wichtige Regelungen wurden vor allem im Umgang mit außerklösterlichen Personen und dem Gehorsam gegenüber der Äbtissin und einer damit ver-bundenen, streng geregelten Hierarchie getroffen. Ersteres wurde hauptsächlich durch die Klausur bestimmt.

Geschrieben wurde die Regula Virginium vom Bischof Caesarius von Arles, welcher seiner Schwester ein Nonnenkloster erbaute und sich um dieses bis an sein Lebensende intensiv kümmerte.

In dieser Seminararbeit wird zuerst ein Einblick in die weibliche Monastizität des frühen Mit-telalters gegeben (Punkt 2).Anschließend werden zwei tragende Personen vorgestellt: Caesa-rius von Arles (Punkt 3) und seine Schwester Caesaria von Arles (Punkt 4).

Im sich anschließenden Hauptteil wird die Regula Virginium nähere betrachtet, unter beson-derer Berücksichtigung der Entstehung und zweier inhaltlicher Aspekte – der Bedeutung der Klausur zum einen und der Rolle der Äbtissin zur anderen.

Abschließend soll die Bedeutung der Regula Virginium herausgestellt werden.

2 Weibliche Monastizität im frühen Mittelalter–Quellenlage und For-schungsstand

Quellen und Materialien von und über Frauen im frühen Mittelalter sind sehr dürftig. Da nur ein sehr geringer Teil der damals lebenden Frauen lesen und schreiben konnte, existieren auch nur sehr wenige Quellen, welche von Frauen geschrieben wurden oder aber auch von Frauen handeln. Daraus resultiert ein mangelndes Selbstverständnis der damaligen Zeit und ein nur zu erahnendes Bild der Lebenswirklichkeit. Der wesentlich größere Teil der Quellen wurde von Männern verfasst. Jene Quellen wurden jedoch sehr stark beeinflusst von der Herkunft des Autors, seinem geistlichen Stand und seinem Informationsgrad. Cordula Nolte misst eine besondere Bedeutung der geringen Mobilität und dem geringen Bildungsstand der damaligen Zeit bei. Ebenfalls wichtig ist das Bildungsprivileg der oberen Gesellschaftsschichten, wel-ches mit einem gewissen Standesbewusstsein einhergeht.

Der Beginn der weiblichen Monastizität liegt bereits im vierten Jahrhundert in den Wüsten Ägyptens. Von dort aus gelangte sie über Mittelasien, Palästina und Rom nach Gallien. In Marseille wurden von Johannes Cassian im Jahr 410 ein Männerkloster und kurz darauf das erste Frauenkloster, St. Sauveur, gegründet.2 Im folgenden Jahrhundert entwickelten sich die Frauenklöster immer weiter. Über den Beginn der Entwicklung existieren jedoch nur wenige Informationen. Es gab verschiedene Gründe als Frau in ein Kloster einzutreten oder die Toch-ter in ein Kloster zu geben. Zum einen waren Klöster eine Bildungsanstalt, in denen die Mit-glieder lesen und schreiben lernen konnten. Eine weitere große Rolle spielte der Glaube an Gott und die Annahme, dass ein streng asketisch geführtes Lebens nach dem Tod im Paradies belohnt werden würde. Ein wichtiger Aspekt stellte die rechtliche Position der Frau dar: Klös-ter boten Schutz vor ungewollten Hochzeiten, Gewalt in der Ehe und auch außerhalb. Letzt-lich hatten Frauen im Kloster die damals seltene Möglichkeit, als Äbtissin eine führende ad­ministrative Position in der Gesellschaft einzunehmen.3

Die Frauenklöster des 4. und 5. Jahrhunderts besaßen keine eigenen Regeln. Sie waren aus verschiedenen Gründen sehr kurzlebig, hier spielte wahrscheinlich die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle. Statt eines definierten Klosterlebens handelte es sich bei den Frauenklöstern um zum Teil sehr verschiedene Formen des Zusammenlebens. Die „Regeln“ orientierten sich hierbei stark an den Mönchsregeln, welche damals schon existierten, und wurden gemäß den eigenen Bedürfnissen modifiziert.4 Die erste eigene Nonnenregel, die Regula Virginium, wur-de dann von Caesarius von Arles erstellt. Bevor auf die Regula Virginium genauer eingegan-gen wird, sollen zunächst einige Informationen zu Caesarius von Arles, seiner Schwester Cae-saria von Arles und dem gemeinsamen Kloster St. Jean in Arles folgen.

3 Caesarius von Arles

Das Leben von Caesarius von Arles erschließt sich uns hauptsächlich durch seine von fünf Bischöfen aus seinem Bekanntenkreis verfasste Vita Cesarii, welche von Caesaria von Arles in Auftrag gegeben wurde .5 William E. Klingshirn urteilt über die Vita Cesarii und deren ge-schichtliche Wert folgendermaßen:

Like other saint’s lives, the Life of Caesarius is a valuable source for the mental world of its authors and their immediate audience. For example, the abundance of miracle stories in the Life testifies not only to its contemporary use as an instrument for promoting the cult of St. Caesarius, but also to contemporary ideas of sanctity and the miraculous, which made such a use conceivable in the first place.6

Nach dieser Vita wurde Caesarius von Arles um das Jahr 470 als Sohn adliger Eltern in Chalon-sur-Saône geboren. Schon im Jahr 490 ging er in das südgallische Kloster Lérin.7 Dort führte er ein sehr einsames und bußfertiges Leben, durch welches sein Körper sehr ge-schwächt wurde. Er musste das Kloster 499 verlassen und wurde als Abt in einem Kloster in der Nähe von Arles eingesetzt.8 Hier begann er, seine Mönchsregel, die Regula Monachorum zu erstellen. Im Jahr 502 wurde Caesarius von Arles dann zum Bischof gewählt. Als dieser berief er fünf Konzile ein und nahm eine vielseitige Gestaltung des Kirchenrechts vor.9 Zu seinem Gesamtwerk zählen neben den Klosterregeln Regula Monachorum und Regula Virgi-nium auch zahlreiche Briefe und sein eigenes Testamentum. Mit Hilfe der letzteren sicherte er das von ihm gegründete Nonnenkloster St. Jean rechtlich ab und mahnte die Nonnen ver-stärkt, diese Maßnahmen unter keinen Umständen zu verändern. Während seines Wirkens als Bischof unternahm er mehrere Reisen, unter anderem auch nach Rom zu Papst Symmachus im Jahr 513.10 Das Kloster St. Jean und die Regula Virginium nahmen in seinem Leben einen besonders großen Stellenwert ein. Wie weiter unten noch aufgezeigt werden wird, widmete er sich diesen Sorgen mit zunehmendem Alter verstärkt. Seine letzten Tage verbrachte er dann auch im Kloster St. Jean, in dessen Basilika St. Mariae er auch neben seiner Schwester, Cae-saria von Arles, bestattet wurde.11

4 Caesaria von Arles

Über die Schwester von Caesarius von Arles, Caesaria von Arles, gibt es weitaus weniger Informationen. Auch wenn sie die erste Äbtissin eines Klosters war, geben oft nur Schriften über Caesarius von Arles Aufschluss über ihr Leben (Vita Ceaesarii). Die einzig bekannten Lebensdaten sind das Jahr der Aufnahme ihrer Tätigkeit als Äbtissin und das Todesjahr, ob sie die jüngere oder ältere Schwester von Caesarius von Arles war, bleibt ungewiss. Ist von Caesaria der Älteren die Rede, so handelt es sich hierbei um eine Formulierung, die zur Un-terscheidung von ihrer Nachfolgerin, wahrscheinlich einer Nichte, Caesaria der Jüngeren, dient.

Bevor Caesaria von Arles das Kloster St. Jean als Äbtissin übernommen hat, wurde sie in dem bereits oben genannten Frauenkloster St. Sauveur in Marseille ausgebildet.12 Spekuliert wer-den muss an dieser Stelle, ob sie freiwillig in das Kloster gegangen ist, oder auf Entscheidung der Verwandten, in diesem Falle die ihres Bruders Caesarius von Arles, in das Kloster kam. In Marseille sollte Caesaria von Arles lernen, was sie später anderen beibringen soll, sie sollte lernen Schülerin zu sein, bevor sie Lehrerin werde würde.13 Carl-Franklin Arnold urteilt: „Schwerlich würde Cäsarius für seine Schwester diesen Aufenthalt ausgewählt haben, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, sie würde dort so glücklich werden, wie sie anderwärts schwerlich sein konnte.14 “ Während des Aufenthaltes in Marseille wurde Caesaria von Arles zur Nonne ausgebildet, lernte Lesen und Schreiben und das monastische Leben kennen. Cae-sarius von Arles konfrontierte sie bereits in diesem Zeitraum mit der Regula Virginium.15

Nachdem Caesaria von Arles im Jahr 513 das Amt der Äbtissin übernahm, übte sie dies bis zu ihrem Tod im Jahr 524 aus. Beigesetzt wurde sie in der dem Kloster benachbarten Basilika St. Mariae, wo auch später Caesarius von Arles beigesetzt wurde.16 Ihre Nachfolgerin war Caesa-ria von Arles, die Jüngere, welche wahrscheinlich eine Nichte von Caesaria und Caesarius von Arles war.17

5 Das Kloster St. Jean von Arles

Im engen Zusammenhang mit Caesarius und Caesaria von Arles ist das Kloster St. Jean in Arles bei Lyon zu sehen. Für dieses Kloster schrieb Caesarius von Arles seine Regula Virgi-nium und diesem Kloster stand Caesaria von Arles als erste uns bekannte Äbtissin vor. Im Folgenden nun genauere Informationen zum Bau, anschließend eine detailliertere Betrachtung der Regula Virginium und zwei ihrer herausragenden Aspekte – die Klausur und die Funktion der Äbtissin.

Das Leben und die Gestaltung des Alltages im Kloster St. Jean wurden maßgeblich von den Vorgaben in der Regula Virginium bestimmt. Auf diese und vor allem die in ihr streng ver ordnete Klausur ist es auch zurück zu führen, dass sich das Kloster von den traditionellen Aufgabenbereichen der Frauenklöster absetzte, so zum Beispiel der Aufnahme von Gästen und der Krankenpflege.18

[...]


1 Auch “Regula ad virgines” genannt. Bis auf die Quellenangabe wird in dieser Arbeit durchgängig die Be-zeichnung Regula Virginium benutzt.

2 Vgl.: McCarthy, Maria Caritas: The rule for nuns of St. Caesarius of Arles: A translation with a critical intro­duction, The Catholic University of America, Studies in Mediaeval History, Washington D.C. 1960, S.28. Im Folgenden: McCarthy: The rule for nuns.

3 Zur Geschichte der Monastizität im frühen Mittelalter vgl. Heidebrecht, Petra/Cordula Nolte: „Leben im Klos­ter: Nonnen und Kanonissen. Geistliche Lebensformen im frühen Mittelalter“, in: Becher, Ursula A./ Jörn Rüsen (Hgg.): Weiblichkeit in geschichtlicher Perspektive. Fallstudien und Reflexionen zu Grundproblemen der histori-schen Frauenforschung, Frankfurt a. M. 1988,, S.81 ff. Im Folgenden: Heidebrecht/ Nolte: „Leben im Kloster“.

4 Cordula Nolte bezeichnet dies als Praxis der regula mixta, vgl.: Nolte, Cordula: „Klosterleben von Frauen in der frühen Merowingerzeit. Überlegungen zur Regula ad virgines des Caesarius von Arles“, in: Affeldt, Werner/ Annette Kuhn (Hgg.): Frauen in der Geschichte VII. Interdisziplinäre Studien zur Geschichte der Frauen im Frühmittelalter. Methoden - Probleme Ergebnisse (Geschichtsdidaktik. Studien, Materialien 39), Düsseldorf 1986, S.275. Im Folgenden: Nolte: „Klosterleben von Frauen in der frühen Merowingerzeit“; Heidebrecht/ Nol­te: „Leben im Kloster“, S.83.

5 Caesarius of Arles: Life, Testament, Letters, transl. with notes and introduction by William E.Klingshirn, Li­verpool 1994, S.4. Im Folgenden: Caesarius of Arles: Life, Testament, Letters.

6 Caesarius of Arles: Life Testaments, Letters, S.7.

7 Vgl.: Stroheker, Karl-Friedrich: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948, S.94. Im Fol-genden: Stroheker: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien..

8 „The life of Caesarius“, 1.Buch, Kap. 5-7, in: Caesarius of Arles: Life, Testaments, Letters, S.11-13; vgl.: Berg: Ein Bischof des sechsten Jahrhunderts, S. 31; McCarthy: The rule for nuns, S.3; Prinz, Friedrich: Frühes Mönchtum im Frankenreich. Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4.bis 8.Jahrhundert), München; Wien 1965, S.76.

9 Vgl.: Stroheker: Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, S.96.

10 Mit Papst Symmachus stand Caesarius von Arles in regem Briefkontakt, hauptsächlich, um die rechtliche Stellung des Klosters St. Jean abzusichern. Einige der Briefe sind zu finden in: „The letters of Caesarius“, Brief 7a, 7b, 8a, 8b, in: Caesarius of Arles: Life testament, Letters, S.89-96.

11 “The life of Caesarius”, 2.Buch, Kap.50, in: Caesarius of Arles: Life Testaments, Letters, S.65.

12 Vgl.: Arnold, Carl Franklin: Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit, Leipzig 1972, S.406. Im Folgenden: Arnold: Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit; Buchberger, Michael: Lexi-kon für Theologie und Kirche, Bd.2, 3., völlig neu bearb. Auflage, Freiburg u.a. 1994, S.878. Im Folgenden: Buchberger: Lexikon für Theologie und Kirche.

13 “He recalled from a monastery in Marseille his venerable sister Caesaria whom he had sent there to lern what she would teach, and to be a pupil before coming a teacher.” “The life of Caesarius”, 2. Buch, Kap. 35, in: Cae-sarius of Arles: Life Testament, Letters, S.26 f., vgl.: McCarthy: The rule for nuns, S.14.

14 Arnold: Caesarius von Arelate und die gallische Kirche seiner Zeit, S.416.

15 Vgl.: Klingshirn, William E.: „Caesarius's monastery for women in Arles and the composition and function of the "vita caesarii"”, in: Revue bénédictine 100 (1990) 4, S.443. Im Folgenden: Klingshirn: „Caesarius's monas­tery for women in Arles”.

16 “Not long after this his sister, holy Caesaria [the Elder], mother of the monastery, passed on the rewards of Christ. He buried her among the sisters he had buried there before, between the altar and his Episcopal throne, next to the grave he had prepared for himself.”, “The life of Caesarius”, 1.Buch, Kap. 58, in: Caesarius of Arles: Life, testament, Letters, S. 29. Einfügung durch den Autor.

17 Vgl.: Bautz, Friedrich Wilhelm: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd.1, Nordhausen 1975, S.843; Buchberger: Lexikon für Theologie und Kirche, S.878; Klingshirn: Caesarius of Arles, S.39.

18 Vgl.: Nolte: „Klosterleben von Frauen in der frühen Merowingerzeit“, S.260.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die 'Regula Virginium'
Untertitel
Einblick in die weibliche Monastizität des frühen Mittelalters
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Strategien und Visionen - geistliche Frauen des Mittelalters
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V132484
ISBN (eBook)
9783640386031
ISBN (Buch)
9783640385720
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Dozentin: "Eine ganz ausgezeichnete Arbeit! Selbstständige Gliederung, eigenständig gewählte Schwerpunkte, hervorragende Argumentation, kritischer Umgang mit den Quellen (normative Quelle der Regel spiegelt nicht unbedingt Lebenswirklichkeit wieder!) und Diskussion der Sekundärliteratur."
Schlagworte
Regula, Virginium, Einblick, Monastizität, Mittelalters
Arbeit zitieren
Annegret Jahn (Autor:in), 2009, Die 'Regula Virginium', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132484

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