Die Welt als Wolle und Wirt...äh...Wille und Wort - Versprecher und der Versuch ihrer Erklärung


Term Paper, 2001

20 Pages


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Inhalt

1 Beschreibung: Von Menschen und Worten
1.1 Aristoteles
1.2 Grimm
1.3 Meringer
1.4 Wiedenmann
1.5 Jakobson
1.6 Bierwisch
1.7 Berg
1.8 Dilger
1.9 Fazit

2 Erklärung: Von Worten und Wille
2.1 Grimm /Bierwisch
2.2 Wundt
2.3 Freud
2.4 Baars, Buttersworth: the compending plans
2.5 Fazit

3 Anwendung: Von Wille und Welt
3.1 Modell nach Leuniger
3.2 Modell nach Levelt

4 Die Welt als Wille und Wort

II Literaturverzeichnis

III Anhang

1 Beschreibung: Von Menschen und Worten

1.1 Aristoteles

Bereits Aristoteles bemerkte, dass es „oft [vorkommt, dass] wenn man sich an ein Wort erinnern soll, dass man auf ein ähnlich klingendes abirrt und einen Sprachfehler macht“. [De memoria et reminiscentia, 452a-452b]

Obwohl hier von einem „Sprachfehler“ gesprochen wird, liegt der beschriebene Fehler genaugenommen nicht in der Sprache, bzw. im Sprechen, sondern im Erinnern. „Versprechen“ wird hier also mit Vergessen gleichgesetzt, weil das richtige Wort nicht gefunden werden kann. Anders jedoch als beim vollkommenen Vergessen, erscheint hier ein Ersatzwort, das sich dadurch auszeichnet, dass es „ähnlich kling[t]...“. Somit handelt es sich nicht um ein vollkommenes Versagen, sondern bloss um ein Nicht-ganz-Genügen, ohne dass jedoch das angestrebte Ziel, die Verständigung, notgedrungen in Gefahr gelangen muss.

Elemente:

- Gedächtnis („erinnern soll“)
- Fehler/Irrtum („abirrt“, „Sprachfehler“).
- Ähnlichkeit (Im Klang, „ähnlich klingend“)

1.2 Grimm

GRIMM (1956, p. 1475): Bedeutung 4. des Wortes „Versprechen: „beim sprechen einen fehler begehen entweder in der wahl und stellung der worte oder in einer unfreiwilligen lautverwechslung oder –versetzung, in der sprache einzelne worte oder den gedankengang verfehlen “.

Grimms Definition ist bereits deutlicher, was die genaue Beschreibung des Fehlers betrifft. Während Aristoteles noch bloss den Klang betrachtete, wird hier bereits zwischen Lauten, Worten und Gedankengang unterschieden, sowie zwischen Wahl und Stellung.

Elemente:

- Fehler
- unfreiwillig
- Verwechslung/Versetzung der Laute
- Wahl und Stellung der Worte
- Wort/Gedankengang verfehlen

1.3 Meringer

Meringer/Mayer (1895), die eigentlichen Pioniere auf diesem Gebiet, erstellen erstmals eine genaue Unterteilung, indem sie ihre Beispiele einer grossen Sammlung entnehmen und kategorisieren. Im wesentlichen unterscheiden sie:

- Vorklänge (Antizipationen)

Sprachliche Einheiten werden in einer Äusserung vorweggenommen.

(a) Wörter:

„ich gebe mir keinen Witz mehr, über die Witz e nachzudenken“ (keine Mühe) [alle Beispiele nach Leuniger, 1993, Hervorhebungen CdS.].

(b) Wortbestandteile:

die Sympath er... die Japaner sind mir viel sympath ischer“.

(c) Silben:

„ich werde nun zur Ab schreit ung der Anträge schreit en“. (Abstimmung)

(d) Laute:

„ich wollte sie st o ckbrieflich verf o lgen lassen“ (steckbrieflich).

Hier fällt insbesondere auf, dass die Regeln der Grammatik dennoch korrekt angewendet werden. Daraus schliesst Leuniger (1993, p. 84), dass „Versprecher eben nicht Symptom eines kompletten Zusammenbruchs unseres Sprachverhaltens sind, sondern dass im Gegenteil die grammatischen Regeln, ... sogar bei sprachlichen Fehlleistungen wirksam sind“.

- Nachklänge (Postpositionen)

Bereits geäusserte sprachliche Einheiten sind noch präsent und werden fälschlicherweise ein zweites mal verwendet.

(a) Wörter:

„Er wünsch t, zu wünsch en ...“ (wissen).

(b) Silben/Wortbestandteile:

„ich fordere Sie auf, auf das Wohl unseres Chefs auf zustossen.“ (anzustossen).

(c) Laute:

„sozialistische Z ekten“ (Sekten).

Es fällt auch hier auf, dass die Regeln der Grammatik beibehalten werden, so wird etwa in Beispiel (a) das Verbum „wünschen“ korrekt flektiert.

- Vertauschungen oder Umstellungen

Zwei sprachliche Einheiten wechseln in einer Äusserung ihren Platz.

(a) Wörter:

„ein Haar mit fliegenden Weib ern“ (Ein Weib mit fliegenden Haaren).

(b) Bestandteile von zusammengesetzter Wörtern:

Zweck tischer Prak (Praktischer Zweck).

(c) Silben:

Ge brecher ver hirne“ (Verbrechergehirne)

(d) Laute:

„à pr a p a P o p o (à propos Papa).

Auch hier: Die Grammatik ist intakt. Selbst entstehende „Nonsenswörter“ wie „zwecktisch“ werden nach den strukturellen Regeln gebildet.

- Kontaminationen (Verschmelzungen)

Zwei verschieden Aeusserungen werden zu einer sprachlichen Einheit „fusioniert“, wobei dies „Aehnlichkeit der Bedeutung oder Form der verschmelzenden Sätze, Redensarten oder Wörter voraus [-setzt].“ (Meringer, 1895, p. 53/63).

(a) Satzteil:

„Der Mann hat schon viel hinter sich gemacht (für: Der Mann hat schon viel gemacht und Der Mann hat schon viel hinter sich gebracht).

(b) Wort:

Hin- und her geschwogen“ (für: hin- und her geschwebt, resp. - gewogen)

- Substitutionen (assoziativ bedingte Sprechfehler).

Innerhalb einer sprachlichen Aeusserung werden Worte durch ähnliche, genau entgegengesetzte (Antonyme) oder „aus irgendeinem Grunde dem Bewusstsein mindestens augenblicklich näher liegende ...“ (Meringer/Mayer, 1895, p. 71). ersetzt.

(a) Antonym:

„die Abende sind dann schon kurz “ (lang).

Bei dieser (und auch schon bei vorhergegangener Kategorie spielen laut Meringer (1895 und 1907 passim) „vagierende Wortbilder“ eine grosse Rolle. (s. dazu unten, punkt 2..).

Meringer bemerkt (1906, p. 3), dass „Der Zufall ... beim Versprechen vollkommen ausgeschlossen [ist], das Versprechen ist geregelt“. Wie er mit seinen oben dargestellten Kategorien bewiesen hat.

Als Erklärung für die Versprecher fügt er an:

1. Ungleichwertigkeit der Laute

Meringer und Mayer unterscheiden die Laute betreffend ihrer Wertigkeit. „Diese [hochwertigen Laute] haften am längsten im Bewusstsein und treten zuerst wieder in dasselbe ein. Eben weil sie diese Bedeutung haben, drängen sie sich leicht zu früh vor oder klingen noch nach.

Was Laute gleichwertig macht, ist nicht leicht zu sagen. Ich vermute, dass „gleichwertige“ Laute solche von ungefähr gleicher psychischer Bedeutung sind“ (Meringer/Mayer, 1895, p. 162.).

Auch bei schwierig zu artikulierenden Lauten, (wie etwa eine Folge von abwechselnden Zischlauten (she sells sea shells), Kombinationen von r und l, sowie fremdsprachigen, ungewohnten Lauten, ist ein Versprechen wahrscheinlicher. (z.B. Zungenbrecher).

„Was von den hochwertigen Lauten gilt, scheint von besonders schwierigen Lauten zu gelten, auch wenn sie nicht durch ihre Stellung hochwertig sind“(ebd.).

2. „Vagierende Wortbilder“.

Für die Erklärung der Substitution und Kontamination wird ausser der Wertigkeit der Sprachlaute auch die Existenz von „schwebenden“ oder „vagierenden“ Wortbildern angenommen: „Sie sind, wenn auch unter der Schwelle des Bewusstseins, so doch noch in wirksamer Nähe, können leicht durch eine Aehnlickeit des zu sprechenden Komplexes herangezogen werden und führen dann eine Entgleisung herbei oder kreuzen den Zug der Wörter“ (1895, p.73).

Ein schwebendes Wortbild kann zum Beispiel ein Glas sein, das man in der Hand hält, welches zu einer Entgleisung mit dem Inhalt Glas führen könnte, der eigene Namen, derjenige des Gesprächspartner, der Ort, an dem man sich aufhält, usw.

Elemente:

- Ebenen: Satz, Satzteil, Wort, Laut
- Geschehen: Antizipation, Postposition, Kontamination, Substitutition
- Gleichwertigkeit der Laute
- „Vagierende Wortbilder“
- Regelhaftigkeit
- Einhalten der grammatischen Strukturen

1.4 Wiedenmann

Wiedemann (1992) differenziert einiges weiter: Sie vertieft das Schema von Meringer (s. oben) und weitet es aus, so dass nicht nur Worte, Silben und Laute, sondern auch Morpheme, ja sogar Abweichungen der Prosodie (Satzmelodie) untersucht werden und zu den Versprechern gezählt. Es scheint, dass hier beliebig weit differenziert werden kann. Der Lapsus kann sich von der kleinsten prosodischen Schwankung bis hin zur Verwechslung ganzer Sätze bewegen. Differenziert werden muss jedoch auch der Grad der entstehenden Konfusion. Während eine Abweichung in der Satzmelodie wohl kaum einem dafür ungeschulten Ohr auffallen wird, ist eine Kontamination doch „offensichtlicher“. Entsteht dann noch, was nicht selten der Fall, unfreiwilliger Humor, so bleibt ein überhören schon beinahe ausgeschlossen. Etwa wenn von den Spastelruter Katzen (Kastelruter Spatzen) die Rede ist, oder ein Präsident die Sitzung bevor sie begonnen hat, als „geschlossen“ (eröffnet) erklärt.

Aus Platzgründen kann hier nicht im einzelnen auf ihre Kategorien eingegangen werden. Es sein dazu lediglich auf sie verwiesen.

Elemente:

- Ausdehnung der Ebenen: Intentionale, Satz, Wort, Laut, Silbe, Morphem, Prosodie usw.

1.5 Jakobson

Jakobson unterscheidet zwei Dimensionen der Sprache:

„1. Kombination. Jedes Zeichen ist aus konstituierenden Zeichen zusammengesetzt, bzw. kommt nur in Kombination mit anderen Zeichen vor. Das heisst, dass jede sprachliche Einheit zugleich als Kontext für einfachere Einheiten dient, bzw. ihren eigenen Kontext in einer komplizierten sprachlichen Einheit findet. Somit vereinigt also jede Gruppe von linguistischen Einheiten diese Einheiten zu einer höheren Einheit: Kombination und Kontextbildung sind zwei Erscheinungsformen derselben Operation.

[...]

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Details

Title
Die Welt als Wolle und Wirt...äh...Wille und Wort - Versprecher und der Versuch ihrer Erklärung
College
University of Bern  (Germanistisches Institut)
Course
-
Author
Year
2001
Pages
20
Catalog Number
V2535
ISBN (eBook)
9783638115391
File size
583 KB
Language
German
Notes
Die Arbeit skizziert verschiedene Ansätze zur Beschreibung, Lokalisierung und Erklärung von Versprechern und eignet sich als Einstieg und Überblick. Sehr dicht - einzeiliger Zeilenabstand. 373 KB
Keywords
Versprecher, freudsche Versprecher, Meringer und Mayer, Freud, Psycholinguistik, Sprache, Jakobson, Bierwisch, Berg, Dilger, compending Plans
Quote paper
Christian de Simoni (Author), 2001, Die Welt als Wolle und Wirt...äh...Wille und Wort - Versprecher und der Versuch ihrer Erklärung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2535

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