Die Circumcellionen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

19 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Eine Periodisierung des Circumcellionentums

3. Circumcellionen und Donatismus
3.1. Wer waren die Donatisten?
3.2. Circumcellionen und Donatisten

4. Die religiöse Haltung der Circumcellionen

5. Die Stellung der Circumcellionen in der Gesellschaft

6. Waren die Circumcellionen eine sozialrevolutionäre Bewegung?

7. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Viele Fragen und mindestens ebenso viele Lösungsansätze tun sich auf, wenn man herauszufinden versucht, wer die Circumcellionen waren. Die wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema liefert einige, zum Teil stark von der jeweiligen Ideologie des Forschers geprägte Ideen und Interpretationen. Seit etwa 30 Jahren sind meines Wissens keine Beiträge mehr zur Circumcellionenfrage erschienen. Ein Grund sich des Themas wieder anzunehmen und zu überprüfen, inwiefern die Thesen und Deutungen der Wissenschaftler auch nach der Zeit des Kalten Krieges noch sinnvoll erscheinen.

2. Eine Periodisierung des Circumcellionentums

Der Altertumswissenschaftler Hans-Joachim Diesner gehört zu den wesentlichen Forschern auf dem Gebiet des Circumcellionentums. Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre hat er in der DDR eine Reihe von Aufsätzen zu diesem Thema veröffentlicht. Er hat es gewagt, in Anlehnung an einen Versuch Martroyes, eine relativ genaue Periodisierung des Circumcellionentums[1] zu geben. Dabei ist er sich durchaus der Problematik bewusst ist, dass aufgrund des phasenweise recht spärlichen Quellenmaterials, das bisher zur Erforschung des Circumcellionentums zur Verfügung steht, eine genauere Periodisierung eigentlich kaum möglich ist. So haben denn auch einige Historiker an Diesners Periodisierung bereits Kritik geübt. Overbeck beispielsweise empfindet Diesners Einteilung als zu schematisch und weist auf das recht lückenhafte Material hin.[2] Trotzdem ich mir der Unzulänglichkeiten jeglicher geschichtswissenschaftlicher Periodisierung bewusst bin, werde ich mich in meiner Arbeit grob, mit einigen kritischen Anmerkungen, an Diesners Periodisierung orientieren, da ich eine gewisse Strukturierung der Ereignisse für notwendig erachte.

Diesner unterscheidet sieben Perioden:

Die erste Periode legt er um 320 n. Chr., zu Beginn des donatistischen Schismas, fest. Auf das donatistische Schisma werde ich in Kapitel 3 noch näher eingehen. Zu dieser Zeit sollen die Circumcellionen erste, nicht genauer ausgeführte Aktionen unternommen haben.

Die zweite Periode setzt er ungefähr mit den Jahren 336 bis 340 n. Chr. fest. Unter Führung berberischer Männer wie Axido und Fasir, die sich als Führer der Heiligen bezeichneten, trafen sie angeblich besonders einschneidende Maßnahmen. Laut Optatus von Mileve[3] sollen sich um 340 n. Chr. sogar donatistische Bischöfe mit der Bitte um militärische Hilfe an den römischen Oberbefehlshaber der afrikanischen Streitkräfte Taurinus gewandt haben, damit dieser die Circumcellionen unter Kontrolle bringe. Auf einem Jahrmarkt, wo eine Gruppe Circumcellionen für Unruhe sorgte, ließ Taurinus einige von ihnen töten. Trotz der sich anschließenden blutigen Verfolgung unter Taurinus wuchs das Circumcellionentum Optatus von Mileve zufolge weiter an.

Für die dritte Periode legt Diesner das Jahr 347 n. Chr. als aktionistischen Höhepunkt fest. Im Jahr zuvor hatte der donatistische Bischof Donatus der Große Kaiser Konstans um Bestätigung als alleinigen Bischof von Karthago gebeten. Konstans sandte daraufhin zwei Notare, Paulus und Macarius, nach Afrika, um die Verhältnisse vor Ort zu überprüfen. Nach außen hin bestand ihre Aufgabe in der Unterstützung der Kirchen und der Armen beider Konfessionen, denn Konstans hatte ihnen Geldgeschenke zur Verteilung mitgegeben. Eine vorzeitige Parteinahme der Gesandten für die katholische Kirche machte jedoch jede Arbeit unter den Donatisten unmöglich. Donatus gab die Anweisung, die Gesandtschaft zu ignorieren und beschwerte sich vermutlich beim Kaiser. In Südnumidien kam es beim Eintreffen der Gesandten zu Kämpfen die der donatistische Bischof Donatus von Bagai mit circumcellionistischer Hilfe vorbereitet hatte und nun gegen die Truppen des von Macarius zu Hilfe gerufenen Comes Africae Silvester austrug. Laut Optatus erlitt die aufständische Masse große Verluste. Bischof Donatus von Bagai kam bei den Kämpfen um.

Die vierte Periode umfasst die Zeitspanne der Regierungszeit Julians (361 – 363 n. Chr.). Dessen Regentschaft begünstigte laut Diesner die Aktionstätigkeit der Circumcellionen. So erreichte eine von den Donatisten bei Julian eingereichte Petition, dass ihre verbannten Kleriker zurückgerufen wurden.

Die fünfte Periode wird auch die gildonische Zeit genannt, da diese mit der Herrschaft des Comes Africae Gildo (um 385 – 398 n. Chr.) zusammenfällt. Gildo, ein reicher, berberischer Adliger aus der Gegend von Algier, war Bruder des Firmus, der sich in der ersten Hälfte der siebziger Jahre des vierten Jahrhunderts gegen das Reich empört hatte. Die ersten Jahre nach seiner Ernennung ließ Gildo ohne Zeichen der Auflehnung gegen die weströmische Regierung vergehen. Nachdem er die Truppen und die Zivilverwaltungen fest in seiner Hand glaubte, begann er die donatistische Bewegung zu fördern. Gildo pflegte ein persönliches Verhältnis zu dem Donatistenbischof Optatus von Thamugadi. Nach der Teilung des weströmischen Reiches unter Theodosius’ Söhnen beschränkte Gildo ab 395 n. Chr. die Getreidesendungen nach Italien. 397 fiel er von der weströmischen Regierung ab und unterwarf sich dem oströmischen Kaiser Arcadius. Der Regent des Westens, Stilicho, ächtete Gildo daraufhin und entsandte Truppen, die Gildo im Frühjahr 398 n. Chr. in der Nähe von Theueste schlugen, festnahmen und hinrichteten.

Gildo hatte sich neben privaten Gütern vor allem auch den kaiserlichen Grundbesitz angeeignet. Auf den von ihm, aber auch von Optatus von Thamugadi und anderen konfiszierten Gütern wurden häufig Circumcellionen beschäftigt, die auch nach der Niederschlagung des gildonischen Aufstandes auf den Gütern verblieben. Zwar wurde u.a. durch Gesetze versucht, ihren Einfluss zurückzudrängen, doch vollständig entfernen konnte man sie nicht.

In der Zeit zwischen 388 und 398 n. Chr. errang die donatistische Kirche in vielen Städten die Vorherrschaft.

Laut Büttner entwickelte sich in der gildonischen Zeit die planmäßige Organisierung der Circumcellionen zu einer militärischen Macht, ausgerüstet mit den verschiedensten modernen (Eisen-)Waffen. Kannten diese zunächst nur die knüppelartigen „fustes Israeles“ als Waffen, so waren sie von da an mit Schwertern, Lanzen und Wurfschleudern bewaffnet.

Die Vernichtung Gildos leitete auch für die Circumcellionen eine neue, die sechste Periode ein. Diesner bezeichnet sie als die in vielerlei Hinsicht interessanteste Epoche, weil zu dieser Zeit das Circumcellionentum durch die Schriften Augustins[4] in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Er ist außerdem der Meinung, dass die Circumcellionen, auch wenn es keine direkten Belege dafür gibt, spätestens zu dieser Zeit offiziell vom Staat als „ordo“ (Stand / Klasse) anerkannt worden sein müssen, denn 411 n. Chr. werden sie zum ersten Mal in den offiziellen Quellen erwähnt.[5] Tengström ist diesbezüglich anderer Ansicht. Ihm erscheint es unbegründet, auf der Basis eines so spärlichen Quellenmaterials bestimmte Behauptungen über den Zeitpunkt zu wagen, an dem die Circumcellionen als ordo anerkannt wurden. Nach Tengström spräche einiges dafür, dass ihr ordo gleichzeitig mit den für Numidia superior spezifischen wirtschaftlichen Verhältnissen aufkam, denn Tengström vermutet, die Circumcellionen seien in eben diesem Gebiet als Olivenarbeiter tätig gewesen.[6]

Aus Diesners Vermutung zur Anerkennung des ordos erwachsen seine Theorien über die weitere Entwicklung des Circumcellionentums und dessen weitere Periodisierung. So ist er der Meinung, die Anerkennung des ordos sei mit der Zielsetzung erfolgt, dass sich dann jeder Angehörige des ordos als „fort honnête homme“[7] im Sinne der spätrömischen Gesellschaftsordnung bewähren würde. Möglicherweise sei darauf spekuliert worden, die „Freundlichkeit“ des Kaisers würde von den Circumcellionen in der entsprechenden Weise vergolten werden. Diesner zufolge wurde diese Erwartung auch nicht völlig enttäuscht, denn vielen Circumcellionen war „der revolutionäre Atem“[8] ausgegangen. Des Öfteren könne Augustin von Circumcellionen sprechen, die gebessert und sogar zum Katholizismus bekehrt worden seien. Vielen Circumcellionen gelang es anscheinend, in die Arbeitsorganisation eingegliedert zu werden und nicht mehr das unsichere Dasein des saisonal beschäftigten Erntearbeiters fristen zu müssen. Diesner führt diese Erleichterung als wesentlichen Grund für das Nachlassen der revolutionären Begeisterung der Circumcellionen an. Die strafrechtliche Verfolgung habe erhebliche Verbesserungen erfahren, so dass die Täter mittlerweile in fast jedem Fall gefasst und bestraft werden konnten. Dies und die Erleichterung ihrer wirtschaftlichen Lage haben Diesner zufolge dazu geführt, dass sich die Circumcellionen nun ruhiger verhielten.[9]

Die siebte Periode ab 412/414 n. Chr. trägt nach Diesner alle Anzeichen einer Verfallszeit. Lediglich in abgelegenen Gebieten halten sich seiner Meinung nach Reste des Circumcellionentums bis zur Vandalenzeit. Der ordo sei durch eine uns historisch nicht fassbare Gesetzgebung wahrscheinlich schon vor dem 17.6.414 n. Chr. verboten bzw. aufgelöst worden. Seine Mitglieder seien ins Kolonat[10] versetzt worden. Dass die Auflösung vor dem 17.6.414 n. Chr. geschehen sein muss, begründet Diesner mit der Feststellung, dass die Circumcellionen in einem u.a. frühere (von 412 n. Chr.) Strafbestimmungen gegenüber Donatisten erneuernden Gesetz vom 17.6.414 n. Chr. nicht erwähnt werden.[11] Sowohl Overbeck, als auch Tengström sind diesbezüglich anderer Meinung. Overbeck meint, die Quellen reichten schon für die Behauptung einer Anerkennung des ordos nicht aus und dasselbe gelte auch für die vermeintliche Auflösung.[12]

[...]


[1] Vgl. Diesner: Die Periodisierung des Circumcellionentums, S. 1329 – 1338.

[2] Vgl. Overbeck: Augustin und die Circumcellionen seiner Zeit, S. 463.

[3] Optatus von Mileve war Bischof von Mileve in Numidien und wirkte in den Jahrzehnten vor 400 n. Chr.

[4] Augustinus Aurelius, 354 in Tagaste (Numidien) geboren, 430 in Hippo Regius gestorben, war der bedeutendste lateinische Kirchenvater und Bischof von Hippo Regius.

[5] Vgl. Diesner: Die Periodisierung des Circumcellionentums, S. 1335.

[6] Vgl. Tengström: Donatisten und Katholiken, S. 53f.

[7] Diesner: Die Periodisierung des Circumcellionentums, S. 1335.

[8] Diesner: Die Periodisierung des Circumcellionentums, S. 1335.

[9] Vgl. Diesner: Die Periodisierung des Circumcellionentums, S. 1335.

[10] Das Kolonat war eine in der späten römischen Kaiserzeit verbreitete Form der Grundhörigkeit, die sich zunächst auf den kaiserlichen Domänen, dann auch auf dem privaten Großgrundbesitz findet. Diese hörigen Bauern nannte man Kolonen.

[11] Vgl. Diesner: Methodisches und Sachliches zum Circumcellionentum I, S. 1011.

[12] Vgl. Overbeck: Augustin und die Circumcellionen seiner Zeit, S. 463.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Circumcellionen
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Semminar)
Veranstaltung
Hauptseminar: Soziale und/oder religiöse Bewegungen im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr.
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V34814
ISBN (eBook)
9783638349277
ISBN (Buch)
9783640126705
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Circumcellionen, Hauptseminar, Soziale, Bewegungen, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Constanze Mey (Autor:in), 2004, Die Circumcellionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34814

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Circumcellionen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden