Schule in der Migrationsgesellschaft. Interkulturelle Pädagogik


Hausarbeit, 2010

14 Seiten, Note: 1,3

Ronja Maus (Autor:in)


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
2.1 Definition „Migrationsgesellschaft“
2.2 Immigration in Deutschland

3 Konzepte Interkultureller Pädagogik
3.1 Umstrittene Schulpflicht für Gastarbeiterkinder in den 60er Jahren
3.2 Assimilationspädagogik
3.3 Interkulturelle Pädagogik
3.4 Antidiskriminierungspädagogik

4 Die Schlechterstellung von Schüler/innen mit Migrationshintergrund
4.1 Tendenzen
4.2 Ursachen

5 Lösungsansätze

6 Fazit

1 Einleitung

Schüler/innen mit Migrationshintergrund haben in Deutschland wesentlich schlechtere Bildungschancen als die deutsche Vergleichsgruppe. Kinder und Jugendliche mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit besuchen deutlich seltener weiterführende Schulen. Im Gegenteil verlassen sie überdurchschnittlich häufig die Bildungsinstitution Schule ohne einen Abschluss. Wo liegen die Ursachen für diese Situation? Wie wurde in der Vergangenheit dieser Benachteiligung entgegengewirkt werden? Diesen Fragen wird diese Hausarbeit auf den Grund gehen.

Bereits einleitend möchte ich deutlich betonen, dass diese Problematik nicht etwa nur eine kleine soziale Randgruppe betrifft: Laut einer offiziellen Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge besitzen rund 10 Prozent aller Schüler/innen in der Bun­desrepublik nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Des Weiteren zeigt der Mikrozensus von 2006, dass über ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands im Alter von 5 bis unter 20 Jahren einen Migrationshintergrund aufweisen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2008: 12). Somit stellen Kinder mit Migrationshintergrund längst keine Minderheit im deutschen Bildungssystem mehr dar.

Zunächst werde ich die terminologischen Grundlagen dieser Hausarbeit erläutern, in­dem ich die Konzepte „Migration“, „Migrationshintergrund“ und „Migrationsgesell­schaft“ definiere. Anschließend werde ich einen kurzen Überblick über die Immigrati­onsgeschichte in die Bundesrepublik geben sowie aufzeigen, wie sich aktuell die Grup­pe von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland zusammensetzt. Im fol­genden Kapitel stelle ich verschiedene Konzepte von interkultureller Pädagogik vor, mit denen die Erziehungswissenschaft auf eine zunehmende Anzahl von ausländischen Kindern in der Schule bisher reagierte. Im vierten Kapitel geht diese Hausarbeit auf die Situation von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem ein: So werden einerseits die Aspekte der Benachteiligung aufgezeigt und andererseits nach deren Ursachen gesucht. Den Abschluss bildet ein Ausblick über geplante Maßnahmen, die darauf zielen, die Situation der Schüler/innen mit Migrationshintergrund zu verbes­sern.

Die wichtigste Grundlage dieser Hausarbeit stellen verschiedene Berichte des Bundes­amts für Migration und Flüchtlinge dar, denen ich hilfreiche Statistiken entnehmen konnte. Ergänzt wird meine Literatur zudem unter anderem von Beiträgen von Arnd- Michael Nohl und Paul Mecheril, die sich dieser Thematik aus einer migrationspädago­gischen Perspektive nähern.

2 Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

In diesem Kapitel werde ich auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eingehen. Wie der Titel meiner Hausarbeit zeigt, beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit der Institution Schule in einer Migrationsgesellschaft. Daher werde ich zunächst die Begrif­fe „Migration“ und „Migrationsgesellschaft“ definieren, und anschließend auf die Ge­schichte Deutschlands hinsichtlich Einwanderung eingehen.

2.1 Definition „Migrationsgesellschaft“

Der Brockhaus definiert Migration als einen Prozess der räumlichen Bewegung von Menschen. Die Folge dieser Wanderung ist ein dauerhafter Wechsel des Hauptwohnsit­zes (Brockhaus F.A. 1999: 90. Artikel: Wanderung (Migration)), im Gegensatz zu kür­zeren Standortveränderungen wie Tourismus oder jene von Arbeitspendlern.

Migration lässt sich unterteilen in zwei Kategorien: Der Terminus Binnenmigration be­schreibt Wanderungen innerhalb eines (nationalstaatlichen) Gebiets, wohingegen sich der Terminus Außenmigration auf Wanderungen über die Grenzen eines (nationalstaat­lichen) Gebiets bezieht (Brockhaus F.A. 1999: 90. Artikel: Wanderung (Migration)). Ein weiteres Unterscheidungskriterium hinsichtlich Migration ist die Perspektive des Ziellandes. Unter Emigration versteht man die Abwanderung aus einem Gebiet, unter Immigration versteht man die Einwanderung in ein Gebiet (Brockhaus F.A. 1999: 90. Artikel: Wanderung (Migration)). Im Rahmen dieser Hausarbeit befasse ich mich aus­schließlich mit der Immigration über nationalstaatliche Grenzen nach Deutschland.

Die Ursachen für Migrationsbewegungen lassen sich in Push- und Pull-Faktoren eintei­len. Wanderungsmotive, die unter dem Sammelbegriff Push-Faktor (abstoßende bzw. Druck-Faktor) zusammengefasst werden können, haben „eine unbefriedigend empfun­dene Situation in der Heimat“ (Heintel/Husa/Spreitzhofer 2005: 2ff) als Ursache. In der Praxis können diese Ursachen z.B. Krieg, (politische, religiöse, etc) Verfolgung, Armut, Hunger, Klimakatastrophen und weitere umfassen. Der Sammelbegriff Pull-Faktoren (anziehende bzw. Sog-Faktoren) sieht als Grundlage für Migrationsmotive, dass fremde Gebiete einen höheren Lebenskomfort bieten und attraktiv für eine Immigration er­scheinen. Konkrete Gründe dafür können z.B. politische Sicherheit, gute Verdienstmög­lichkeiten, Familiennachzug etc. darstellen (Heintel/Husa/Spreitzhofer 2005: 2ff).

Im Folgenden wird sich diese Hausarbeit des Öfteren auf die Personengruppe „Schü­ler/innen mit Migrationshintergrund“ beziehen. Was verbirgt sich hinter dieser Be­schreibung? Eine Definition liefert das Statistische Bundesamt:

„Als Personen mit Migrationshintergrund definiert werden alle nach 1949 auf das heu­tige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Eltern­teil.“ (Statistisches Bundesamt Deutschland 2007)

Der Begriff „Migrationsgesellschaft“ bezeichnet laut Mecheril eine gesellschaftliche Wirklichkeit. Zudem ist dieser Terminus ein „politisches und analytisches Statement [, dass] die dauerhafte Zugehörigkeit und die Bürgerechte eingewanderter Personen“ (Me- cheril 2010: 11) hervorhebt. Hinsichtlich der Frage, ob Deutschland eine Einwande­rungsgesellschaft sei, antwortet der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integ­ration und Migration wie folgt:

„Deutschland ist ein demogra?sch [sic] schrumpfendes und alterndes Migrationsland mit hoher transnationaler, insbesondere innereuropäischer Mobilität. Bei tendenziell ausgeglichenen Wanderungsbilanzen halten sich Zu- und Abwanderung annähernd die Waage. Deshalb ist Deutschland heute weder Ein- noch Auswanderungsland, sondern ein Migrationsland in der statistischen Mitte zwischen Ein- und Auswande­rungsland.“ (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2010)

Im folgenden Kapitel werde ich daher die Entwicklung Deutschlands zu einer Migrati­onsgesellschaft skizzieren.

2.2 Immigration in Deutschland

Die Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland lässt sich in vier Phasen gliedern: Als erste Phase lässt sich die Zeit von 1945-55 nennen, damals war die Immigration nach Deutschland vor allem durch die Entwicklungen der Nachkriegszeit geprägt. Einwanderer waren zu jener Zeit hauptsächlich die sogenannten „displaced persons“ (Menschen, die während des zweiten Weltkriegs verschleppt worden waren wie z.B. KZ-Häftling, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter) sowie Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten (DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.: 1).

Infolge des Wirtschaftsaufschwungs in Deutschland setzte in der zweiten Phase, 1955­1973, eine zunehmende Arbeitskräfteknappheit ein. Daraufhin wurden Arbeitskräfte aus vornehmlich europäischen Ländern - zunächst aus Italien, dann aus Spanien, Griechen­land, der Türkei, Portugal und schließlich Jugoslawien - angeworben. Anfangs ging man davon aus, dass diese ausländischen Arbeitskräfte nur vorübergehend in Deutsch­land bleiben würden und nach einiger Zeit in ihr originäres Heimatland heimkehren würden. Dies änderte sich ab den 1970-80er Jahren, der dritten Phase der Einwanderung nach Deutschland. Als Konsequenz einer wirtschaftlichen Stagnation verhängte die Bundesrepublik im Jahr 1973 einen Anwerbestopp für weitere ausländische Arbeitskräf­te. Viele der ursprünglich temporären Gastarbeiter hatten jedoch in der Zwischenzeit eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten und beschlossen ihre Familien nachzuholen. Somit stieg in dieser Phase die Zahl der Migrant/innen durch den Famili­ennachzug stark an. Hinzu kamen Flüchtlinge aus Ost- nach Westdeutschland sowie aus überseeischen Kriegsgebieten wie Vietnam (DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.: 2).

Ab ca. 1989, dem Ende des Kalten Kriegs, setzte eine starke Ost-West-Migration ein. Anzuführen ist hierbei v.a. die Gruppe der Spätaussiedler, die jedoch auf 200 000 Per­sonen pro Jahr kontingentiert wurde (DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.: 2).

Im Jahr 2007 lebten in Deutschland 15,4 Millionen Menschen mit Migrati­onshintergrund, dies ergibt einen Bevölkerungsanteil von 18,7 Prozent. Davon besitzen 7,3 Millionen Menschen (somit ca. 8,8 Prozent) keine deutsche Staatsangehörigkeit. Etwa ein Drittel der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund wurde bereits in der Bundesrepublik geboren und stellt somit die zweite oder dritte Ge­neration von Migranten dar. Innerhalb der Bevölkerung mit Migrationshintergrund sind Personen türkischer Herkunft mit einem Anteil von 16,4 Prozent die größte Gruppe. Weitere 7,5 Prozent stammen ursprünglich aus Polen, 6,7 % aus Russland und 4,9 % aus Italien (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2009: 5f).

3 Konzepte Interkultureller Pädagogik

In diesem Kapitel meiner Hausarbeit werde ich verschiedene Konzepte Interkultureller Pädagogik skizzieren. Diese chronologisch geordneten Konzepte stellen dar, mit wel­chen Theorien und Methoden die Pädagogik einer steigenden Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Institution Schule begegnete.

3.1 Umstrittene Schulpflicht für Gastarbeiterkinder in den 60er Jahren

Ab Mitte der 50er Jahre setze in Deutschland aufgrund der florierenden Wirtschaft eine Arbeitsmigration aus Ländern Südeuropas ein (Nohl 2010: 22). Zunächst ging die deut­sche Wirtschaft, Politik und auch die Pädagogik davon aus, dass jene Gastarbeiter mit ihren Familien nach einigen Jahren wieder in ihr ursprüngliches Heimatland zurückkeh­ren würden. Daher wurde Anfang der 60er Jahre diskutiert, ob Kinder mit Migrations­hintergrund ein Recht und eine Pflicht zum Schulbesuch inne haben. Erst 1964 be­schloss die Kultusministerkonferenz, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund der Schulpflicht unterliegen (Nohl 2010: 23).

Als Folge der Schulpflicht von Kindern mit Migrationshintergrund kam es an deutschen Schulen zu einer zunehmenden ethnischen Heterogenität der Schülerschaft. Dies wurde als Problem wahrgenommen, da die Lern- und Leistungsfähigkeit von nicht-homogenen Schulklassen infrage gestellt wurde. Daher antwortete die Pädagogik auf dieses Problem mit dem Konzept der Assimilationspädagogik, das im nächsten Abschnitt vorgestellt wird.

Selbst heute gilt die allgemeine Schulpflicht in einigen Bundesländern noch nicht für Ayslbewerber/innen ebenso wie illegale eingewanderte Ausländer/innen (Walter 2006: 72).

3.2 Assimilationspädagogik

Das Konzept der Assimilationspädagogik (in der früheren Ausgabe von Nohls Buch noch „Ausländerpädagogik“ genannt, Nohl 2006: 5) entstand als eine erste Reaktion auf die Einwanderung von Migranten und ihren Familien auf der Suche nach Arbeit in Deutschland (Nohl 2010: 18ff; Nieke 2008: 14f). Ethnische Minderheiten, deren Kultur unterschiedlich bzw. anders von den Standards der Mehrheitsgesellschaft war, wurden als Fremde betrachtet. Diese ethnische und kulturelle Verbundenheit wurde als Defizit angesehen, das sich besonders in mangelnden Sprachkenntnissen manifestierte. Das zentrale Ziel der Assimilationspädagogik war daher, jenes Defizit bei Migrantenkindern zu kompensieren. So sollten sie den kulturellen Standards der Mehrheitsgesellschaft angepasst werden (Nieke 2008: 14f; Nohl 2010: 18ff).

Die Pädagogik verfolgte in der Institution Schule das Ziel der Anpassung, indem sie z.B. zusätzlichen Sprachunterricht sowie spezielle Vorbereitungsklassen für die betrof- fenen Kinder anbot. In einigen Ländern wurden sie sogar in Nationalklassen oder Aus­länderklassen separiert von den in Deutschland geborenen Schüler/innen unterrichtet (Nohl 2010: 23f). Krüger-Potratz bezeichnet diese Maßnamen als „Instrumente zur sprachlichen und kulturellen Homogenisierung und Assimilation“ (Krüger-Potratz: 15). Später ernteten die Vertreter der Assimilationspädagogik jedoch gerade für ihre An­nahme, Kinder mit Migrationshintergrund litten unter einem Defizit, Kritik, denn diese führe zu einer problematischen Stigmatisierung der Kinder. Ebenso wurde die einseitige Ausrichtung der Veränderungserwartungen, das heißt die assimilative Angleichung durch Übernahme von Sprache, Werten und Kultur der Aufnahmegesellschaft, kritisiert (Griese 1984: 52).

3.3 Interkulturelle Pädagogik

Infolge dieser Kritik kam es zu einem Paradigmenwechsel in der Pädagogik. Dieser Wechsel weg von der Assimilationspädagogik hin zu einer Interkulturellen Pädagogik wurde dadurch verstärkt, dass ab den 1980er Jahren abzusehen war, dass aus den ehe­maligen „Gastarbeitern“ schließlich doch permanente Migrant/innen in Deutschland wurden.

Die Interkulturelle Pädagogik betrachtete die Minderheitenkultur der Einwanderer nicht mehr als defizitär und minderwertig. Stattdessen wurden zwar ihre Unterschiede aner­kannt, aber sie wurde als gleichwertig erachtet. Damit kehrte sich die Pädagogik von dem Ziel einer einseitigen Assimilation der Migranten an die Aufnahmegesellschaft ab. Im Vergleich zu der Assimilationspädagogik war das besondere Merkmal der Interkul­turellen Pädagogik, dass sie sich an alle Mitglieder der Gesellschaft richtete, das heißt nicht nur an die Migranten, sondern auch an die einheimische Bevölkerung. Das Ziel war ein Dialog und ein Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen (Auernheimer: 3). Die multikulturelle Gesellschaft solle, so die Vertreter der Interkulturellen Pädago­gik, als Bereicherung und Chance wahrgenommen werden. Durch das Erkennen von Differenzen und Gemeinsamkeiten können eigene Positionen reflektiert werden und gegebenenfalls neue Lösungsstrategien sichtbar werden (Auernheimer: 3).

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Schule in der Migrationsgesellschaft. Interkulturelle Pädagogik
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V354775
ISBN (eBook)
9783668410602
ISBN (Buch)
9783668410619
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Migarationsgesellschaft, Interkulturell, Assimilationspädagogik, Antidiskriminierungspädagogik, Schule
Arbeit zitieren
Ronja Maus (Autor:in), 2010, Schule in der Migrationsgesellschaft. Interkulturelle Pädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354775

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