Sprechererkennung in der forensischen Phonetik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Existenzberechtigung der forensischen Phonetik

3. Sprechererkennung
3.1 Stimmparameter
3.1.1 Sprechstimmlage
3.1.2 Melodik der Stimme
3.1.3 Stimmqualität
3.2 Sprechparameter
3.2.1 Dialekt
3.2.2 Fremdsprachiger Akzent
3.2.3 Soziolekt
3.2.4 Sprechtempo
3.2.5 Individuelle Merkmale
3.3 Probleme bei der Entscheidungsfindung

4. Autorenerkennung
4.1 Sprachliches Profil
4.2 Verstellungsversuche

5. Stimmverstellung
5.1 Merkmale der Stimme
5.2 Merkmale der Sprache
5.3 Merkmale der Sprechweise

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Wenn man an die Aufklärung von Verbrechen denkt, stellt man sich Männer in weißen Kitteln mit sterilen Handschuhen vor, die mit Pinzetten und anderen Instrumenten die Spurensuche an einem Tatort betreiben. Mit Forensik verbinden die meisten Menschen und auch Beamte lediglich Fingerabdrücke untersuchen, Verdächtige befragen und Beweismittel, wie beispielsweise eine Tatwaffe, sicherstellen. Ein wichtiger Teil der Forensik wird oft beiseitegeschoben. In vielen Werken über die Forensik kommt das Gebiet der Phonetik nicht einmal vor. Schaut man sich das Inhaltsverzeichnis von „CSI-Forensik für Dummies“[1] an, stellt man schnell fest, dass Phonetik für den Autor bei der Aufklärung von Verbrechen scheinbar keine Rolle spielt, denn es gibt weder ein Kapitel über die Phonetik, noch wird sie in irgendeinem Kapitel erwähnt. Mit dieser Hausarbeit will ich darlegen, welche Rolle die forensische Phonetik bei der Aufklärung von Verbrechen spielt und wie man mit ihrer Hilfe den Täter entlarven kann.

Ich habe mich entschieden auf die Sprechererkennung den größten Wert zu legen, da die Existenzberechtigung der forensischen Phonetik im Grunde darin liegt, dass sie Täter anhand von Sprachaufnahmen identifizieren kann. Dies ist schließlich der Kern und Nutzen der forensischen Phonetik. Außerdem werde ich kurz auf die Autorenerkennung eingehen, um sie von der Sprechererkennung abzugrenzen. Da die Stimmverstellung den größten Einfluss auf die Sprechererkennung nimmt, schließe ich mit einem Kapitel über die Stimmverstellung ab.

2. Existenzberechtigung der forensischen Phonetik

In der Praxis des deutschen Zivilprozesses werden sprachwissenschaftliche Sachverständigengutachten nur selten eingeholt. Dies scheint auf zahlreiche Gründe zurückführbar zu sein, vor allem auf die Unkenntnis der Juristen von den Möglichkeiten der forensischen Phonetik und die Scheu vor dem nötigen Kosten- und Zeitaufwand.[2] Die Kosten eines Zivilprozesses sind von den Parteien selbst zu tragen, dazu zählen auch die Kosten des Gerichts. Die Kosten-Nutzen-Relation wird zur Problematik und die drohenden Kosten werden zur Unzumutbarkeit für wirtschaftlich schwache Parteien.[3] Es treten noch weitere Gründe in Erscheinung, beispielsweise die Überschneidung der Funktionen von Richter und Sachverständigen, darauf soll an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden.

Fallbeispiele der Praxis zeigen, dass forensische Phonetik, wenn sie eingesetzt wird, einen großen Beitrag zur Aufklärung des Verbrechens liefern kann. Zur Verdeutlichung wird hier ein Fall angebracht.

Während einer gerade in Italien laufenden Entführung von drei deutschen Kindern meldet sich in Deutschland ein Mann, der von dem Verbrechen Kenntnis haben und gegen eine Zahlung einer hohen Summe den Verwahrort der Kinder preisgeben will. Eine Einstufung als Trittbrettfahrer ist nicht von vornherein möglich, insbesondere, da nach dem Eindruck der Polizei bei dem Mann ein italienischer Akzent vorliegt. Zunächst wird ein Tonband mit vier Anrufen überbracht; die Stimmenanalyse ergibt unter anderem:

1. Der „italienische“ Akzent ist eine relativ schlechte Imitation.
2. Der Sprecher ist wahrscheinlich Deutscher.
3. Die Dialektzugehörigkeit ist wegen des aufgesetzten Akzents nicht sicher feststellbar; es muß sich jedoch um einen nicht-norddeutschen und in der normalen Alltagssprache des Mannes nicht stark hervortretenden Dialekt handeln.

Wenige Tage später werden weitere Gespräche des Täters eingereicht und ausgewertet. Da diesmal nur geringe Anzeichen einer Verstellung vorliegen, kann u.a. zusätzlich festgestellt werden, daß der Täter ein grammatisch fast, aber nicht völlig fehlerfreies Deutsch spricht, und zwar mit deutlich angelsächsischen Aussprachemerkmalen. Daraufhin wird kurze Zeit später die erste Aufzeichnung mit der Stimme eines Vergleichssprechers überbracht: Es handelt sich um einen im Zusammenhang mit einer anderen Straftat auffällig gewordenen Deutsch-Amerikaner. Da sich bei der durchgeführten Stimmenvergleichsuntersuchung deutliche Übereinstimmung mit dem anonymen Anrufer ergeben, wird auf richterliche Anordnung hin der Telefonanschluß des Mannes überwacht […]. Konfrontiert mit den gefundenen belastenden Indizien und vor allem mit dem schriftlichen Bericht der Stimmenvergleichsuntersuchung, legt er schließlich ein Geständnis ab […].[4]

Das ausgewählte Beispiel zeigt den Erfolg der forensischen Phonetik im Falle einer Entführung. Aber auch außerhalb von Erpresseranrufen und Bombendrohungen kann die forensische Phonetik zur Aufklärung eines Falls helfen. Es gibt zahlreiche Gutachtenanträge aus anderen Gebieten, beispielweise Landesverrat, Mord, Kindstötung und Vergewaltigung.

3. Sprechererkennung

Schon in der Bibel begegnet uns die Sprechererkennung (1.Mose 28): Jakob imitiert vor seinem blinden Vater Isaak seinen Bruder Esau, um sich das eigentlich Esau zustehende Erstgeburtsrecht zu verschaffen. Isaak erkennt Jakob zwar an der Stimme verlässt sich dann aber auf seinen Tastsinn und wird getäuscht.[5] Hat er zu Recht seinem Gehör zu wenig Vertrauen geschenkt? Oder ist die Sprechererkennung zuverlässiger als Isaak dachte? In den meisten Fällen geht die Sprechererkennung mit dem Stimmenvergleich einher. Nämlich immer dann, wenn eine fragliche Sprachaufnahme (Tataufnahme) mit einer Vergleichsaufnahme verglichen wird. Die Praxis zeigt, dass es sich nur in Einzelfällen um eine einzige Vergleichsaufnahme handelt. In den meisten Fällen werden über längere Zeiträume bis zu 50 Vergleichsaufnahmen eingereicht. Auch innerhalb der Menge dieser eingereichten Vergleichsaufnahmen muss wiederum verglichen werden. Vor allem um festzustellen, ob mit einem oder mehreren Tätern zu rechnen ist. In den Fällen, in denen es schon eine Tataufnahme aber (noch) keine Vergleichsaufnahme gibt spricht man von Stimmenanalyse.[6] Das Ziel dieser ist es, den Täterkreis einzugrenzen, indem man stimmenspezifische Merkmale herausfiltert. Angefangen von einem Dialekt bis hin zu Sprachfehlern versucht man mit der Analyse das individuelle Bild der Stimme herauszubilden. Dies geschieht auch, wenn noch keine Vergleichsaufnahmen vorliegen. In dringenden Fällen werden innerhalb weniger Stunden verschieden stark absicherbare Aussagen bezüglich Geschlecht, Lebensalter, sprachlicher und nicht-sprachlicher Auffälligkeiten und Angewohnheiten, Bildungsniveau und Grad der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit geliefert.[7]

In der Literatur tauchen mehrere Möglichkeiten auf, die Parameter und Merkmale der Sprechererkennung einzuteilen. Ich habe mich weitgehend (mit wenigen Veränderungen) für die Einteilung von Monika Rathert entschieden, da es eine der jüngsten und meiner Meinung nach am besten kategorisierten Einteilungen ist.

3.1 Stimmparameter

Stimmparameter beinhalten diejenigen Merkmale, die organisch bedingt sind. Zu den Stimmparametern zählen Sprechstimmlage, Melodik der Stimme und Stimmqualität. Jeder dieser Parameter wird bestimmt durch die individuellen anatomischen und physiologischen Gegebenheiten des Sprechapparates wie z.B. Mobilität der Zunge, aber auch Alter und Geschlecht.[8] Am besten kann man sich diese Parameter vorstellen, wenn man sie auf eine Stufe mit körperlichen Merkmalen wie Haarfarbe oder Größe stellt. Diese Übertragung zeigt auch auf, dass mehrere Sprecher die gleichen Stimmparameter haben können, sie können beispielweise die gleiche Stimmbandgrundfrequenz haben, genauso wie sie gleich groß sein könnten.[9] Im Weitern wird nun näher auf die einzelnen Parameter eingegangen.

3.1.1 Sprechstimmlage

Aus dem Alltag wissen wir, dass Frauen und Kinder normalerweise höhere Stimmen haben als Männer. Dies liegt an der mittleren Sprechstimmlage. Diese ist ein wichtiges Kriterium bei der Sprechererkennung. Gemeint ist die mittlere Tonhöhe beim Sprechen, von der die Satzmelodie nach oben und unten abweichen kann. Was man als Tonhöhe wahrnimmt, ist akustisch gesehen die Stimmbandgrundfrequenz. Sie gibt die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde in Hertz an.[10]

Der statistische Mittelwert liegt für Männer zwischen 110 und 130 Hertz. Weicht ein Täter von dieser Grundfrequenz nach oben oder unten ab, ist er leichter zu identifizieren. Frauen haben eine fast doppelt so hohe Grundfrequenz von 200 bis 300 Hertz. Bei Kindern beträgt die Frequenz 300 Hertz und höher. Wenn sich die Stimmbandgrundfrequenz eines Mannes über 130 befindet empfinden wir die Stimme als hoch, befindet sich die Grundfrequenz einer Frau unter 200 Hertz beurteilen wir sie als tief. Mit den gemessenen Werten können die Sachverständigen Täter mit auffälligen oder untypischen Frequenzen leichter identifizieren, insbesondere bei Extremwerten

[...]


[1] Vgl. Lyle, Douglas: CSI-Forensik für Dummies, Weinheim 2009, Seite 11.

[2] Vgl. Ritter, Christian: Sprachexpertisen im Zivilprozess. In: Kniffka, Hannes (Hg.): Texte zur Theorie und Praxis forensischer Linguistik, Tübingen 1900, Seite 127.

[3] Ebd., Seite 137.

[4] Künzel, Hermann J.: Sprechererkennung, Grundzüge forensischer Sprachverarbeitung, Heidelberg 1987, Seite 4-5.

[5] Vgl. Rathert, Monika: Sprache und Recht, Heidelberg 2006, Seite 40.

[6] Künzel, Hermann J.: Sprechererkennung, Grundzüge forensischer Sprachverarbeitung, Heidelberg 1987, Seite 77.

[7] Künzel, Hermann J.: Sprechererkennung, Grundzüge forensischer Sprachverarbeitung, Heidelberg 1987, Seite 78.

[8] Ebd., Seite 79.

[9] Ebd., Seite 79-80.

[10] Vgl. Rathert, Monika: Sprache und Recht, Heidelberg 2006, Seite 42.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Sprechererkennung in der forensischen Phonetik
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Phonologie des Deutschen
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
19
Katalognummer
V267263
ISBN (eBook)
9783656572534
ISBN (Buch)
9783656572466
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprechererkennung, phonetik
Arbeit zitieren
Tamara Mödersheim (Autor:in), 2014, Sprechererkennung in der forensischen Phonetik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267263

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