NS-Theaterpolitik und das Wiener Theater nach dem Anschluss Österreichs


Hausarbeit, 2016

18 Seiten, Note: 2,30


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Lage Wiens im März 1938

3. Theaterpolitik an den Theatern Wiens

4. Die Außenwirkung

5. Die Reichstheaterfestwochen

6. Fazit

7. Quellen- und Literaturverzeichnis

1.Einleitung

In der folgenden Arbeit beschäftige ich mich mit dem Thema: „Theaterpolitik im Nationalsozialismus. Auswirkungen nach dem Anschluss 1938 auf die Theater Wiens“. Am 12.03.1938 marschierten SS-Verbände, Wehrmacht und Polizeieinheiten über die Grenzen des Deutschen Reiches nach Österreich ein. In den nachfolgenden Wochen und Monaten sollte das NS-Regime große Veränderungen im Bereich Staat, Justiz und Verwaltung in Österreich erzwingen. Die Theater und die Theaterszene in Wien blieben davon nicht unberührt. In dieser Arbeit befasse ich mich daher zuerst kurz mit der Lage 1938. Wie war die Theaterlandschaft zu diesem Zeitpunkt beschaffen? Welche Veränderungen wurden unmittelbar nach dem Anschluss durchgesetzt? Gab es Repressalien gegenüber jüdischen Funktionären? Wer hatte fortan die Kontrolle über die Theater? Welche Maßnahmen wurden zur Gleichschaltung ergriffen? Nahm man Einfluss auf die Spielpläne der Theater? Anhand meiner These, dass kein Bereich im Theaterbetrieb Wiens unangetastet blieb, werde ich die Theaterleitung, den Einsatz von Funktionären, die Reichstheaterfestwochen und natürlich auch die Spielpläne genauer untersuchen.

Um diese Fragen zu beantworten, beschäftige ich mich nicht nur mit Sekundärliteratur und Aufsätzen, hier sei die Aufsatzreihe von Evelyn Schreiner genannt, sondern auch mit Primärquellen, wie z.B. Goebbels Tagebucheinträgen und Zeitungsartikel aus der damaligen Zeit. Auf diese Weise werden Zielsetzungen der NS-Funktionäre und ihrer Propaganda deutlich. Abschließend möchte ich meine Thesen zusammenfassen und ein Fazit ziehen. Die wissenschaftliche Ausarbeitung zum Thema ist existent, jedoch nicht ausgeprägt. Es gibt kein Werk im Bereich Sekundärliteratur, welches nur dieses Thema behandelt. Die Reichstheaterfestwochen sind zudem kaum bis überhaupt nicht aufgearbeitet worden und die Unterlage, wie z.B. Spielpläne liegen verschlossen in Wiener Archiven.

2. Die Lage Wiens im März 1938

Am 12. März 1938 marschierten die ersten deutschen Truppen in Österreich ein. Bereits an diesem Tag und dem darauffolgenden, sei es laut Evelyn Schreiner zu Übergriffen durch nationalsozialistische Organisationen und Schlägerverbänden in Theatern an politisch nicht gewünschten Funktionären sowie Juden gekommen.1 Auf diese Weise wurde eine erste Welle der Angst verbreitet, sodass sich einige Theaterdirektoren mit sofortiger Wirkung zurückzogen. Laut Evelyn Schreiner sei die Ursprungslage für die Umgestaltungsprozesse sehr gut geeignet gewesen, da Österreich durch die klerikal-faschistischen Ständestaatstrukturen der Jahre 1933 bis 1938, bereits sehr nah am Führerprinzip angelegt war.2 Der frühere Bundeskanzler Österreichs und Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart konnte legal von oben herab das Land Österreich gleichschalten. Die Beamten im Staatsbetrieb, verantwortlich für die Kulturbetriebe des Staates, wurden am 15. und am 17. März 1938 auf Adolf Hitler, dem Führer des Deutschen Reiches, vereidigt.3

Das Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (nachfolgend: RMVP) war für die Überwachung und Leitung der Kultur- und damit auch Theaterpolitik im Deutschen Reich verantwortlich. Die Abteilung IV überwachte das Personal, die Spielpläne und die finanziellen Förderungen.4 In den Tagen nach dem Anschluss wurde von Major Hubert Klausner, welcher Landesleiter der NSDAP in Österreich war, die Landeskulturkammer gegründet. Diese sollte die kulturellen Geschäfte provisorisch organisieren. Einen Tag darauf wurde das Reichspropagandaamt in Wien errichtet. Das Reichspropagandaamt war die österreichische Vertretung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, das von Joseph Goebbels geleitet wurde.5 Auf Gauebene wurden Entscheidungen vom Reichsstatthalter und dem Kulturamt getroffen.6 Schauspieler mussten Mitglied in der Reichstheaterkammer werden, ansonsten drohte ihnen ein Berufsverbot. Durch den Anschluss Österreichs wurden auch die österreichischen Theater dem NS-Theatergesetz unterworfen. Bühnenkünstler und Funktionäre waren damit von der Bürokratie des NS-Staates abhängig.7 Das Wiener Theatergesetz von 1930 wurde außer Kraft gesetzt.8

Die Vereine, Verbände und auch sonstige Gesellschaften wurden entweder aufgelöst oder mit Personal neu besetzt. Kommissarische Leiter übernahmen die Führung der meisten Verbände, so auch die privat geführten Theater.9 Diese Leiter waren mit der Gleichschaltung von Personal, der Verwaltung von Vermögen und der Entfernung der Juden und der „politisch Unzuverlässigen“ beauftragt. „Volljuden“ sollten unmittelbar aus den Berufen und ihren Ämtern ausscheiden.10 Die Gleichschaltung Österreichs und besonders der Kultur- und Theaterbetriebe waren unter dem Vorzeichen, zwei deutsche Staaten miteinander gleichzuschalten, von besonderer Relevanz. Zudem kam hinzu, dass sich die nationalsozialistischen Funktionäre ihrer Erfahrungen aus den Jahren 1933 und 1934 in Deutschland bedienen konnten, somit eine erfahrene Leitung in Österreich gezielter arbeiten konnte und Fehler im Vorfeld vermieden wurden.

Der Reichsstatthalter Seyß-Inquart und das Kulturamt kämpften um ihre Macht und Unabhängigkeit von Berlin. Im Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung stand die Verteilung der Theater. Die Staatsoper, das Burgtheater und die Museen konnten in die eigenständige Verwaltung des Reichsstatthalters gebracht werden.11

Die „Deutsche Arbeitsfront“, mit ihrer Freizeitorganisation, „Kraft durch Freude“, wurde nach dem Anschluss das erste Mal Theaterbetreiber.12 Diesen Erfolg konnte der Reichskommissar für die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“, Josef Bürckel, erzielen. Das Raimundtheater und das Deutsche Volkstheater wurden der Deutschen Arbeitsfront übergeben.

3.Theaterpolitik an den Theatern Wiens

Durch den Anschluss veränderte sich auch das Theaterpersonal. Im Burgtheater wurde der Theaterdirektor Hermann Röbbeling durch den NS-Schriftsteller Mirko Jelusich am 12.03.1938 abgesetzt. Das Akademietheater wurde nach dem Anschluss ebenfalls durch Jelusich unmittelbar geschlossen. Er kommentierte seine Handlung damit, dass „kein einziges Stück (gespielt wurde), das im erwachten Wien Interesse fände.“13 Bekannte Funktionäre, nicht arischer Abstammung, wurden beurlaubt. Darunter die Burgtheater- Schauspieler Fritz Strassny, Fritz Blum, Hans Wengraf und Lilly Karoly. Einige „Halbjuden oder jüdisch versippte“ durften aufgrund einer Sondergenehmigung ihrer Arbeit weiterhin nachgehen.

Die Burgtheaterintendanz wurde im laufenden Jahr 1938, am 14.06.1938, an Lothar Müthel, einem überzeugten Nationalsozialsten und Schriftsteller angetragen. Die Wiener Staatsoper mussten insgesamt über 30 Künstler verlassen. Der Direktor Dr. Erwin Kerber durfte vorerst tätig bleiben und wurde erst am 01.04.1940 durch einen reichsdeutschen Generalintendanten ersetzt.14

Das Theater in der Josefstadt wurde von Robert Valberg ab dem 20.03.1938 kommissarisch geleitet. Valberg beteiligte sich im März 1938 an Pogromen. So wurde der Theaterdirektor des Deutschen Volkstheaters, Robert Beer, von ihm und dem Schauspieler Erik Frey aus einer Vorstellung im Theater in der Josefstadt gelockt und von einer NS-Schlägertruppe in den Wald gefahren und dort misshandelt. Beer nahm sich in seiner Wohnung das Leben. Das halbe Ensemble wurde entfernt und entlassen. Hier sei der Theaterdirektor Ernst Lothar genannt. Später sollte Valberg anmerken, dass das Theater „arisiert sei“.15 Die Gauhauptstadt Wien kaufte sich über Aktienanteile die Mehrheit am Theater in der Josefstadt.

Das Deutsche Volkstheater wurde seit 1932 von Rolf Jahn als Direktor geleitet. Mit dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reichänderte er seine Theaterführung grundlegend. Noch am selben Tag entließ er alle jüdischen und „rassisch belasteten“ Schauspieler und Funktionäre. Da Jahn selbst jahrelang das Theater mitfinanzierte, hatte er vor allem ein persönliches Interesse daran, weiterhin Theaterdirektor zu bleiben. Daher bemühte er sich, ein gutes Beispiel für einen nationalsozialistischen Theaterdirektor zu sein. Auf den Spielplan setzte er verhältnismäßig viele NS-Tendenzstücke.16 Auf diese Weise wurde Jahn, nicht wie viele seiner Theaterkollegen, vom NS-Regime nicht direkt nach dem Anschluss entfernt, sondern durfte die Theaterdirektion weiterhin leiten. Im laufenden Jahr wurde Jahn durch Walter Bruno Iltz ersetzt. Jahns Bestrebungen blieben erfolglos.

Das Raimund-Theater wurde 1938 nach dem Anschluss an die Deutsche Arbeitsfront übergeben. Anschließend benannte man es in „Theater des Volkes“ um.17 Die Volksoper, das Deutsche Volkstheater und das Raimundtheater waren vor dem Anschluss im Besitz von Vereinen. Diese Vereine wurden durch die NS-Politik zur Auflösung gezwungen und mussten somit durch Enteignung ihre Theater abgeben. Der Intendant der Volksoper, Jean Ernest musste seinen Posten räumen und wurde ebenfalls ersetzt.18

Ähnliche Entwicklungen gab es an dem Theater an der Wien. Der Pächter und Direktor Arthur Hellmer musste bereits am 17.03.1938 seinen Posten räumen, da er jüdischer Herkunft war.19

Im Jahre 1939 war die gesamte Wiener Theaterlandschaft in der Hand des Staates, der Stadt oder der Deutschen Arbeitsfront. Dennoch bemühten sich Privatpersonen und Investoren intensiv, Privattheater führen zu dürfen. Mit Erfolg: in den Jahren nach dem Anschluss wurden Privattheater neu eröffnet und sogar genehmigt.20

[...]


1 Schreiner: Nationalsozialistische Kulturpolitik, S. 106.

2 Ebenda, S. 106.

3 Ebenda, S. 106.

4 Ebenda. S. 107.

5 Ebenda. S. 106.

6 Ebenda. S. 108.

7 Schreiner: Nationalsozialistische Kulturpolitik, S. 108.

8 Ebenda, S. 108.

9 Ebenda, S. 106.

10 Ebenda, S. 106.

11 Ebenda, S. 108.

12 Ebenda, S. 114.

13 Rischbieter, NS Theaterpolitik, S. 258.

14 Ebenda, S. 260.

15 Ebenda, S. 262.

16 Rischbieter, NS Theaterpolitik, S. 262.

17 Ebenda, S. 264.

18 Ebenda, S. 264.

19 Ebenda, S. 264.

20 Ebenda. S. 264.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
NS-Theaterpolitik und das Wiener Theater nach dem Anschluss Österreichs
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltung
Nationalsozialistische Theaterpolitik: Deutschland und Österreich im Vergleich
Note
2,30
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V356321
ISBN (eBook)
9783668420960
ISBN (Buch)
9783668420977
Dateigröße
744 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NS Theater, Theaterpolitik, Nationalsozialismus, Anschluss, Deutsches Reich, Wiener Theater
Arbeit zitieren
Yannick Noe (Autor:in), 2016, NS-Theaterpolitik und das Wiener Theater nach dem Anschluss Österreichs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356321

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