Empirische Studie zur Angst und Angstkontrolle im Gerätturnen


Diplomarbeit, 2010

133 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Zur Angst im Gerätturnen
2.1 Psychologie der Emotionen
2.1.1 Definitionsansätze von Emotionen
2.1.2 Begriffe im Umfeld von Emotionen
2.1.3 Klassifikationsmöglichkeiten
2.1.4 F unktion von Emotionen
2.1.5 Entstehung von Emotionen
2.1.6 Emotionalität im Sport
2.2 Zur Theorie der Angst
2.2.1 Definitionsansätze von Angst
2.2.2 Unterscheidung zwischen Angst und Ängstlichkeit
2.2.3 Unterscheidung zwischen Angst und Furcht
2.2.4 Formen von Angst
2.2.4.1 Angeborene und erworbene Ängste
2.2.4.2 Angepasste und unangepasste Ängste
2.2.4.3 Erwartungsängste
2.2.4.4 Soziale Ängste
2.2.4.5 Angstkonflikt
2.2.4.6 Verletzungsangst
2.2.4.7 Angst vor Blamage
2.2.4.8 Angst vor dem Unbekannten
2.2.4.9 Angst vor Misserfolg
2.2.5 Theorien zur Entstehung von Angst
2.2.5.1 Psychoanalytischer Ansatz
2.2.5.2 Lern- und verhaltenstheoretischer Ansatz
2.2.5.3 Kognitionstheoretischer Ansatz
2.2.6 Funktion der Angst
2.2.7 Zusammenhang zwischen Angst und Leistung
2.2.8 Angstmessung
2.2.8.1 Die physiologische Ebene
2.2.8.2 Die motorische Ebene
2.2.8.3 Die verbal-subjektive Ebene
2.3 Angst und Angstkontrolle im Sport
2.3.1 Naive Techniken der Angstkontrolle
2.3.1.1 Naive Selbstbeeinflussungstechniken
2.3.1.2 Naive Fremdbeeinflussungstechniken
2.3.2 Wissenschaftliche Verfahren
2.3.3 Weitere Maßnahmen zum Angstabbau
2.3.4 Angst und Angstkontrolle im Gerätturnen
2.4 Spezifische Fragestellung

3. Methodik
3.1 Untersuchungsverfahren
3.1.1 Erlebenshäufigkeit ausgewählter Emotionen
3.1.2 Spezifisches Angsterleben an den einzelnen Geräten
3.1.3 Spezifisches Angsterleben in Training und Wettkampf
3.1.4 Angstkontrolle in Training und Wettkampf
3.2 Untersuchungspersonen
3.2.1 Gesamtgruppe
3.2.2 Jüngere und ältere Turner
3.2.3 Stichprobe der Turnerinnen aus Siebelist (2008)
3.3 Untersuchungsdurchführung
3.4 Untersuchungsauswertung

4. Darstellung und Diskussion der Ergebnisse
4.1 Angst und Angstkontrolle in der Gesamtgruppe
4.1.1 Erlebenshäufigkeit ausgewählter Emotionen
4.1.2 Spezifisches Angsterleben an den einzelnen Geräten
4.1.3 Spezifisches Angsterleben in Training und Wettkampf
4.1.4 Angstkontrolle in Training und Wettkampf
4.2 Vergleich der Angst und Angstkontrolle zwischen jüngeren und älteren Turnern
4.2.1 Erlebenshäufigkeit ausgewählter Emotionen
4.2.2 Spezifisches Angsterleben an den einzelnen Geräten
4.2.3 Spezifisches Angsterleben in Training und Wettkampf
4.2.4 Angstkontrolle in Training und Wettkampf
4.3 Vergleich verschiedener Aspekte zwischen Turnern und Turnerinnen
4.3.1 Erlebenshäufigkeit ausgewählter Emotionen
4.3.2 Spezifisches Angsterleben an den einzelnen Geräten
4.3.3 Spezifisches Angsterleben in Training und Wettkampf
4.4.4 Angstkontrolle in Training und Wettkampf

5. Zusammenfassung

6. Literatur

7. Anhang

Danksagung

Tabellenverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Problemstellung

Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens Situationen erfahren, die mit dem Gefühl der Angst verbunden sind. Die Angst kann demzufolge als eine Alltagserscheinung betrachtet werden. Jedoch wird sich häufig nur unzureichend mit dem Phänomen der Angst auseinan­dergesetzt. Auch im Sportbereich spielen Angstgefühle eine nicht zu verachtende Rolle. Um ein dauerhaftes Sportinteresse bei Sportlern und Schülern zu wecken, bedarf es eines fundier­ten Wissens darüber, was Angst eigentlich ist, welche Formen es gibt, wie sie entstehen kann, welche Möglichkeiten es gibt die Angst zu erkennen und wie der Angst entgegengewirkt werden kann etc. Diese und weitere Aspekte werden im folgenden theoretischen Teil der Ar­beit explizit behandelt.

Gerade der exemplarische Lernbereich Gerätturnen bietet die Möglichkeit, sich mit angstbe­setzten Situationen auseinanderzusetzen und die Angst überwinden zu lernen.

Der Thüringer Lehrplan beispielsweise macht für den Lehrbereich Gerätturnen konkrete An­gaben. Diese besagen, dass ein Beitrag zur Kompetenzentwicklung dadurch geleistet wird, dass die Schüler „[...] Ängste überwinden und dabei ein kalkulierbares Risiko einschätzen lernen“ (Thüringer Kultusministerium 1999, S. 20). Somit sollte es nicht das Ziel sein, den Sport bzw. Sportunterricht stets angstfrei zu gestalten.

Angst kann dazu führen, dass Sportler und Schüler sich neuen Bewegungsanforderungen verweigern. Somit bleibt ihre Bewegungskompetenz eingeschränkt. Darüber hinaus können die positiven Erlebnisqualitäten von Bewegung, Spiel und Sport verschlossen bleiben (vgl. Klupsch-Sahlmann & Kottmann, 1992, S. 8). Gerade deswegen scheint es bedeutsam, als Trainer und Lehrer verschiedene methodische und pädagogische Maßnahmen zu kennen, um Angstgefühlen entgegenwirken zu können. Diesbezüglich werden in dieser Arbeit eine Reihe von Möglichkeiten vorgestellt.

Auf Grundlage eines Fragebogens wird in der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit der Frage nachgegangen, welche Geräte bei den Turnern besonders Angst auslösen. Die Vermu­tung ist hierbei, dass das Reck, welches auch als „Königsgerät“ bekannt ist, ein stärkeres Angstempfinden hervorruft, als andere Geräte. In diesem Rahmen ist weiterhin zu analysie­ren, inwieweit verschiedene allgemeine Trainings- und Wettkampfbedingungen angstauslö- send wirken und welche Maßnahmen Sportler ergreifen, um ihre Angstgefühle zu kontrollie­ren.

2. Zur Angst im Gerätturnen

Der theoretische Teil der wissenschaftlichen Arbeit setzt sich zunächst allgemein mit Emotio­nen auseinander. Anschließend wird speziell auf die Emotion „ Angst“ eingegangen und ein umfangreicher Überblick über dieses Phänomen gegeben.

2.1 Psychologie der Emotionen

In diesem Kapitel werden verschiedene Definitionsansätze vorgestellt, die eine weitläufige Übersicht darüber geben sollen, was unter einer Emotion zu verstehen ist. Darüber hinaus werden Termini im Umfeld der Emotionen, Klassifikationen, Funktion, Entstehung und Emo­tionserscheinungen im Sport näher erläutert.

2.1.1 Definitionsansätze von Emotionen

Eingangs ist auf Euler und Mandl (1983, S. 6f.) zu verweisen, die Folgendes anmerken:

„Die Schwierigkeit der wissenschaftlichen Psychologie, zu einer einheitlichen Definition von Emotion zu kommen, besteht darin, daß emotionale Prozesse und Zustände komplex sind und von vielen Gesichtspunkten aus analysiert werden können.“

Weiterhin bemerken Carlson und Hatfield (1992, S. 5), dass Psychologen dazu tendieren, in ihrer Definition die Aspekte zu betonen, die sie interessieren.

In diesem Zusammenhang sind Kleinginna und Kleinginna (1981) zu nennen, die aus ihrer Analyse von über einhundert Definitionen aus einschlägigen Spezialwerken, Wörterbüchern und Einführungstexten nachstehende Arbeitsdefinition vorschlagen:

„Emotion ist ein komplexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Fakto­ren, das von neuronal/hormonalen Systemen vermittelt wird, die a) affektive Er­fahrungen, wie Gefühle der Erregung oder Lust/Unlust bewirken können; b) kog­nitive Prozesse, wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertungen, Klassifikationsprozesse, hervorrufen können; c) ausgedehnte physiologische An­passungen an die erregungsauslösenden Bedingungen in Gang setzen können; d) zu Verhalten führen können, welches oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv ist“ (Übersetzung von Euler & Mandl, 1983, S. 7f.).

In Anbetracht der Tatsache, dass es keine allgemein geteilte Definition von Emotionen gibt, eine ungefähre Charakterisierung aber notwendig ist, um das Forschungsgebiet grob abzu­grenzen, empfehlen Meyer, Schützwohl und Reisenzein (1993, S. 23f.) folgende Arbeitsdefi­nition:

„1. Emotionen sind Vorkommnisse von zum Beispiel Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst, Mitleid, Enttäuschung, Erleichterung, Stolz, Scham, Schuld, Neid sowie von weiteren Arten von Zuständen, die den genannten genügend ähnlich sind.

2. Diese Phänomene haben folgende Merkmale gemeinsam: (a) Sie sind aktuelle Zustände von Personen; (b) sie unterscheiden sich nach Art oder Qualität und In­tensität; (c) sie sind in der Regel objektgerichtet; (d) Personen, die sich in einem der genannten Zustände befinden, haben normalerweise ein charakteristisches Er- leben (Erlebensaspekt von Emotionen), und häufig treten auch bestimmte physio­logische Veränderungen (physiologischer Aspekt von Emotionen) und Verhal­tensweisen (Verhaltensaspekt von Emotionen) auf.“

Weiterhin ist Schmidt-Atzert (1996, S. 21) zu nennen, der das Phänomen Emotion ebenfalls über eine Arbeitsdefinition kennzeichnet. Er charakterisiert Emotion als einen qualitativ näher beschreibbaren Zustand, der mit Veränderungen auf einer oder mehreren der folgenden Ebe­nen einhergeht: Gefühl, körperlicher Zustand und Ausdruck. Er weist darauf hin, dass die Komponenten in der Regel nur schwach kovariieren. Deshalb müssen beim Vorhandensein einer Emotion nicht zwingend Veränderungen auf allen drei Ebenen auftreten.

Oatley und Jenkins (1996) beschreiben in ihrer Definition, dass eine Emotion in der Regel dann auftritt, wenn ein Individuum ein Ereignis als bedeutsam bewertet. Das Kernstück einer Emotion ist die Handlungsbereitschaft und das Anbieten von Handlungsplänen. Darüber hin­aus haben Handlungen, denen eine Emotion Dringlichkeit verleiht, Vorrang. Demzufolge kann sie andere Handlungen und Prozesse unterbinden oder mit ihnen in Konkurrenz treten. Eine Emotion wird im Allgemeinen als ein mentaler Zustand erlebt, der gelegentlich mit Aus­druckserscheinungen, körperlichen Veränderungen und Handlungen einhergeht (vgl. Merten, 2003, S. 14).

Izard (1994, S. 35) betrachtet Emotion als einen veränderten oder besonderen Zustand des Bewusstseins. Sie kann verhältnismäßig unabhängig von anderen Bewusstseinszuständen vorkommen, aber normalerweise wechselwirkt sie mit anderen, simultan bestehenden Zustän­den oder Prozessen im Bewusstsein und beeinflusst diese.

Ebenfalls ist auf Teipel, Heinemann und Kemper (2001, S. 1) zu verweisen, die Emotion als einen spezifischen Bewusstseinszustand kennzeichnen. Des Weiteren lässt sie sich durch eine wertende Einschätzung, einen Aktivierungsvorgang und einen komplexen organisierten Handlungsablauf charakteri si eren.

Im weiteren Verlauf werden nun solche Begrifflichkeiten thematisiert, die im Umfeld von Emotionen stehen.

2.1.2 Begriffe im Umfeld von Emotionen

Euler und Mandl (1983, S. 5) verweisen auf das terminologische Problem bei der Verwen­dung der Begriffe „Gefühl“ und „Emotion“. So ist für den einen Autor „Gefühl“ ein Synonym für „Emotion“, für den anderen kennzeichnet „Gefühl“ wiederum die subjektive Erlebni s- komponente der Emotion.

Es bestehen weiterhin Unstimmigkeiten, wenn die Begriffe „Emotion“, „Affekt“ und „Stim­mung“ gegenübergestellt werden. Im Vergleich zur deutschsprachigen Literatur, in der „Af­fekt“ oftmals als besonders intensiver emotionaler Zustand beschrieben wird, stellt er in der englischsprachigen Fachliteratur häufig ein Synonym für „Emotion“ dar oder wird als Ober­begriff verwendet, der neben Emotionen noch andere Arten von Phänomenen wie z. B. Stim-mungen umfasst. Im Laufe der Zeit sind eine Vielfalt von Kriterien vorgeschlagen worden, um eine Trennlinie zwischen Emotionen und Stimmungen zu ziehen. Demzufolge sollen sich Stimmungen (z. B. gut gelaunt, gereizt) von Emotionen durch eine geringere Intensität, eine längere Dauer und der Abstinenz von Objektgerichtetheit unterscheiden. Diese Unterschei­dungsmerkmale erweisen sich allerdings bei genauerer Analyse als fragwürdig. Die Definiti­on von Stimmungen und deren allgemeingültige Abgrenzung von Emotionen stellt ein Prob­lem dar, und es ist bis heute noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden worden (vgl. Meyer et. al., 1993, S. 33f.).

Die Notwendigkeit, Gefühlsregungen von Stimmungen zu unterscheiden, spricht Ewert (1983, S. 399ff.) an. In seinen Ausführungen geht er auch auf Erlebnistönungen ein, die eben­so von Gefühlsregungen abzugrenzen sind. Erlebnistönungen haben in dieser Hinsicht wie Stimmungen „Grund“-Charakter, während sich Gefühlsregungen vielmehr als „Figuren“ ge­gen einen „Grund“ von Stimmungen und Erlebnistönungen abheben lassen. Ferner werden Stimmungen als atmosphärisch-diffus und ungegliedert beschrieben. Zudem geben sie als relativ überdauernder emotionaler Hintergrund den aktuellen Erfahrungen eine gewisse Fär­bung. Im Vergleich zu Stimmungen, die durch eine größere zeitliche Erstreckung gekenn­zeichnet sind und über Stunden bis hin zu Tagen persistieren können, sind Gefühlsregungen meist von kurzer Dauer. Darüber hinaus haben letztere einen „Einsatz“, entfalten sich und verklingen.

2.1.3 Klassifizierungsmöglichkeiten

Bereits der Psychologe Wundt (1909, S. 100) hatte eine Unterscheidung von drei Hauptdi­mensionen der Gefühle („ Lust-Unlust“, „Erregung-Beruhigung“, „Spannung-Lösung“) vor­genommen, mittels derer die Gesamtheit der Gefühle eingeordnet werden können.

In Anlehnung an James Russell (1980) können Emotionen nach folgenden zwei Merkmalen (Dimensionen) geordnet werden: nach dem Ausmaß, in dem ein Gefühl als angenehm oder unangenehm erfahren wird und nach der Intensität des Erlebens. Somit lassen sich vier Arten von Emotionen unterscheiden: angenehm-intensive, angenehm-schwache, unangenehm­intensive und unangenehm-schwache Emotionen. Aufgrund der Ergebnisse einer Untersu­chung von Russel (1980) lassen sich 26 Gefühlserlebnisse in eine Ordnung bringen. Diese Anordnung veranschaulicht Abbildung 2.1 (vgl. Mietzel, 2005, S. 409).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1 Ordnung von Gefühlserlebnissen nach Russell (1980).

Schmidt-Atzert (2000, S. 40) bemerkt, dass dieses Modell eine hohe Plausibilität besitzt und durch viele empirische Befunde gestützt wird. Dennoch ist der Nutzen des Modells be­schränkt, weil dessen zwei Dimensionen nicht ausreichen, um Emotionen zufriedenstellend differenzieren zu können.

Ein weiterer Ansatz, Emotionen zu ordnen, ist es, Basisemotionen festzulegen, aus denen sich weitere Emotionen ableiten lassen (vgl. Schmidt-Atzert, 2000, S. 30). „Es scheint verführ e- risch, sich - angeregt von den Farbtheorien in der Wahrnehmungspsychologie - zu fragen, ob es in Entsprechung zu Grundfarben ebenso Grundemotionen gibt.“ (Mietzel, 2005, S. 406f.) Wie Ulich und Mayring (1992, S. 131f.) herausstellen, werden Basisemotionen oftmals aus der phylo- und/ oder ontogenetischen Entwicklung hergeleitet. Die letzteren Autoren heben in ihren Überlegungen Ortony und Turner (1990) hervor, die verschiedene Versuche zusam­mengefasst haben, Primäremotionen zu formulieren. Tabelle 2.1 illustriert diverse Konzepte von Basisemotionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1. Unterschiedliche Konzepte von Basisemotionen modifiziert nach Ortony & Turner (1990).

Es ist ersichtlich, dass die jeweiligen Autoren zu gänzlich unterschiedlichen Auflistungen kommen, wobei auch die Bestimmungskriterien sehr verschieden sind. Aufgrund der man­gelnden Übereinstimmung verwerfen Ulich und Mayring (1992, S. 133) diesen Ansatz als ebenso irreführend wie die Frage nach Basistieren, Basissprachen oder Basismenschen.

Schmidt-Atzert (2000, S. 32) vertritt bezüglich der Grundemotionen nachstehenden Stand­punkt:

„Der Versuch, in Analogie zu den chemischen Elementen, aus denen sich eine immense Anzahl von chemischen Stoffen herleiten lässt, Grundemotionen zu fin­den, hat bislang zu keinem konsensfähigen Ergebnis geführt. Solche Denkansätze mögen heuristisch fruchtbar sein, sie können aufgrund ihrer inneren Unzuläng­lichkeiten aber vielleicht nie zu einer allgemein anerkannten Einteilung der Emo­tionen führen.“

Eine weitere Variante, Emotionen zu klassifizieren, zeigt Mees (1985, S. 10) auf. Er gliedert Emotionen in die Dimensionen „Beziehung“ „Empathie“ und „Ziel“, wobei zwischen den beiden erstgenannten Dimensionen und der Dimension „Ziel“ Unterschiede in der weiteren Aufgliederung bestehen. Demzufolge werden die beiden erstgenannten Dimensionen unmit­telbar nach positiven und negativen Emotionen unterteilt, während die Zieldimension zu­nächst in Bewertungs-, Erwartungs- und Attributionsemotionen sowie moralische Emotionen gruppiert werden. Anschließend werden diese ebenfalls in positiv und negativ eingeteilt.

Außerdem gelangten Ulich und Mayring (1992, S. 136f.) zu einer Liste von 24 Emotionen, die sie zur besseren Übersicht in vier Gruppen aufteilten (vgl. Tabelle 2.2). Hierbei wurden nur Emotionen herangezogen, zu denen es ausreichend psychologische Forschung gibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2. Liste von Emotionen nach Ulich & Mayring (1992, S. 138).

Izard (1994, S. 25) sieht eine allgemeine Unterteilung in positive und negative Emotionen im Großen und Ganzen als korrekt und brauchbar an, doch in Bezug auf Emotionen bedürfen die Begriffe positiv und negativ näherer Bestimmung. Unter diesem Gesichtspunkt können bei­spielsweise Furcht und Zorn nicht kategorisch als negativ oder positiv aufgefasst werden. Demnach korreliert Zorn ab und zu positiv mit Überleben, mit der Verteidigung und Auf­rechterhaltung persönlicher Integrität sowie dem Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit. Weiter­führend äußert sich der Autor folgendermaßen:

„Statt lediglich von positiven oder negativen Emotionen zu sprechen, ist es präzi­ser, zu sagen, daß es einige Emotionen gibt, die leicht zu psychologischer Entro­pie führen und andere, die eher konstruktives Verhalten oder die Umkehrung von Entropie fördern. Ob eine bestimmte Emotion in diesem Sinne positiv oder nega­tiv ist, hängt ab von intraindividuellen Prozessen zwischen Person und Umgebung wie auch von allgemeineren ethologischen und ökologischen Bedingungen“ (Izard, 1994, S. 25).

Allerdings werden aus praktischen Gründen die Begrifflichkeiten „positiv“ und „negativ“ verwendet, um Emotionen in Klassen einzuordnen mit eher bzw. weniger wahrscheinlichen negativen Konsequenzen (ebd., S. 26).

Dieser Abschnitt hat Klassifikationsmöglichkeiten von Emotionen näher aufgezeigt. Es ist deutlich geworden, dass die Ansätze, Emotionen zu ordnen in unterschiedliche Richtungen gehen.

2.1.4 Funktion von Emotionen

Eingangs ist Schlattmann (1991, S. 79) zu erwähnen, der in seinen Ausführungen verschiede­ne Autorenansichten beschreibt. Einerseits geht z. B. Mandler (1979) davon aus, dass Emoti­onen laufende Verhaltensabläufe unterbrechen, wohingegen Scherer (1982a) annimmt, dass derartige Unterbrechungen nur bei extremen und meist negativen Emotionen auftreten.

Thomas (1995, S. 285) äußert sich bezüglich der handlungsregulierenden Funktion emotiona­ler Prozesse folgendermaßen:

„Emotionale Prozesse können das Handeln positiv bestimmen, sie können aktivie­ren und die Handlungsaktivität so steuern, dass sie einen positiven Beitrag zur Zielerreichung liefern. Emotionen können aber einen geordneten, zielgerichteten Handlungsablauf auch stören, behindern oder, wenn sie massiv auftreten, zusam­menbrechen lassen.“

Ebenso bemerkt Allmer (2000, S. 577), dass Emotionen eine handlungsregulierende Funktion zuzuschreiben ist.

Demgegenüber sind Ulich (1989, S. 38) zufolge Emotionen „selbstgenügsam“ und b edürfen keiner Zwecke außerhalb ihrer selbst. Darüber hinaus differenziert er zwischen „Zustands - Charakter“ und „Signal-Charakter“. Signalcharakter besitzen Gefühle, wenn sie z. B. auf posi­tive Anreize, Situationen oder auf Gefahren hinweisen. Im Gegensatz zum Zustandscharakter ist die Signalbedeutung jedoch nicht zwingend.

2.1.5 Entstehung von Emotionen

Grundsätzlich wissen Menschen, wodurch eine bestimmte Emotion initiiert wird, doch wie sie genaugenommen zustande kommt, wird dagegen kontrovers diskutiert. Dabei vertreten Wis­senschaftler verschiedene Auffassungen (vgl. Izard, 1994, S. 20).

Mit Verweis darauf, dass sich die Erklärungsversuche grob in zwei Gruppen gliedern lassen, wird in der einen Gruppe von Erklärungsansätzen versucht, Emotionen auf andere Variablen zurückzuführen. Diesbezüglich vertreten diverse Autoren die Ansicht, dass auf die Wahrneh­mung emotionsauslösender Reize kognitive Prozesse folgen, die dafür verantwortlich sind, mit welchen Emotionen das Individuum reagiert. Die andere Gruppe von Erklärungsversu­chen legt nahe, dass eine Teilkomponente (z.B. Erlebensaspekt) auf eine andere (z.B. Aus­drucksaspekt) zurückgeführt wird (vgl. Schmidt-Atzert, 1996, S. 27f.).

Ulich und Mayring (1992, S. 81) sehen den Erklärungswert verschiedener Theorien zur Aktualgenese von Emotionen als nicht ausreichend fundiert an. Demzufolge entwickelten die Autoren ein Komponenten-Modell der Aktualgenese. Ganz allgemein verstehen die Psycho­logen Ulich und Mayring (ebd., S. 83) unter Aktualgenese einer Gefühlsregung die Generie­rung der emotionalen Bedeutung eines Ereignisses.

Sie postulieren, dass an der Entstehung einer aktuellen Gefühlsregung das Ereignis, der situa­tive Kontext, die Momentanverfassung einer Person und emotionale Schemata beteiligt sind. Aus der individuumspezifischen Interaktion dieser vier Komponenten geht die aktuelle Ge­fühlsregung hervor. Die Abbildung 2.2 verdeutlicht diese Wechselbeziehung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2. Entstehung einer aktuellen Gefühlsregung nach Ulich & Mayring (1992, S. 83).

Zur besseren Verdeutlichung des Modells der Aktualgenese werden die einzelnen Komponen­ten nun mit einem Beispiel unterlegt:

1. Ereignis im Sinne von Veränderungen der „inneren“ oder „äußeren“ Situation (Bsp. : Ein Kind wird in den Kindergarten gebracht und die Mutter verabschiedet sich.)
2. Die vorherrschende Situation/Kontext (Bsp.: Das Kind findet sich in einer nicht vertrauten Umgebung wieder.)
3. Die Momentanverfassung der Person (Bsp.: Das Kind ist noch geschwächt wegen einer gerade überstandenen Erkältung.)
4. Je nachdem, über welche emotionalen Schemata eine Person zu einem bestimmten Zeit­punkt verfügt, verleiht sie Ereignissen eine entsprechende Bedeutung (Bsp.: Vergangene Trennungserlebnisse haben das Kind für Trennungsereignisse äußerst sensibel werden las­sen. Es hat Angst-Schemata entwickelt. Ist ein Ereignis in diese Schemata involviert, ent­steht augenblicklich das Gefühl des Bedrohtseins.) (vgl., ebd., S. 51).

2.1.6 Emotionalität im Sport

Eingangs ist Thomas (1995, S. 288f.) zu nennen, der darauf verweist, dass Sport an sich ein Handlungsfeld darstellt, das reich an emotionalen Prozessen ist und in dem Emotionen eine extrem hohe Intensität erreichen können. Dies trifft gleichermaßen für den Leistungssport als auch für den Schul- und Freizeitsport zu. Ein „heiß ersehnter“ Sieg oder eine langerwünschte erfolgreiche Bewegung rufen beim Schüler vergleichbar starke Emotionen der Freude hervor wie beim Wettkampfsportler.

Allmer (2000, S. 576) betont, dass Emotionen in vielfacher Hinsicht das sportliche Geschehen prägen. Ausgelassene Freudentänze nach Erfolg, Enttäuschung und Niedergeschlagenheit nach Misserfolg, Ärger über vergebene Chancen oder Schiedsrichterentscheidungen, die ins Gesicht geschriebene Erleichterung nach einem überstandenen Sturz sind eine Reihe von Bei­spielen für Emotionen, welche die Sportler erfassen und überwältigen. In gleicher Weise er­greifen diese Emotionen die am Sportgeschehen unbeteiligten Zuschauer.

Ferner liegen Risikosportarten im Trend, die von Sportlern aufgesucht werden aufgrund ihrer starken emotionalen Anziehungskraft, atemberaubende, außergewöhnliche Emotionen eigens zu produzieren und zu arrangieren.

Ein charakteristisches Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Angst beim Fallschirmsprin­gen, erfasst in einer Studie von Epstein und Fenz (1965), auf die sich Kerr (1997, S. 58) be­zieht. Hierbei wurden Anfänger und Fortgeschrittene verglichen. Bei den Novizen hatte sich die größte Angst eine Woche vor dem Sprung aufgebaut und erreichte den Höhepunkt kurz vor dem Fallschirmsprung, als das Startsignal gegeben wurde. Im Gegensatz dazu wurde bei den fortgeschrittenen Springern die größte Angst am Morgen vorher erfasst, mit anschließen­dem Abfall bis sie das Flugzeug verließen. Als die erfahrenen Fallschirmspringer den Fall­schirm öffneten, stieg das Angstlevel und erhöhte sich nachfolgend immer weiter.

Im weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Arbeit wird nun präziser auf die Emotion „Angst“ eingegangen.

2.2 Zur Theorie der Angst

Angst ist ein Phänomen mit vielen Facetten. Dies zeigen schon die verschiedenen Definitio­nen, die beim Betrachten der umfangreichen Literatur zum Vorschein kommen. Nachfolgend werden einige Definitionsansätze vorgestellt, die einen vielseitigen Überblick über den Be­griff Angst geben sollen. Im Anschluss erfolgt eine begriffliche Auseinandersetzung mit den Termini im Umfeld der Angst und es wird explizit auf verschiedene Formen der Angst einge­gangen. Weiterhin werden diverse wissenschaftliche Angsttheorien, die Funktion der Angst, der Zusammenhang zwischen Angst und Leistung sowie die Angstmessung thematisiert.

2.2.1 Definitionsansätze von Angst

Angst kann allgemein definiert werden als „ein unangenehmes Gefühl, das in Situ ationen auf­tritt, die als bedrohlich eingeschätzt werden“ (vgl. Schwarzer, 1993, S. 88).

Hierbei bestehen in der Einschätzung dessen, was als bedrohlich empfunden wird, individuel­le Unterschiede (ebd.).

Im Sportlexikon ist Angst die „Bezeichnung für eine Reihe komplexer emotionaler Zustände, die aufgrund realer oder vermuteter Bedrohungen durch äußere oder innere Faktoren verur­sacht und mit Begriffen wie Erregung, Beengung [...] beschrieben werden“ (vgl. Röthig, 1992, S. 33).

In ähnlicher Weise äußert sich Baumann (1998, S. 225). Er beschreibt Angst als einen negati­ven emotionalen Zustand, der durch Unlust, starke Erregung, Überforderung, übergroße Spannung oder Bedrohung gekennzeichnet ist.

Zischang (1979, S. 239) betont, dass Angst immer dann herrscht, „wenn [...] der einzelne eine Situation als bedrohlich und gefährlich einschätzt und über keine effektive Bewälti­gungsmöglichkeit verfügt [...]“. Dabei ist neben der gegenwärtigen Situation auch die rele­vante Vergangenheit involviert.

Pawlow (1953) betont in seiner Begriffsbestimmung den physiologischen Aspekt der Angst. Demnach ist Angst als Reaktion zu verstehen, die durch Stimulierung des Zentrums der pas­siven Schutzreflexe aktiviert wird (vgl. Vanek, 1954, S. 739).

Des Weiteren ist auf Hackfort und Schwenkmezger (1985, S. 19) zu verweisen, die sich wie folgt äußern:

„Angst ist eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefah­rensituation bzw. auf die Erwartung einer Gefahren- oder Bedrohungssituation.

Als kognitive Merkmale sind subjektive Bewertungsprozesse und auf die eigene Person bezogene Gedanken anzuführen [...]. Emotionales Merkmal ist die als u n- angenehm erlebte Erregung, die sich auch in physiologischen Veränderungen ma­nifestieren und mit Verhaltensänderungen einhergehen kann.“

Im Vergleich zu den vorherigen Begriffsbestimmungen ist diese sehr ausführlich und schließt die Aspekte in den zuvor genannten Definitionen allesamt ein.

2.2.2 Unterscheidung zwischen Angst und Ängstlichkeit

Bei der weiteren Auseinandersetzung mit dem Phänomen Angst ist es sinnvoll, zwischen Angst als Zustand und Ängstlichkeit als Persönlichkeitsmerkmal zu differenzieren. Für den Terminus Ängstlichkeit werden auch die Synonyme „Eigenschaftsangst“ oder „trait anxiety“ verwendet und analog dazu für Angst als Zustand die Begriffe „Zustandsangst“, „Angstrea k- tion“ oder „state anxiety“ (vgl. Stöber & Schwarzer, 2000, S. 190).

„Eigenschaftsangst“ stellt eine überdauernde Disposition einer Person dar, relativ häufi g auf Situationen mit Zustandsangst zu reagieren (vgl. Sörensen, 1994, S. 6; Stöber & Schwarzer, 2000, S. 190). Bereits bei objektiv harmlosen Anlässen bildet sich eine übersteigerte Angst (vgl. Schnabel & Thieß 1993, S. 59). Ferner wird Ängstlichkeit von Sörensen (1994, S. 6) durch eine geringere Intensität und ungewisser Dauer beschrieben.

„Nach Spielberger (1972), übernimmt damit die Eigenschaftsangst in stressrelevanten Situat i­onen die Funktion einer intervenierenden Variablen, die als aktuelle Reaktion Zustandsangst entstehen lässt“ (vgl. Schack, 1997, S. 6).

„Zustandsangst“ wird als Reaktion auf eine gefährliche Situation ausgelöst. Diese vergeht jedoch wieder, wenn diese Situation das Individuum nicht mehr bedroht (vgl. Vormbrock, 1981, S. 457; Stöber & Schwarzer, 2000, S. 190). Die Angstreaktion fällt hierbei umso stärker aus, je bedrohlicher die Situation eingeschätzt wird (vgl. Schwarzer, 1993, S. 91). Beschrie­ben wird dieser Zustand durch bewusst empfundene Gefühle der Spannung. Diese Gefühle gehen mit einer erhöhten Aktivität des autonomen Nervensystems einher (vgl. Schwenkmez- ger, 1985, S. 12). Im Gegensatz zur Ängstlichkeit ist die Zustandsangst von starker Intensität und kurzer Dauer (vgl. Sörensen, 1994, S. 6). Diesbezüglich ist Spielberger (1972) zu nennen, der bemerkt, dass die Intensität der Zustandsangst von der Zeit und Situation abhängig ist und somit stark variiert (vgl. Schack, 1997, S. 6).

2.2.3 Unterscheidung zwischen Angst und Furcht

Walter von Baeyer und Wanda von Bayer-Katte (1973, S. 23) beschreiben in ihren Ausfüh­rungen, dass philosophisch-theologische Autoren, wie z.B. Kierkegaard Angst und Furcht unterscheiden. Angst wird hierbei als eine objektlose Emotion aufgefasst. Darüber hinaus ist sie unbestimmt und anonym. Demgegenüber bezeichnet Furcht die bestimmte, auf eine ge­fährliche Situation oder einen bedrohlichen Gegenstand, benennbare, entsprechend motivierte Gefühlslage.

Das Fehlen von Objektgerichtetheit als Unterscheidungskriterium zwischen Angst und Furcht heranzuziehen, kritisiert Baumann (1993, S. 238). Sie bemerkt, dass auch Angst immer auf etwas bezogen ist, häufig kennt der Angsterfahrende den Gegenstand seiner Angst nur nicht bzw. nicht mehr. Es ist somit sinnvoller, das Unwissen über die Auslöser als Unterschei­dungsmerkmal zu wählen.

Krohne (1975, S. 11) ordnet der Angst die drei Merkmale Gefahrenreize, Unsicherheits- bzw. Mehrdeutigkeitserlebnis und Reaktionsblockierung zu. Die Reize sind im Fall der Angst komplex und mehrdeutig bzw. unbestimmt. Demzufolge sind die Individuen meist nicht in der Lage, in sinnvoller Weise auf die Gefahrenreize zu reagieren. Im Gegensatz dazu bezieht sich Furcht auf Situationen, in denen die Gefahrenquelle zweifelsfrei auszumachen ist. Zudem ist eine Fluchttendenz zu verzeichnen.

Einen zusammenfassenden Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Angst und Furcht bietet die Tabelle 2.3.

Tabelle 2.3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Angst und Furcht nach Rachman (2000,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den vorherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass in der Literatur Angst und Furcht oftmals getrennt betrachtet werden. Hierzu gibt es aber auch verschiedene Kritikpunkte, die nachfolgend dargestellt werden.

In der Theorie gelingt es besser, Angst und Furcht zu trennen als in der Praxis. In Bezug auf klinische Fragen ist es häufig nicht zweifelsfrei zu klären, ob das Kriterium einer fokussierten Bedrohung vorhanden ist (vgl. Rachman, 2000, S. 11). Boisen (1975, S. 7) spricht sich für eine synonyme Verwendung der beiden Termini Angst und Furcht aus. Sie begründet dies damit, dass die im Sportunterricht sich zeigende Angst meist gegenstandsgebunden ist. Klupsch-Sahlmann & Kottmann (1992, S. 7) erwähnen, dass in der Angstforschung Furcht und Angst oftmals nicht strikt von einander unterschieden werden. Dies spiegelt sich auch im allgemeinen Sprachgebrach wieder (vgl. Rachmann, 2000, S. 13).

Auch Walter von Baeyer und Wanda von Bayer-Katte (1973, S. 23f.) sprechen von einer zu­meist gleichbedeutenden Verwendung der Wörter Angst und Furcht. Manche Schriftsteller gebrauchen diese sogar im umgedrehten Sinn, so dass Furcht und nicht Angst die gegen­standslose Gestimmtheit einer nicht näher auszumachenden Gefahrensituation kennzeichnet.

In der vorliegenden Arbeit werden aufgrund dieser Gesichtspunkte die Begriffe Angst und Furcht gleichbedeutend verwendet.

2.2.4 Formen der Angst

Angst ist ein zum Leben zugehöriges Phänomen. Im folgenden Abschnitt werden verschiede­ne Ängste aufgezeigt. Dabei sind hauptsächlich die Ausführungen von Baumann (1993), Vormbrock (1981/82) und Boisen (1975) relevant.

2.2.4.1 Angeborene und erworbene Ängste

Angeborene Ängste kommen in solchen Situationen zum Vorschein, die für den Menschen eine existenzielle Bedrohung verkörpern. Dabei verfügt er über keinerlei Lernerfahrungen. Den angeborenen Ängsten stehen erworbene Ängste gegenüber. Der Großteil der Ängste wird nach lerntheoretischen und tiefenpsychologischen Ansätzen im Laufe des Lebens erworben. Diesem Ansatz kann abgewonnen werden, dass auch durchaus eine Umlenkung dieses Aneig­nungsprozesses vorstellbar ist (vgl. Baumann, 1993, S. 238f.).

2.2.4.2 Angepasste und unangepasste Ängste

Ängste, die objektiv unbegründet sind, werden als unangepasst bezeichnet, weil keine objek­tive Bedrohung besteht. Im Sport ist dies beispielsweise der Fall, wenn Sportler aus Angst vor dem Gegner ihre Normalleistung nicht erbringen. Unangepasste Ängste werden häufig mit schmerzlichen Erfahrungen in Verbindung gebracht. Ein Kind, das beim Vorführen eines Elementes von der Reckstange stürzte und daraufhin ausgelacht wurde, wird zukünftig versu­chen diese blamable Situation zu meiden, obwohl es objektiv in der Lage wäre, eine fehlerlo­se Darbietung zu zeigen (vgl. Baumann, 1993, S. 243f.).

Im Gegensatz dazu stehen die angepassten Ängste, die von einer tatsächlichen Gefahr ausge­hen (z. B. risikobehaftete Geräte, diffiziles Gelände oder zu anspruchsvolle Aufgabenstel­lung). In Anlehnung an Baumann (1993, S. 243) sind diese Ängste „[...] rational begreiflich, realistisch zu begründen [...]“.

Im Sport, z.B. im Gerätturnen, ist es nicht einfach, zwischen angepassten und unangepassten Ängsten zu differenzieren. Um ein begründbares Urteil fällen zu können, müssen erst die in­dividuellen Fähigkeiten und Voraussetzungen abgewogen werden (vgl. Baumann, 1993, S. 243).

2.2.4.3 Erwartungsängste

Der Großteil der Ängste im Sport resultiert aus der gedanklichen Vorwegnahme angstinduzie­render Situationen und Erlebnisse. Solche Bedrohungen können sozialer Art sein (z. B. die Möglichkeit, sich zu blamieren), durch die eigene Person bedingt sein (z.B. wenn die Gefahr existiert, dass selbstgesteckte Ziele nicht zu realisieren sind) oder durch materielle Faktoren herbeigeführt werden (z.B. die Angst des Sportlers, keine Prämie zu bekommen). „Erwartungsangst gründet letztendlich in der Antizipation subjektiv erlebter unlustvoller, hilf­loser, diffamierender oder gefährlicher Situationen“ (Baumann, 1993, S. 244). Erwartung s- ängste zeichnen sich durch Gedanken wie: „Was ist, wenn ich wieder verliere?“ oder „Wenn ich wieder Angst bekomme, schaffe ich es sowieso nic ht!“ aus. In der Vergangenheit erfahr e­ne, angstauslösende Erlebnisse stehen in Beziehung mit der Erwartungsangst. Demzufolge tritt sie auf, wenn zukünftige Situationen Ähnlichkeiten mit vergangenen Ereignissen aufzei­gen. So gesehen kann von „Angst vor der Angst“ gesprochen werden. Diese Angst kann in­folge der mannigfaltigen Möglichkeiten der Phantasie gesteigert werden. Der Sportler gerät somit in einen Angstzustand, welcher als unangepasst zu deuten ist (vgl. Baumann, 1993, S. 244f.).

2.2.4.4 Soziale Ängste

In der Auseinandersetzung mit der Umwelt prägen Menschen ihre Persönlichkeit. Innerhalb dieser Umwelt bauen Menschen soziale Beziehungen und Bindungen zu Personen auf. Vor allem die Akzeptanz der eigenen Identität durch primäre und sekundäre Bezugspersonen hat einen wesentlichen Anteil bei der Identitätsstabilisierung. Auch distanzierte Beziehungen zu Zuschauern, zur Öffentlichkeit und zu Medien tragen maßgeblich dazu bei. Die Gefährdung dieser Beziehungen kann als eine Bedrohung der sozialen Identität betrachtet werden. In die­sem Zusammenhang wird Sozialangst erlebt, wenn die eigene Identität durch die Trennung oder den Verlust existenziell bedeutender Personen gefährdet ist.

Auch in Gegebenheiten des „Betrachtetwerdens“ besteht die Gefahr der Dezimierung oder sogar der Verlust des sozialen Ansehens. Derartige Situationen finden sich z. B. beim Vorfüh­ren einer Übung im Gerätturnen oder wenn der Einzelne aus dem Schutz der Gruppe heraus­tritt (vgl. Baumann, 1993, S. 245f.). „Ängste, die aus der Bedrohung des Selbstwertgefühls entstehen, sind vor allem bei jungen und unerfahrenen Sportlern weit verbreitet“ (Baumann, 1993, S. 246).

Baumann (1993, S. 246) benennt in seinen Ausführungen weitere soziale Ängste. Zu diesen gehören: das Vertrauen des geschätzten Trainers zu verlieren, keine Anerkennung mehr zu erhalten, die Achtung der Mannschaftskollegen einzubüßen oder die Erwartungen der Gesell­schaft nicht mehr zu erfüllen. Die genannten Ängste ergeben sich aus Bereichen, die ein Sportler selbst nicht kontrollieren kann, da er weder Einfluss auf Reaktionen seiner Beobach­ter noch auf Anerkennungsäußerungen anderer hat. Demzufolge ist es bedeutsam, dass er lernt, sich auf Handlungsziele zu konzentrieren, die er eigens zu kontrollieren und zu bewälti­gen vermag.

2.2.4.5 Angstkonflikt

Angstkonflikte können unter verschiedenen Umständen zum Vorschein kommen. Im nachfol­genden Fall rückt der Annäherungs-Vermeidungskonflikt in den Mittelpunkt. Dieser lässt sich mit folgendem Beispiel verdeutlichen. Ein Turner ist sich nicht sicher, ob die ihm zur Verfü­gung stehenden Mittel ausreichen, um erfolgreich zu sein. Er würde sehr gern eine Übung, die an seiner Leistungsgrenze liegt, durchführen. Gleichzeitig hat er aber Angst vor einem Fehl­versuch, weil er dann die kritischen Äußerungen der Teamkameraden ertragen müsste. Somit steht er zwischen dem Verlangen, dies zu tun und dem Wunsch es aus Angst vor den unange­nehmen Folgen zu unterlassen. In diesem Fall wird gleichsam von einem Appetenz- Aversions-Konflikt gesprochen. Die Lösung eines solchen Konfliktes hängt, so Baumann (1993) von den subjektiv abschätzbaren positiven und negativen Folgen ab. Im Sinne einer Hinwendung handelt der Sportler, wenn die antreibenden Impulse die Oberhand behalten, auch wenn die zur Verfügung stehenden Mittel objektiv nicht zu genügen scheinen. Überwie­gen die Ängste, so folgt daraus eine Unterlassung der Handlung (vgl. Baumann, 1993, S. 246f.).

2.2.4.6 Verletzungsangst

Angst vor Verletzung im Sport spielt vor allem im Gerätturnen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit dieser Angst kann reagieren, wer seine zur adäquaten Ausführung notwendigen sportmotorischen Fertigkeiten als mangelhaft einschätzt. Dabei kann die spezifische Bewe­gung schon häufig ausgeführt worden sein und es ist unerheblich, ob das Übungselement wirklich ein Verletzungsmoment beinhaltet. Von elementarer Bedeutung ist die subjektive Einschätzung und Beurteilung durch die Person (Turner). Übungen, die mit Verletzungsangst assoziiert werden, sind z. B. Kreishocke am Barren, Ausschleudern an den Ringen, Hocke über den Kasten und Hohe Wende am Stufenbarren über den Handstand (vgl. Vormbrock 1981, S. 458; Vormbrock 1982, S. 381).

Nach Kunath (1974) kann Angst vor Verletzung als eine normale Schutzfunktion angesehen werden. Laut Sarason (1971) kann diese aber auch aus einem abwertenden Eigenbild hervor­gehen. Demzufolge wird ein Kind, das an seinen intellektuellen Fähigkeiten zweifelt, auch seine körperlichen Fähigkeiten in Frage stellen und somit in ständiger Angst vor körperlicher Verletzung sein. (vgl. Boisen, 1975, S. 35f.).

2.2.4.7 Angst vor Blamage

Angst vor Blamage ist eine Form der Angst, mit der oftmals reagiert wird, wenn Übungen bzw. einzelne Elemente anderen demonstriert werden sollen. Derartigen Situationen sind ins­besondere in der Sportart Gerätturnen vorzufinden und beinhalten als angstauslösende Deter­minanten den Augenblick des „Beobachtet-Werdens“ und die Bewertung durch andere (vgl. Vormbrock 1981, S. 458; Vormbrock 1982, S. 381).

Die Angst, sich zu blamieren, steht in enger Relation zur Vorstellung, die eine Person von ihrem eignen Körper entwickelt hat (vgl. Boisen, 1975, S. 37). Individuen mit geringem Selbstwertgefühl werden Gegebenheiten, in denen sie ihren Körper zur Schau stellen, häufi­ger als bedrohlich einschätzen und mit Zustandsangst reagieren als Personen mit einem posi­tiven Körperkonzept (vgl. Vormbrock, 1982, S. 381).

2.2.4.8 Angst vor dem Unbekannten

Die Angst vor dem Unbekannten dominiert in solchen Situationen, in denen ein Element oder eine Übungsverbindung geturnt werden soll, es aber noch keine präzise Bewegungsvorstel­lung darüber gibt (vgl. Vormbrock, 1981, S. 458). „Das angstauslösende Moment des Unb e- kannten [...] liegt dabei in der Person des Sportlers“ (Vormbrock, 1982, S. 382). Besonders bei Bewegungen, die schnelle Drehungen implizieren, wie z.B. freies Rad, Salto rückwärts oder Flick-Flack induzieren die Angst vor dem Unbekannten (vgl. Nickel, 1980, S. 20f). Ebenso kann sich das Unbekannte auf das äußere Umfeld beziehen, wie es exemplarisch bei einer fremden Halle, einer anderen Geräteanordnung oder ungewohnten, älteren Geräten der Fall ist (vgl. Vormbrock, 1981, S. 458).

2.2.4.9 Angst vor Misserfolg

Eine andere, weit verbreitete Angst ist die Angst vor Misserfolg. Diese Form der Angst tritt nach Hoppe (1968) auf, wenn eine Diskrepanz zwischen Anspruchsniveau und objektiver Leistung besteht. (vgl. Boisen, 1975, S. 33f.).

In diesem Abschnitt wurden diverse Ängste beschrieben. Nach Vormbrock (1980) und Boisen (1975) treten im Gerätturnen insbesondere Angst vor Blamage, Angst vor dem Unbekannten und Verletzungsangst auf (vgl. Vormbrock, 1981, S. 458). Die vorherigen Ausführungen ma­chen deutlich, dass verschiedene Ängste nicht strikt von einander getrennt werden können. So findet sich z. B. die bei Vormbrock (1981/82) beschriebene Angst vor Blamage bei Baumann (1993) unter den sozialen Ängsten wieder.

2.2.5 Theorien zur Entstehung von Angst

Die Angstentstehung ist aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven beleuchtet worden. In diesem Abschnitt wird anfangs die psychoanalytische Sichtweise beschrieben, weiterfüh­rend die lern- und verhaltenstheoretische und kognitive Perspektive.

2.2.5.1 Psychoanalytischer Ansatz

Als grundlegend für diesen Ansatz können die Angsttheorien von Sigmund Freud gesehen werden, welche nachfolgend verdeutlicht werden.

In Freuds erster Angsttheorie (1895) ist der zentrale Aspekt der Begriff „Angstneurose“, we l- cher heute weitestgehend identisch mit der „Eigenschaftsangst“ bzw. „Ängstlichkeit“ zu s e­hen ist. Seiner Meinung zufolge entwickelt sich die neurotische Angst aus der Suppression sexueller Bedürfnisse, welcher Freud einen chronischen Zeitverlauf zuschreibt. Konsequen­zen der neurotischen Angst sind zum Beispiel eine allgemeine Reizbarkeit und die Neigung, oftmals mit akuten Angstanfällen zu reagieren.(vgl. Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 91ff.; Krohne, 1976, S. 11ff.).

In seiner zweiten Angsttheorie (1926) revidierte er diese Auffassung. Angst wird nun zur Vo­raussetzung der Verdrängung und aller anderen Abwehrmechanismen. Diese Theorie wird häufig auch als „Signaltheorie“ der Angst beschrieben (vgl. Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 93; Krohne, 1975, S. 13).

Die allerersten Angsterfahrungen im Leben eines Menschen werden - nach dem psychoanaly­tischen Ansatz - beim Geburtsvorgang gemacht, insofern wird postuliert, dass Ängste sekun­därer Art sind, die auf dem primären Affekt, das traumatische Geburtserlebnis, basieren. In­folge der plötzlichen Änderung der Umweltbedingungen wird die primäre Angst insbesondere durch die starke Reizüberflutung und das damit verbundene Verlangen nach Reizreduktion initiiert. Diese erste Angsterfahrung stellt die Basis für alle späteren Angsterlebnisse (Sekun­därangst) dar, welche die Konsequenz interner und externer Gefahrensituationen sind. Von der Primärangst unterscheiden sich alle folgenden Ängste. Sie stellen nicht mehr Reaktionen auf eine momentan erlittene Beeinträchtigung dar, sondern nur noch auf deren Erwartung. Verschiedene Gefahrenklassen werden mit unterschiedlichen Angsttypen in Verbindung ge­bracht. Freud (1926) differenziert zwischen drei Arten von Angst:

1. Realangst ^ (Konflikt: Ich - Umwelt)
2. Neurotische Angst ^ (Konflikt: Ich - Es)
3. Gewissensangst ^ (Konflikt: Ich - Über-Ich)

(vgl. Krohne 1976, S. 13f.; Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 93ff ).

Die „Realangst“ bildet sich in Folge der Wahrnehmung von Umweltvorgängen, die eine B e- einträchtigung für den Leib erwarten lassen. Dabei spielen wahrscheinlich bisherige Erfah­rungen einer Person eine Rolle. Die „neurotische Angst“ wird als Konsequenz der Wahrne h- mung gefährlicher Triebregungen aus dem „Es“ (der Bedürfnis- oder motivationalen Instanz der Persönlichkeit) hervorgerufen, die eine Beeinträchtigung des Organismus erwarten lassen. Bei den gefährlichen Regungen handelt es sich weitestgehend um sexuelle Triebe.

„Triebregungen, die als verboten erlebt werden (z.B. bestimmte sexuelle Triebregungen), er­zeugen Angst. Diese Angst setzt den Prozeß der Unterdrückung (Verdrängung) dieser Regun­gen in Gang“ (Krohne, 1975, S. 13).

Letztendlich ist „die moralische oder Über-Ich-Angst [...] die Angst vor den Strafanforderun­gen eines strengen Über-Ichs“ (Krohne, 1976, S. 18). Das „Über -Ich“ repräsentiert die durch die Eltern und Erzieher im Subjekt aufgebauten Normen. (vgl. Krohne, 1976, S. 13 ff.).

Hackfort und Schwenkmezger (1985, S. 95) gehen auf Abwehrmechanismen näher ein, die nach Freud (1894) vom Individuum entwickelt werden, um Angst zu reduzieren. Dies sind beispielsweise Verdrängung, Regression, Reaktionsbildung und Verschiebung. Unter Ver­schiebung ist die Suche nach einem Ersatzobjekt zu verstehen, insofern das ursprüngliche Objekt der Lust durch Hindernisse blockiert ist. In diesem Sinne sind Höchstleistungen im Sport möglicherweise als Konsequenz von Verschiebungsprozessen zu erklären, weil die ur­sprünglichen Triebimpulse nicht befriedigt werden konnten.

2.2.5.2 Lern- und verhaltenstheoretischer Ansatz

Im Gegensatz zu Freud gehen Lern- und Verhaltenstheoretiker nicht davon aus, dass der Ge­burtsvorgang eine Primärangst hervorruft, die in Zusammenhang mit allen späteren Ängsten steht. (vgl. Boisen, 1975, S. 12).

Lazarus-Mainka und Siebeneik (2000, S. 20) verweisen darauf, dass Watson (Watson und Rayner, 1920) Angst im Kontext der klassischen Konditionierung nach Pawlow diskutierte.

In Mowrers „2-Phasen Theorie“ (1960) spielt die klassische Konditionierung ebenfalls eine entscheidende Rolle, denn er geht davon aus, dass Angstverhalten durch zwei aufeinanderfol­ge Lernphasen erworben und aufrechterhalten wird:

1. Phase: Klassische Konditionierung
2. Phase: Instrumentelle Konditionierung (vgl. Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 97; Sörensen, 1994, S. 17).

Zunächst wird die erste Phase, die klassische Konditionierung beschrieben.

Ein ursprünglich neutraler konditionierter Stimulus (z. B. Turngerät) tritt in kurzem zeitli­chem Abstand mit einem aversiven unkonditionierten Stimulus (z.B. Schmerz) auf. Nach ei­nem oder mehreren Zusammentreffen beider Stimuli entsteht eine konditionierte emotionale Reaktion. Diese Angstreaktion bleibt auch dann erhalten, wenn nur der konditionierte Stimu­lus vorhanden ist. Folgende Abbildung (Abb. 2.3) verdeutlicht diesen Zusammenhang (vgl. Sörensen, 1994, S. 17; Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 97).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3. Schema zur klassischen Konditionierung von Angstreaktionen nach Mowrer (aus Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 98).

Lazarus-Mainka und Siebeneik (2000, S. 20) betonen, dass angstauslösende Reize generali­siert werden können. Die einmal erworbene Angst kann durch eine Vielzahl anderer Reize initiiert werden, die dem ursprünglich angstauslösenden Reiz ähneln. Auf das angeführte Bei­spiel übertragen, hieße dies, dass der Sportler nicht nur Angst vor dem Sprungtisch, sondern sich auch Angst vor dem Kasten oder Bock entwickelt.

Nach Mowrer (1960) folgt im Anschluss an die erste Phase die Phase der instrumentellen Konditionierung. Hier geht es um die Stabilisierung der Angst (vgl. Sörensen, 1994, S. 17f.) Es ist häufig zu beobachten, dass Sportlehrkräfte, wenn sie Angst bei Sportlern festgestellt haben, die Strategien zur Meidung der entsprechenden Situation tolerieren. Die Sportler sol­len nicht wiederholt den angstbesetzten Situationen ausgesetzt werden. Diese Handhabung im Umgang mit der Angst ist aber eher kontraproduktiv. Im Moment der Meidung der Bewe­gungssituation ist zwar eine deutliche Reduktion der Angst zu verzeichnen, aber in der nächs­ten gleichen oder ähnlichen Situation verstärkt sich die Angst (vgl. Klupsch-Sahlmann & Kottmann 1992, S. 13).

„Jede Reaktion, welche den angstauslösenden Reiz, also beispielsweise die gefor­derte Übung meidet, reduziert die Angst. Reduktion der Angst bedeutet aber eine positive Verstärkung, so daß eine Vermeidungsreaktion wie die Flucht oder das Auslassen der Übung durch die dadurch ausgelöste Angstreduktion positiv ver­stärkt und in zunehmender Weise wahrscheinlicher wird“ (Hackfort & Schwenk­mezger, 1982, S. 371).

Das Vermeidungsverhalten drückt sich dabei nicht nur dadurch aus, dass der Turner angstbe­setzte Situationen meidet. Er wird die Übungen auch oftmals vereinfachen, modifizieren, falsch oder unvollständig ausführen. Erst wenn der Turner erfahren hat, dass das Gerät oder die Übung mit keinem aversiven Reiz (z.B. Schmerz, Schreck) verbunden ist, dann wird auch das Vermeidungsverhalten verschwinden. In Bezug auf Schmerz und Schreckreize ist dies insbesondere durch eine adäquate Hilfeleistung an den Geräten zu erreichen. Dadurch ist das Risiko, einen schmerzauslösenden Reiz zu erleben, auf ein Minimum reduziert (vgl. Hackfort & Schwenkmezger, 1985, S. 100).

Der Erklärungsansatz von Mowrer, welcher auf behavioristischen Grundannahmen basiert, befasst sich ausnahmslos mit dem Reiz-Reaktions-Geschehen. Somit bleiben bei ihm perso- nenspezifische Variablen unberücksichtigt. Darüber hinaus werden kognitive Leistungen hö- herer Art vollkommen ausgeklammert. (vgl. Klupsch-Sahlmann & Kottmann, 1992, S. 13, Sörensen, 1993, S. 18). Auf Grund dessen werden im folgenden Abschnitt die kognitiven Angsttheorien näher betrachtet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Empirische Studie zur Angst und Angstkontrolle im Gerätturnen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Sportwissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
133
Katalognummer
V164559
ISBN (eBook)
9783640797608
ISBN (Buch)
9783640797783
Dateigröße
1787 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Empirische, Studie, Angst, Angstkontrolle, Gerätturnen, Angstbewältigung
Arbeit zitieren
Sebastian Schäfer (Autor:in), 2010, Empirische Studie zur Angst und Angstkontrolle im Gerätturnen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164559

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