Der Eintritt Spartas in den Peloponnesischen Krieg

Die Aspekte des phobos ton Lakedaimonion


Magisterarbeit, 2006

169 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Der Charakter und die Triebkräfte der spartanischen Außenpolitik
1.1. Die geostrategischen Vorraussetzungen
1.2. Das Fundament des spartanischen Kosmos: Die Heloten
α) Status und Funktion der Heloten
β) Die Helotengefahr und die Helotenfurcht
1.3. Die außenpolitische Neuorientierung: Der Peloponnesische Bund
α) Die Zielsetzung der spartanischen Außenpolitik nach den Messenischen Kriegen
β) Die Struktur und Funktion des Peloponnesischen Bundes
γ) Weitere außenpolitische Ambitionen und die sog. Kleomenes - Doktrin
1.4. Die Außenpolitik des 5. Jahrhunderts: Zwischen Hegemonie,
Krise und Dualismus
α) Der Sonderweg Spartas, die Krisensymptome und die außenpolitischen Folgen
β) Sparta und die Perserkriege - Die Folgen der Ideologisierung
γ) Die Pentakontaëtie: Stationen des spartanisch - athenischen Dualismus
ó ) Die Spondai von 446/5 und ihre Folgen

2. Thukydides und die Aitiologie des Peloponnesischen Krieges
2.1. Die aἰtίai kaὶ diaforaί
α) Samos und Amprakia
β) Der Kerkyra Konflikt
γ) Der Poteidaia Konflikt
ó ) Das Megarische Psephisma
s ) Ägina und das Problem der Autonomie
2.2. Die Debatten vor dem Krieg
α) Die Rede der Korinther
β) Die Reden von Archidamos und Sthenelaidas
2.3. Die ἀληθεστάτη πρόφασις
α) Zur Interpretation von Thukydides I 23,6
β) Der ‚Machtzuwachs Athens’ I - Die Ungereimtheiten des realistischen Machtbegriffs (systemische Analyseebene)
2.4. Die unterschiedlichen Charaktere der beiden Poleis
als Kriegsursache bei Thukydides
α) Der ‚Machtzuwachs Athens’ II - Der thukydideische Machtbegriff (subsystemische Analyseebene)
β) Die Aspekte des athenisch - spartanischen Dualismus

3. Ergebnisse: Die Aspekte des φόβος τῶν Λακεδαιμονίων ..

Ausblick und Schluß

Abbildungen

Bibliographie

Einleitung

„Es war bei weitem die gewaltigste Erschütterung für die Hellenen und einen Teil der Barbaren, ja sozusagen unter den Menschen überhaupt.“1 Diese Erschütterung, von der Thukydides sprach, trägt in der modernen Geschichtswissenschaft den Namen der „Peloponnesische Krieg.“ Sie zog in der Tat eine folgenreiche Entwicklung nach sich: Neben der menschlichen Tragik, die Thukydides eindrucksvoll schildert, leitete sie einerseits den Untergang der griechischen Poliswelt ein, andererseits gebar sie aber die griechische Klassik und ließ sie aufblühen. Der Krieg an sich ist aufgrund der komplizierten Machtkonstellationen sicherlich der erste Krieg, „der nach Ursprung und Verlauf alle Wesenszüge eines politischen Krieges zeigt.“2 Der Historiker Thukydides ist aber sein würdiger Darsteller, der „zufolge seiner einzigartigen geistigen Überlegenheit Wesen und Unwesen des Politischen durchdacht und zu Ende gedacht hat.“3 Den Grund für sein Anliegen, dieses Ereignis aufzuzeichnen, gab er in einem berühmtgeworden Satz wie folgt an: „Wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder so ähnlich sein wird, der mag sie [die Darstellung] für nützlich halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück für einmaliges Hören ist sie verfaßt.“4 Sein Wunsch sollte sich bewahrheiten. Denn nicht nur in der Geschichtswissenschaft, sondern auch in der Philosophie und insbesondere in den Politikwissenschaften5 widerfährt den Erkenntnissen dieses Werkes größte Wertschätzung. Für all diese Disziplinen und ebenso für die vorliegende Magisterarbeit ist vor allem die Frage nach der Entstehung des Krieges, dieser folgenreichen Erschütterung, im Blickfeld des Interesses. Thukydides selbst enttäuscht uns diesbezüglich nicht, denn er widmet dieser Frage das nahezu gesamte erste Buch seines Werkes.

Allerdings unterscheidet sich die Antwort des Historikers grundlegend von den Lösungsversuchen antiker und moderner Autoren. Unsere anderen Quellen wie Philochoros, Ephoros, Aristophanes und Plutarch sahen die Schuldigkeit für den Krieg auf athenischer Seite.6 Demnach war Perikles der entscheidende Kriegstreiber, der die Hellenen ins Unglück stürzte.7 Ebenso entbrannte in der neuen Forschung ein Streit darüber, wer die Schuld an dieser Katastrophe trage. Die Mehrheit der modernen Forschung tendiert dazu, Athen die Schuld zu geben. Dabei scheut sie trotz Widersprüche nicht davor zurück, auch Thukydides in diese Richtung zu interpretieren. Die athenischen Initiativen von dem Bau der Langen Mauern, den Bündnissen mit Argos und Megara in den 60er Jahre bis hin zu den Anlässen, wie das Bündnis mit Kerkyra, das Ultimatum an Poteidai und der Beschluß gegen Megara, werden von diesem Teil der Forschung durchwegs als Anzeichen einer rücksichtslosen imperialen Machtpolitik der Athener betrachtet. Die andere Seite der Forschung hingegen interpretiert die Aktionen der Athener als Präventivmaßnahmen gegen einen drohenden Angriff der Spartaner. Sparta wird demnach eine aggressive Außenpolitik unterstellt, wofür Ereignisse wie die Kriegsplanungen von 475/74, das Versprechen an die Thasier, sie im Falle eines Abfalls von Athen zu unterstützen, die Invasion in Attika in den 40er Jahren, der Samos-Konflikt und schließlich die Eröffnung des Krieges als Argumente dienen. Die wichtigsten Vertreter beider Position, die sich am ausführlichsten zur Aitiologie des Krieges geäußert haben, sind D. Kagan8 auf der einen und G. E. M. de Ste. Croix9 auf der anderen Seite.10

Das Problem beider Positionen liegt aber darin, Daß sie davon abhängen, wie die Autoren sowohl die Ursache und Wirkung, als auch die zeitliche Abfolge bestimmter historischer Ereignisse bestimmen. Das schwerwiegendste Problem beider Positionen entsteht jedoch, weil sie den strukturellen Momenten in der thukydideischen Ursachenanalyse nicht bis zur letzten Konsequenz Folge leisten.

In der für die Aitiologie zentralen Passage I 23,6 gibt der Historiker weder bei den Anlässen noch bei der Ursache des Krieges – diese wichtige Unterscheidung wird von Thukydides zum ersten Mal vorgenommen – einer der beiden Parteien die Schuld.11 Vielmehr waren es zwei strukturelle Faktoren, nämlich der Machtzuwachs der Athener und die Furcht der Spartaner, die in der Kombination den Krieg für beide Akteure unvermeidlich machten. Allerdings ruft diese These auf den ersten Blick eine Irritation hervor, soDaß der renommierte Althistoriker Eduard Meyer Thukydides sogar einen groben Fehler unterstellt: „Aber er übersieht dabei, Daß Athens Macht seit 455 nicht mehr gewachsen ist, sondern im Frieden von 446 beträchtlich zurückgegangen ist und dass Athen sich seither aller Übergriffe enthalten hat.“12 Die Darstellung der Ereignisse in der Pentakontaëtie wird diesen Einwand zunächst bestätigen. Aber sollte der Historiker, an dieser entscheidenden Stelle dies tatsächlich übersehen haben, zumal er doch unsere Hauptquelle für diesen Zeitraum darstellt und sich auch sonst durch einen überragenden Scharfsinn auszeichnet? Wenn wir aber von der Richtigkeit der These ausgehen, warum fürchteten die Spartaner erst im Frühjahr 432 Athens Macht, deren Höhepunkt eigentlich in die 60er und 50er Jahre des 5. Jahrhunderts datiert werden muß? Hantiert Thukydides womöglich mit einem Machtbegriff, der sich von der gängigen Definition vieler Interpreten unterscheidet? Was fürchteten die Lakedaimonier also tatsächlich? (Furcht ist ja eigentlich das letzte, was man mit dem Bild eines spartanischen Kriegers assoziiert 13 ).

Das Bestreben dieser Magisterarbeit liegt in der Erkundung der Aspekte der spartanischen Furcht, wofür notwendigerweise die Frage nach dem Ursprung des Peloponnesischen Krieges neu behandelt werden muß. Der Furcht soll daher auf zweierlei Weise auf den Grund gegangen werden: (1) Weil sie vermutlich aus dem Machtzuwachs resultiert, kann man aus den Aspekten der athenischen Macht auf diejenigen der Furcht folgern. Dazu müssen wir die wesentlichsten Fragen der Aitiologie, wie sie Thukydides uns präsentiert, diskutieren. (2) Wir enthüllen die spartanischen Furchtmomente aus den Triebkräften, bzw. aus den Determinanten des außenpolitischen Verhaltens (diese Möglichkeit ist vom Urteil des Thukydides weitgehend unabhängig). Durch die Gegenüberstellung und gegenseitige Prüfung der beiden Varianten sollten wir am Ende ein sicheres Bild der spartanischen Furcht erhalten. Die Gliederung der Magisterarbeit entspricht dem vorgestellten Dreisatz der Herangehensweise. Aus chronologischen Gründen werde ich jedoch mit der Untersuchung der Triebkräfte der spartanischen Außenpolitik beginnen. Im Anschluß folgt die Diskussion der thukydideischen Aitiologie des Krieges. Die Aspekte des φόβος τῶν Λακεδαιμονίων sollen schließlich im dritten Abschnitt präsentiert werden.

1. Der Charakter und die Triebkräfte der spartanischen Außenpolitik

Die spartanische Außenpolitik wird von Thukydides folgendermaßen charakterisiert: [...] ὄντες μὲν καὶ πρὸ τοῦ μὴ ταχεῖς ἰέναι ἐς τοὺς πόλεμους, ἢν μὴ ἀναγκάζωνται, τότε δ᾽ ἔτὶ καὶ πολέμοις οἰκείοις ἐξειργόμενοι [...].14 Thukydides erwähnt drei wesentliche außenpolitische Momente, denen es im ersten Abschnitt nachzugehen gilt und sie womöglich durch weitere zu erweitern. Einerseits ist es also die Tatsache, daß Sparta scheinbar nur sehr langsam, wahrscheinlich im Sinne von „nicht übereilt“ oder „nur sehr selten“, in den Krieg zog. Wie ist dies aber zu erklären, bei einer Polis, die als Militärstaat in die Geschichte eingegangen ist? Zweitens: daß die Lakedaimonier nur unter Zwang bereit waren, in den Krieg zu ziehen. Außer der ersten Frage, die sich hier wiederum aufdrängt, wundert man sich, wer oder was das mächtige Sparta, den Prostates in Hellas und die ruhmreichen, unbesiegbaren spartanischen Hopliten zu irgend etwas zwingen konnte? Drittens: Neben dem wie auch immer gearteten Zwang, konnten noch innere Kriege die Außenpolitik Spartas immens beeinflussen. Was ist wiederum darunter zu verstehen? Alles in allem entsteht ein Eindruck, als ob Sparta nur sehr unfreiwillig in den Krieg eintrat, und daß es ferner sehr wenige Freiheiten hatte, seine Außenpolitik zu gestalten. Wird dieser Eindruck bestätigt, so resultieren daraus entscheidenden Einsichten, die uns bei der Frage nach dem Eintritt Spartas in den Peloponnesischen Krieg von großer Bedeutung sein werden.

Der erste große Abschnitt untersucht daher die wesentlichen Antriebe und den Charakter der spartanischen Außenpolitik. Als erstes werde ich die geographische Lage der Polis betrachten und darstellen, welche Konsequenzen diese für die Entwicklung Spartas hatte. Im zweiten Kapitel wird, wie noch gezeigt werden soll, das Fundament des spartanischen Kosmos behandelt, nämlich die Institution der Helotie. Denn sie war der Grundstein für die spartanische Großmachtstellung. In den folgenden beiden Kapiteln werden sodann Stationen der spartanischen Außenpolitik nach ihren wesentlichen Motivationen beleuchtet, wobei Aspekte wie der Peloponnesische Bund, der Sonderweg Spartas, die Folgen der Perserkriege, sowie die Spondai von 446/5 für die gesamte Arbeit von wesentlicher Bedeutung sein werden.

1.1. Die geostrategischen Voraussetzungen

Die geographische Lage Spartas erweist sich in mehreren Gesichtspunkten als prägend für den spartanischen Charakter und für die außenpolitische Zielsetzung. Zunächst einmal ist die Polis von allen Seiten relativ weit vom Meer entfernt, weshalb sie auch als Landmacht in die Geschichte einging. Als wichtigster Hafen der Spartaner galt der Periökenort Gytheion, der etwa 40 km vom Stadtkern entfernt liegt. Sparta gehört zu der im südöstlichen Teil der Peloponnes gelegenen Landschaft Lakonien. Die Stadt ist im fruchtbaren Eurotastal gelegen. Von allen Himmelsrichtungen sorgen Bergmassive bzw. das Meer für einen natürlichen Schutzwal: Im Westen erhebt sich das bis zu 2400 Meter hohe Taygetos-Gebirge, das wie eine unüberwindliche Mauer Lakonien von Messenien trennt. Vom Osten her liefert das etwa 1900 Meter hohe Parnonmassiv einen nahezu lückenlosen Schutz, wo hingegen im Norden die Bergzüge der Skiritis Lakonien von Arkadien trennen. Im Süden schließlich endet das Tal am Lakonischen Golf. Unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten begünstigte die geographische Lage zwar Sparta, indem es für Feinde von allen Seiten nur schwer zugänglich war – bis zur zweiten Hälfe des 3. Jahrhunderts besaß die Stadt daher auch keine Stadtmauer. Die Lakedaimonier gingen dadurch jedoch auf zweifache Weise die Gefahr ein, in eine bedrohliche Isolation zu geraten: Einerseits konnten so äußere Einflüsse nur schwierig in die Stadt gelangen (die spätere Politik Spartas verstärkte später auch noch die Mechanismen, welche solchen Zuzug von fremden Einflüssen nahezu gänzlich unterbanden). Andererseits konnte Sparta im Krieg bei einer ungünstigen Konstellation der Allianzen sehr einfach innerhalb ihres Gebiets eingeschlossen und kontrolliert werden. Die folgenden Betrachtungen zu den Antrieben der spartanischen Außenpolitik werden ergeben, daß diese Aspekte das außenpolitische Profil Spartas ganz entscheidend geprägt haben.,15,16

Etwa um 550 eroberten die Lakedaimonier die im Südosten des Golfes vorgelagerte und geostrategisch sowie handelspolitisch überaus wichtige Insel Kythera. Zur gleichen Zeit vereinnahmten sie die Landschaft Thyreatis, nordöstlich von Lakonien und gewannen damit eine Pufferzone zum Erzfeind Argos. Als die folgenreichste Entwicklung sollte sich jedoch die zeitlich weiter zurückliegende Eroberung Messeniens erweisen. Die Größe der bebaubaren Fläche Messeniens war annähernd doppelt so groß, wie diejenige Lakoniens.17 Durch die Fruchtbarkeit und den Ausmaß Messeniens waren die Spartaner wirtschaftlich reichlich versorgt, sodaß sie im Gegensatz zu anderen griechischen Poleis in dieser Zeit nicht darauf angewiesen waren, durch „expansive Politik neue Quellen des gesellschaftlichen Reichtums zu erschließen.“18 Die Versklavung der ansässigen, ethnisch homogenen und zahlenmäßig weitaus überlegenen messenischen Bevölkerung, welche überdies jenseits des Taygetos-Massivs kontrolliert werden mußte, zwang den Staat der Lakedaimonier zu Maßnahmen, die im Laufe der folgenden Jahrzehnte ihren besonderen spartanischen Charakter maßgeblich prägten.

Von großer Bedeutung für die Außenpolitik Spartas ist schließlich die Tatsache, daß die Peloponnes eine Halbinsel war. Der Isthmos, die Landenge zwischen der Peloponnes und Mittelgriechenland, welcher an seiner engsten Stellen lediglich sechs Kilometer breit ist, war unter korinthischer Kontrolle. Jenseits des Isthmos kontrollierte die Polis Megara das schmale und an vielen Stellen schwierig zu durchquerende Gebiet zwischen dem Golf von Korinth und dem Saronischen Golf. Wollten die Spartaner also außerhalb der Peloponnes außenpolitisch aktiv werden, waren sie entweder zumindest vom Wohlwollen der Korinther abhängig, oder sie bedurften einer starken Flotte.

Insgesamt können wir also mit C. M. Stibbe resümieren: „Gefahren und Vorzüge dieser geographischen Lage hinterließen ihre unverwechselbaren Spuren in der Geschichte der Bewohner: Nur dort konnte das junge und dynamische Volk der dorischen Spartaner sich ungestört entwickeln und seine alten Stammestraditionen bewahren; gleichzeitig drohte ihm dort die Gefahr extremer Isolation, sobald es die Verbindung zur Außenwelt nicht mehr suchte. Und in der Tat läßt sich an der der Kultur der Spartiaten zunächst eine Phase urwüchsiger vitaler Blüte und später, als die Kraft erlahmte, ein Prozeß bedrückender Erstarrung feststellen.“19 Die Eroberung Messeniens und die Versklavung der ansässigen Bevölkerung war allerdings zweifelsfrei das markanteste und folgenreichste Ereignis der spartanischen Geschichte, welches die Polis in mehrfacher Hinsicht zu einem Sonderfall unter den griechischen Poleis werden ließ. Wenden wir uns daher nun diesen Sklaven zu, den sog. Heloten.

1.2. Das Fundament des spartanischen Kosmos: Die Heloten

Die Stellung der Heloten im spartanischen Kosmos und ihr Verhältnis zu den Spartiaten stellt ein Unikum in der Geschichte des antiken Griechenland dar. Die Relevanz dieses eigentlich innenpolitischen Phänomens für die außenpolitischen Handlungen Spartas (und somit zwangsläufig auch für den Eintritt in den Peloponnesischen Krieg) betont bereits Thukydides ausdrücklich: ἐπεὶ καὶ τὸ τόδε ἔπραξαν φοβούμενοι αὐτῶν τὴν σκαιότητα καὶ τὸ πλῆθος – αἰεὶ γὰρ τὰ πολλὰ Λακεδαιμονίοις πρὸς τοὺς Εἵλωτας τῆς φυλακῆς πέρι μάλιστα καθειστήκει.20 Wenn die spartanische Politik also tatsächlich stets vor dem Hintergrund der Furcht und des Schutzes vor den Heloten zu verstehen ist, muß dieses Phänomen auch den Ausgangspunkt dieser Untersuchung bilden. Ich werde daher zunächst den Status und die Funktion der Heloten in der spartanischen Gesellschaft behandeln und mich anschließend der in der modernen Forschung kontrovers diskutierten Existenz der sog. ‚Helotengefahr’ zuwenden.

α) Status und Funktion der Heloten

Die Heloten bildeten den unfreien Bevölkerungsanteil der spartanischen Gesellschaft. Anders jedoch als die Sklaven der anderen griechischen Poleis wies die Institution der Helotie einige besondere Charakteristika auf, welche die Entwicklung des spartanischen Staates entscheidend prägen sollten. Die für die Außenpolitik folgenreichsten Besonderheiten dieser Form der Versklavung sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Die Bezeichnung Heloten leitet sich nach moderner Etymologie von Ϝαλίσκομαι21 ab und spiegelt den Umstand der gewaltsamen Eroberung und Unterjochung des Landes und der Bevölkerung wider. Nach Theopomp22 stammen die Heloten von den Achaiern ab, welche Lakonien vor der Einwanderung der Dorier bewohnten. Im Verlaufe der Messenischen Kriege im 8. und 7. Jahrhundert, welche Sparta an den Rand seiner Existenz brachten, wurden auch die Bewohner Messeniens helotisiert. In der Regel wird deshalb zwischen lakonischen und messenischen Heloten unterschieden,23 wobei vor allem letztere wegen ihrer Überzahl und ihres gemeinsamen ethnischen Bewußtseins24 für die Spartaner eine anhaltende Bedrohung darstellten. Denn im Gegensatz zu anderen Sklaven waren die Heloten keine Fremden, „bought and sold on the market, outsiders wrenched from native ties of kin and religion. [...] Rather, they were Greeks, enslaved collectively upon und tied to the land their ancestors had once tilled as free men, [...].“25 Die Versklavung einer ethnisch homogenen und zahlenmäßig überlegenen Bevölkerung innerhalb des eigenen Landes bedeutete ohne Zweifel eine ernste und dauerhafte Gefahr für den spartanischen Staat.26 Diese Tatsache allein mußte schon zu gravierenden strukturellen Konsequenzen im politischen Handeln der Spartaner führen. Die Helotie wies jedoch noch weitere Ausnahmen auf.

Rechtlich betrachtet waren die Heloten Sklaven (boῦAoL).27 Gleichwohl unterschied sich ihr Status in mehrfacher Hinsicht von demjenigen der Sklaven in den anderen Poleis,

sodaß ihre eigentliche Stellung schon in der Antike äußerst umstritten war.28 Hervorgehoben werden muß vor allem, daß sie als Sklaven nicht – wie etwa die Periöken – zum Lakedaimonischen Personenverband gehörten.29 Diese formale Ausgrenzung bildete die Voraussetzung dafür, daß sie von den Spartanern stets als Staatsfeinde betrachtet und behandelt werden konnten.

Gleichzeitig jedoch bildeten die Heloten die wirtschaftliche Grundlage Spartas, da ein angebliches Gesetz des Lykurgs den Spartiaten untersagte, einem „niederen Gewerbe“, ja dem Gelderwerb überhaupt nachzugehen.30 Sie bestellten das Land der Spartiaten und mußten einen festen Anteil bzw. eine feste Quote der Erträge an sie abführen.31 Folgt man den Angaben des Tyrtaios’, wonach die Heloten „die Hälfte“ der Ernte entrichten mußten,32 so verblieb zumindest die andere Hälfte in ihrem eigenen Besitz. Allerdings ist in dieser Tatsache weniger ein Recht der Heloten zu sehen, sondern vielmehr eine Selbstbeschränkung der Spartiaten selbst.33 Indem die Hälfte der Erträge außerdem vermutlich ausreichte, um das Überleben der Heloten zu garantieren, verhinderte sie zugleich die Gefahr von Hungerrevolten und trug auf diese Weise zur Sicherheit des spartanischen Staates selbst bei.

Anders als in den üblichen Formen der Sklaverei gehörten die Heloten auch nicht ihren Herren, sondern waren an das Land gebunden, das sie bebauten. Darüber hinaus durften sie nur von der Polis Sparta freigelassen werden niemals aber von einem einzelnen Bürger, dem sie zugeordnet waren.34 Schließlich bezeugen auch die Umstände, Daß sie nicht „über die Grenzen“ verkauft werden durften35, sowie bei Begräbnissen der Könige teilnehmen mußten36, von ihrer engen Bindung an den spartanischen Staat. Daher bezeichnen sie bereits antike Autoren vermutlich nicht zu unrecht als δοῦλοι τού κοινού oder δημοσίοι δοῦλοι.37

Den scheinbar paradoxen Status der Heloten – nämlich zugleich Staatssklaven als auch Staatsfeinde zu sein –, sowie die besonders schweren Umstände, unter denen sie zu leiden hatten, veranschaulichen zwei weitere Institutionen: Die Kriegserklärung und die sog. Krypteia. Die Kriegserklärung an die Heloten, welche jedes Jahr aufs Neue erfolgte, war die erste Handlung der neugewählten Ephoren. Die Gründe dafür sind nicht ganz eindeutig. Aristoteles liefert einen glaubhaften sakralen Aspekt. Demnach verhinderte sie, Daß der Spartiate bei der Ermordung eines Heloten gegen ein göttliches Recht verstieß.38 Obendrein hatte diese Institution jedoch auch eine bedeutende politische Dimension. Sie diente nämlich der Aufrechterhaltung des spartanischen Bündnissystems. Weil die Verbündeten vertraglich versprachen, „dieselben Freunde und Feinde“ wie die Spartaner zu haben, und die Entente auf die Dauer des jeweiligen Krieges begrenzt war, garantierte der immerwährende Kriegszustand das dauerhafte Bestehen der Beistandspflicht.39 Der Peloponnesiche Bund soll aber erst im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden.

Daß die aristotelische Interpretation jedoch nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt der enge Zusammenhang der Kriegserklärung mit der sog. Krypteia. Die Krypteia war eine Einrichtung, bei welcher junge Spartiaten mit dem notwendigsten ausgestattet aufs Land geschickt wurden, wo sie nachts Heloten auflauerten und jeden, den sie zu fassen bekamen, umbrachten.40 Ihre Tötungen erhielten neben der göttlichen Legitimation durch die Kriegserklärung auch eine politische Rechtfertigung. Die gegen die Heloten gerichtete Krypteia ist demnach ebenso als Umsetzung des dauerhaften Kriegszustandes zu verstehen. Darüber hinaus diente diese Maßnahme mutmaßlich zu militärischen Übungszwecken für angehende Hopliten. Schließlich aber eignete sie sich geradezu als „ein Terrorinstrument zur Unterdrückung und permanenten Einschüchterung der Heloten.“41

In welchem Umfang auch die lakonischen Heloten unter den ‚Terroraktionen’ der Helotie zu leiden hatten, wissen wir nicht. Vieles spricht jedoch dafür, daß sich die besonders harten Unterdrückungsmaßnahmen hauptsächlich gegen die messenischen Heloten richteten42, weil, wie noch weiter unten auszuführen sein wird, die Spartaner in erster Linie von ihnen Aufstände befürchteten. Die lakonischen Heloten standen wohl nicht zuletzt wegen der geographischen Nähe Lakoniens weitgehend loyal zu Sparta und wurden deshalb möglicherweise rücksichtsvoller als die messenischen Heloten behandelt. Vereinzelt arbeiten sie in den Privathaushalten der Spartiaten. So entstanden nicht selten enge persönliche Beziehungen zwischen Spartiaten und Heloten, aus welchen bisweilen auch Kinder, die sog. µό0aκEg, hervorgegangen waren.43 Ebenso dienten Heloten – wahrscheinlich wiederum größtenteils nur die lakonischen44 – als Waffenträger und Leichbewaffnete auf Feldzügen der Spartaner.45 Infolge des Mangels an wehrfähigen Spartiaten wuchs seit dem Peloponnesischen Krieg die Zahl der Heloten, welche im spartanischen Heer dienten, erheblich an. Nicht verwunderlich ist daher, daß gerade in dieser Zeit auch die erste Erwähnung der sog. vEobaµ(1)bELg fällt, einer neuen Sondergruppe der spartanischen Gesellschaft, welche sich aus Heloten zusammensetzte, die vermutlich für ihre militärischen Dienste mit der Freiheit belohnt wurden.46

Das Verhältnis zwischen den Spartiaten und Heloten (allen voran den messenischen) war jedoch in der Regel von „fear and hatred on both sides“47 geprägt. Die Helotie wurde daher schon in der Antike (zum Teil auch von Sparta freundlichen Autoren, wie Kritias) als besonders grauenhafte Form der Sklaverei angesehen.48 Man kann vermuten, daß nach der Niederschlagung des schweren Messenieraufstandes Mitte der 460er Jahre die Unterdrückungsmaßnahmen verschärft und womöglich auch noch weiter institutionalisiert wurden.49 Wie noch auszuführen sein wird, konnten die Freiheitsbestrebungen der Messenier nichtsdestoweniger erstickt werden. Vielmehr sahen sie sich in der Verzweiflung ihrer Lage allenfalls noch mehr dazu bewegt, sich von ihren Peinigern zu befreien. Wir müssen daher annehmen, daß zumindest für den Zeitraum von 460 bis zur Befreiung der messenischen Heloten 370 v. Chr., in dessen Mitte der Peloponnesische Krieg fällt, die Helotenfrage bei den politischen Entscheidungen der Spartaner tatsächlich stets präsent war. Das anschließende Unterkapitel ist daher dem Versuch gewidmet, die wesentlichen Aspekte der sog. ‚Helotenfurcht’ bzw. ‚Helotengefahr’ systematisch herauszuarbeiten und sie auf die Plausibilität hin zu überprüfen.

β) Die Helotengefahr und die Helotenfurcht

Obwohl die Helotengefahr oder zumindest die Helotenfurcht der Spartaner von mehreren glaubwürdigen Quellen in vielfacher Weise bezeugt ist, tauchen in der modernen Sparta Forschung auch Stimmen auf, welche diese Phänomene zu relativieren oder zum Teil sogar gänzlich zu verneinen versuchen.50 Die Einwände der Relativierer und ihre Schwächen sollen hier nicht im Einzelnen diskutiert werden.51 Gemeinsam haben die Autoren jedoch, da1 sie einerseits ansonsten verläβlichen Quellen keinen Glauben schenken. Andererseits behandeln und widerlegen sie zumeist nur Einzelaspekte, die sie aus dem eigentlich überaus schlüssigen Gesamtkontext, den uns die Quellen überliefern, unter dem oberflächlichen Hinweis auf den ‚Mythos Spartas’ herauslösen. Ich beabsichtige daher den umgekehrten Weg zu beschreiten und die wesentlichen Aspekte, die für die Existenz dieser Erscheinungen sprechen, zu diskutieren. Am Ende des Kapitels soll sodann gezeigt werden, da die wichtigsten Quellen und Faktoren zusammenbetrachtet ein kausal durchaus stimmiges Bild ergeben. Ist dies jedoch der Fall, besteht überhaupt kein Grund an Autoritäten wie Thukydides, Platon oder Aristoteles zu zweifeln.

Bevor die konkreten historischen Ereignisse nach Helotengefahr und –furcht untersucht werden sollen, möchte ich einige allgemeine und direkte Benennungen derselben durch die Quellen voranstellen. Wiederholte Aufstände und eine dauerhafte Gefahr von solchen, sowie die spartanische Furcht davor werden ausdrücklich und direkt von Thukydides genannt: αὐτομολούντων τε τῶν Εἱλώτων καὶ αἰεὶ προσδοκίας οὔσης μή τι καὶ οἱ ὑπομένοντες τοῖς ἔξω πίσυνοι πρὸς τὰ παρόντα σφίσιν ὥσπερ καὶ πρότερον, νεωτερίσωσιν,52 und: φοβούμενοι αὐτῶν τὴν σκαιότητα καὶ τὸ πλῆθος.53 Ähnliche Aussagen lassen sich auch bei Platon (ἔργω γάρ πολλάκις ἐπιδέδεικται περὶ τὰς Μεσσηνίων συχνἀς εἰωθυίας ἀποστάσεις γίγνεσθαι54 ) und Aristoteles finden (οἱ δ᾿ εἵλωτες ἀφίστανται πολλάκις55 ) – am anschaulichsten letzterer noch mal: [...] ὁμοίως δὲ καὶ τοῖς Λάκωσιν [οἱ] εἵλωτες ὥσπερ γάρ ἐφεδρεύοντες τοῖς ἀτυχήμασι διατελοῦσιν.56 Xenophon und Kritias berichten, daβ die Spartiaten aus ständiger Furcht vor Revolten im Feld stets mit Speeren bewaffnet umhergehen und sie sie zu Hause von jeglichen Waffen fernhalten.57 Als παλαιὸν μῖσος charakterisiert Diodor58 das Verhältnis zwischen dem Heloten und dem Spartaner, das sogar soweit geht, daß οὐδένα δύνασθαι κρύπτειν τὸ μὴ οὐχ ἡδέως ἂν καὶ ὠμῶν ἐσθίειν αὐτῶν.59 Die Gefahr wird fernerhin deutlich, daß Herodot außerdem den Tyrannen Aristagoras behaupten läßt, die Messenier seien den Lakedaimoniern im Kampfe durchaus gewachsen.60

Die Ursprünge der Helotengefahr und -furcht sind wohl spätestens in der Zeit der ersten beiden Messenischen Kriege zu suchen.61 Die bereits erwähnte Versklavung einer zahlenmäßig überlegenen und ethnisch homogenen Bevölkerungsgruppe innerhalb des eigenen Gebietes, welche sich zudem noch wegen der geographischen Lage Messeniens einer dauerhaften Kontrolle ihrer Herren entzog, liefert die wichtigste Ursache für die immense Gefahr, die zumindest von den messenischen Heloten ausging. Die, wie wir noch sehen werden, fast paranoide Furcht der Spartaner resultiert hingegen von der langen Dauer der erbitterten und blutigen Kämpfe gegen die Messenier, welche für die Polis Sparta Existenz bedrohliche Züge annahmen.62 Das Ergebnis dieser Kriege, insbesondere der Helotisierung der Messenier, setzte eine für spartanische Geschichte folgenreiche Entwicklung in Gang.63 Nahezu jeder Bereich des spartanischen Kosmos ist daher stets vor dem Hintergrund der Helotie zu betrachten – und es soll im Verlauf der Untersuchung gezeigt werden, Daß diese Tatsache vornehmlich auch für die Au13enpolitik Spartas galt.

Betrachten wir zunächst das Phänomen der Helotengefahr. Schon Plutarch weist scharfsinnig auf die Kausalität zwischen dem Arbeitsverbot der Spartaner, der militärischen Ausbildung und der Aufstandsgefahr der Heloten hin: [...] καὶ τὸ μέγιστον, εἱλωτικοῦ πλήθους, ὃ βέλτιον ἦν μὴ σχολάζειν, ἀλλὰ τριβόμενον ἀεὶ καὶ πονοῦν ταπεινοῦσθαι, περικεχυμένου τῇ Λακεδαίμονι, καλῶς εἶχεν ἀσχολιῶν ἐπιπόνων καὶ βαναύσων ἀπαλλάξαντα τοὺς πολίτας συνέχειν ἐν τοῖς ὅπλοις, μίαν τέχνην ταύτην

ἐκμανθάνοντας καὶ ἀσκοῦτας.64 Daß diese Gefahr tatsächlich vorherrschte, zeigen mehrere Beispiele aus dem fünften Jahrhundert, unter welchen auch einige Aufstände zu verzeichnen sind.65 Der erste Helotenaufstand des fünften Jahrhundert geschah vermutlich 490 v. Chr. zeitgleich mit der Schlacht von Marathon.66 Da Quellenlage jedoch sehr dürftig und äußerst umstritten ist67, soll hier die kurze Erwähnung genügen. Sehr gut belegt hingegen ist der Aufstand von ca. 464, welcher infolge eines großen Erdbebens ausbrach.68 Die Aufständischen, zu denen wohl auch zwei Periökengemeiden (Thouria und Aithaia) gehörten, zogen sich auf dem Berg Ihome zurück und wurden dort belagert. Als sich die Belagerung jedoch in die Länge zog, berief Sparta seine Verbündeten, unter ihnen auch die Athener,69 zu Hilfe. Nur mühsam und nach langandauernden Kämpfen konnte die Erhebung schlie13lich niedergeschlagen werden. Dieser Aufstand liefert nun in mehrfacher Weise einen Beleg für die Gefährlichkeit der Helotie: Erstens bestätigt er das oben angeführte Aristoteles Zitat, wonach die Heloten stets auf ein Unglücksfall der spartanischen Polis lauerten, um diesen dann gnadenlos auszunutzen. Die Mühe und lange Dauer des Widerstandes gegen die militärisch rühmreichste Polis dieser Zeit verdeutlichen zweitens das gefährliche Potential der Heloten.70 Daß Sparta schließlich sogar genötigt ist, neben mehreren anderen Poleis auch den groi3en Kontrahenten Athen mit einem beträchtlichen Heer zu Hilfe zu rufen, verdeutlicht am drastischsten die Tatsache, daß die Furcht der Spartaner vor den Heloten durchaus ihre Berechtigung hatte.71 Spätestens seit diesem Aufstand darf die immense Gefahr, die von den Heloten ausging, nicht bezweifelt werden. Weil die Heloten nun mindestens zum zweiten Mal die Existenz der Polis Sparta massiv bedrohten, muß auf der anderen Seite aber auch die Realität einer paranoiden Furcht der Lakedaimonier als Folge dieser traumatischen Ereignisse anerkannt werden.

Dieser Vorfall deckt einen weiteren Aspekt der Helotengefahr auf, der spätestens während des Peloponnesischen Krieges deutlich zum Vorschein kam: daß nämlich die Heloten in ihrem Status als Staatsfeinde Spartas vortrefflich als potentielle Verbündete für die gegnerische Kriegspartei taugten. So wurde während der Belagerung vor Ithome, laut Thukydides, die Hilfe der Athener schließlich zurückgewiesen, weil die Spartaner ihnen die Absicht unterstellten, sich mit den Heloten zu verbünden und einen Umsturz zu beabsichtigen.72 Als im Peloponnesischen Krieg sodann die Athener 425 im messenischen Pylos und auf der benachbarten Insel Sphakteria ihren wahrscheinlich gröten Erfolg erzielten und Sparta eine verheerende Niederlage fürchten mußte73, trat erneut ein solcher Unglücksfall ein, auf den die Heloten lauerten. Nachdem einige Heloten vor Ort bereits zum Feind übergelaufen waren, erkannte man in Sparta die immense Gefahr eines Dominoeffekts und war schnell auch zu schmerzlichen Verhandlungen mit Athen bereit.74 Auf der gegnerischen Seite war der Freiheitsdrang der Heloten daher stets ein wichtiger Bestandteil der Kriegsstrategie.75

Betrachten wir nun also das Phänomen der Helotenfurcht genauer. Im Zusammenhang mit der Pylos-Episode erwähnt Thukydides eine sonderbare Maßnahme: Um zu prüfen wessen Freiheitsambitionen am stärksten sind, machten die Spartaner bekannt, es sollen sich diejenigen Heloten melden, welche im Krieg für Sparta am verdienstvollsten waren und versprachen ihnen Freiheit. Als sich daraufhin ca. 2000 Heloten meldeten, wurden sie rücksichtslos umgebracht.76 Direkt im Anschluß daran berichtet Thukydides, daß die Spartaner auch gern (προθύμως) 700 Heloten mit Brasidas außer Landes nach Thrakien schickten. Thukydides nennt als Hauptursache für beide Maßnahmen die Furcht der Spartaner vor einem möglichen Aufstand der Heloten, wobei uns zumindest der erste Fall zweifelsfrei ein Musterbeispiel für ihre paranoide Ausuferung veranschaulicht.

Nach den Ereignissen um Pylos kam es 421 zu Friedensverhandlungen, die einen vorläufigen Ausgleich zwischen Athen und Sparta gebracht hatten. Der Wortlaut des Vertrages und die anschließenden Ereignisse liefern einen wichtigen Hinweis, wie intensiv die Helotenfrage die spartanische Politik beeinflußte. Bei den Vertragsbestimmungen bestand Sparta scheinbar auf die einseitige Aufnahme einer Helotenklausel, mit welcher sie sich eine umfassende athenische Hilfe bei einem ‚Sklavenaufstand’ zusicherte: ἢν δὲ ἡ δουλεία ἐπανίστηται, ἐπικουρεῖν Ἀθηναίους Λακεδαιμονίοις παντὶ σθένει κατὰ τὸ δυνατόν.77 Anschließend beharrten die Spartaner bei den Streitigkeiten um die Einhaltung der Vertragsbedingungen auf den Abzug der „Messenier und Heloten“ aus Pylos und waren eher bereit dort athenische Truppen zu akzeptieren.78 Die Spartaner nahmen die Bedrohung der Heloten also stärker wahr, als diejenige der Athener.

Deutlicher faßbar wird die Furcht der Spartaner vor den Heloten in vielen institutionellen Einrichtungen und Vorkehrungen, welche auf die Beseitigung eines möglichen Aufstandes abzielten. In aller Kürze sollen die Wesentlichen im Folgenden aufgelistet werden: Die eigenartige Institutionen der Krypteia und der jährliche Kriegserklärung durch die Ephoren dienten als Terrorinstrument zur Unterdrückung und Entmutigung der Heloten. Zusätzliche Demütigung erreichte man durch die besondere Lederkleidung, die die Betroffenen symbolisch den Tieren gleichstellte, und durch die zur Schaustellung bei den Syssitien, nachdem sie zuvor sich maßlos betrinken mußten. Durch die Teilnahme an den Begräbnissen der Könige waren sie überdies zu Loyalitätsbekundungen zur Polis Sparta gezwungen. Der Umstand, daß der Spartiate, der seinen Heloten kräftiger werden ließ, mit einer Strafe belegt wurde,79 demonstriert zudem, daß man jedwedem Erstarken dieser Gruppe, staatlich einen Riegel vorsetzen wollte. Die Aushebung und Aussendung der Heloten im spartanischen Heer, zumeist als Waffenträger oder Leichtbewaffnete, erfüllte, wie die Brasidas-Episode zeigt, unter anderem auch den Zweck, daß nicht so viele kampffähige Heloten in Sparta zurückzulassen wurden, während ein großer Teil des Heeres sich außer Lande befand. Schließlich sorgten aber auch zahlreiche Periökengemeinden, welche überall in den Helotengebieten verstreut waren, für zusätzliche Eindämmung von Aufständen.

Weitere zwingende Belege für das Phänomen der Helotenfurcht werden uns insbesondere in den Betrachtungen zum Peloponneischen Bund und dem sog. spartanischen Sonderweg begegnen. Es wird sich zeigen, daß eben diese Furcht sogar die Ursache des Bündnissystems Spartas und nahezu aller Gesichtspunkte ihres Sonderwegs darstellt.

Fassen wir also zusammen. Beinahe alle außenpolitisch relevanten Bereiche des spartanischen Kosmos müssen vor dem Hintergrund der Helotie betrachtet werden. Gesamt betrachtet ist die Furcht Spartas als Grundantrieb des politischen Handelns nicht zu leugnen, auch wenn sicherlich einige bisher angeführte Beispiele en detail in der Forschung nicht ganz unumstritten sind. Ihr Anfang ist in der Helotisierung Messeniens zu suchen. Seit diesem Zeitpunkt entstehen in der Politik Spartas spezifische Institutionen, welche jede Möglichkeit einer Helotenerhebung – einen Ausbruch des „potentially active human volcano“,80 in dessen Krater Sparta lag –, präventiv verhindern sollten. Dieser Maßnahmen führten, wie noch weiter auszuführen wird, zwangsläufig zu Konservatismus und Isolation.

Daß auch die Gefahr seit diesem Zeitpunkt tatsächlich stets präsent war, beweisen zunächst Faktoren, die sich unabhängig von der Helotenfurcht der Spartaner ableiten lassen, nämlich: die Überzahl der messenischen Heloten, ihre geographische Entfernung, sowie ihr starkes ethnisches Bewußtsein, das die Grundlage des nicht zu dämpfenden Freiheitsdranges bildete.81 Der große Aufstand in den 60er Jahren des fünften Jahrhunderts verdeutlicht schließlich, daß diese Furcht durchaus berechtigt war. Spätestens seit diesem Zeitpunkt dürften in der Forschung keine Zweifel mehr an der Existenz dieser Phänomene bestehen. Als also etwa dreißig Jahre später der große Krieg zwischen den Peloponnesiern und den Athenern ausbrach, waren die traumatischen Erfahrungen dieser Erhebung den Spartanern noch überaus präsent. Wenn wir daher nach den Kräften fragen, die Sparta in den Krieg getrieben haben, ist es unumgänglich dem Aspekt der Helotie eine bedeutsame Rolle zuzuschreiben.

Vor dem Hintergrund der Helotengefahr war es Sparta somit nicht möglich, eine waghalsige und offensive Außenpolitik zu befolgen,82 weil jeder außenpolitischer Rückschlag sofort eine zusätzliche innenpolitische Bedrohung mit sich brächte. Es ist demnach bezeichnend, daß die spartanische Vorherrschaft über die Griechen nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges nur von kurzer Dauer war. Die Niederlagen gegen Theben brachten erneut eine Krise mit sich, welche diesmal von den messenischen Heloten erfolgreich ausgenutzt werden konnte.83 Die Befreiung der messenischen Heloten und der Verlust Messeniens bedeuteten zwar einerseits das Ende der Helotengefahr, andererseits aber auch das Ende der Großmachtstellung Spartas. Neben den immensen wirtschaftlichen Einbüßen und gesellschaftlichen Konsequenzen entfiel mit der Helotengefahr auch das Fundament des Peloponnesischen Bundes, weshalb dieser kurze Zeit später zusammenbrach.

1.3. Die Außenpolitische Neuorientierung: Der Peloponnesische Bund

Obwohl nur wenig Gesichertes über die Außenpolitik Spartas vor 550 v. Chr. gesagt werden kann, so ist doch nicht zu bezweifeln, daß die Unterwerfung der Messenier und die Gefahr, die von ihnen ausging, nicht nur innenpolitisch zur markanten Veränderungen geführt hatte, sondern sich genauso bedeutend auf die äußeren Verhältnisse auswirken mußte. Der Ruhm Spartas erreichte binnen Kurzem nahezu alle Regionen der bekannten Welt, sodaß die Polis außerhalb der Peloponnes als Helfer stets umworben war.84 Innerhalb der Peloponnes waren die Spartaner jedoch von Feinden umgeben. Im Westen lauerten die helotisierten Messenier auf jede Möglichkeit sich von ihren Peinigern zu befreien. Im Norden sorgten die Arkader und der mächtige Erzfeind Argos für immerwährende Gefahr, zumal sie noch als Verbündete der Messenier galten.85 Bedrohung ging schließlich auch in unmittelbarer Umgebung von den lakonischen Heloten aus, wenngleich diese sich einerseits wohl zumeist loyal verhielten und andererseits aufgrund der ständigen Präsenz der Herren gut kontrolliert werden konnten. Bedenkt man sodann, daß Messenien einen Großteil des lakedaimonischen Staatsgebietes ausmachte, so wird deutlich, daß die Situation neuer außenpolitischer Richtlinien bedurfte.

Zum zentralen Motor der spartanischen Außenpolitik wurde vermutlich nur kurze Zeit nach der Eroberung Messeniens der Peloponnesische Bund. Obgleich einzelne Aspekte dieses Bündnissystems, insbesondere diejenigen, die seine Konstitution betreffen, in der Forschung äußerst umstritten sind, läßt sich aus den Quellen dennoch ein einigermaßen verläßlicher Rahmen rekonstruieren, welcher für den Gang der Argumentation ausreichen sollte. Vornehmlich zwei Gesichtspunkte spielen für unsere Fragestellung eine tragende Rolle und sollen deshalb im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen: die Zielsetzung der spartanischen Außenpolitik (und somit auch des Bündnissystems) nach dem Ende der Messenischen Kriege und der Charakter der Konstitution des Peloponnesischen Bundes. Das Bestreben dieses Kapitels liegt in der Untersuchung genereller außenpolitischer Triebkräfte, welche noch beim Ausbruch des Peloponnesischen Krieges von entscheidender Bedeutung sein könnten. Gleichzeitig werden die Ausführungen jedoch auch einen weiteren Beleg für die Richtigkeit der thukydideischen These liefern, wonach alle politischen Handlungen Spartas stets vor dem Hintergrund der Helotenfurcht zu betrachten sind. Schließlich soll die Untersuchung zur rechtlichen Struktur des Peloponnesischen Bundes ein nötiges Fundament zu den späteren Überlegungen zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges liefern.

α) Die Zielsetzung der spartanischen Außenpolitik nach den Messenischen Kriegen

Nach dem erfolgreichen Ende der Messenischen Kriege führte Sparta Kriege gegen die alten Feinde Argos und Arkadien.86 Während der Kämpfe gegen die Argiver in der Schlacht von 546 ein außerordentlich lukratives Ende für Sparta nahmen (die Landschaft Thyreatis, nordöstlich von Lakonien, und die Insel Kythera gingen von Argos verloren),87 leisten die Arkader, insbesondere Tegea, einen beharrlichen Widerstand. Ob die Spartaner mit diesen Kriegen, angetrieben von Machtzuwachs, Ruhm und neuen Reichtümern, eine aggressive Politik betrieben, wie Herodot es ihnen unterstellt,88 um womöglich sogar Arkadien zu helotisieren, kann nicht endgültig geklärt werden. Ein defensiver Charakter dieser Angriffe erscheint vor dem Hintergrund der Heloten freilich wesentlich nachvollziehbarer. Denn nicht nur, Daß die Argiver und Arkader selbst überaus ernstzunehmende Feinde Spartas waren, sie sympathisierten darüber hinaus noch mit den Messeniern, indem sie ihnen während der Messenischen Kriege als Verbündete dienten, oder später den entflohenen Heloten Zuflucht gewährten. Die Aufstands-und Fluchtbemühungen der Heloten waren deshalb erst verheißungsvoll zu dämpfen, wenn Sparta ihnen jede Hoffnung auf den Erfolg dieser Versuche durch Unterstützung aus Argos und Arkadien abschnitt. Im schlimmsten Falle mußten die Lakedaimonier nämlich sogar einen Zusammenschluß dieser drei Kräfte befürchten, welcher aufgrund der zahlenmäßigen Unterlegenheit und der geostrategischen Einklammerung verheerende Folgen nach sich ziehen würde. Da Messenien bereits zwar erobert war, aber nicht endgültig kontrollierbar zu sein schien, blieb der Angriff auf die nördlichen Nachbarn die einzige Alternative, um die Erhaltung des bisher Erreichten zu garantieren und jegliches Sicherheitsrisiko zu beseitigen.

Nach erbittertem Widerstand der arkadischen Poleis, verhieß ein Orakelspruch aus Delphi den Spartanern, von den Arkadern abzulassen und versprach ihnen lediglich das Gebiet von Tegea.89 Dennoch erlitt Sparta gegen Tegea eine demütigende Niederlage. Die Überlebenden gerieten in Gefangenschaft und wurden gezwungen die Felder der Tegeaten zu bebauen.90 Als die Mißerfolge gegen Tegea sich häuften, schickten die Spartaner erneut Gesandte zum Orakel, das ihnen schließlich weissagte: ἔχρησε τὰ Ὀρέστεω τοῦ Ἀγαμέμνονος ὀστέα ἐπαγαγομένους.91 Nachdem die Gebeine des Orestes nach einiger Zeit ausfindig gemacht werden konnten und nach Sparta überführt worden waren, siegten die Lakedaimonier endlich gegen die Tegeaten.92 Herodot berichtet abschließend: καὶ ἀπὸ τούτο τοῦ χρόνου, ὅκως πειρώατο ἀλλήλων, πολλῷ κατυπέρτεροι τῷ πολέμῳ ἐγίνοντο οἱ Λακεδαιμόνιοι [...].93

Die Ereignisse um den Tegea‐Krieg enthüllen zwei entscheidende Momente der Neuorientierung in der spartanischen Außenpolitik. Betrachten wir zunächst den propagandistischen Kern der Gebeineüberführung. Vorderhand sollte sie sicherlich an die Bedeutung des homerischen Sparta erinnern. Agamemnon, der Bruder des Königs von Sparta Menelaos und Anführer der Griechen vor Troia, symbolisierte die vordorische Beherrschung der Peloponnes.94 Mit der Überführung der Gebeine seines Sohnes rechtfertigte Sparta einerseits ihre Machtansprüche über die Halbinsel. Zugleich jedoch schuf sie eine allegorische Verbindung und Annäherung zur ihren nördlichen Feinden, den Arkadern, welche neben den Kynuriern als vordorische Ureinwohner der Peloponnes galten.95 Neben den Gebeinen des Orestes wurden, laut Pausanias96, auch diejenigen seines Sohnes Teisamenos aus Helike in Achaia nach Sparta überführt. Als Erben der Königtümer von Mykene, Argos und Sparta97, welche überdies die verschiedenen Mächte der Peloponnes unter sich vereinigten98, betonten die Spartaner ihre Intention eines neuen politischen und vornehmlich friedlichen Machtanspruchs und keines gewaltsamen mehr. Vor diesem Hintergrund muß auch die Bemerkung Herodots gelesen werden, mit welcher er seine Ausführungen über Tegea vorgreifend abschließt: ἤδη δέ σφι καὶ ἡ πολλὴ τῆς Πελοποννήσου ἦν κατεστραμμένη.99 K. Wickert weist zurecht darauf hin, Daß „καταστρέφω hier nicht die Bedeutung besitzen [kann], die es gewöhnlich hat, nämlich die Unterwerfung durch Waffengewalt,“100 weil Herodot mit ἡ πολλὴ τῆς Πελοποννήσου wohl kaum nur die im gewöhnlichen Sinne unterworfenen Gebiete Lakonien, Messenien, Kynuria und Thyreatis gemeint haben wird. Vielmehr offenbart sich darin anscheinend die Tatsache, Daß Sparta nun durch Bündnispolitik, welche spätestens seit dem Vertrag mit Tegea ihren Anfang nahm,101 auf friedlichem Wege einen Einfluß über die Mehrheit der peloponnesischen Poleis gewann. Insofern fand in der Gebeineüberführung des Orestes’ und Teisamenos’ die Neuorientierung der spartanischen Außenpolitik ihr propagandistisches Fundament.

Der Vertrag zwischen Sparta und Tegea, der gewöhnlich in die Mitte des sechsten Jahrhunderts datiert wird,102 ist der erste erwähnte Bündnisvertrag Spartas. Trotz seiner dürftigen Überlieferung liefert eine Passage103 einen Hinweis auf den entscheidenden Antrieb der spartanischen Außenpolitik:104 Μεσσηνίους ἐκβαλεῖν ἐκ τῆς χύρας, καὶ μὴ ἐξεῖναι χρηστοὺς ποιεῖν. Schon in dieser frühen Phase verlangten die Spartaner augenscheinlich explizit von ihren Bündnern, die Messenier aus dem Lande zu vertreiben und ihnen das Bürgerrecht zu verwähren.105 Diese Klausel bezeugt insofern zum einen, daß die Helotenfurcht bereits im sechsten Jahrhundert eine gewaltige Rolle spielte. Fernerhin zeigt sie den immensen Einfluß dieser Furcht auf die spartanische Außenpolitik. Wir können infolgedessen davon ausgehen, daß die Außenpolitik Spartas nach der Helotisierung Messenien einen defensiven Grundcharakter trug, welcher in erster Linie auf Sicherheit und Wahrung des Erreichten bedacht war.

Ungewiß bleibt freilich die Tatsache, ob just mit diesem Tegea-Vertrag der Aufbau des Peloponnesischen Bundes begann.106 Die mögliche Struktur des spartanischen Bündnissystems soll uns im Folgenden weiter Aufschluß über die neuen Antriebe der Außenpolitik Spartas liefern.

ß) Die Struktur und Funktion des Peloponnesischen Bundes

Die rechtliche Struktur des Peloponnesischen Bundes bildet in der Forschung ein äußerst kontrovers diskutiertes Thema, welches eine immense Mannigfaltigkeit an unterschiedlichen Interpretationen zu folge hatte.107 Das Bestreben dieses Abschnitts liegt daher nicht in der Präsentation und Diskussion dieser Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten, weil sie den Rahmen und Intention dieses Unterkapitels sprengen würden. Es kommt mir infolgedessen in erster Linie darauf an, die den Bund betreffenden, einigermaßen gesicherten Fakten herauszuarbeiten und anschließend erneut die Frage nach den Triebkräften der spartanischen Politik zu stellen.

Vorab und vor dem letzt genannten Hintergrund ist zunächst darauf hinzuweisen, Daß es sich bei dem Namen „Der Peloponnesische Bund“ um eine moderne Bezeichnung handelt. Die folgenden Ausführungen werden sodann deutlich machen, Daß der Inhalt, den der moderne Sprachgebrauch in diese Bezeichnung projiziert, für das spartanische Bündnissystem aus mehreren Gründen unzutreffend ist. Der offizielle antike Terminus lautete of AaxEbaipóvmi. xai of crippaxoL, wobei die Quellen häufig auch lediglich von den ITEAonovv1joloi108 sprechen. Er offenbart bereits das wichtigste Charakteristikum dieser Kampfgemeinschaft, welches sich indessen fundamental von modernen Staatenbünden unterscheidet: Seine Grundlagen waren nämlich bilaterale Verträge, bei denen die Vertragspartner jeweils einzeln an Sparta gebunden waren. Untereinander waren die Mitkämpfer Spartas allenfalls vereinzelt miteinander verbündet, manchmal sogar verfeindet. Lediglich die Bundesversammlung (als einzige gemeinsame Institution der Allianz), welche um das 504 v. Chr. das erste Mal nachweisbar wird,109 könnte zunächst als Hinweis für einen Staatenbund im heutigen Sinne dienen. Allerdings werden die weiteren Untersuchungen ergeben, Daß die rechtliche Grundlage des Bündnissystems allein auf den Einzelverträgen beruhte, welche alles Wesentliche regelten. Die Bundesversammlung110 hingegen wurde „zunächst für die Konsultation untereinander und zur Abstimmung des gemeinsamen militärischen Vorgehens eingerichtet“,111 weil die Bindung durch Einzelverträge für gemeinsame Aktionen mehrerer Symmachoi äu13erst ungeeignet war. Doch sollen die rechtlichen Überlegungen zur Bundesversammlung erst weiter unten ihre Erwähnung finden. Beginnen wir mit dem Fundament der Symmachie: dem bilateralen Vertrag. Ein inschriftlich erhaltener spartanischer Bündnisvertrag, vermutlich aus der Zeit zwischen 500 und 470,112 enthält die bedeutendsten Klauseln der Mehrheit der spartanischen Bündnisverträge.113 Er soll zunächst einmal exemplarisch dazu dienen, die Struktur des Bündnissystems zu betrachten, um daraus die grundlegenden Antriebe der spartanischen Außenpolitik zu erschließen. Die entscheidenden Bestimmungen dieses Vertrages mit den Ätolern114 lauten wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten115

Diese zitierte Passage des Vertrages beinhaltet somit (1) die Freund-Feind-Klausel, welche hier mit der (2) Hegemonie-Klausel gekoppelt ist (Z. 4-10), (3) die Bestimmung über das Verbot eines einseitigen Friedensschlusses (Z. 10-14), sowie (4) den Paragraphen, daß keine Flüchtlinge aufgenommen werden dürfen. Auffällig ist, daß diese vier Paragraphen einseitig formuliert sind, daß sie also ausschließlich spartanische Interessen zum Inhalt haben. Lediglich der letzte erhaltene Paragraph,116 die sog. Schutzklausel, basiert auf gegenseitigen Beistandsverpflichtungen und macht das Eingehen eines solch beschaffenen Bündnisses für die andere Partei erst lukrativ.

Es gilt nun also die ersten vier Klauseln, nach der Natur der spartanischen Interessen zu befragen. Die vierte Bestimmung dürfte am klarsten zu bestimmen sein: Die Ätoler, die wahrscheinlich in unmittelbarer Nähe zu Sparta beheimatet waren,117 mußten sich verpflichten, keine flüchtigen Heloten aufzunehmen. Die Formulierung φεύγοντες ist zwar nicht so deutlich wie diejenige des Tegea-Vertrages (Μεσσηνίοι) oder des ebenfalls angeführten Vertrages mit Athen von 421 (ἡ δουλεία), doch dürfte allein die Parallelität zu den anderen Verträgen evident genug sein, Daß es sich hier zweifelsfrei um Heloten handelt.118 Auch der dritte Paragraph ist dem Inhalt nach nicht weiter schwierig und wird vor dem Hintergrund der ersten beiden Bestimmungen überaus verständlich.

Wenden wir uns deshalb den ersten beiden Klauseln zu, welche, wie es sich noch zeigen wird, tatsächlich aufs Engste zusammengehören. Gemäß den Untersuchungen von E. Baltrusch zur Freund-Feind-Klausel119 waren derartigen Abkommen immer a) gegen einen bestimmten Feind gerichtet und b) auf einen konkreten bzw. drohenden Krieg hin abgeschlossen.120 Die Verträge mit den Tegeaten und Ätolern (und weitere Verträge bestätigen diese Tatsache ebenso) haben gezeigt, Daß sie nach von Sparta siegreich geführten Kriegen gegen diese Poleis abgeschlossen waren. Ferner wissen wir nichts Weiteres von laufenden oder drohenden Kriegen zu dieser Zeit gegen äu13ere Feinde. Es bleibt also nur Spartas gefährlichsten Staatsfeind im Innern, nämlich die Heloten, in Betracht zu ziehen. Durch die alljährlich vollzogene Kriegserklärung an die Heloten befanden sich die Spartaner seit der Einrichtung dieser Institution dauerhaft im Kriegszustand. Demzufolge lag im Fundament des spartanischen Bündnissystems, des Peloponnesichen Bundes, stets ein fest umrissener Feind zugrunde (nämlich die Heloten, welche im Verlaufe des Krieges niemals zum Freund werden durften) und ein fest umrissener Krieg gegen selbige – auf beide Aspekte mußten sich die Vertragspartner verpflichten. Entgegen der Ansicht vieler Forscher121 waren die Verträge daher nicht „auf ewige Zeiten“ abgeschlossen, sondern auf die Dauer des jeweiligen Krieges begrenzt – im Falle Spartas bedeutete dies de iure: so lange, wie die Helotengefahr vorherrschend war und die Ephoren ihnen förmlich den Krieg erklärten. Nach der Befreiung Messeniens im vierten Jahrhundert war der Krieg gegen die Heloten beendet (denn die lakonischen Heloten stellten wohl keine ernst zu nehmende Gefahr dar), die meisten bilateralen Verträge Spartas galten folglich als beendet und der Peloponnesische Bund brach auseinander.

In Anbetracht dessen bezog sich die Hegemonie-Klausel nicht wie oft angenommen122 auf die Vorherrschaft Spartas innerhalb des Bundes, sondern lediglich auf die Heeresführung in einem bestimmten Krieg. De facto hieß dies, Daß sich die Symmachoi bei Bedarf in einem Krieg gegen die Heloten dem spartanischen Kommando unterordnen mußten. Der Inhalt dieser Klausel war also (zumindest bis zum Peloponnesischen Krieg) nicht allgemeiner und politischer Natur (wie z.B. dauerhafte Hegemonialstellung oder gemeinsame Außenpolitik), sondern rein singulärer, militärischer Art.123 Wurde daher in einer Bundesversammlung ein Kriegszug beschlossen, mußten auch die den konkreten Feind und Krieg betreffenden Verträge geschlossen werden. Insofern ist nachhaltig festzuhalten, Daß der Peloponnesische Bund, basierend auf bilateralen Verträgen, „nie eine Unter- bzw. Überordnung des einen Vertragspartners zum Ausdruck“124 brachte. Denn die Einseitigkeit eines Symmachievertrages besagt eo ipso, Daß es eine hauptkriegführende Polis gab, welcher in einem bestimmten Krieg andere Poleis als Mitkämpfer Beistand leisteten, wofür sie zumeist in Form einer Schutzleistung von Sparta eine Gegenleistung erhielten.

Schließlich bedarf noch das Abstimmungsverhalten in der Bundesversammlung einer kurzen Betrachtung. Klar ist, Daß jede Polis in der Versammlung eine Stimme hatte und Daß es bindende Mehrheitsbeschlüsse gab.125 Wann aber waren Mehrheitsbeschlüsse notwendig? Wir erinnern uns: das rechtliche Primat der Symmachie bildeten die bilateralen Verträge. Ferner ist zu bedenken, Daß nur Sparta die Befugnis hatte, die Bundesversammlung einzuberufen.126 Insofern also die Spartaner z.B. ein militärisches Vorhaben planten, welches bisher vertraglich nicht geregelt war, und sie es überdies für opportun hielten, den Beistand der Verbündeten zu erbitten, so beriefen sie die Bundesversammlung, um über einen neuen Kriegszug zu beraten und diesen auch förmlich beschließen.127 Theoretisch war in solchen Fällen der Mehrheitsbeschluß der Bundesversammlung für alle Parteien bindend. Allerdings war die Möglichkeit, einen Abweichler zu sanktionieren, wohl nur beschränkt, „so Daß sich dann die Praxis herausgebildet hat, nur die Kriegswilligen zur Hilfeleistung aufzufordern.“128 Weil also die Mitglieder der Allianz Sparta nicht in offensive Kriege folgen mußten, diese darüber hinaus noch eines neuen Bündnisvertrages bedurften, ist das spartanische Bündnissystem von seiner strukturellen Beschaffenheit rein defensiver Natur.129

Sprechen wir also vom ‚Peloponnesischen Bund’, ist stets zu bedenken, Daß dieser zunächst nur eine Summe bilateraler Verträge war, welche vornehmlich ein spartanisches Interesse zum Inhalt hatten: nämlich die Vormachtstellung innerhalb der Peloponnes zum Zwecke der eigenen Sicherheit. Die rechtliche Struktur des ‚Bundes’ entspricht somit der neuen Zielrichtung der spartanischen Außenpolitik nach den Messenischen Kriegen. Schaut man auf das Fundament dieser Politik, gelangt man erneut zur Helotengefahr und Helotenfurcht. Weil jeder bekannte Staatsvertrag Spartas eine Helotenklausel hatte, liegt die Vermutung von E. Baltrusch überaus nahe, im Helotenproblem sogar „das konstitutive Element der spartanischen Bündnisverträge [...] und den Ursprung und eigentlichen Sinn des spartanischen Bündnissystems zu suchen.“130 Auch die Institution der Bundesversammlung diente allein spartanischen Interessen. Bei Bedarf konnte Sparta sie einberufen und sich Unterstützung für eigene Ziele verschaffen. Zugleich verhindert der rechtliche Rahmen jedoch, daß Sparta unfreiwillig in irgendeinen Angriffs- bzw. Expansionskrieg der Verbündeten hineingezogen werden konnte und infolgedessen möglicherweise in Gefahr geriet. Der Sicherheit Spartas war damit, soweit es im Bereich des Möglichen war, umfassend zu genüge getan. Allerdings verhinderte die Dominanz des spartanischen Nutzens und das Fehlen eines gemeinsamen Interesses, sowie die lockere Struktur des Bundes a priori eine ausgeprägte hegemoniale Praxis innerhalb des Bundes und imperiale Ambitionen nach außen hin, wie sie beide der Konkurrent Athen im Seebund und mit seiner Hilfe praktizieren konnte.131

Im letzten Abschnitt des Kapitels werde ich den Charakter der spartanischen Außenpolitik bis zum Beginn des fünften Jahrhundert kurz betrachten. Eine Bestätigung der bisherigen Ergebnisse, daß Sparta nach den Messenischen Kriegen in erster Linie nämlich eine defensiv ausgerichtete Außenpolitik betrieb, wird sich v. a. in der sog. Kleomenes-Doktrin nochmals finden.

γ ) Weitere außenpolitische Ambitionen und die sog. Kleomenes -Doktrin

Bis zum Ende des sechsten Jahrhunderts vergrößerte sich Spartas Wirkungsbereich immens: von Sizilien, über Ägypten und die Ägäis bis hin nach Persien erstreckten sich spartanische Unternehmen. In diesem Abschnitt werde ich daher kurz untersuchen, welche Interessen die Spartaner tatsächlich verfolgten, und ob es sich dabei wirklich um offizielle Ambitionen der Polis Sparta handelte, oder möglicherweise um Einzelinteressen diverser adliger Gruppierungen und Individuen.

Die Samos-Expedition gegen den Tyrannen Polykrates um 525 ist das nächste überlieferte militärische Unternehmen Spartas seit den Siegen gegen Tegea und Argos. 132 Zusammen mit Korinth intervenierten die Spartaner gegen den Tyrannen, nachdem sie von vertriebenen samischen Aristokraten um Hilfe gefragt worden waren. Nach längeren Kämpfen scheiterte die Intervention schließlich. Welche Motive hatte Sparta einzuschreiten?

[...]


1 Thukydides I 1,2.

2 Volkmann-Schluck, K.-H.: Politische Philosophie. Thukydides, Kant, Tocqueville. Frankfurt a. M. 1974, S. 17.

3 Ebd.

4 Thukydides I 22,4.

5 Die zum Beginn des 20. Jahrhunderts begründete Realistische Schule in der Lehre der Internationalen Beziehungen sah und sieht in Thukydides den geistigen Vater ihrer Denkrichtung.

6 Vgl. die einzelnen Passagen und die Interpretation bei Brauer, H.: Die Kriegsschuldfrage in der geschichtlichen Überlieferung des Peloponnesischen Krieges. Emsdetten 1933.

7 Obwohl Thukydides andere Faktoren für den Ausbruch des Krieges verantwortlich macht, konnte er sich dieser scheinbar weit verbreiteten Meinung nicht gänzlich entziehen (Thukydides I 127,3).

8 Kagan, D.: The Outbreak of the Peloponnesian War. Ithaka/London 1963; als weiterer wichtiger Vertreter wäre außerdem Meiggs, R.: The Athenian Empire. Oxford 1972, zu nennen.

9 De Ste. Croix, G.E.M.: The Origins of the Peloponnesian War. London 1972: ihm folgen z.B. auch Salmon, J.B.: Wealthy Korinth. A History of the City to 338 BC. Oxford 1984, und ansatzweise auch Powell, A.: Athens and Sparta. Constructing Greek Political and Social History from 478 B.C.. London 1988, S. 118-128, mit seiner „theory of Spartan opportunism“ (ebd.), die jedoch nicht erklärt, warum Thukydides vom Machtzuwachs der Athener spricht, wenn Sparta nur bei Schwächephasen der Athener eingreift.

10 Da jede Publikation, die das fünfte Jahrhundert in Griechenland zum Thema hat, sich schließlich die Frage nach der Ursache des Krieges stellen muß, soll die Vorstellung der wichtigsten beiden Vertreter zunächst genügen. Auffallend ist jedoch, daß in den Überblicksdarstellung der Aitiologie und insbesondere der wahrsten Ursache relativ wenig Platz eingeräumt wird (so etwa zuletzt etwa bei Welwei, K.-W.: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. Stuttgart 2004). Eine Ausnahme bildet dagegen Schulz, R.: Athen und Sparta. Darmstadt 2003, der in seiner sehr knappen Studienbuchdarstellung des Dualismus, die Kriegsursachenfrage verhältnismäßig gründlich und neutral behandelt. Die unüberschaubar vielen geschichtswissenschaftlichen und philologischen Aufsätze zu diesem Thema behandeln zwar sehr erschöpfend Einzelfaktoren der Ursache, lassen jedoch das Ganze aus dem Blick, womit eine vollständige Analyse, die den strukturellen Aspekt im Werke des Thukydides erkennt, allumfassend nicht möglich ist (wie sich später zeigen wird, hantieren sie darüber hinaus durchwegs mit einem Machtbegriff, der auf Thukydides nicht zutrifft; außer jedoch Cawkwell, G.: Thucydides and the Peloponnesian War. London/New York 1997, der ansatzweise subsystemische Aspekte in Erwähnung zieht). Die politikwissenschaftlichen Abhandlungen indessen, von denen einige die strukturellen Momente des Werkes treffend erfassen, erweisen ebenfalls zweierlei Mängel: Einerseits versuchen die Autoren, die eine bestimmte Denkrichtung vertreten, Thukydides für diese zu vereinnahmen, oder seine Vereinnahmung einer anderen Denkrichtung abzusprechen. Sie interpretieren aus einer Theorie heraus, und unterstellen diese auch Thukydides. Andererseits scheitert eine genaue Analyse an fehlendem historischem Verständnis für die Eigenarten der griechischen Antike, sowie am Fehlen von Griechischkenntnissen. Eine aktuelle Untersuchung zu diesem Thema, die vom Umfang an die Abhandlungen von D. Kagan und G.E.M. de Ste. Croix reicht, fehlt aus unverständlichen Gründen - jedenfalls soweit ich es überblicken kann. Der Zusammenbruch des Ost-West-Konflikts hat in der politikwissenschaftlichen Kriegsursachenforschung (Friedens- und Konfliktforschung) viele traditionelle Interpretationsmuster des Kalten Krieges, denen auch die oben genannten beiden Autoren verfallen waren, überholt, und neuartige Denkweisen entwickelt, vor deren Hintergrund es lohnenswert wäre, das Werk des Thukydides, die erste Goldquelle der historisch-politologischen Kriegsursachenforschung, noch einmal zu Rate zu ziehen.

11 Mit Begriffen wie erxpipEia und 'tO ovφὲς oxonEiv macht Thukydides im Methodenkapitel I 22 deutlich, worauf es ihm methodisch bei der Erforschung der Ereignisse vor allem ankommt. TO ovφὲς bildet für ihn die unveränderliche Wahrheit der Tatsachen, die sowohl dem Vergangenen als auch dem Künftigen zugrunde liegt (ebd.). Dieses gesicherte Wissen kann es aber schlie13lich nur geben, weil in den historischen Geschehnissen deterministische Naturkräfte auf individueller und Strukturen auf gesellschaftlicher Ebene wirken. Diese hat der Historiker zu erkennen. Unterliegt den Ereignissen aber eine deterministische Kraft, so kann man nicht mehr äu13erlich von „Schuld“ sprechen, wenn man die elementare Ursache eines Krieges untersucht. Siehe dazu insbesondere die Ausführung unter 2.3.

12 Meyer, E.: Geschichte des Altertums. Bd. 4. Stuttgart/Berlin 1901, S. 275.

13 Um so paradoxer wirkt die Redewendung, als φόβος in der älteren (homerischen) Bedeutung, „Flucht“ bedeutet – ein absolutes Tabu also für jeden Spartiaten (Frisk, H.: Griechisches Etymologisches Wörterbuch. Bd. 2 [s. v. φέβομαι]. Heidelberg 1973, S. 998f.).

14 Thukydides I 118,2.

15 Vgl. zur Geographie Spartas u. a.: RE Bd. III A,2. Stuttgart 1929, Sp.1294-1373; Wüst, F.R.: Lakonica. In: Klio 37 (1959), S. 53-62; Philippson, A.: Die griechischen Landschaften. Frankfurt a. M. 1959, S. 371- 523; Stibbe, C.M.: Das andere Sparta. Mainz 1996, S.15-40; Thommen, L.: Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis. Stuttgart 2003, S. 15-20.

16 Stibbe 1996, S. 20 spricht dabei von einer „splendid isolation“ und weist darauf hin, daß Sparta sogar heute noch nur äußerst schwer zugänglich ist (ebd.).

17 Das bebaubare Land ist im Eurotastal etwa auf 50 000 ha zu schätzen, in Messenien ca. 90.000 ha (vgl. Thommen 2003, S. 16).

18 Lotze, D.: Selbstbewußtsein und Machtpolitik. Bemerkungen zur machtpolitischen Interpretation ‚spartanischen Verhaltens’ in den Jahren 479-477 v. Chr.. In: Klio 52 (1970), S. 256.

19 Stibbe 1996, S. 21f..

20 Thukydides IV 80,3.

21 Vgl. Boisacq, E. (Hrsg.): Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Étudiée dans ses rapports avec les autres langues indo-européennes. (3. Édition), Heidelberg/Paris 1938, S. 225. Die antike Etymologie (Hellanikos 4 F 188; Ephoros 70 F 117; Theopompos 115 F 13) leitete den Begriff dagegen von dem Ort Ἕλος ab; ausführlicher zur Herleitung des Begriffes: Ducat, J.: Les hilotes. BCH Suppl. 20. Athen/Paris 1990, S.7ff. und Lotze, D.: ΜΕΤΑΞΥ ΕΛΕΥΘΕΡΩΝ ΚΑΙ ΔΟΥΛΩΝ. Studien zur Rechtsstellung unfreier Landbevölkerung in Griechenland bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. Berlin 1959, S. 26f.

22 Theopomp 115 F 122. Auch archäologische Funde sprechen für die Richtigkeit dieser Annahme, vgl. dazu: Welwei 2004, S. 39f.

23 Vgl. zum Ursprung der Helotie, zur Unterscheidung zwischen lakonischen und messenischen Heloten, sowie zur Datierung der Messenischen Kriege z.B.: Schubert, Ch.: Athen und Sparta in klassischer Zeit. Ein Studienbuch. Stuttgart 2003, S. 58ff; Link, S.: Das frühe Sparta. Untersuchungen zur spartanischen Staatsbildung im 7. und 6. Jahrhundert. St. Katharinen 2000, S. 31ff; Baltrusch, E.: Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München 1998, S. 37ff; Meier, M.: Aristokraten und Damoden. Untersuchungen zur inneren Entwicklung Spartas im 7. Jahrhundert v. Chr. und zur politischen Funktion der Dichtung des Tyrtaios. Stuttgart 1998, S. 91ff; und Clauss, M.: Sparta. Eine Einführung in seine Geschichte und Zivilisation. München 1983, S. 113; gänzlich andere Interpretationen zur Herkunft und Unterscheidung liefern: Bargalias, N.: Helotage and Spartan Organization. In: A. Powell/ St. Hodkinson (Hrsg.): Sparta. Beyond the Mirage. London 2002, S. 249-266. Luraghi, N.: Helotic Slavery Reconsidered. In: A. Powell/ St. Hodkinson (Hrsg.): Sparta. Beyond the Mirage. London 2002, S. 227-248; und zur Datierung der Messenischen Kriege: Luther, A.: Könige und Ephoren. Untersuchungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte. Frankfurt am Main 2004, S. 59 ff. und Kiechle, F.: Messenische Studien. Untersuchungen zur Geschichte der Messenischen Kriege und der Auswanderung der Messenier. Erlangen 1957, S. 82 ff.

24 Vgl. z.B.: Thukydides I 101,2 und IV 41,2; Pausanias IV 27,11.

25 Cartledge 2001, S. 147.

26 Bereits antike Autoren, wie Platon und Aristoteles, warnten vor dem Hintergrund der Helotie, daß eine ethnisch homogene Sklavengruppe innerhalb eines Staates stets zu meiden ist: Platon, Nomoi 377b und Aristoteles, Pol. 1330a.

27 So z.B. ihre offizielle Bezeichnung bei Thukydides V 23,3. Vermutlich existierten in Sparta parallel auch Sklaven im gewöhnlichen Sinne, so behauptet zumindest: Platon, Alkibiades 1,122d: [...] oi)o' af) exvoparroocov xTlaEL Tibv TE iiAAcov xai Tibv EiAcoTLxibv [...]; vgl. zur Problematik: Link 1994, S.19ff.

28 Platon, Nom. 776c: σχεδὸν γὰρ πάντων τῶν Ἑλλήνων ἡ Λακεδαιμονίων εἱλωτεία πλείστην ἀπορίαν παράσχοιτ᾿ ἂν καὶ μὲν ἔριν τοῖς μὲν ὡς εὖ, τοῖς δ᾿ ὡς οὐκ γεγονυῖά ἐστιν [...]; Pollux 3,83: μεταξὺ ἐλευθέρων καὶ δούλων. Theopomp; FGrHIst. 115 Frg. 122 b: [...] δουλεύντας τῶν ἐλευθέρων [...] καλεῖσθαι [...] παρὰ Λακεκεδαιμονίοις εἵλωτας.

29 Vgl. z.B. Thukydides V 57, 1: [...] αὐτοὶ (Λακεδαιμόνιοι) καὶ οἱ Εἵλωτες [...]; und Herodot IX 28: τὸ μὲν δεξιὸν κέρας εἶχον Λακεδαιμονίων μύριοι∙ τούτων δὲ τοὺς πεντακισχιλίους ἐόντας Σπαρτιήτας ἐφύλασσον ψιλοὶ τῶν εἱλωτέων πεντακισχίλιοι καὶ τρισμύριοι [...].

30 Plutarch, Lyk. 24, 2‐3; Xenophon, Lak. Pol. 7,2.

31 Aelian, var. 6,1; Myron, FGrHist. 106 F 2; Pausanias 4, 14,4; Plutarch Lyk. 24,3, Mor. 239e; Tyrtaios Fr. 5; Siehe zur Höhe der Abgaben au13erdem: Ducat 1990, S. 58f.; Link, S.: Der Kosmos Sparta. Recht und Sitte in klassischer Zeit. Darmstadt 1992, S. 1ff; Link 2000, S. 49ff; Welwei 2004 S.42f.

32 Tyrtaios, Frgm. 5 (Snell/Franyó): ὥσπερ ὄνοι μεγάλοισ᾽ ἄχθεσι τειρόμενοι, δεσποσύνοισι φέροντες ἀναγκαίης ὑπὸ λυγρῆς ἥμισυ πᾶν ὅσσων καπρὸν ἄρουσα φέρει.

33 Plurtarch, Mor. 239e; vgl. Link 1994, S. 4f..

34 Strabon VIII 5,4; Ephoros FGrHist 70 F 117; Pausanias III 20,6; Thukydides V 34,1.

35 Strabon VIII 5,4.

36 Herodot 6,58.

37 Pausanias III 20,6, und Strabon VIII 5,4 -allerdings eingeschränkt durch τρόπον γάρ τινα δημοσίους δούλους; und erneut Pollux 3,83: μεταξὺ ἐλευθέρων καὶ δούλων. Vgl. zur Forschungskontroverse die Interpretationen bei Ducat 1990, S. 62f.; Link 1994, S. 4ff.; Clauss 1983, S. 110; Lotze 1959, S. 40 u. 77; Kulesza, R.: Starożytna Sparta. Poznań 2003, S. 47.

38 [...] ὅπως εὐαγὲς ᾖ τὸ ἀνελεῖν (Aristoteles nach Plutarch, Lyk. 28,7). Die moderne Forschung liefert noch weitere Deutungsmöglichkeiten der jährlichen Kriegserklärung, welche jedoch a) der aristotelischen These nicht widersprechen und sie teilweise sogar voraussetzen, sowie b) den Gang der Argumentation nur peripher beeinflussen: So dient sie nach Ducat zum Beispiel (Ducat, J.: Le Mépris des Hilotes. In: Annales ESC 29 (1974), Sp. 1463) der psychologischen Identitätsstiftung und Abgrenzung der Spartiaten von den Heloten. Oliva (Oliva, P.: Die Helotenfrage in der Geschichte Spartas. In: K. Christ (Hrsg.): Sparta. Wege der Forschung 622. Darmstadt 1986, S. 319) sieht in der Ma13nahme eine Erinnerung an die militärische Unterwerfung der Heloten. Nach Link (Link 1992, S. 9) verweigerten die Spartaner den Heloten durch die Kriegserklärung von vornherein alle Rechte. In einem späteren Buch schlie13lich (Link 2000, S. 56ff) stellt er sie in Zusammenhang mit der Tributpflicht der Heloten: Die Kriegserklärung liefert so nämlich die sakrale Legitimation für das wiederholende Eintreiben der Abgabe.

39 Vgl. Baltrusch 1998, S. 99.

40 Platon, Nomoi 633b und Plutarch, Lyk. 28,7; vgl.: Kennell, N.M.: The Gymnasium of Virtue. Education and Culture in Ancient Sparta. London 1995, S. 113 u. 131 f..

41 Welwei 2004, S. 41; Weitere erniedrigende und der Unterdrückung dienende Ma13nahmen überliefern Plutarch, Lyk. 28,4 und Myron, FGrHist 106 F 2.

42 Inwieweit womöglich auch „die Abgaben der lakonischen Heloten anders geregelt“ waren (Dreher, M.: Athen und Sparta. München 2001, S. 41), kann nicht endgültig geklärt werden.

43 Zum ersten Mal erwähnt bei Phylarchos FGrHist 81 F 43. Siehe zur Debatte über Herkunft und Stellung: Cancick, H./ Schneider, H.: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike (Bd. 8), s. v. ‚Mothakes’, Stuttgart/Weimar 2000, Sp. 421; Link 1994, S. 25ff, und Bruni, G.B.: Mothakes, neodamodeis, Brasideioi. In: Pubblicazoni dell ’instituto di storia antica. Univ. di Padova 1979, 13, S. 21-31.

44 Vgl. Thommen 2003, S.113f.; Clauss 1983, S. 113; Kulesza 2003, S. 48: „Potajemne zabijanie helotów w ramach kryptei i coroczne wypowiadanie im wojny z jednei strony, a z drugiej wprowadzanie ich do domów prywatnych i wladanie broni do rçki zakrawaloby wrçcz na rodzaj schizofrenii, gdyby odnosilo siç do tej samej grupy.“ Aufgrund einerseits der grö13eren Gefahr, die von den messenischen Heloten ausging, und der vermeintlichen Loyalität der meisten lakonischen Heloten andererseits, gehe ich aus logischen Gründen auch davon aus, da13 die Spartaner in erster Linie vornehmlich die letzteren zum Kriegsdienst rekrutierten. Die Quellen hingegen lassen keine vollständige Sicherheit diesbezüglich zu.

45 Vgl. z.B. Herodot 6,81; 9,10 u. 28f.; Thukydides V 34ff, 64ff, VII 19; siehe zum Ausnahmefall der sog. Bpao-fbELoL: Cartledge, P.: Agesilaos and the crisis of Sparta. London 1987, S. 40, 175, 249 und 322, sowie Link 1994, S. 15ff.

46 Zum ersten Mal bei Thukydides V 34,1. Siehe ausführlicher: Link 1994, S. 14 ff., sowie Bruni 1979, S. 21ff.

47 De Ste. Croix 1972, S. 92.

48 Kritias, D.-K. 88 B 37: [...] ὡς μάλιστα δοῦλοί τε ἐν Λακακεδαίμονι καὶ ἐλεύθεροι; und Plutarch, Lyk. 28,11: ἐν Λακεδαίμονι καὶ τὸν ἐλεύθερον μάγιστα ἐλεύθερον εἶναι καὶ τὸν δοῦλον μάγιστα δοῦλον.

49 Vgl. z.B. Plutarch, Lyk. 28,13 (auch wenn er damit in erster Linie, den ‚göttlichen’ Lykurg von solchen Grausamkeiten entlasten will). Zu den Aufständen der Messenier siehe weiter unten.

50 Vgl. z.B. Hornblower, S.: A Commentary on Thucydides. Vol. II. Oxford 1966, S. 264ff; Ducat 1974, 1990 und ders.: Aspects de l´helotisme. In: Ancient Society 9 (1978), S. 5-46; Roobaert, A.: Le danger hilote? In: Ktema 2 (1977), S. 141-155; Cawkwell, G.L.: The decline of Sparta. In: Classical Quarterly 33 (1983), S. 385-400; Clauss 1983, S.109-115; Talbert, R.J.A.: The role of the helots in the class struggle at Sparta. In: Historia 38 (1989), S. 23- 40; Flower, M.A.: Revolutionary Agitation and Social Change in Classical Sparta. In: Flower, M.A./Toher, M. (Hrsg.): Georgica. Greek Studies in Honour of George Cawkwell, Londeon 1991, S. 78-97; Whitby, M.: Two Shadows: Images of Spartans and Helots. In: Powell, A./Hodkinson, St. (Hrsg.): The Shadow of Sparta, New York 1994, S. 87-126.

51 Von den Gegendarstellungen siehe v.a.: Cartledge 2001, S. 127ff. und ders.: Richard Talbert’s revision of the Spartan-Helot struggle: A reply. In: Historia 40 (1991), S. 379-381; Link 1992, S.1-9; Hermann-Otto, E.: Verfassung und Gesellschaft Spartas in der Kritik des Aristoteles. In: Historia 47 (1998), S. 22-25; Baltrusch, E.: Mythos oder Wirklichkeit? Die Helotengefahr und der Peloponnesische Bund. In Historische Zeitschrift 272 (2001), S. 1-24; Lévy, E.: Sparte. Histoire politique et sociale jusqu’a à la conquête romaine. Paris 2003, S. 126-138.

52 Thukydides V 14,3.

53 Thukydides IV 80,3.

54 Platon, Nomoi 777c.

55 Aristoteles, Politik 1272b.

56 Aristoteles, Politik 1269a. Siehe au13erdem die bereits zitierte, wichtige Thukydides Stelle IV 80,3.

57 Xenophon, Lak. Pol. 12,4; Kritias 88 B 37.

58 Diodor XIV 34,3.

59 Xenophon, Hell. III 3,6.

60 Herodot V 49,8: [...] πρός τε Μεσσηνίους ἐόντας ἰσοπαλέας [...].

61 Da die messenischen Heloten, laut Thukydides (I 101,2: πλεῖστοι δὲ τῶν Εἱλώτων ἐγενοντο οἱ τῶν παλαιῶν Μεσσηνίων τότε δουλωθέντων ἀπόγονοι∙ ᾗ καὶ Μεσσήνιοι ἐκλήθησαν οἱ πάντες.) die überwiegenden Mehrzahl der Heloten verkörperten, ist wohl anzunehmen, da13 die zuvor vollzogene Helotisierung Lakoniens den Spartanern keine bemerkenswerten Probleme bereitete.

62 Vgl. etwa Pausanias IV 6 ff.

63 Vgl. z.B.: Oliva 1986, S. 320: „Wollten die Spartaner die Massen der Heloten im Zaum halten, so mußten sie ihre Lebensweise diesem Ziel anpassen und alle Tendenzen, die die Einheit ihres Bürgerkollektivs gefährdet hatten, abschaffen.“

64 Plutarch, Sol. 22, 2.

65 Auch wenn man nur einen einzigen Aufstand für das fünfte Jahrhundert akzeptiert (Mitte der 460er Jahre nämlich; so z.B. Talbert 1989, S. 28ff, Birgalias 2002, S. 256), so mu13 es noch lange kein Hinweis auf die sonst nicht vorhandene Helotengefahr sein. Ebensogut könnte es ein Anhaltspunkt für die gut funktionierenden spartanischen Vorbeugema13nahmen sein, auf die ich noch weiter unten eingehen werde. Die sog. Kinadon‐ Verschwörung zu Beginn des vierten Jahrhunderts, bei welcher va. Heloten beteiligt waren (vgl. Xenophon, Hell. III 3,6), wäre ein weiterer wichtiger Beleg für einen Aufstandsversuch. Wegen der strukturellen Veränderung der spartanischen Gesellschaft nach dem Peloponnesischen Krieg, werde ich mich jedoch bei den historischen Ereignissen vorherrschend auf die Zeit beschränken, die für die Ausgangsfragestellung von Relevanz ist.

66 Platon, Nom 698d-e: [...] οὖτοι [die Lakedaimonier] δὲ ὑπό τε τοῦ πρὸς Μεσσήνην ὄντος τότε πολέμον καὶ εἰ δή τι διεκώλυεν ἄλλο αὐτούς – οὐ γὰρ ἴσμεν λργόμενον ‐ ὕστεροι δ᾿ οὖν ἀφίκοντο τῆς ἐν Μαραθῶνι μάχης γενομένης μιᾷ ἡμερᾳ; Strabon VIII 4,10; Pausanias IV 23,5ff.; Herodot bringt dagegen einen religiösen Grund für die Verspätung an (VI 106); eine Verbindung der beiden Quellen bei Baltrusch 1998, S. 49f: „Begründet wurde diese Verspätung freilich nicht mit der eigennützigen Selbstverteidigung, sondern mit religiös bedingten Verzögerung des Abmarsches.“

67 Vgl. zur Forschungskontroverse v. a.: Kiechle 1957, S. 106ff.; sowie Oliva, P.: Sparta and her Social Problems. Prag 1971, S. 139ff.

68 Vgl. zum „σεισμός μέγιστος δὴ τῶν μνημονευομένων πρότερον“ (Plutarch Kim. 16, 4), sowie zum großen Aufstand von 464, dem sog. dritten Messenischen Krieg: Thukydides I 101-103, Diodor XI, 63f. und Plutarch, Kim. 16. Die außenpolitischen Folgen des Aufstandes werden unter 1.4. γ) behandelt.

69 Thukydides I 102, 2ff; Aristophanes, Lys. 1138ff und Plutarch, Kim. 16, 4ff.

70 So ist in einem Falle zum Beispiel überliefert, Daß die Heloten einen „aus den dreihundert vornehmsten spartanischen Familien gebildetes Elitekorps“ (Haussig, in: Herodot: Historien. Übersetzt von A. Horneffer; neu hrsg. und erläutert von W. Haussig. Stuttgart 1955, S. 759 [Anm. 67]) völlig vernichtet haben (Herodot IX 64,2): ἀποθνῄσκει δὲ Μαρόνιος ὑπὸ Ἀειμνήστου ἀνδρὸς εν Σπάρτῃ λογίμου, ὃς χρόνῳ ὕστερον μετὰ τὰ Μηδικὰ ἔχων ἄνδρας τριηκοσίους συνέβαλε ἐν Στενυκλήρῳ πολέμου ἐόντος Μεσσηνίοισι πᾶσι καὶ αὐτόςτε ἀπέθανε καὶ οἱ τριηκόσιοι. Siehe zur Problematik der ‚300’: Thommen, L.: Lakedaimon Politeia. Die Entstehung der spartanischen Verfassung. Historia Einzelschriften 103. Stuttgart 1996, S. 61.

71 Siehe hierzu auch erneut: Plutarch, Lyk. 28,13.

72 Thukydides I 102, 3: οἱ γὰρ Λακεδαιμόνιοι, έπειδὴ τὸ χωρίον βίᾳ οὐχ ἡλίσκετο, δείσαντες τῶν Ἀθηναίων τὸ τολμηρὸν καὶ τὴν νεωτεροποιίαν, καὶ ἀλλοφύλους ἅμα ἡγεσάμενοι, μή τι, ἢν παραμείνωσιν, ὑπὸ τῶν ἐν Ἰθώμῃ πεισθέντες νεωτερίσωσι, [...].

73 Thukydides IV 3‐41. Die Athener versenkten dabei 43 lakedaimonische Schiffe und schlossen damit 400 spartanische Hopliten auf der Insel Sphakteria ein. Schliei3lich zwangen sie 292 Hopliten, darunter 120 Spartiaten zum überraschenden Ergeben (Thukydides IV 40, 1: παρὰ γνώμην τε δὴ μάλιστα τῶν κατὰ τὸν πόλεμον τοῦτο τοῖς Ἕλλησιν ἐγένετο).

74 Thukydides IV 41, 3: [...] τῶν τε Εἱλώτων αὐτομολούντων καὶ φοβούμενοι μὴ καὶ ἐπὶ μακρότερον σφίσι τι νεωτεριστθῇ τῶν κατὰ τὴν χώραν, οὐ ῥᾳδίως ἔφερον, ἀλλὰ καίπερ οὐ βουλόμενοι ἔνδηλοι εἶναι τοῖς Ἀθηναίοις ἐπρεσβεύοντο παρ’ αὐτοὺς καὶ ἐπειρῶντο τήν τε Πύλον τοὺς ἄνδρας κομίζεσθαι; und Thukydides V 14, 3: [...] αὐτομολούντων τε τῶν Εἱλώτων καὶ αἰεὶ προσδοκίας οὔσης μή τι καὶ οἱ ὑπομένοντες τοῖς ἔξω πίσυνοι πρὸς τὰ παρόντα σφίσιν ὥσπερ καὶ πρότερον νεωτερίσωσιν.

75 Thukydides VII 26, 2: [...] ἵνα δὴ οἵ τε Εἵλωτες τῶν Λακεδαιμονίων αὐτόσε αὐτομολῶσι καὶ ἅμα λῃσταὶ ἐξ αὐτοῦ, ὥσπερ ἐκ τῆς Πύλου, ἁρπαγἠν ποιῶνται. Die Kriegsgegner konnten sogar mit der‚Stammesloyalität’ der bereits befreiten Messenier rechnen; vgl. dazu Thukydides IV 41, 2: τῆς δὲ Πύλου φυλακὴν κατεστήσαντο, καὶ οἱ τῆς Ναυπάκτου Μεσσήνιοι [siehe Thukydides I 103, 1-3 und Diodor XI 84, 7-8] ὡς ἐς πατρίδα ταύτην (ἔστι γὰρ ἡ Πύλος τῆς Μεσσηνίδος ποτὲ οὔσης γῆς) πέμψαντες σφῶν αὐτῶν τοὺς ἐπιτηδειοτάτους ἐλῄζοντό τε τὴν Λακωνικὴν καὶ πλεῖστα ἔβλαπτον ὁμοφωνοι ὄντες.

76 Thukydides IV 80, 3; Diodor XII 67, 4; Plutarch, Lyk. 28, 3. Vgl. Gomme, A.W.: A Historical Commentary On Thucydides (Vol. III). Oxford 1956, S. 547; Levy 2003, S. 132ff, und Welwei 2004, S. 213f.

77 Thuk. V 23, 3. Siehe zum Vertrag: Baltrusch, E.: Symmachie und Spondai. Untersuchungen zum griechischen Völkerrecht der archaischen und klassischen Zeit (8.-5. Jahrhundert v. Chr.) Berlin/New York 1994, S. 73ff.

78 Thukydides V 35, 6: Πύλον μέντοι ἠξίουν σφίσιν ἀποδοῦναι∙ εἰ δὲ μή, Μεσσηνίους γε καὶ τοὺς Εἵλωτας ἐξαγαγεῖν, [...] Ἀθηναίους δὲ φρουρεῖν τὸ χωρίον αὐτούς, εἰ βούλονται.

79 Myron FGrHist 106 F2; vgl. Ducat 1974, S.1456f..

80 De Ste. Croix 1972, S.90.

81 Vgl. Clauss 1983, S.113, der ansonsten das Motiv der Helotenfurcht stark relativiert: „Es war die Eroberung eines in sich gefestigten Gemeinwesens, das nach seiner Niederringung eine Kollektiverinnerung an seine Freiheit bewahre. Mit den Aufständen gegen die Ausbeutung verband sich bei den messenischen Heloten stets der Kampf um die Wiederherstellung einer ‚nationalen’ Selbstständigkeit.“

82 Daher Thukydides I 118, 2: οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι αἰσθόμενοι οὔτε ἐκώλυον εἰ μὴ ἐπὶ βραχύ, ἡσύχαζόν τε τὸ πλέον τοῦ χρόνου, ὄντες μὲν καὶ πρὸ τοῦ μὴ ταχεῖς ἰέναι ἐς τοὺς πολέμους, ἢν μὴ ἀναγκάζωνται, τότε δ’ ἔτι καὶ πολέμοις οἰκείοις ἐξειργόμενοι.

83 Diodor XV 66,1; Plutarch, Ages. 34, 1; Pausanias IV 26f.

84 So zum Beispiel bei Kroisos von Lydien, Amasis von Ägypten, oder Amasis von Ägypten. Ebenfalls wurde Sparta die Schiedsrichterrolle im Krieg zwischen Athen und Megara um die Insel Salamis übertragen (Plutarch, Solon X).

85 Artistoteles Pol. 1270a2; Strabon VII 355, 362; Pausanias III 39, 3ff. 41, 1; IV 14,1; Kallisthenes FGrHist. 124 F 23; Vgl. Meier 1998, S. 78f.

86 Herodot I 65 ff.; Diodor VII 13,2; Pausanias VIII 39, 3ff., 41,1. Die außenpolitischen Ereignisse vor 550 v. Chr. sind, wie bereits erwähnt, in der Forschung äu13erst umstritten. Allerdings „macht die Vielfältigkeit der Überlieferung [...] es sehr wahrscheinlich, Daß bis zum Ende des siebten Jahrhunderts Lakedaimonier und Arkader wirklich miteinander Krieg geführt haben, ohne Daß die eine oder andere Seite dauerhafte Erfolge hätte erzielen können. Zwar schien es den Lakedaimoniern manchmal gelungen zu sein, größere Teile Arkadiens zu besetzen. Sie wurden aber von den Arkadern mit Hilfe der Argiver wieder vertrieben.“ (K. Wickert: Der Peloponnesische Bund von seiner Entstehung bis zum Ende des archidamischen Krieges. Diss. Erlangen‐Nürnberg 1961, S. 8).

87 Herodot I 82.

88 Herodot I 65, 1: καὶ δή σφι οὐκέτι ἀπέχρα ἡσυχίν ἀγειν, [...]; und I 66,3: [...] ὡς δὴ ἐξανδραποδιούμενοι τοὺς Τεγεήτας.

89 Herodot I 66, 2: Ἀρκαδίην μ᾿ αἰτεῖς; μέγα μ᾿ αἰτεῖς∙ οὔ τοι δώσω. πολλοὶ ἐν Ἀρκαδίῃ βαλανηφάγοι ἄνδρες ἔασιν, οἵ σ᾿ ἀποκωλύσουσιν. ἐγὼ δέ τοι οὔτι μεγαίρω. δώσω τοι Τεγέην ποσσίκροτον ὀρχήσασθαι καὶ καλὸν πεδίον σχοίνῳ διαμετρήσασθαι. Siehe auch Pausanias III 3, 5 u. VIII 54, 4.

90 Herodot I 66, 2 ff.

91 Herodot I 67, 2 f.

92 Herodot I 67 ff. Siehe dazu Welwei, K.-W.: Orestes at Sparta. The political Significance of the Grave of the Hero. In: Figueira, T.J. (Hrsg.): Spartan Society.London 2004, S. 219-230.

93 Herodot Ι 68, 6.

94 Wickert 1961, S. 10 betont, daß sich der Führungsanspruch auf der Peloponnes v. a. gegenüber Argos richtete, weil Argos als Rechtsnachfolger der Pelopiden und Wohnsitz des ältesten Sohnes des Aristomachos, des Enkel des Hyllos diesen bisher zu Recht für sich beanspruchen konnte (vgl. Wickert 1961, S. 10).

95 Herodot VIII 73, 1: Οἰκέει δὲ τὴν Πελοπόννησον ἔθνεα ἑπτά. τούτων δὲ τὰ μὲν δύο αὐτόχθονα ἐόντα κατὰ χώρην ἵδρυται νῦν τῇ καὶ τὸ πάλαι οἴκεον, Ἀρκάδες τε καὶ Κυνούριοι.

96 Pausanias VII 1,8.

97 Vgl. etwa Pausanias II 18,6.

98 Zusätzlich wird der neue Gedanke der friedlichen Koexistenz durch die versöhnende Begebenheit bezeugt, Daß Teisamenos einst die einwandernden Herakliden, mit welchen die Spartaner sich bekanntlich identifizierten (vgl. dazu etwa Welwei 2004, S. 13ff.), bekämpfte, zumal: [...] ὅτι ἦν Πελοπίδης ὁ Τισαμενός, οἱ δὲ Ἡρακλεῖδαι τὸ ἀνέκαθέν εἰσι Περσεῖδαι [...] (Pausanias II 18, 7). In ähnlicher Weise fortgeführt wurde diese Propaganda von Kleomenes, der im Jahre 508/7 sich bei der Athenapriesterin als Achaier vorstellte (Herodot V 73,3).

99 Herodot I 68,6.

100 Wickert 1961, S. 11.

101 Womöglich mu13 bereits die um das Jahr 570 datierte Hilfsleistung Spartas an Elis, Pisatis und Triphylien zu beherrschen (Ephoros, FGrHist 70 F 115; Strabon VIII 3, 30 u. 33) als erster Akt der neuen Bündnispolitik angesehen werden (so z.B. Wickert 1961, S. 13ff. und Tausend, K.: Amphiktyonie und Symmachie. Formen zwischenstaatlicher Beziehungen im archaischen Griechenland. Stuttgart 1992, S. 167ff.).

102 So z.B. Baltrusch 2001, S. 14; Bengtson, H. (Hrsg.): Die Staatsverträge des Altertums. Zweiter Band. Die Verträge der griechisch‐römischen Welt von 700 bis 338 v. Chr. München 1975, S. 11 (Nr. 112); de Ste. Croix 1972, S. 96; Wickert 1961, S. 12; anders: Schäfer, H.: Staatsform und Politik. Untersuchungen zur griechischen Geschichte des 6. und 5. Jahrhunderts, Rom 1972, S. 203 u. S. 230; zuletzt auch Thommen 2003, S. 53, die den Vertrag in die Mitte des 5. Jahrhundert herabdatieren.

103 Aristoteles Frgm. 592, überliefert bei Plutarch, Moralia 292b, vgl. auch 277c und Herodot I 67.

104 Siehe erneut Thukydides IV 80,3: ἐπεὶ καὶ τὸ τόδε ἔπραξαν φοβούμενοι αὐτῶν τὴν σκαιότητα καὶ τὸ πλῆθος – αἰεὶ γὰρ τὰ πολλὰ Λακεδαιμονίοις πρὸς τοὺς Εἵλωτας τῆς φυλακῆς πέρι μάλιστα καθειστήκει.

105 Vgl. zur Interpretation Bengtson 1975, S. 11.

106 So z.B. Cartledge, P.: Sparta and Lakonia. A Regional History 1300 to 362 BC. London/ New York 2002, S. 120f, Tausend 1992, S. 172, de Ste. Croix 1972, S. 96, Kagan 1969, S. 10f.

107 Zu den maßgebenden Darstellungen zu diesem Thema gehören: Kahrstedt, U.: Griechisches Staatsrecht. (Erster Band) Sparta und seine Symmachie. Göttingen 1922; Larsen, J.A.O.: The Constitution of the Peloponnesian League. CPh 28 (1933), S. 257-276; Wickert 1961; Kagan 1969, S. 9-31; de Ste. Croix 1972, S. 101- 123; Lendon, J.E.: Thucydides an the >Constitution< of the Peloponnesian League. GRBS 35 (1994), S. 159-177; Thommen 1996, S. 55ff. Baltrusch 1994, S. 19ff. u. 2001, S. 1-24.

108 Vgl. zur Bezeichnung des Bündnissystems: Wickert 1961, S. 31f.; Vgl. De Ste. Croix 1972, S.102ff., er unterscheidet unnötig, und aufgrund einer, meines Erachtens, unzulässigen Analogie mit dem Delischen Seebund, zwischen den Verbündeten Spartas („The Spartan alliance“ oder „the Spartans and their allies“) und „the Peloponnesian League.“ Die Mitglieder der letzteren gehörten demzufolge dem inneren Kern an („inner circle“), welcher an die Mehrheitsbeschlüsse der Bundesversammlung gebunden war, während die anderen Verbündeten es nicht waren. De Ste. Croix lag vermutlich ein falsches Verständnis über die Mehrheitsbeschlüsse zugrunde (siehe weiter unten).

109 Herodot V 91ff.

110 Eine Aufzählung überlieferter Bundesversammlungen bei Lendon 1994, S. 160, Anm. 3.

111 Baltrusch 1994, S. 21. Weil die erste bekannte Versammlung des Bundes im Anschlu13 an das Scheitern des eigenhändigen Unternehmens des Königs Kleomenes (s. u.) überliefert ist, führt L. Thommen einen weiteren innenpolitischen Aspekt an: „Die Konsultation der Bundesgenossen stellt daher auch ein Korrektiv gegen königliche Übergriffe und Anma13ungen dar“ (Thommen 2003, S. 57).

112 Ich folge hier der Mehrheit der Forscher, so z.B.: Peek, W.: Ein neuer spartanischer Staatsvertrag. Berlin 1974, S. 12; Gschnitzer, F.: Ein neuer spartanischer Staatsvertrag und die Verfassung des Peloponnesischen Bundes. Meisenheim am Glan 1978, S. 35ff.; Tausend 1992, S. 174ff. Ansonsten variiert die Datierung sehr stark: z.B. Baltrusch 1994, S. 22, der den Vertag erst in das beginnende 4. Jahrhundert datiert; Cartledge, P. A.: A New 5th Century Spartan Treaty. In: LCM 1 (1976), S. 91 wählt das Jahr 426 und Bolmarcich, S.: Thucydides 1.19.1 and the Peloponnesian League. In: GRBS 45 (2005), S. 27, die sich auf das Jahr 402/01 festlegt.

113 Diese Form der Verträge betrifft v. a. besiegte Poleis (vgl. Baltrusch 1994, S. 24).

114 Vgl. zur Lesung und Lokalisierung von Αἰτολοί (Zeile 1) und Ἐρξαδιεῖς (Z. 17): Gschnitzer 1978, S. 8ff und S. 22ff.

115 Zuerst veröffentlicht in Peek 1974, S. 4; die nicht zitierten Zeilen 1‐4 beinhalten Einleitungsformalitäten und 16-23 gegenseitige Beistandhilfe mit aller Kraft.

116 16 [...] aἐ δέ τις κα [ἐπὶ τὰν τôν] 17 Ἐρξαδιέον χόραν [στρατεύει] 18 ἐπὶ πολεμοι, ἐπικο[ρεν Λακεδαιμο]- 19 νίος παντὶ σθενε[ι καττὸ δυνατόν]∙ 20 αἰ δέ τις κα ἐπὶ τὰ[ν Λακεδαιμο]- 21 νίον χόραν στρ[ατεύει ἐπὶ πολέ]- 22 μοι, ἐπικορεν Ἐ[ρξαδιες παντὶ] 23 [σθένει καττὸ δυνατόν. ...]

117 Vgl. Peek 1974, S. 13.

118 Vgl. etwa: Peek 1974, S.8f. , Cartledge 1976, S. 91. Das vorangegangene Helotenkapitel, sowie die Plausibilität des im ersten Abschnitt der Arbeit präsentierten Gesamtkontextes könnten hier ebenfalls als Beweise angeführt werden. Zweifel an dieser Deutung bei Kelly, D. H.: The New Spartan Treaty. In: LCM 3 (1978), S. 140; Bolmarcich 2005, S. 24 ff.

119 Die folgenden Betrachtungen zur Struktur des ‚Peloponnesischen Bundes’ beruhen, wenn nicht anders angegeben, auf: Baltrusch 1994, S. 17-91.

120 Analog dazu siehe die Struktur des Hellenen Bundes von 481, welcher in den Persern einen konkreten Feind und einen konkreten Krieg hatte. Gleiches gilt auch für den athenischen Seebund gegen die Perser (vgl. dazu insbesondere Baltrusch 1994, S. 31-51 u. S. 52-67).

121 Vgl. etwa Larsen 1933, S. 266ff.; de Ste. Croix 1972, S. 107; Gschnitzer 1978, S. 39; Dreher 2001, S. 50.

122 So etwa Ehrenberg, V.: Der Staat der Griechen. (I. Teil) Der hellenische Staat. Leipzig 1957, S. 85-92, der dort den Begriff „hegemoniale Symmachie“ prägte; ähnlich auch Kagan 1969, S.21; Clauss 1983, S. 159; Tausend 1992, S. 175f; zuletzt Bolmarcich 2005, S. 34.

123 E. Baltrusch weist auf den frühzeitlichen Ursprung der Freund-Feind-Klausel und der Hegemonie-Klausel hin, welche von der Personenebene auf die staatliche Ebene übertragen wurden (Baltrusch 1994, S.17f.). Die Hegemonie-Klausel war daher rein militärisch zu fassen und festigte eidlich „in archaischer Zeit das Treueverhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft“ (ebd.).

124 Baltrusch 2001, S. 15.

125 Vgl. Thukydides I 125, 1: [...] ψῆφον ἐπήγαγον τοῖς ξύμμάχοις ἅπασιν ὅσοι παρῆσαν ἑξῆς καὶ μείζονι καὶ ἐλλάσσονι πόλει∙ καὶ τὸ πλῆθος ἐψηφίσαντο πολεμεῖν; und V 30, 2: εἰρημένον κύριον εἶναι ὃ τι ἂν τὸ πλῆθος τῶν ξυμμάχων ψηφίσηται, [...].

126 Dieses Recht folgt der Logik der strukturellen Beschaffenheit einer ovli-liaxia: Denn erstens war lediglich Sparta mit allen „Mitgliedern“ vertraglich verbündet. Zweitens ist Sparta vertraglich der Hauptkriegführende, während die anderen nur „Mit-kämpfer“ sind.

127 Daher ist es auch falsch von J. E. Lendon darin lediglich Loyalitätsbekundungen seitens der Bündner zu sehen („When Sparta called her allies to vote she called on them to affirm their loyality: a League member’s vote signified not so much whether she favored going to war (that decision Sparta had already made for her) as whether she was willing to obey Sparta’s Diktat and the terms of the treaty with Lacedaemon“ [Lendon 1994, S. 173]). Weil dieser Vorgang rechtlich zwingend war, enthüllt er vielmehr die Wahrung der Souveränität der Symmachoi innerhalb des Bundes.

128 Baltrusch 1994, S. 28; Ebd. unterscheidet E. Baltrusch auch zwischen einem „Gro13en Bündnisfall“ und einem „Kleinen Bündnisfall.“ Der erste Fall war durch die Freund-Feind-Klausel und durch die Heloten-Klausel geregelt – er bedurfte daher keines Mehrheitsbeschlusses –, er trat dementsprechend bei Angriffen auf Sparta oder bei Helotenaufständen auf und verpflichtete alle Bündner zu Hilfsleistungen. Der zweite Fall hingegen war bis dato vertraglich nicht geregelt, soDaß er einer neuen vertraglichen Abmachung in der Bundesversammlung bedurfte. In der Praxis leisteten hierbei nur die Bereitwilligen Beistand. Schlie13lich wäre noch eine dritte Möglichkeit zu erwähnen, welche durch die Schutz-Klausel geregelt war: Wurde nämlich ein Symmachos Spartas angegriffen, war lediglich Sparta zur Hilfe verpflichtet.

129 Daher völlig falsch bei Larsen 1933, S. 270: „Thus the League was an offensive alliance in the sense, that offensive wars could be started as a result of the decision of the assembly“; vgl. dazu Wickert 1961, S.30f..

130 Baltrusch 1994, S. 25; siehe auch ders. 2001, S. 1-24; ähnlich auch Tausend 1996, S. 180.

131 Vgl. Schulz 2003, S. 69.

132 Vgl. Herodot III 39-60.

Ende der Leseprobe aus 169 Seiten

Details

Titel
Der Eintritt Spartas in den Peloponnesischen Krieg
Untertitel
Die Aspekte des phobos ton Lakedaimonion
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich-Meinecke-Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
169
Katalognummer
V143404
ISBN (eBook)
9783640541263
ISBN (Buch)
9783640541652
Dateigröße
1806 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thukydides, Sparta, Athen, Peloponnesischer Krieg, Anlässe, Ursache, Theorie der Internationalen Beziehungen, Realistische Schule, Außenpolitik Spartas, Thukydides 1 23 6, Furcht der Spartaner, Peloponnesischer Bund, Heloten, Macht, Machtbegriff, athenisch-spartanischer Dualismus, Phänomenologie, Machtzuwachs Athens, Kerkyra Konflikt, Antikes Völkerrecht, Poteidaia Konflikt, das Megarische Psephisma, Korinth, Megara, Kriegsursache, systemische Analyseebene, subsystemische Analyseebene
Arbeit zitieren
Raphael Dlugajczyk (Autor:in), 2006, Der Eintritt Spartas in den Peloponnesischen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143404

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