Zwischen parlamentarischer Opposition und politischer Protestbewegung. Die SPD im "Kampf gegen den Atomtod"


Diplomarbeit, 2019

107 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Integration der Bundesrepublik in den Westen und die Haltung der SPD

2. Die Errichtung der Bundeswehr im Zeichen sich wandelnder NATO-Strategien und die Diskussion über ihre Atombewaffnung

3. Die Göttinger Erklärung und die parlamentarische Debatte vom 10. Mai 1957

Exkurs: Die Diskussion auf der 33. Tagung des ZK der SED

4. Weitere Proteste gegen die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und die Bundestagsdebatte vom 23. Januar 1958

5. Die Gründung des Ausschusses ‚Kampf dem Atomtod’

6. Die Bundestagsdebatte vom März 1958 und die Auftaktkundgebung der Kampagne ‚gegen den Atomtod’

7. Der Höhepunkt der Anti-Atomtod-Bewegung
7.1 Fortgesetzte Diskussionen im ZK der SED über die weitere Agitationsarbeit in Westdeutschland
7.2 Die Gründung von KdA-Ausschüssen im Klima der antikommunistischen bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft
7.3 Die Diskussion über den Volksbefragungsentwurf der SPD im Deutschen Bundestag: ein Nutzen für die Kommunisten?

8. Der Rückzug der SPD aus der außerparlamentarischen Bewegung
8.1 Die weitere Arbeit der KdA-Ausschüsse bis zum Herbst 1958
8.2 Der Berliner Studentenkongress und die Gründung des Komitees ‚Rettet die Freiheit’
8.3 Die Berliner SPD in der Offensive
8.4 Der außenpolitische Kurswechsel der SPD
8.5 Fortgesetzte kommunistische Beeinflussungsversuche als Ursache für die Desintegration der Arbeit des Bonner Ausschusses

9. Schlussbemerkung

Quellen und Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zur Zitierweise:

Die Abkürzung ebda. wird verwendet, wenn sich die Angaben auf dieselbe Quelle und auf dieselbe Seitenzahl wie in der unmittelbar vorhergehenden Anmerkung beziehen. Nur a. a. O. wird in dem Fall verwendet, wenn sich die Angaben auf dieselbe Quelle wie in der unmittelbar vorhergehenden Anmerkung beziehen. Allein der Nachname des Autors und a. a. O. werden verwendet, wenn sich die Angaben auf eine bereits genannte Quelle beziehen und feststeht, dass der Autor in der ganzen Arbeit nur ein einziges Mal direkt oder indirekt zitiert wird (bei mehreren in der Arbeit verwandten Literaturtiteln von einem Autor wird der dementsprechende Titel in Kurzform hinzugefügt).

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form gewählt, dessen ungeachtet beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.

Einleitung

Beschäftigt man sich eingehender mit außerparlamentarischen Protestbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland während der Adenauer-Ära von 1949-1963, dann fällt auf, dass in der zu diesem Thema erschienenen Literatur zwei Ereignisse immer wieder herausgestrichen werden: der Kampf gegen die Wiederbewaffnung in der ersten Hälfte der 50er-Jahre und die Ereignisse während der Spiegel -Affäre von Beginn der 60er-Jahre. Zumeist nur am Rande wahrgenommen wird hingegen die Anti-Atomtod-Bewegung in der zweiten Hälfte der 50er-Jahre.

Die Situation in der Bundesrepublik Deutschland war in den 50er-Jahren gegenüber der der meisten anderen westeuropäischen Staaten von dem besonderen Umstand gekennzeichnet, dass sich die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik – in vergleichsweise kurzer Zeit – mit der Problematik der Wiederbewaffnung und demzufolge mit der Atombewaffnung der Bundeswehr auseinandersetzen musste.

Das Engagement der SPD in der Kampagne ‚Kampf dem Atomtod’ spielte sich zunächst auf der parlamentarischen und kurze Zeit darauf auf der außerparlamentarischen Ebene – hauptsächlich – in der ersten Hälfte des Jahres 1958 ab. Die insbesondere von der SPD getragene Anti-Atomtod-Bewegung war nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition auf der parlamentarischen Ebene, sie war für die junge Demokratie in der Bundesrepublik insofern eine Bewährungsprobe, als Hunderttausende demonstrierender Bürger auf dem Höhepunkt der ‚Kampf-dem-Atomtod’-Kampagne[1] eine Mitsprache in der Atombewaffnung forderten, wobei vornehmlich die SPD diesen Protest in ihrer Politik berücksichtigte.

In den zum Thema dieser Arbeit erschienenen Publikationen werden die Genesis, der Verlauf und das Ende der Anti-Atomtod-Bewegung ausführlich untersucht und dargelegt. In der umfassendsten Untersuchung[2] hierzu ist vermutet worden, dass der Rückzug der SPD aus der außerparlamentarischen Kampagne auch im Zusammenhang mit kommunistischen Beeinflussungsversuchen seitens der DDR analysiert werden muss. Aufgrund des Zusammenbruchs des politischen Systems in der DDR kann die vorliegende Arbeit über die Rolle der SPD in der außerparlamentarischen KdA-Kampagne im Zusammenhang mit den Beeinflussungsversuchen des anderen deutschen Staates unter völlig veränderten archivalischen Bedingungen ihren Ausgang nehmen. So ist es möglich, bisher unveröffentlichte Dokumente, Reiseberichte und Briefe von ehemals prominenten Politikern der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und von Funktionsträgern auf der unteren Ebene einzusehen und der Forschung[3] – unter Berücksichtigung der auch für dieses Material geltenden 30-Jahressperrfrist – zugänglich zu machen.[4]

In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere erkenntnisleitende Fragen. Erstens: In welchem Ausmaß hat es kommunistische Beeinflussungsversuche seitens der DDR gegeben (allein in dieser Frage gibt das erwähnte Quellenmaterial Aufschluss)? Zweitens: Inwieweit sind Beeinflussungsversuche von der SPD wahrgenommen worden und wie wurden sie gewichtet? Drittens: Welche Rolle spielten die Beeinflussungsversuche beim Rückzug der SPD aus der außerparlamentarischen ‚Kampf dem Atomtod’-Kampagne?

Die vorliegende Diplomarbeit ist im Wesentlichen chronologisch strukturiert. Zunächst soll es darum gehen, die Haltung der SPD gegenüber den von der Bundesregierung herbeigeführten außenpolitischen Entscheidungen bis in das Jahr 1957/58 zu skizzieren und einen Überblick über die NATO-Strategien und deren Wandel im Verlauf der 50er-Jahre zu geben. Daran anschließend werden die von namhaften westdeutschen Physikern verfasste Göttinger Erklärung und die darauf bezogenen öffentlichen Reaktionen dargelegt. Dem schon vor mehr als einem Jahrzehnt ausgesprochenen Urteil, dass die Beeinflussungsversuche der DDR in der Anti-Atomtod-Bewegung den Beginn einer Jahrzehnte andauernden Propagandaoffensive der Deutschen Demokratischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland markiere,[5] wird in einem eigenen Kapitel ein Exkurs gewidmet. Die ersten größeren Proteste in der westdeutschen Bevölkerung um die Jahreswende 1957/58 gegen die atomare Ausrüstung der Bundeswehr und das nukleare Wettrüsten, die wenig später erfolgte Gründung des Ausschusses ‚Kampf dem Atomtod’ und die Bundestagsdebatte Ende März 1958, an deren Ende die Entscheidung zur Atombewaffnung stand, werden dargelegt und leiten zur Darstellung der Höhepunkte der Anti-Atomtod-Kampagne über. Die für diesen Abschnitt vorgesehenen Kapitel analysieren die fortgesetzten Diskussionen im ZK der SED über die weitere Agitationsarbeit in Westdeutschland, die Gründung von KdA-Ausschüssen im ganzen Bundesgebiet und setzen sich mit der Diskussion über den im März 1958 eingebrachten Volksbefragungsentwurf der SPD unter dem Aspekt des Nutzens für die kommunistische Propagandakampagne der DDR auseinander. Die Kapitel schließlich über den Rückzug der SPD aus der außerparlamentarischen KdA-Kampagne im Zusammenhang mit ihrem innenpolitischen und außenpolitischen Wandlungsprozess von 1959/60 stellen gleichsam den Zielpunkt der vorliegenden Arbeit dar.

1. Die Integration der Bundesrepublik in den Westen und die Haltung der SPD

Im Juni 1950, ein Dreivierteljahr nach Gründung der Bundesrepublik, überfielen die kommunistischen Truppen Nordkoreas den von den Amerikanern geräumten Süden des Landes; es kam zum Korea-Krieg. Vor allem auf amerikanischer Seite wurde befürchtet, dass der Eroberungsdrang Moskaus auf dem asiatischen Kontinent auch Westeuropa nicht verschont lassen würde und womöglich bald mit dem Ausbruch eines Dritten Weltkrieges zu rechnen sei.[6] In den USA wurden jetzt Stimmen laut, die die Wiederbewaffnung der gerade aus der Taufe gehobenen Bundesrepublik und ihre Integration in eine europäische Verteidigungsgemeinschaft forderten.[7] Als erster Europäer machte sich in dieser Hinsicht öffentlich Winston Churchill stark, der am 11.8.1950 in einer Rede vor dem Europarat die Bildung einer europäischen Koalitionsarmee unter Einschluss westdeutscher Kontingente forderte.[8]

Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, erkannte die „Chance“[9], die darin bestand, dass der Westen das wirtschaftliche Potenzial der Bundesrepublik in Form von Streitkräften benötigte.[10] Er arbeitete tatkräftig darauf hin, den europäischen Integrationsprozess unter der Beteiligung der Bundesrepublik an einer westeuropäischen Armee zu fördern. Auf diesem Weg konnte er etappenweise seinem eigentlichen Ziel der Gleichberechtigung, Souveränität und substanzieller – nicht nur deklaratorisch zugesprochener – Partnerschaft näherkommen.

Ende August ließ der Kanzler (ohne vorher das Bundeskabinett konsultiert zu haben) dem amerikanischen Hohen Kommissar McCloy zwei Memoranden zukommen. In dem ersten, einem Sicherheitsmemorandum, wurde die Verstärkung der Besatzungstruppen gefordert und die Bereitschaft Bonns signalisiert, „im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingentes zu leisten“.[11] Das zweite Memorandum hatte die Frage einer Neuordnung der Beziehungen Westdeutschlands zu den Besatzungsmächten, die Beendigung des Kriegszustandes, die Sicherung des Bundesgebietes „gegen äußere Gefahren“ und die Forderung zum Inhalt, dass das Besatzungsstatut zukünftig „durch ein System vertraglicher Abmachungen geregelt“ würde.[12] Adenauers Interessenkalkül hinsichtlich der beiden miteinander verknüpften Memoranden ist folgendermaßen interpretiert worden: Im Falle einer Sicherheitsgarantie seitens der Westmächte würde die Bundesrepublik sich zu Verhandlungen über einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag bereiterklären und im Falle der zugestandenen politischen Gleichberechtigung würde sie bereit sein, diesen faktisch zu leisten. So gesehen war der Hinweis auf die etwaige Beteiligung bundesdeutscher Kontingente an einer künftigen westeuropäischen Armee der Keim des späteren EVG-Vertrages und das Memorandum über die Neuordnung der Beziehungen Westdeutschlands zu den Besatzungsmächten der Keim des späteren Deutschland-Vertrages.[13]

Am 24. Oktober 1950 wurde vom französischen Ministerpräsidenten René Pleven der Vorschlag unterbreitet, eine integrierte europäische Verteidigungsarmee unter Einschluss deutscher Streitkräfte aufzubauen, die dem besonderen französischen Sicherheitsstreben Rechnung tragen sollte.[14] Im Januar 1951 wurden zwischen den Westmächten und der Bundesrepublik Verhandlungen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag aufgenommen;[15] zwei Monate später wurde das Besatzungsstatut revidiert und die Überwachung der diplomatischen Beziehungen der Bundesregierung gelockert.[16] Wiederum ein halbes Jahr später, im September 1951, kamen die Außenminister der drei Westmächte überein, ihre Politik Bonn gegenüber „völlig“ umzugestalten, was konkret bedeutete, dass angesichts eines zu schaffenden westdeutschen Militärbeitrages das Besatzungsstatut seine Gültigkeit verloren hätte.[17] Bis zum Frühjahr 1952 dauerte es allerdings noch, bis nach anfänglichen Verhandlungsschwierigkeiten am 26. und 27. Mai der Vertrag über die EVG und der Generalvertrag (im Allgemeinen Deutschlandvertrag genannt) zwischen der Bundesrepublik und den Westmächten unterzeichnet wurden.[18]

Diese Entwicklung rief die SPD auf den Plan, die in außenpolitischen Belangen bis etwa in den Herbst 1951 hinein ein „hohes Maß an einheitspolitischem Konsens“[19] mit der Bundesregierung demonstriert hatte. Dieser zerbrach jedoch an der entgegengesetzten Beurteilung der Stalin-Noten[20] vom 10. März und vom 9. April 1952 und führte auch deshalb rasch zu einem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der Opposition und der Bundesregierung, weil die SPD erstmals zu erkennen gab, dass sie gegebenenfalls als Preis für die Wiedervereinigung die Neutralisierung Gesamtdeutschlands hinnehmen würde.[21] Die Sozialdemokraten, die seit 1949 immer darauf gedrungen hatten, dass alle Aktivitäten der Bonner Politik dem Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands untergeordnet sein müssten,[22] sahen in der Integration der Bundesrepublik in den Westen und explizit in dem damit verbundenen Militärbeitrag die Gefahr, dass die Wiedervereinigung mithin in absehbarer Zeit unmöglich gemacht würde und Viermächteverhandlungen deshalb mit allen Kräften zu fördern seien.[23] Nach harten Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition[24] wurden jedoch am 19. März 1953 der Deutschlandvertrag (mit 225 gegen 165 Stimmen), der das Besatzungsregime beenden sollte, und der EVG-Vertrag (mit 224 gegen 166 Stimmen) im Bundestag ratifiziert.[25]

Die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands wurde etwa ein Dreivierteljahr später von den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Das Außenministertreffen vom 25. Januar bis zum 18. Februar 1954 in Berlin endete jedoch unter dem Aspekt der deutschen Wiedervereinigung mit einem Fiasko. Der Kanzler trat angesichts dieser Lage noch stärker für den bis dahin seitens der Bundesregierung verfolgten integrationspolitischen Kurs ein.[26] Die Sozialdemokraten hingegen sprachen sich trotz des Misserfolges in Berlin für neue wiedervereinigungspolitische Initiativen aus.[27] Zur Untermauerung ihres Standpunktes diente der SPD die durch ihren verteidigungspolitischen Sprecher, Fritz Erler, noch vor dem Berliner SPD-Parteitag (20.-24.7.1954) und dann wieder im folgenden Jahr mit großem Engagement in die öffentliche Diskussion getragene Forderung nach Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems, an dem die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion gleichermaßen beteiligt werden sollten.[28]

Adenauers Integrationspolitik erlitt inzwischen jedoch einen schweren Rückschlag, als Ende August 1954 in der französischen Nationalversammlung das EVG-Projekt zu Fall gebracht wurde.[29] Der folgende Ereignisablauf stellt sich, in groben Zügen, wie folgt dar: Vom 28.9. bis 3.10. tagte in London eine Neunmächtekonferenz sowie anschließend eine weitere Konferenz in Paris (19. bis 23.10.), auf denen die sogenannten Pariser Verträge ausgehandelt und unterzeichnet wurden, die der Bundesrepublik die Aufstellung von den Führungsstäben der NATO zu unterstellenden Streitkräften (12 Divisionen) erlaubte und ihre Aufnahme in die WEU vorsahen.[30] Bereits im Dezember 1954 wurde im Bundestag die 1. Lesung der Pariser Verträge vollzogen. Sie wurden von der SPD jedoch abgelehnt,[31] was daran deutlich wurde, dass sie für eine Unterbrechung ihres Ratifikationsprozesses plädierte und sich zugleich für eine Intensivierung von Viermächteverhandlungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit aussprach.[32] Zuvor hatte der nach dem Tode von Kurt Schumacher zum SPD-Vorsitzenden gewählte Erich Ollenhauer den Standpunkt seiner Partei noch einmal mahnend deutlich gemacht: „Heute bedeutet die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik im Rahmen der NATO und die ausschließliche Konzentration der Außenpolitik der Bundesrepublik auf ihre Eingliederung in das westliche Verteidigungssystem den Verzicht auf eine aktive Politik für die Wiedervereinigung Deutschlands.[33]

Am 15. Januar 1955 legte Moskau erneut eine Note auf den Verhandlungstisch, die erstmals freie Wahlen unter internationaler Kontrolle in Aussicht stellte.[34] Am 23. Januar schrieb Ollenhauer an den Bundeskanzler, um diesen nochmals zu wiedervereinigungspolitischen Initiativen zu bewegen, jedoch ohne Erfolg.[35] Adenauer gab in seiner Antwort zwei Tage später zu verstehen, dass sich die Bundesrepublik den Westmächten gegenüber als ein verlässlicher Partner erweise. Die Bundesregierung sähe sich unter den derzeitigen Umständen deshalb außerstande, auf die Vorschläge der SPD einzugehen.[36]

Bereits Anfang November 1954 hatte sich die SPD-Führungsspitze angesichts dieser Entwicklung parteiintern für einen Kurs entschieden, der das zur Ratifizierung vorliegende Vertragswerk nicht nur auf parlamentarischem, sondern ebenso auf außerparlamentarischem Wege zu bekämpfen vorsah. Seit der zweiten Dezemberwoche dominierte diese politische Richtung die Aktivitäten der SPD und ab Mitte Januar des nächsten Jahres verdichteten sich ihre oppositionellen Handlungen zu „einer spektakulären Kundgebungswelle“, während eine seitens des baden-württembergischen Wirtschaftsministers Hermann Veit geplante Grundgesetzänderung zur Durchführung eines Volksentscheides über das Pariser Vertragswerk nur mit einem knappen Votum von den Vorständen der Partei und Fraktion zurückgewiesen wurde.[37]

Am 29. Januar 1955 versammelten sich schließlich in der Frankfurter Paulskirche auf Initiative der SPD, der Gewerkschaften und großer Teile der evangelischen Kirche Persönlichkeiten verschiedener politischer Couleur, um gegen den außenpolitischen Kurs der Bundesregierung zu demonstrieren. Es wurde ein „Deutsches Manifest“ verabschiedet, in dem es hieß, dass die Aufstellung von Streitkräften in beiden Teilen Deutschlands „die Chancen der Wiedervereinigung für unabsehbare Zeit auslöschen“ und die „Ratifizierung der Pariser Verträge die Tür zu Viermächteverhandlungen über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit zerschlagen“ würden.[38]

Durch die Beteiligung der SPD an der „Paulskirchen-Bewegung“[39] und an anderen das öffentliche Leben in den folgenden Wochen beherrschenden Aktionen hatte sie sich allerdings, so wurde in einer breit angelegten Darstellung über die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten hervorgehoben, in die Nähe unkontrollierter außerparlamentarischer Bewegungen gebracht, die sie möglicherweise als führende Oppositionspartei unter dem Aspekt der in der kommenden Bundestagswahl angestrebten Regierungsübernahme besser gemieden hätte.[40] Andererseits muss konstatiert werden, dass es die große Mehrheit der SPD-Mitglieder ihrer Partei wohl übel genommen hätte, hätte sie sich nicht für den eingeschlagenen außerparlamentarischen Kurs entschieden, der schon zu Beginn der 50er-Jahre in der ‚Ohne-mich-Bewegung’ den Ängsten eines Teiles der Bevölkerung[41] eine Möglichkeit zur Artikulation geboten hatte und allgemein auf große Sympathien gestoßen war.[42]

Mit der Ratifizierung der Pariser Verträge am 18. März 1955 durch den Bundesrat[43] wurde die parlamentarische Behandlung des Prozesses der Westintegration der Bundesrepublik zunächst abgeschlossen.[44] Am 5. Mai desselben Jahres wurde das Besatzungsstatut außer Kraft gesetzt und der Bundesrepublik Deutschland weitgehend die politische Souveränität zugestanden. Durch diese Entwicklung war jedoch der nächste innenpolitische Konflikt vorgezeichnet: Welche Modalitäten sollten der Aufstellung der bald den Führungsstäben der NATO zu unterstellenden bundesdeutschen Streitkräften zugrunde liegen?

2. Die Errichtung der Bundeswehr im Zeichen sich wandelnder NATO-Strategien und die Diskussion über ihre Atombewaffnung

Im Juli 1955 fand in Genf zwischen den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges eine Gipfelkonferenz statt, die bei Adenauer eine Art „Potsdam-Komplex“[45] mobilisiert hatte, d. h. die Furcht vor Viermächteverhandlungen über die Köpfe der Deutschen hinweg.[46] Als zudem auf westlicher Seite lautstark Spekulationen über die Errichtung einer die ost-mitteleuropäischen Staaten umfassenden, neutralisierten und militärisch verdünnten Zone angestellt wurden (was implizit einem Disengagement sowie dem Beginn der Tendenz zur Regionalisierung des Abrüstungsproblems gleichkam), hatte sich der Kanzler noch Ende Mai dazu veranlasst gesehen, mit der Aufstellung eines symbolischen Freiwilligenkontingentes zu reagieren.[47] Solange die Bundesrepublik – so seine Überlegung – ohne Streitkräfte[48] war, solange würde ihr de facto nicht derjenige politische Rang und Einfluss bei der Mitgestaltung aller die westliche Verteidigungsallianz betreffenden Probleme zugestanden werden, der ihr angesichts ihrer gleichberechtigten Mitgliedschaft gebührte. Von daher begriff Adenauer Bundeswehr und NATO in erster Linie als politische und nicht als militärische Instrumente.[49]

Bundestag und Bundesrat wurden Ende Mai 1955 – im Eilverfahren – der Entwurf für ein Freiwilligen-Gesetz vorgelegt, mit dem der Aufbau der Bundeswehr realisiert werden sollte. Dagegen formierte sich jedoch erheblicher Widerstand bei einer Reihe von Parlamentariern innerhalb der SPD und der CDU/CSU, die sichergestellt wissen wollten, dass die künftige westdeutsche Armee unter politischer Kontrolle und ihr innerer Aufbau mit demokratischen Richtlinien in Einklang stehen würden.[50] Anfang Mai und Juli 1956 fand sodann im Deutschen Bundestag die parlamentarische Beratung über den ersten Entwurf eines Wehrpflichtgesetzes statt, womit eine Rechtsgrundlage zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht geschaffen werden sollte. Die Sprecher, die die Regierungsparteien unterstützten, gingen angesichts der auf der NATO-Ratstagung im Dezember 1954 gefassten Beschlüsse hinsichtlich der Notwendigkeit eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages davon aus,[51] dass mit der Aufstellung deutscher Streitkräfte die konventionelle Komponente der NATO-Strategie gestärkt werden sollte.[52]

Die Sozialdemokraten hingegen sprachen sich zunächst gegen die Konzeption einer auf der allgemeinen Wehrpflicht beruhenden Armee und für eine Berufsarmee aus, was kontrastiv zu ihrer seit dem Erfurter Programm (1891) praktizierten Haltung gegenüber militärischen Fragen stand.[53] Die Positionen der SPD-Bundestagsfraktion wurden in der Wehrpflichtdebatte von Erler vorgetragen. Nachdem dieser am 6. Juli darauf hingewiesen hatte, es gäbe in der amerikanischen Öffentlichkeit Äußerungen, die ihrer Administration rieten, den „Widerstand gegen die Wiederbewaffnung“[54] in der Bundesrepublik anzuerkennen,[55] kam er zu folgender Konklusion: Die „ Strategie des Atlantikpaktes läßt gar keinen Zweifel daran, daß ein bewaffneter Konflikt in Europa keine Aussichten hat – auch mit 500.000 deutschen Soldaten nicht –, ein Konflikt mit konventionellen Waffen zu bleiben, sondern die Planungen der atlantischen Organisation gehen von dem sofortigen und direkten Einsatz von Atomwaffen im Konfliktfall in Europa aus.“[56] Gewiss war es richtig, wenn Erler feststellte, dass die NATO seit 1954 auf einen verteidigungspolitischen Kurs eingeschwenkt war, der den sofortigen Einsatz von – vorzugsweise taktischen – Atomwaffen vorsah.[57] Aber das hieß noch keineswegs, dass die konventionellen Streitkräfte von untergeordneter Bedeutung gewesen wären; sie waren vielmehr im Konfliktfall ebenso wie das atomare Vergeltungspotenzial Bestandteil einer möglichen militärischen Antwort der Allianz. Es sei den Unionsparteien, so wurde deren Haltung im Nachhinein interpretiert, vornehmlich darum gegangen, in der Wehrpflichtdebatte sicherzustellen, dass die westliche Militärdoktrin möglichst viele konventionelle, dafür aber nur so viele atomare Waffen wie gerade erforderlich enthalten würde.[58]

Die SPD, die in den Debatten über das Wehrpflichtgesetz die atomare Komponente des NATO-Konzeptes nicht in Zweifel gezogen hatte, schien dagegen einer auf Nuklearwaffen basierenden Verteidigungskonzeption durchaus aufgeschlossen gegenüberzustehen. Erler konnte schwerlich anders verstanden werden, wenn er meinte, dass um des „Bestandes großer Armeen willen allzuviele [sic!] militärische Fachleute sich in den Bahnen des konventionellen militärischen Denkens bewegen“[59] würden. Wie schon bei den Pariser Verträgen stimmte die sozialdemokratische Bundestagsfraktion geschlossen gegen das Wehrpflichtgesetz. Es wurde dennoch von einer Mehrheit des Deutschen Bundestages am 7. Juli 1956 (mit 269 gegen 166 Stimmen) verabschiedet.[60]

Die kommenden Monate brachten eine Überraschung mit sich. Am 13. Juli 1956 wurde durch einen Artikel der New York Times, der dem Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs, Admiral Radford, zugeschrieben wurde, in der Öffentlichkeit bekannt,[61] dass die amerikanischen Streitkräfte um 800.000 Mann reduziert werden sollten. Dieses Vorhaben basierte auf dem seit 1953 durch die Eisenhower-Administration propagierten Konzept eines „New Look“.[62] Zum einen sah es Etatkürzungen im amerikanischen Haushalt vor, um die wirtschaftliche Leistungskraft Amerikas zu erhöhen, und zum anderen war es sein Ziel, den militärtechnologischen Entwicklungen der jüngsten Zeit Rechnung zu tragen – 1954 gelang der Sowjetunion die Zündung der ersten Wasserstoffbombe –, weshalb die Vereinigten Staaten eine unzweideutige Überlegenheit ihres nuklear-strategischen Militärpotenzials (in Verbindung mit taktischen Nuklearwaffen) erreichen wollten.[63] Die Suprematie in diesem Bereich ließ sich für die USA aber nur durch beträchtliche finanzielle Kürzungen in anderen Bereichen erringen, hauptsächlich im Bereich der in Europa stationierten konventionellen Streitkräfte.[64]

Die während der Wehrpflichtdebatte aufgebaute Argumentation der Bundesregierung von der Notwendigkeit einer konventionellen Armee drohte nach Bekanntwerden des Radford-Plans wie ein Kartenhaus zusammenzufallen und barg aus ihrer Sicht erhebliche Gefahren in sich: erstens ein Wiederaufleben des amerikanischen Isolationismus, der die europäisch-atlantische Partnerschaft durch den Rückzug der USA in die „Festung Amerika“ erschüttern würde; sodann zweitens: Im Falle eines militärischen Konflikts, sie die Befürchtung, wäre durch einen Abzug der amerikanischen konventionellen Truppen eine Vorwärtsverteidigung nicht mehr möglich und im Ernstfall stünde nur der atomare Schlagabtausch zur Verfügung, da sich die deutschen Streitkräfte erst im Aufbau befänden. Schließlich wurde als dritter Punkt angeführt: Die amerikanische und die deutsche Verteidigungsplanung verliefen bei Realisierung des Radford-Planes diametral und die Bundesregierung hätte Schwierigkeiten, der eigenen Bevölkerung die Notwendigkeit eines konventionellen Militärbeitrages plausibel zu machen.[65] Es kann deshalb nicht verwundern, wenn Adenauer den Radford-Plan entschieden ablehnte.[66] Mit dem Aufbau der Bundeswehr sollte aus Sicht des Kanzlers ja nicht nur die Sicherheit der Bundesrepublik erhöht, sondern auch ihr Status international aufgewertet werden. Hinzukam, dass Adenauer einer ausschließlich auf nuklearen Waffen basierenden Verteidigungskonzeption ablehnend gegenüberstand, und zwar aus ethischen und aus praktischen Gründen.[67]

Der Bundeskanzler wurde auf vielfältige Weise initiativ, um den Schaden, der aus seiner Sicht für die Sicherheit der Bundesrepublik entstanden war, zu begrenzen.[68] Nach mehrmonatigen Konsultationen zwischen der US-Administration und der Bundesregierung ließen die Amerikaner den Radford-Plan schließlich fallen. Zum einen war somit der Weg zum Aufbau der Bundeswehr frei, zum anderen bedeutete die Entwicklung der jüngsten Zeit, dass Bonns diplomatischer und politischer Einfluss so weit gediehen war, dass die USA zu außenpolitischen Kurskorrekturen bewegt werden konnten. Die Wehrpflichtdebatte und die Veröffentlichung des Radford-Plans hatten die Deutschen dazu veranlasst, die jüngsten Veränderungen in der NATO-Strategie intensiv mitzuvollziehen. Der nächste innenpolitische Konflikt stand der Bundesrepublik, 1955 als Mitgliedsland in die NATO aufgenommen, aufgrund der bevorstehenden atomaren Umrüstung der NATO-Streitkräfte aber schon ins Haus, da sie sich im Gegenzug in eine für die Nordatlantische Allianz gültige Militärstrategie integrieren musste.[69]

Rückblende: Der NATO-Rat hatte sich 1952 in Lissabon für eine Doppelstrategie entschieden, derzufolge im Falle eines militärischen Angriffs von der westlichen Allianz sowohl nukleare als auch konventionelle Vergeltungsschläge in Betracht gezogen werden sollten.[70] Durch den seit 1953 durch die Eisenhower-Administration propagierten „New Look“ sah sich jedoch der NATO-Rat Ende 1954 dazu veranlasst, die nukleare Komponente dieser Militärstrategie fortan stärker zu akzentuieren.[71] Damit hatte sich die NATO für das sogenannte ‚Schild- und Schwert-Konzept’ entschieden, das den konventionellen Streitkräften künftig die Aufgabe eines ‚Schildes’ zumaß, um gegenüber territorial begrenzten Einbrüchen gegnerischer Truppen militärischen Widerstand leisten zu können, während den nuklearen Waffen die Funktion eines ‚Schwertes’ zukam, um den Angriff zurückzuschlagen. Somit war jedoch klar, dass die Europäer in Zukunft für ihre Verteidigung einen hohen Preis zahlen würden: Ein auf ihrem Territorium mit nuklearen Waffen ausgetragener Konflikt mochte für die USA zwar ein begrenzter Krieg sein, für sie selber hätte er jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Vernichtung bedeutet.[72] Das wurde einer breiten – bis dato hauptsächlich mit dem Für und Wider der Aufstellung von Landstreitkräften konfrontierten – Öffentlichkeit in der Bundesrepublik im Juni 1955 drastisch vor Augen geführt, als während eines Luftmanövers namens ‚Carte Blanche’ der Abwurf von ca. 400 Atombomben über einem Teilgebiet des NATO-Territoriums simuliert wurde.[73] Die zu erwartende Opferzahl der deutschen Zivilbevölkerung wurde mit 1,7 Millionen Toten und 3,5 Millionen Verwundeten angegeben.[74] Mit den möglichen grausamen Folgen des Atomzeitalters wurde nun auch die deutsche Öffentlichkeit unmittelbar konfrontiert.

Im Dezember 1955 brachte der NATO-Rat den Willen seiner Mitglieder zum Ausdruck, die eigenen Streitkräfte mit den „modernsten Waffen“, und das hieß nach Lage der Dinge mit taktischen Atomwaffen, „auszurüsten.“[75] Wiederum ein Jahr später beschloss der Nordatlantik-Rat, die „neuen Waffentypen“ zu berücksichtigen und die Strategie der Vorwärtsverteidigung offiziell beizubehalten.[76] Im Atlantischen Bündnis war jedoch die Entscheidung herangereift, sich von der Strategie der Massiven Vergeltung zur Strategie der Flexiblen Reaktion umzuorientieren, wobei sich die Bundesregierung nun dazu „gezwungen sah, gegen eine starke innenpolitische Opposition ihre eigene Planung von konventioneller auf nukleartechnische Verteidigung umzustellen“.[77] Folgt man dieser Argumentation, dann gab es für die Bundesrepublik in der damaligen Situation kaum eine alternative Politik zu derjenigen, die zur atomaren Ausrüstung der Bundeswehr führte. Demgegenüber hat jedoch Waldemar Besson argumentiert, dass die Entscheidung Adenauers zur Atombewaffnung in diesem Fall ein an der Westbindung der vergangenen Jahre orientiertes, integrationspolitisches Streben der Bundesrepublik zur Verhinderung einer Sonderstellung deutscher Truppen in der NATO gewesen sei. Was aber in den Anfangsjahren eine „unvermeidliche Konsequenz des eigenen Willens zur Selbstständigkeit“ darstellte, war in der Situation der Jahre 1957/58 „eine dogmatische Starre im Festhalten am Prinzip der Integration, eine Art Angst vor jeder selbständigen Rolle der Bundesrepublik gegenüber der westlichen Führungsmacht.“[78]

Adenauer, der gegenüber einer auf atomaren Waffen basierenden Verteidigungskonzeption skeptisch eingestellt war, zeigte sich angesichts der Entwicklung in der Atlantischen Allianz jedoch erstaunlich flexibel und neigte immer entschiedener dazu, der Atombewaffnung zuzustimmen.[79] Das hing auch damit zusammen, dass der bisherige Verteidigungsminister Theodor Blank durch den jungen, intelligenten und als Starredner der Union von der Opposition gefürchteten Franz Josef Strauß[80] an der Spitze des Verteidigungsministeriums abgelöst worden war. Strauß wollte die Aufstellung der Bundeswehr nach dem Grundsatz „Qualität geht vor Quantität“[81] organisieren und war ein entschiedener Befürworter der atomaren Umrüstungspläne der NATO.[82]

Bei der Atombewaffnung der Bundeswehr muss jedoch beachtet werden, worum es sich dabei konkret handelte. Die Bundeswehr sollte nicht mit Atomwaffen ausgerüstet werden, sondern ihr sollten lediglich Mehrzweckwaffen bzw. Trägersysteme geliefert werden, wobei die atomaren Sprengköpfe im „Eigentum“[83] der Amerikaner und in ihrer Verfügungsgewalt verbleiben sollten.[84]

Auf internationaler Ebene schienen sich während der kommenden Monate die Ereignisse schier zu überschlagen. Im Dezember 1956 wurden die USA von den Regierungen Großbritanniens, Frankreichs, der Bundesrepublik, der Niederlande und der Türkei aufgefordert, den Verbündeten Abschussvorrichtungen für Atomwaffen zur Verfügung zu stellen.[85] Mitte des gleichen Monats machte der amerikanische Verteidigungsminister Wilson die prinzipielle Bereitschaft der USA deutlich, den Verbündeten „moderne Waffen“ zu liefern, „die sowohl für konventionellen Sprengstoff als auch für atomische Ladung verwendbar sind“.[86] Auf einer Pressekonferenz am 20. März 1957 bekräftigte der Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte, General Lauris Norstad, in Bonn, dass Amerika jetzt in der Lage sei, seinen Verbündeten Waffen zu liefern, die sowohl für den konventionellen als auch für den atomaren Gebrauch einsatzfähig seien.[87] Am 12. April präzisierten die USA noch ihre Bereitschaft und erklärten sich laut The Times gegenüber dem Nordatlantik-Rat dazu bereit, den Europäern „die modernsten Waffen zu liefern“, wozu die Raketen vom Typ Honest John, Matador und Nike zählen sollten.[88]

Hinzukam – und das intensivierte die öffentliche Aufmerksamkeit abermals –, dass sich Adenauer am 5. April 1957 auf einer Pressekonferenz recht unbekümmert geäußert hatte: Bei den atomaren Waffen, so der Kanzler, „ist nicht beachtet der Unterschied zwischen den taktischen und den großen atomaren Waffen. Die taktischen Atomwaffen sind im Grunde nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie, und es ist ganz selbstverständlich, dass bei einer so starken Fortentwicklung der Waffentechnik, wie wir sie leider jetzt haben, wir nicht darauf verzichten können, dass auch unsere Truppen – das sind ja beinahe normale Waffen – die neuesten Typen haben und die neueste Entwicklung mitmachen.“[89] Die verharmlosende und der Ernsthaftigkeit des Problems keineswegs gerecht werdende Äußerung, dass die taktischen Atomwaffen, man bedenke, im Grunde nichts anderes als die Weiterentwicklung der Artillerie und beinahe normale Waffen seien, ist in vielfacher Hinsicht besprochen worden und macht für diese Zeit ein dominierendes Stück jedes Adenauerbildes aus.

Sie war der Anlass für eine Erklärung von Naturwissenschaftlern, die, „provoziert“,[90] nun zu einem Paukenschlag ausholten, indem sie sich mit ihren ohnehin durch die Ereignisse der letzten Monate offensichtlich angestauten und durch die Äußerungen Adenauers noch einmal verstärkten Bedenken in einer Erklärung direkt an die Öffentlichkeit wandten.

3. Die Göttinger Erklärung und die parlamentarische Debatte vom 10. Mai 1957

Am 12. April übergab in Göttingen der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Otto Hahn, der Öffentlichkeit eine Erklärung, die nach dem Ort ihrer Übergabe als Göttinger Erklärung in die Geschichtsschreibung eingegangen ist. Sie war von 18 renommierten westdeutschen Atomwissenschaftlern unterzeichnet worden und trug in den kommenden Wochen und Monaten zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dazu bei, dass sich das bis dahin nur wenig spürbar gewordene Engagement der Bevölkerung gegen die atomare Bewaffnung verstärkte, erweiterte und zu diesem Zeitpunkt eigentlich erst an nennenswerter Bedeutung gewann.[91]

Die Wissenschaftler hatten ihre Überlegungen am Ende ihrer Erklärung zu drei Aussagen zusammengefasst: (1.) „Wir leugnen nicht, daß die gegenseitige Angst vor den Wasserstoffbomben heute einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt und der Freiheit in einem Teil der Welt leistet. Wir halten aber diese Art, den Frieden und die Freiheit zu sichern, auf die Dauer für unzuverlässig, und wir halten die Gefahr im Falle des Versagens für tödlich ...“ (2.) „Für ein kleines Land wie die Bundesrepublik glauben wir, daß es sich heute noch am besten schützt und den Weltfrieden noch am ehesten fördert, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet.“ Schließlich (3.) „Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichneten bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen.“[92] Aus dieser – auch unter Berufskollegen umstrittenen[93] – Erklärung geht die Warnung vor einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr sowie die Aufforderung zum freiwilligen Verzicht der Bundesrepublik auf den Besitz von Atomwaffen hervor.

Wie war es zur Göttinger Erklärung gekommen? Im Herbst 1956 hatten dreizehn Atomforscher (zehn von ihnen zählten im folgenden Frühjahr zu den Unterzeichnern der Göttinger Erklärung) einen Brief an Verteidigungsminister Strauß geschrieben, in dem sie sich gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen ausgesprochen hatten.[94] Sollte die Bundesregierung jedoch ihr Anliegen unberücksichtigt lassen, dann sähen sie sich gezwungen, den Weg in die Öffentlichkeit zu gehen. Strauß, der nach der Äußerung eines Unterzeichners dieses Briefes „Atomwaffen haben wollte“,[95] hatte das Schreiben der Wissenschaftler am 10. Dezember 1956 erhalten und lud dieselben daraufhin zu einer Unterredung nach Bonn ein, die Ende Januar 1957 stattfand. Beide Seiten kamen in dem Gespräch jedoch nicht auf einen gemeinsamen Nenner, das Gegenteil war der Fall. Der Verteidigungsminister soll von einer „atomaren Aufrüstung der europäischen NATO“[96] gesprochen haben, was die Wissenschaftler aufs Neue beunruhigte.

Die im Bundestag vertretenen Parteien waren von der Göttinger Erklärung ebenso überrascht[97] worden wie die Öffentlichkeit.[98] Die Reaktionen des Bundeskanzlers und des Verteidigungsministers waren eindeutig, aber nicht gerade geschickt. Adenauer bedauerte noch am selben Tag, dass sich die Wissenschaftler vor ihrer Veröffentlichung nicht mit ihm in Verbindung gesetzt hatten.[99] Am 15. April wiederholte er diesen Standpunkt in Köln und konstatierte, in dem Appell stecke die „Auflösung der NATO.“ Es könne nicht sein, dass die deutschen Truppen in der NATO künftig etwa schlechter bewaffnet seien als die Truppen der Amerikaner, dass womöglich alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten der Nordatlantischen Allianz über diese „kleinen Atomwaffen“ verfügen würden, nur die deutschen Truppen nicht. Wenn die Professoren jedoch den Wunsch äußerten, sich mit dem Bundeskanzler – vor allem über die politische Seite dieses Themas – auszusprechen, dann stehe er ihnen jederzeit zur Verfügung.[100] Am folgenden Tag meldete sich der Verteidigungsminister zu Wort und erklärte, dass die Unterzeichner der Erklärung nicht über ausreichende Kenntnisse der politischen und militärischen Zusammenhänge verfügten[101] und im Übrigen nicht für die Sicherheit der Bundesrepublik und Westeuropas verantwortlich seien. Ein solcher Aufruf sei „ohne Fühlungnahme mit der für die Politik des Landes verantwortlichen Regierung ein leichtfertiges Experiment. In dieser Auffassung ist die Bundesregierung durch die begeisterte Zustimmung der kommunistischen Presse in der Sowjetzone zu diesem Aufruf bestätigt worden.“[102]

Als Folge dieser in der Öffentlichkeit vergleichsweise handfest ausgetragenen Meinungsverschiedenheit wurde für den 17. April ein Gespräch zwischen Vertretern der in der Frage der nuklearen Umrüstung der Bundeswehr keineswegs übereinstimmenden Regierungsseite[103] und einigen der Unterzeichner der Göttinger Erklärung im Palais Schaumburg anberaumt.[104] Das Ergebnis dieser Unterredung wurde am Ende in einem Kommuniqué veröffentlicht, in dem beide Seiten einmütig vor den Gefahren des atomaren Wettrüstens warnten und sich für allgemeine, kontrollierte Abrüstungsmaßnahmen aussprachen.[105] Damit schien der Konflikt – zumindest für die Bundesregierung – zunächst einmal ausgeräumt. Wie aber hatte die Öffentlichkeit auf die Erklärung der Wissenschaftler reagiert? Überwiegend positiv, wobei die Spannweite derjenigen Personengruppen, von denen der einsetzende Protest ausging, im Vergleich zu den Trägerschichten, die sich Anfang der 50er-Jahre vehement gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik gewandt hatten, breiter war.[106] Insgesamt kann jedoch in Bezug auf die öffentliche Resonanz festgestellt werden, dass die atomare Ausrüstung von ganzen Kommunalparlamenten, Studentenvertretungen zahlreicher westdeutscher Universitäten, Frauenorganisationen, Natur- und Geisteswissenschaftlern abgelehnt wurde.[107]

Der Protest gegen die atomare Bewaffnung erreichte schließlich im Frühjahr 1957 auch auf der parlamentarischen Ebene durch eine Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 2. April einen ersten Höhepunkt. Die Sozialdemokraten, die sich der Tatsache bewusst waren, dass eine wachsende Mehrheit der Westdeutschen die atomare Ausrüstung der Bundeswehr ablehnte,[108] wollten die Regierung mit einem Fragenkatalog dazu zwingen, der Öffentlichkeit gegenüber offenzulegen, was sie tue, um zu verhindern (Frage 1), „dass Deutschland in einen Atomkrieg einbezogen“ werde, was sie unternehme, um dem (Frage 5) „Atomwettrüsten ein Ende“ zu bereiten. Anhand der Fragen 4 und 6 wollte die SPD in Erfahrung bringen, ob die Bundesregierung bereit sei, ihre Zustimmung zur Stationierung von Atomwaffenverbänden auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu verweigern,[109] und wann, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen sie der Stationierung von Atomwaffen und Atommunition in der BRD zugestimmt habe.[110]

Bevor die „langerwartete parlamentarische Atomschlacht[111] am 10. Mai im Bundestag begann, wurde die Position der Bundesregierung außenpolitisch insofern aufgewertet, als es im Schlusskommuniqué der Tagung des Nordatlantik-Rates vom 2. und 3. Mai 1957 hieß: „Das Atlantische Bündnis muss in der Lage sein, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln jeden gegen es gerichteten Angriff zu beantworten. Nur wenn es über die modernsten Verteidigungsmittel verfügt, wird es jeden Versuch abschrecken, einen derartigen Angriff (d. h., einen Angriff mit Atomwaffen, R. M.) auf das Bündnissystem auszulösen. Bis zum Abschluß eines annehmbaren Abrüstungsabkommens kann keine Macht ihm den Besitz der zu seiner Verteidigung erforderlichen modernen Waffen verbieten wollen.“[112]

Eine Woche später wurde die Debatte, morgens um 9.00 Uhr, von Bundestagspräsident Gerstenmaier eröffnet und endete spätabends um 22.00 Uhr. Es war zu erwarten, dass die Abgeordneten auf allen Seiten des Hauses angesichts einer so langen Sitzung bisweilen überbeansprucht würden. Dennoch war diese erste parlamentarische Debatte über das Für und Wider der atomaren Ausrüstung – im Kontrast zu den Diskussionen des folgenden Jahres – von dem Willen ihrer Redner gekennzeichnet, den Standpunkt der Kontrahenten zu respektieren. Auf den folgenden Seiten sollen jedoch nur die Äußerungen von Verteidigungsminister Strauß und diejenigen des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Carlo Schmid, untersucht werden, da sich anhand ihrer Aussagen die gegensätzlichen Positionen von Regierung und Opposition prägnant herausstellen lassen. Strauß machte in seiner Rede die Wegstationen deutlich, die nach seiner Auffassung zur Gründung der NATO geführt hatten. Er erinnerte an den sowjetischen Expansionsdrang der vergangenen Jahre, an den Arbeiteraufstand in Ost-Berlin und in der DDR vom 17. Juni 1953 und geißelte das Verhalten der Sowjetunion, die bis heute nicht bereit sei, „auf die Weltrevolutions- und Welteroberungspläne der bolschewistischen Ideologie zu verzichten.“[113] Dann verwies er auf den Versuch der UdSSR, politische und unpolitische Kreise in den Dienst einer von ihr forcierten „psychologischen Kriegsführung“ zu stellen, um so auf die Meinungsbildung im Westen Einfluss zu nehmen. In diesem Zusammenhang bezog er sich auf das während der letzten Sitzung des Rates der NATO-Außenminister verfasste Schlusskommuniqué, in dem es hieß, dass die Sowjetunion (1.) eine Kampagne mit dem Ziel begonnen habe, die „sowjetische Unterdrückung in Ungarn in Vergessenheit geraten zu lassen“ und dass sie (2.) die öffentliche Meinung in den Mitgliedsstaaten dahingehend zu beeinflussen versuche, „sich der Modernisierung ihrer Streitkräfte entgegenzustellen“. All das diene nur dem Zweck, der sowjetischen Armee ein Monopol über Atomwaffen auf dem europäischen Kontinent zu überlassen.[114]

Schließlich kam Strauß auf den Kernpunkt seiner Ausführungen: „Es sind die Sicherheitsstreitkräfte der Vereinigten Staaten, die in erster Linie die Verantwortung für die Verteidigung der freien Welt tragen. Wenn von den Vereinigten Staaten eine volle Sicherheitsgarantie für die Bundesrepublik einschließlich Westberlins verlangt wird und wenn man sich auf die Zuverlässigkeit dieser Garantie verlassen will, ... dann muß man den USA auch die Möglichkeit geben, die für die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit dieser Garantie erforderlichen Maßnahmen zu treffen.“[115] Demzufolge könne man weder den Streitkräften der Verbündeten noch der eigenen Armee zumuten, auf diejenigen Waffen zu verzichten, über die die UdSSR seit Langem verfüge.[116] Die Bundesrepublik gehe zukünftig ein zu hohes Risiko ein, wenn sie ihre äußere Sicherheit allein auf das strategische Vergeltungspotenzial der USA aufbaue, da es dann im Ernstfall keine Alternative zu einem unbegrenzten Krieg gäbe.[117]

Nach dem Verteidigungsminister trat Schmid ans Rednerpult, der sich im Unterschied zu den bereits Anfang des Jahres von seinem Parteikollegen Erler in der Zeitschrift Aussenpolitik dargelegten negativen Konsequenzen für die Wiedervereinigung[118] besonders mit den die Atombewaffnung betreffenden ethischen Fragestellungen auseinandersetzte. Sie sei, so Schmid, „nicht als Spezialfrage zu begreifen, auch nicht als eine militärische Frage allein, also auch nicht nur als eine Frage militärischer Zweckmäßigkeiten ... Darum wirft diese Frage – wie jede Frage solcher Art – auch das Problem des Verhältnisses von Moral und Politik auf“.[119] Es sei folgerichtig gewesen, dass sich „höchste spirituelle Autoritäten[120] wie der Papst, Albert Schweitzer[121] oder die Initiatoren der Göttinger Erklärung zum atomaren Wettrüsten geäußert hätten.

Zu Recht wies Schmid in seiner Rede darauf hin, dass es sich bei einem Atomkrieg um etwas völlig Neues handele und dass beide kriegführenden Parteien das Risiko ihrer eigenen Vernichtung in Kauf nähmen. Politisch wie militärisch seien daher die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen ziemlich fragwürdig: „Wozu ist – politisch und militärisch – eine ‚ atomare’ Politik notwendig? Ist sie nützlich, ist sie schädlich? Die Bundesregierung behauptet ihre Notwendigkeit und ihre Nützlichkeit, denn sie erhöhe – insbesondere erhöhe die Stationierung von Atomwaffenverbänden auf unserem Boden – die Sicherheit des deutschen Volkes.“ Weiter sage, so Schmid, die Bundesregierung, „daß durch taktische Atomwaffen in Händen der Bundeswehr die Sicherheitschancen Deutschlands erhöht würden, und drittens behauptet sie, eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr könne die Sowjetunion abschrecken und, zum (sic!) mindesten in Fragen der Wiedervereinigung und in Fragen der allgemeinen Abrüstung, verhandlungsgeneigter machen.“[122] Das seien Behauptungen, die zwar dem einen oder anderen plausibel erscheinen mögen, deren vermeintliche Plausibilität sich jedoch schon bald unter den Bedingungen der bitteren Realität des Atomzeitalters als pure Illusion herausstellen sollten.

Dieser – hier in seinen eigenen Worten wiedergegebenen – Argumentation der Bundesregierung stellte Schmid die Argumente der SPD gegenüber: Die Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen würde nicht nur die Haltung der UdSSR in der deutschen Frage „verhärten“,[123] sondern die Bundesrepublik im Falle eines Atomkrieges vernichten.[124] Es sei daher ein Gebot der Vernunft, das eigene Land mit anderen als mit atomaren „Teufelswerkzeuge(n)“ zu verteidigen, zumal die in Deutschland gelagerten atomaren Waffen die Atombomben des gegnerischen Lagers anzögen. Die atomaren Waffen könne man schließlich auch einige hundert Kilometer weiter westlich stationieren, da die dort lebenden Menschen nicht so gefährdet seien wie die Menschen in der Bundesrepublik.[125] Überdies müsse man in diesem Zusammenhang die Gefahr der nuklearen Eskalation sehen: „Die Anwendung taktischer Atomwaffen bewirkt unweigerlich die Anwendung strategischer Atomwaffen auf dem Gebiet, auf dem die taktischen Atomwaffen eingesetzt werden.“[126]

Die Wiedervereinigung, die auch bei allen anderen Sprechern der sozialdemokratischen Oppositionsfraktion einen zentralen Platz einnahm,[127] und die Schaffung eines – von der SPD bereits auf ihrem Berliner Parteitag (1954) geforderten – kollektiven Sicherheitssystems könnten Schmid zufolge niemals in greifbare Nähe rücken, wenn sich die bisherige Haltung der Sowjetunion aufgrund der Pläne der Bundesregierung verfestige und mithin der Abbau bestehender Spannungen zwischen den Militärblöcken weiterhin behindert würde (in dieselbe Richtung zielte auch der zwei Wochen später veröffentlichte Ollenhauer-Plan[128] ). Es sei daher die Frage, ob die Bundesrepublik – zumal unter dem Eindruck der laufenden Londoner Abrüstungsverhandlungen (!) – gewillt sei, etwas dazu beizutragen, diese Weltspannung zu verringern oder ob sie diese Weltspannung nicht sogar noch dadurch vergrößere, dass sie ebenfalls zu einer Atommacht werden wolle.[129] Dormann hat über die Haltung der SPD in dieser Debatte geurteilt, dass es ihr nicht etwa darum gegangen sei, der Bundesregierung die Anerkennung der in der NATO gültigen Militärstrategie zum Vorwurf zu machen. Vielmehr habe sie die Bundesregierung zu dem Eingeständnis bewegen wollen, „daß eine auf der Atombewaffnung der Bundeswehr basierende Verteidigungspolitik wegen der besonderen strategischen Exponiertheit der Bundesrepublik dem nationalen Interesse widerspreche.“[130] Schmid forderte deshalb am Ende seiner Rede die Bundesregierung im Namen seiner Partei dazu auf, 1. die „Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Waffen zu unterlassen“ und 2. die „Zustimmung zur Lagerung von Atombomben und zur Stationierung von Atomwaffen-Verbänden durch dritte Mächte auf dem Gebiet der Bundesrepublik zu verweigern.“[131] Damit hatte die SPD ihre ablehnende Haltung gegenüber der Politik der Bundesregierung klar zum Ausdruck gebracht. Diese erste Bundestagsdebatte hatte jedoch in der Frage der atomaren Ausrüstung zu keinem definitiven Entschluss geführt.[132]

Wie stark diese Debatte die Meinungsbildung der Bevölkerung beeinflusste, ist schwierig zu beurteilen. In den folgenden Monaten vor der für den 15. September 1957 anberaumten dritten Bundestagswahl wurde das Atomwaffenthema von der SPD jedoch auf vielfältige Weise im Wahlkampf immer wieder aufgegriffen.[133] Dazu nur einige Beispiele: Am 16. Juni stellten die Sozialdemokraten der Öffentlichkeit ihr Wahlprogramm vor, in dem sie noch einmal explizit ihre während der vergangenen Monate mehrfach geäußerte Forderung wiederholten, zur weltweiten Abrüstung und Ächtung der Atomwaffen zu gelangen. Erneut wurde deutlich gemacht, dass die atomare Ausrüstung der Bundeswehr die Wiedervereinigung unmöglich mache.[134] Ganz in diesem Sinne forderte Ollenhauer noch am selben Tag auf dem Wahlkongress seiner Partei: „Niemals atomare Aufrüstung in der Bundesrepublik! Wir Sozialdemokraten fordern, daß die atomare Aufrüstung der Bundeswehr unterbleibt, (sic!) und daß in Verhandlungen mit den beteiligten Mächten eine Vereinbarung darüber getroffen wird, daß in keinem Teil Deutschlands ausländische atomare Streitkräfte stationiert oder atomare Waffen gelagert werden.“[135] Dass die Bundesregierung angesichts solcher massiven und reges öffentliches Interesse hervorrufenden Forderungen darum bemüht war,[136] das Atomwaffenthema im Wahlkampf herunterzuspielen, ist verständlich. Kritisch anzumerken bleibt jedoch, dass sie ihre Absichten zu verschleiern suchte.[137]

Einen Monat vor dem Ende des aggressiven Wahlkampfes[138] machte die SPD noch einmal mit einem das Atomwaffenthema propagandistisch in den Mittelpunkt rückenden Slogan auf sich aufmerksam und behauptete: „Wer CDU/CSU wählt, der riskiert: dauernde Einparteienherrschaft, Teuerung und Inflation, endgültige Spaltung unseres Vaterlandes, Atombomben und Atomtod. Wer SPD wählt, der sichert: stabile Preise, stabile Währung, Wiedervereinigung in Freiheit, Atomkraft nur für den Frieden.“[139] In Hannover (ein letztes Beispiel), wo der Physiker Karl Bechert für die SPD kandidierte, wurde ostentativ die Gefahr von Atomwaffen in den Vordergrund gestellt. Auf einem Plakat wurde ein Panzer gezeigt, der atomare Waffen verschoss und das Gesicht Adenauers trug. Auf einem anderen Plakat wurde der Kopf eines von atomarer Strahlung deformierten Leichnams gezeigt, der mit dem Text versehen war: „Atomrüstung zeugt Massentod – die SPD mahnt und warnt“.[140]

Die Proteste der SPD und ihr nahestehender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens[141] hatten sich im Ergebnis der Bundestagswahl jedoch nicht ausgezahlt. Zwar gewannen die Sozialdemokraten mit 31,8% der Zweitstimmen knapp 3% im Vergleich zur letzten Wahl hinzu. Das Ergebnis für die Unionsparteien – sie durchbrachen mit 50,2% der Zweitstimmen die Traumgrenze der absoluten Mehrheit – kam jedoch aus Sicht der SPD einer Katastrophe gleich.[142]

[...]


[1] Im Folgenden aufgrund der besseren Lesbarkeit als KdA-Kampagne bezeichnet.

[2] Siehe Hans Karl Rupp, Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer. Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den fünfziger Jahren. Eine Studie zur innenpolitischen Entwicklung der BRD. Köln 1984 (3. Aufl.), S. 213f.

[3] Vgl. Ludolf Herbst u. a., Erklärung zu Aufgaben und Perspektiven der Zeitgeschichtsforschung nach der politischen Umwälzung in Osteuropa und in der DDR. In: VfZ, 38, Heft 3. München 1990, S. 509f.

[4] In diesem Zusammenhang gilt mein Dank vor allem den Mitarbeitern des Instituts für Geschichte der Arbeiterbewegung, da sie stets zu freundlicher Auskunft bereit und mir ansonsten in vielfacher Weise bei der Einsichtnahme von Akten behilflich waren. Gleiches gilt für Frau Dr. Ilse Fischer vom Archiv der sozialen Demokratie in Bonn, die meine Arbeit durch die mehrmalige Zusendung von fotokopierten Akten unterstützt hat.

[5] Siehe Klaus Rainer Röhl, Chronik einer zweimaligen Unterwanderung. In: Fritz Vilmar in Zusammenarbeit mit Wolfgang Rudzio und Manfred Wilke, Was heißt hier kommunistische Unterwanderung? Eine notwendige Analyse – und wie die Linke darauf reagiert. Frankfurt a. M.; Berlin; Wien 1981, S. 128f.

[6] Dahingehend thematisiert von Eberhard Pikart, Militärische Lage und Bedrohungsperzeptionen. In: Militärgeschichte seit 1945. Die westliche Sicherheitsgemeinschaft 1948-1950. Gemeinsame Probleme und gegensätzliche Nationalinteressen in der Gründungsphase der Nordatlantischen Allianz. Boppard am Rhein 1988, S. 236f.

[7] Siehe Karlheinz Höfner, Die Aufrüstung Westdeutschlands. Willensbildung, Entscheidungsprozesse und Spielräume westdeutscher Politik 1945 bis 1950. München 1990, S. 218f. Vgl. Ernst-Otto Czempiel u. Carl-Christoph Schweitzer, Weltpolitik der USA nach 1945. Einführung und Dokumente. Bonn 1987 (2. Aufl.), S. 77f.

[8] Die Rede ist abgedr. in: Heinrich von Siegler (Hrsg.), Dokumentation zur Abrüstung und Sicherheit, Bd. I, 1943-1959. Bonn, Wien, Zürich 1960, S. 101-102.

[9] Andreas Hillgruber, Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit 1945-1963. München 1987 (3. Aufl.), S. 58.

[10] Noch am 8. Mai 1950 hatte die AHK ihren bis dahin gültigen Standpunkt bekräftigt, an der Entmilitarisierung der Bundesrepublik festzuhalten. Siehe Rudolf Morsey, Die Bundesrepublik Deutschland. Entstehung und Entwicklung bis 1969. München 1987, S. 28.

[11] Abgedr. in: Sicherheitspolitik der BRD, S. 79-83.

[12] A. a. O., S. 84-85.

[13] Siehe Hans Buchheim, Adenauers Sicherheitspolitik 1950-1951. In: Aspekte der deutschen Wiederbewaffnung bis 1955. Hrsg. vom Militärischen Forschungsamt. Boppard am Rhein 1975, S. 130.

[14] Der Vorschlag ist abgedr. in: EA, 5, 22 F, 20.11.1950, S. 3518-3520.

[15] Vgl. zu den sogenannten Petersberger Gesprächen das EA, 7, 13/14 F, 20.7.1952, S. 5028.

[16] Die Dokumente sind abgedr. in: EA, 6, 7 F, 5.4.1951, S. 3849-3850.

[17] Siehe EA, 6, 19 F, 5.10.1951, S. 4397-4398.

[18] Abgedr. in: EA, 7, 13/14 F, 20.7.1952, S. 5041f.

[19] Kurt Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965. Berlin/Bonn 1982, S. 229.

[20] Siehe Rolf Steininger, Deutsche Geschichte 1945-1961. Darstellung und Dokumente in zwei Bänden. Bd. 2, Frankfurt a. M. 1985, S. 409f.

[21] Vgl. zur ablehnenden Haltung Adenauers gegenüber den Vorschlägen der SPD: Ders., Erinnerungen 1945-1953. Stuttgart 1987 (6. Aufl.), S. 82f. sowie S. 539.

[22] Vgl. Klaus Erdmenger, Das folgenschwere Mißverständnis. Bonn und die sowjetische Deutschlandpolitik 1949-1955. Freiburg i. Br. 1967, S. 60f.

[23] Vgl. Rudolf Hrbek, Die SPD – Deutschland und Europa. Die Haltung der Sozialdemokratie zum Verhältnis von Deutschland-Politik und West-Integration (1945-1957). Bonn 1972, S. 165f.

[24] Siehe DBT, 1 WP, Sten. Ber., Bd. 12, 221, 9.7.1952, S. 9788f./a. a. O., 222, 10.7.1952, S. 9848f. Vgl. a. a. O., Bd. 13, 240, 3.12.1952, S. 11101f./a. a. O., 241, 4.12.1952, S. 11303f./a. a. O., 242, 5.12.1952, S. 11380f.

[25] Siehe DBT, 1 WP, Sten. Ber., Bd. 15, 255, 19.3.1953, S. 12363f.; Abstergeb., S. 12366(A).

[26] Vgl. DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 18, 16, 25.2.1954, S. 518f.

[27] Vgl. a. a. O., S. 522f.

[28] Vgl. Udo Friedrich Löwke, Für den Fall, daß ... Die Haltung der SPD zur Wehrfrage 1949-1955. Mit einem dokumentarischen Anhang und dem letzten Interview Fritz Erlers. Hannover 1969, S. 184f., S. 193.

[29] Siehe EA, 9, 23 F, 5.12.1954, S. 7115f.; Abstergeb., S. 7123.

[30] Siehe EA, 9, 21 F, 5.11.1954, S. 7019f. Zu den Pariser Verträgen, a. a. O., S. 7171f.

[31] Zur Ablehnung der Pariser Verträge durch die SPD vgl. Löwke, a. a. O., S. 195f.

[32] Vgl. DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 22, 61, 15.12.1954, S. 3115f.

[33] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 21, 47, 7.10.1954, S. 2241(B), (Hervorhebung im Original).

[34] Die Stalin-Noten sind abgedr. in: Steininger, a. a. O., S. 478f.

[35] Der Brief ist abgedr. in: a. a. O., S. 484f.

[36] Das Antwortschreiben ist abgedr. in: a. a. O., S. 487f.

[37] Dazu detailliert Klotzbach, a. a. O., S. 344f.

[38] Einige Auszüge sind abgedr. in: Steininger, a. a. O., S. 474.

[39] Ebda., S. 474.

[40] Siehe Klotzbach, a. a. O., S. 347. Der SPD-Abgeordnete Schoettle jedenfalls hatte sich während der Vorstandssitzung vom 3. März zu folgender Bemerkung veranlasst gesehen: „Es sind Illusionen erweckt worden (durch die Beteiligung der SPD an den außerparlamentarischen Aktionen gegen die Westverträge, R. M.), insbesondere bei den Falken und Jungsozialisten, als ob am Vorabend des Faschismus die Partei nun aus dem Staat herausspazieren würde“, ebda., S. 347. Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Alfred Dobbert hatte noch vor Beginn der gegen die Ratifizierung der Pariser Verträge gerichteten außerparlamentarischen Aktionen an den SPD-Vorstand geschrieben: „1. Es liegt eine Gefahr in der vorgesehenen Mitwirkung anderer, nicht sozialdemokratischer Gruppen und Persönlichkeiten. Die Möglichkeit der Infiltration bolschewistischer oder pazifistisch-neutralistischer Gedankengänge wird dadurch erleichtert. Man ist nie ganz sicher, wie nur gefühlmäßig orientierte Kreise unserer Parteimitglieder oder Wähler auf so etwas reagieren. Eine schneidend scharfe Distanzierung vom Bolschewismus und seiner ‚trojanischen Kavallerie’ erscheint mir gerade jetzt dringend erforderlich.“ Zitat nach a. a. O., S. 346.
Vgl. folgenden Reisebericht von Aktivisten der SED – und anhand seiner wird deutlich, dass die Warnungen Dobberts (wenn auch in der Form vielleicht zu schroff formuliert) berechtigt waren –, die sich während der Zeit vom 11. bis zum 15. Februar 1954 in der Bundesrepublik aufhielten, in: IGfA/ZPA, Sign. IV 2/13/601, S. 1-5.

[41] Anfang der 50er Jahre hatten sich – im Durchschnitt – etwa 45% der Bevölkerung gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ausgesprochen. Siehe Rupp, a. a. O., S. 46. Vgl. Rüdiger Frank, Mehrheit gegen Wiederaufrüstung. Die Ergebnisse von 14 Umfragen von 1948-1951. In: DIZ, Archivn. 658.5, o. D., o. S.

[42] Vgl. Emnid, 8, Nr. 28, 14.7.1956, S. 1-2.

[43] Vgl. BR, Sten. Ber., 138, 18.3.1955, S. 49f.; Abstimmungsergebnis, S. 56.

[44] Zur gegen die Westverträge gerichteten Argumentation der SPD auf der parlamentarischen Ebene siehe Walter Möller und Fritz Vilmar, Sozialistische Friedenspolitik für Europa. Kein Frieden ohne Gesellschaftsreform in West und Ost. Hamburg 1972, S. 167f.

[45] Zitat nach Hans-Peter Schwarz, Das außenpolitische Konzept Konrad Adenauers. In: Adenauer-Studien I. Hrsg. von Rudolf Morsey und Konrad Repgen. Mainz 1971, S. 112f. Vgl. Konrad Adenauer, Erinnerungen 1953-1955. Stuttgart 1984 (3. Aufl.), S. 216.

[46] Vgl. Entspannung und Wiedervereinigung. Deutschlandpolitische Vorstellungen Konrad Adenauers 1955-1958. Rhöndorfer Gespräche (Bd. 2), Hans-Peter Schwarz (Hrsg.). Stuttgart und Zürich 1979, S. 32.

[47] Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer, Gründerjahre der Republik 1949-1957. Mit einem einleitenden Essay von Theodor Eschenburg. Stuttgart 1981, S. 295.

[48] Für die Bereitschaft der Bundesrepublik, eine Armee in der Größe von einer halben Million Mann aufzustellen, wurden ihr folgende Gegenleistungen zuteil: die Beendigung des Besatzungsregimes, das den Westmächten Möglichkeiten zu einer Einflussnahme auf die westdeutsche Innenpolitik geboten hatte, und die Zusage, die Bonner Deutschlandpolitik uneingeschränkt zu unterstützen. Ferner musste sich die Bundesrepublik als Preis für die Garantie ihrer äußeren Sicherheit dazu verpflichten, Rüstungsbeschränkungen hinsichtlich der Produktion von ABC-Waffen und schweren Waffen (Raketen, Bombenflugzeugen und größeren Kriegsschiffen) hinzunehmen. Vgl. Helga Haftendorn, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955-1982. Baden-Baden 1986 (2. Aufl.), S. 149.

[49] Siehe a. a. O., S. 73.

[50] Vgl. zur Wehrgesetzgebung Schwarz, Gründerjahre der Republik 1949-1957, a. a. O., S. 287f.

[51] Vgl. Kommuniqué der Tagung des Atlantikrates in Paris vom 17./18.12.1954. „Der deutsche Verteidigungsbeitrag auf der Grundlage der Pariser Verträge bleibt nach Ansicht des Rates eine Ergänzung der Verteidigungsmaßnahmen des Westens, auf die nicht verzichtet werden kann.“ Abgedr. in: EA, 10, 2 F, 20.1.1955, S. 7251-7252.

[52] Vgl. DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 31, 159, 6.7.1956, S. 8814(A, B). Vgl. die Debatte vom 4. Mai 1956. In: DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 29, 143, 4.5.1956, S. 7491(A). Vgl. die Beiträge der Abgeordneten von Manteuffel, a. a. O., S. 7505f. und Berendsen vom 6.7., a. a. O., S. 8766f.

[53] Vgl. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung, a. a. O., S. 154.

[54] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 31, 159, 6.7. 1956, S. 8775(B).

[55] Zur Unpopularität der allgemeinen Wehrpflicht vgl. Emnid, 8, Nr. 3, 21.1.1956, S. 2f./ a. a. O., Nr. 34, 25.8.1956, S. 1f. Siehe zu weiteren demoskopischen Erhebungen die stringente Zusammenfassung bei James L. Richardson. Deutschland und die NATO. Strategie und Politik im Spannungsfeld zwischen Ost und West. Köln und Opladen 1967, S. 44.

[56] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 31, 159, 6.7.1956, S. 8777(B); (Hervorhebungen im Original).

[57] Vgl. Wolfram F. Hanrieder, Deutschland, Europa, Amerika. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989. Paderborn 1991, S. 47.

[58] Vgl. Hans-Gert Pöttering, Adenauers Sicherheitspolitik 1955-63. Ein Beitrag zum deutsch-amerikanischen Verhältnis. Düsseldorf 1976 (2. Aufl.), S. 60. Vgl. Möller und Vilmar, Sozialistische Friedenspolitik, a. a. O., S. 174f.

[59] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 31, 159, 6.7.1956, S. 8780(A). Vgl. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung, a. a. O., S. 158; vgl. Lothar Wilker, Die Sicherheitspolitik der SPD 1956-1966. Zwischen Wiedervereinigungs- und Bündnisorientierung. Bonn-Bad Godesberg 1977, S. 103f. sowie Rupp, a. a. O., S. 100.

[60] Siehe DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 31, 159, 7.7.1956, S. 8886f.; Ergebnis der Schlußabst., S. 8894(A).

[61] Zum Inhalt des Artikels siehe AdG, 26, 20./21.7.1956, S. 5889-5890, F.

[62] Siehe Pöttering, a. a. O., S. 37f.

[63] Zur militärtechnologischen Entwicklung in der ersten Hälfte der 50er-Jahre und zur Reaktion der Vereinigten Staaten darauf vgl. John Newhouse, Krieg und Frieden im Atomzeitalter. Von Los Alamos bis SALT. München 1990, S. 163f.

[64] Vgl. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung, a. a. O., S. 158-159.

[65] Vgl. Pöttering, a. a. O., S. 87. Vgl. Konrad Adenauer, Erinnerungen 1955-1959. Stuttgart 1982 (2. Aufl.), S. 204.

[66] Zur Reaktion Adenauers vgl. a. a. O., S. 197f.

[67] Vgl. Schwarz, Gründerjahre der Republik 1949-1957, a. a. O., S. 358.
Unter dem Eindruck der durch den Radford-Plan ausgelösten Diskussion hatte sich Adenauer im August 1956 noch einmal entschieden gegen die nukleare Umrüstung von einer konventionellen hin zu einer atomaren Verteidigungsstrategie ausgesprochen. Dort heißt es: „Zu der von den Amerikanern ausgelösten Debatte über das Verhältnis zwischen den konventionellen und den nuklearen Waffen möchte ich nachdrücklich betonen, daß ich eine Verlagerung des Schwergewichts zugunsten der Atomwaffen vorerst für verfehlt halte. Da nach meiner Auffassung die Atomwaffen wirklich die größte Gefahr für die gesamte Menschheit darstellen, halte ich es sogar für richtig, gerade hier auf kontrollierte Abrüstung zu drängen. Man sollte alle Energie darauf verwenden, den nuklearen Krieg unmöglich zu machen. Gewiß sollten wir weitblickend handeln, doch bei allen noch nötigen Planungen im Zusammenhang mit Kriegsmöglichkeiten wäre es unrealistisch, immer gleich das größte Ausmaß eines Krieges vorauszusetzen. Ich bin der Ansicht, daß es ganz besonders darauf ankommt, etwaige kleinere Konflikte zu lokalisieren. Und dafür brauchen wir Divisionen mit konventionellen Waffen. Ihre Zahl muß ausreichend sein, um verhindern zu können, daß ein kleinerer Brandherd gleich einen Raketenkrieg von Kontinent zu Kontinent auslöst. Die deutschen Divisionen in ihrer vorgesehenen Zahl können sehr viel dazu beitragen, gegenüber jenen abschreckend zu wirken, die kleine Funken an einer Grenze zum Anlaß nehmen könnten, ein weltweites Durcheinander zu inszenieren, um den eigenen Machtspekulationen neue Nahrung zu geben.“ Adenauer, Lohnt sich der Aufbau der Bundeswehr noch? In: Bulletin, Nr. 155, 28.8.1956, S. 1491.

[68] Dazu ausführlich Pöttering, a. a. O., S. 71f.

[69] Vgl. a. a. O., S. 85.

[70] Siehe zum Kommuniqué der Lissaboner Tagung des Nordatlantik-Rates vom 24.2.1952 das EA, 7, 13-14 F, 20.7.1952, S. 5051-5052.

[71] Vgl. Kommuniqué der Tagung des Atlantikrates in Paris vom 17./18.12.1954, abgedr. in: EA, 10, 2 F, 20.1.1955, S. 7251-7252.

[72] Vgl. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung, a. a. O., S. 156-157. Zur geostrategisch exponierten und somit im Kriegsfall durch atomare Waffen besonders gefährdeten Lage der Bundesrepublik vgl. Dieter Mahncke, Nukleare Mitwirkung. Die Bundesrepublik Deutschland in der atlantischen Allianz 1954-1970. Berlin, New York 1972, S. 9f.

[73] Vgl. Manfred Dormann, Demokratische Militärpolitik. Die alliierte Militärstrategie als Thema deutscher Politik 1949-1968. Freiburg i. Br. 1970, S. 200f.

[74] Vgl. Spiegel, Überholt wie Pfeil und Bogen, 9, Nr. 29, 13.7.1955, S. 7f.

[75] Abgedr. in: EA, 11, 2 F, 20.1.1956, S. 8555.

[76] Abgedr. in: EA 12, 2 F, 20.1.1957, S. 9560-9561.

[77] Hanrieder, a. a. O., S. 58.

[78] Waldemar Besson, Die Außenpolitik der Bundesrepublik. Erfahrungen und Maßstäbe. München 1970, S. 182.

[79] Zum abrupten Sinneswandel Adenauers vgl. Pöttering, a. a. O., S. 93f. Dass man in der Bundesrepublik begann, die Wandlungen in der Atlantischen Allianz aufmerksam zu rezipieren, wurde daran deutlich, dass sich nach Bekanntwerden des Radford-Planes die Bundesregierung veranlasst sah, die Dauer der Wehrdienstzeit von ursprünglich 18 auf nunmehr 12 Monate herabzusetzen. In: Bulletin, Nr. 183, 28.9.1956, S. 1745-1746.

[80] Vgl. zur damals verfassten facettenreichen Charakterisierung von Strauß Edmond Tayler in: DzDp, III. Reihe/Bd. 3.1., S. 598f.

[81] Zitat nach Fritz Kopp, Chronik der Wiederbewaffnung in Deutschland. Daten über Polizei und Bewaffnung 1945-1958. Rüstung der Sowjetzone – Abwehr des Westens. Köln 1958, S. 124.

[82] Vgl. Franz Josef Strauß, Die Erinnerungen. Berlin 1989, S. 320f.

[83] Der Stand der europäischen Sicherheit. Bericht des Verteidigungs- und Rüstungsausschusses der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 10. November 1961 (Dokument 215). Frankfurt a. M., Berlin 1962, S. 78.

[84] Vgl. Wilker, a. a. O., S. 95. In dieser Arbeit wird jedoch – in Anlehnung an die in der Literatur verwandten Formulierungen – durchgehend von der Atombewaffnung der Bundeswehr, der atomaren Ausrüstung oder der atomaren Bewaffnung der Bundeswehr gesprochen.

[85] Vgl. Richardson, Deutschland und die NATO, a. a. O., S. 51. Vgl. Adelbert Weinstein, Die Umrüstung kommt auf uns zu, in: FAZ, Nr. 83, 8.4.1957, S. 1, wo betont wird, dass die Europäer die USA nach Atomwaffen nicht zu drängen bräuchten, denn „Amerika wird gar nichts anderes übrigbleiben – und es macht den Anfang mit England –, als allen europäischen Partnern der NATO ferngelenkte Raketen und Atomwaffen aus dem eigenen Vorrat zu geben.“

[86] Zitat nach AdG, 26, 14.12.1956, S. 6149, G, Abschnitt 8.

[87] Siehe Karl Bauer, Zehn Jahre nach Korea. Ein Beitrag zur Wehrpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Boppard/Rhein 1961, S. 140.

[88] Siehe AdG, 27, 12.4.1957, S. 6385, B.

[89] Zitat nach Klaus-Jörg Ruhl, Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-49. München 1985, S. 408. Im Wortlaut davon abweichend AdG, 27, 4./5.4.1957, S. 6370, E.

[90] Ulrich Albrecht, Rüstung, Militärpolitik und Militärpotential der Bundesrepublik. In: Beiträge zu einer Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1980 (2. Aufl.), S. 326.

[91] Zu den öffentl. Protesten vgl. die Darstellung bei Rupp, a. a. O., S. 65f.

[92] Die Göttinger Erklärung ist abgedr. in: Carl Friedrich von Weizsäcker, Der bedrohte Friede. Politische Aufsätze 1945-1981. München, Wien 1981, S. 29f. Zu den Unterzeichnern des Appells gehörten die Professoren: Fritz Bopp; Max Born; Rudolf Fleischmann; Walther Gerlach; Otto Hahn; Otto Haxel; Werner Heisenberg; Hans Kopfermann; Max v. Laue; Heinz Maier-Leibnitz; Josef Mattauch; Friedrich-Adolf Paneth; Wolfgang Paul; Wolfgang Riezler; Fritz Strassmann; Wilhelm Walcher; Carl Friedrich Frhr. v. Weizsäcker; Karl Wirtz.

[93] Vgl. die kritischen Stellungnahmen der Physiker Jordan Pascual in: DK, ders. Atomgefahr – Nüchtern betrachtet, in: DBT/PA, 20.7.1957, Archivn. 005-8/20, S. 4f. sowie diejenige von Siegfried Flügge in: EV, ders. DBT/PA, August 1957, Archivn. 005-8/20, o. S. Vgl. zur Kritik an der Göttinger Erklärung Karl Jaspers, Die Atombombe und die Zukunft des Menschen. Politisches Bewußtsein in unserer Zeit. München 1958, S. 268f.

[94] Vgl. Weizsäcker, Der bedrohte Friede, a. a. O., S. 34. Vgl. o. Q. Joachim Besser, Wie kam es zum Appell der Atomforscher? In: DBT/PA, o. D., ohne Archivn., o. S.

[95] Im Sommer 1990 wurde C. F. von Weizsäcker folgende Frage gestellt: „An der öffentlichen Debatte über aktuelle Politik haben Sie sich zum ersten Mal 1957 beteiligt ... Was hat Sie damals veranlaßt, ... aktuell, einzugreifen?“ Von Weizsäcker antwortete: „Wie gesagt, ... die Institution des Kriegs muss überwunden werden, wenn die Menschheit sich nicht durch die Atombombe und andere Dinge, für die die Atombombe nur das erste Beispiel ist, zugrunderichten will. Wenn das aber so ist, dann kann ich als Atomphysiker in dem Augenblick nicht politisch schweigen, in dem ich als Atomphysiker gefordert bin ... (Damals, R. M.) wurde das Atomministerium gegründet, das heute Forschungsministerium heißt; Franz Josef Strauß wurde der erste Atomminister ... Und dann kam der Augenblick, in dem Strauß Verteidigungsminister wurde – und wir hatten ihn gut genug kennengelernt –; er war ein hervorragender Minister, ein hochintelligenter, sehr effizienter Mann, aber es war klar, daß er Atomwaffen haben wollte. Und das zwang uns (Physiker, R. M.), darüber nachzudenken, ob wir ihm oder unserer Regierung Atomwaffen zu machen helfen wollten oder nicht. Und wir entdeckten – der ganze Beraterkreis (!), als wir eine Sitzung darüber machten, daß wir es nicht wollten. Und dann mußten wir uns äußern; man kann nicht so etwas denken und dann nichts tun.“ Die Einheit des Wirklichen. Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker im Gespräch mit Uwe Zimmermann. NDR, 29.3.1991.

[96] Weizsäcker, Der bedrohte Friede, a. a. O., S. 36.

[97] Vgl. FAZ, Die Koalition sieht die NATO-Planung gefährdet. Erwägungen nach der Erklärung der Atomwissenschaftler/ Adenauer wurde überrascht, in: DBT/PA, 16.4.1957, Archivn. 005-8/20, o. S.

[98] Vgl. Rupp, a. a. O., S. 81. Vgl. FdK, Mayer wurde von der Erklärung der Achtzehn überrascht, in: DBT/PA, 16.4.1957, Archivn. 005-8/20, o. S.

[99] Vgl. AdG, 27, 12.4.1957, S. 6385, A.

[100] Zitat nach DzDp, III. Reihe/Bd. 3.1., S. 605-606.

[101] Diese Äußerung war in der Tat heikel; vgl. jedoch – dieser Hinweis sei erlaubt – die Ausführungen in den Erinnerungen von Henry A. Kissinger. Ders., Memoiren 1968-1973. München 1979, S. 63f., der auf den Unterschied hingewiesen hat, ob man sich als Wissenschaftler oder als politisch Handelnder äußere. Vgl. die schroffe und einseitig gegen die Unterzeichner der Göttinger Erklärung gerichtete Stellungnahme – „Angst vor dem Atom – oder Angst vor einem 3. Kabinett Adenauer?“ – in der „CSU-Correspondenz“, abgedr. in: DzDp, III. Reihe/Bd. 3.1., S. 808-809.

[102] Das Interview von Strauß im Hessischen Rundfunk ist abgedr. in: DzDp, III. Reihe/Bd. 3.1., S. 598. Vgl. in diesem Zusammenhang die ausführliche, differenzierte und durchaus faire Stellungnahme von Strauß im Gespräch mit dem Chefredakteur der SZ, Werner Friedemann und Lembke in: DBT/PA, o. D., Archivn. 005-8/20, o. S.

[103] Zu dem am 17. April anberaumten Gesprächstermin wurde z. B. Atomminister Balke nicht eingeladen. Zum einen wohl deshalb, weil er den Intentionen der Göttinger Erklärung grundsätzlich zugestimmt hatte, zum anderen jedoch, weil die Bundesregierung den Eindruck vermeiden wollte, dass im umgekehrten Fall das Atomministerium – irrtümlicherweise – mit der militärischen Verwendung der Kernenergie in Verbindung gebracht werden könnte. Vgl. HA, Von ihm spricht ganz Bonn. Bundesminister Balke an der Seite der 18 Atomwissenschaftler, in: DBT/PA, 16.4.1957, Archivn. 005-8/20, o. S.

[104] Zum Verlauf des Gesprächs und den Namen der Teilnehmer beider Seiten siehe Günther Heipp, Es geht ums Leben! Der Kampf gegen die Bombe 1945-1965. Eine Dokumentation. Hamburg 1965, S. 37f.

[105] Siehe NZZ, Die Aussprache Adenauers mit den Atomphysikern, in: DBT/PA, 19.4.1957, Archivn. 005-8/20, o. S. und die ASZ, Atomgespräch beim Kanzler, in: DBT/PA, 28.4.1957, Archivn. 005-8/20, o. S.

[106] Vgl. Rupp, a. a. O., S. 46 und 82.

[107] Siehe die gedrängte Analyse bei Rupp, a. a. O., S. 81f. sowie Peter Brollik und Klaus Mannhardt (Hrsg.), Blaubuch 1958, Kampf dem Atomtod – Dokumente und Aufrufe. Essen 1988, S. 51f., S. 118f.

[108] Vgl. die Zahlenangaben in: Vw, Das Volk sagt „Nein“, Herr Adenauer!, Nr. 13, 10.5.1957, S. 1.

[109] Seit 1954 kursierten in der Bundesrepublik Nachrichten darüber, dass auf dem Boden der Bundesrepublik Atomwaffen stationiert seien. Dass die SPD erst im Frühjahr 1957 dagegen Front machte, erklärt sich offenbar durch den Umstand, dass sie bis zur Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes Mitte 1956 noch ganz mit den Fragen der Wiederbewaffnung beschäftigt war. Vgl. Rupp, a. a. O., S. 67f. und S. 98f.

[110] Die neun Sachgesichtspunkte umfassende Anfrage ist abgedr. in: Brollik und Mannhardt, Blaubuch 1958, a. a. O., S. 69.

[111] NZZ, Die Bonner Atomdebatte, 178, Nr. 129, 12.5.1957, Bl. 2, (Hervorhebung im Original).

[112] Das Schlusskommuniqué ist abgedr. in: EA, 12, 10 F, 20.5.1957, S. 9855. Vier Tage später hieß es in den Empfehlungen der WEU, dass alle der westlichen Allianz zugehörigen Streitkräfte „mit taktischen atomischen Waffen und solchen Raketen ausgestattet werden, welche die taktische Kriegführung verbessern;“ (sic!). Die Empfehlungen sind abgedr. in: Bauer, a. a. O., S. 142.

[113] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12066(A-D).

[114] A. a. O., S. 12067 (A).

[115] A. a. O., S. 12069 (C), (Hervorhebung im Original).

[116] In einer späteren Stellungnahme konstatiert Strauß: „Weiß sich der Angreifer einem nur konventionell gerüsteten Verteidiger gegenüber, so kann er seine Streitkräfte zum Durchbruch massieren, weil er keinen taktischen Atomschlag zu befürchten braucht. Der Verteidiger hingegen muß seine Armeen aufgelockert, in einer für die Abwehr konventioneller Angriffe ungünstigen Form gliedern, weil er ja nicht sicher sein darf, daß der Angreifer auf den Einsatz von taktischen Atomwaffen verzichtet.“ Wäre ein Angreifer also in der Gewissheit, dass er im Falle eines konventionellen Angriffs nur eine mit den gleichen Waffen geübte Gegenwehr zu erwarten hätte, dann käme dies quasi einer Aufforderung zum Angriff gleich. Siehe NZZ, Der Preis des Friedens, 179, Nr. 196, 19.7.1958, Bl. 3.

[117] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12068 (B, C), 12069 (B).

[118] Vgl. Fritz Erler, Umrüstung. In: Ap, 8, Heft 1, Januar 1957, S. 14, 18. Vgl. ders. in: Vw, Sicherheit gegen äußere Gefahren, Nr. 17, 26.4.1957, S. 3.

[119] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12074(A, B), (Hervorhebung im Original).

[120] Ebda., S. 12074 (C), (Hervorhebung im Original).

[121] Am 23. April war über Radio Oslo ein weltweit beachteter Appell des Urwaldarztes und Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer verbreitet worden, in dem er auf die radioaktiven Gefahren der Atombombentests für die nachfolgenden Generationen hinwies und – an die „gebotene Vernünftigkeit“ der Menschen appellierend – deren sofortige Einstellung forderte. Der Appell ist abgedr. in: Heipp, Es geht ums Leben!, a. a. O., S. 49f.

[122] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12078 (A, B), (Hervorhebung im Original).

[123] Ebda., S. 12078(C).

[124] Erler hatte schon zu Beginn der Debatte konstatiert, dass man den ohnehin gefährlichen Zustand der deutschen Spaltung nicht noch dadurch gefährlicher machen sollte, indem man die Bundeswehr atomar bewaffne: „Die Zeitbombe der deutschen Spaltung ist für alle, nicht nur für uns, gefährlich genug. Diese Bombe wird noch gefährlicher, wenn man sie mit atomarem Sprengstoff füllt.“ A. a. O., S. 12058 (A).

[125] DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12079 (A).

[126] A. a. O., S. 12080 (D). Vgl. Erler, a. a. O., S. 12058 (D).

[127] So hatte z. B. der Parteivorsitzende Ollenhauer am späten Abend der Debatte das Problem der Wiederherstellung der deutschen Einheit noch einmal eindringlich herausgestrichen: „Unsere Sorge ist, daß wir mit der atomaren Aufrüstung der Bundeswehr und allen sich daraus ergebenden Konsequenzen einen Weg gehen, auf dem wir Gefahr laufen, nicht nur die Freiheit, von der immer die Rede war, sondern auch die nackte Existenz unseres Volkes zu verlieren und alle Aussichten für eine Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ebenfalls in Schutt und Asche untergehen zu lassen.“ A. a. O., S. 12129(C).

[128] Siehe die Synopse zur Deutschlandpolitik 1941 bis 1973. Bearbeitet von Werner Weber und Richter Werner Jahn. Göttingen 1973, S. 283f. Vgl. Vw, Sicherheit und Wiedervereinigung nach den Vorstellungen der SPD – Aus einem Gespräch über den Ollenhauer-Plan, Nr. 22, 31.5.1957, S. 3.

[129] Vgl. DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12082(B).

[130] Dormann, a. a. O., S. 213. Vgl. Erler in: DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12058(B).

[131] Der Entschließungsantrag ist abgedr. in: Ebda, S. 12139 (B).

[132] Das wird an dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP(FVP) deutlich: „Die Bewaffnung der Bundesrepublik mit atomaren Waffen steht jetzt nicht zur Entscheidung. Sie steht in engem Zusammenhang mit den Erfolgen der Abrüstungsverhandlungen. Der Deutsche Bundestag erwartet, daß diese Verhandlungen erfolgreich sein werden.“ Vgl. DBT, 2 WP, Sten. Ber., Bd. 36, 209, 10.5.1957, S. 12138(D)-12139(A).

[133] Vgl. Rupp, a. a. O., S. 108f.

[134] Das Wahlprogramm ist abgedr. in: DzDp, III. Reihe/Bd. 3.2., S. 1883-1884.

[135] Die Rede ist abgedr. in: DzDp, III. Reihe/Bd. 3.2., S. 1886-1887.

[136] Siehe Rupp, a. a. O., S. 109.

[137] Siehe Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Der Staatsmann: 1952-1967. Stuttgart 1991, S. 332 und S. 338f. Vgl. die Äußerungen des Abgeordneten Menzel in: DBT, 3 WP, Sten. Ber., Bd. 40, 25, 24.4.1958, S. 1413(C, D) sowie Jesco von Puttkammer, Täuschungsmanöver mit den Atomwaffen. Der NATO-Plan MC 70 über die atomare Umrüstung der NATO-Streitkräfte war längst beschlossen, als die Bundesregierung das Gegenteil behauptete. In: Vw, Nr. 20, 16.5.1958, S. 1.

[138] Vgl. Werner Wolf, Der Wahlkampf. Theorie und Praxis. Köln 1980, S. 220. Vgl. Zeit, 12, Nr. 30, 25.7.1957, S. 4.

[139] SPD-Jahrbuch 1956/57, S. 354. Vgl. die scharfe Verurteilung der Politik der Bundesregierung durch die SPD in: Vw, „Unternehmen Mord“, Nr. 29, 19.7.1957, S. 1.

[140] Zitat nach U. W. Kitzinger, Wahlkampf in Westdeutschland. Eine Analyse der Bundestagswahl 1957. Göttingen 1960, S. 107.

[141] Siehe z. B. den – indirekt – gegen die Politik der Bundesregierung gerichteten Appell von zwanzig Schriftstellern kurz vor der Bundestagswahl, abgedr. in: Brollik und Mannhardt, Blaubuch 1958, a. a. O., S. 156.

[142] Zum Wahlergebnis siehe das Datenhandbuch des Deutschen Bundestages 1949 bis 1982. Hrsg. vom Presse- und Informationsamt des Deutschen Bundestages. Baden-Baden 1982 (3. Aufl.), S. 48.

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Zwischen parlamentarischer Opposition und politischer Protestbewegung. Die SPD im "Kampf gegen den Atomtod"
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Fachbereich Politische Wissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
107
Katalognummer
V454499
ISBN (eBook)
9783668875029
ISBN (Buch)
9783668875036
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine Überarbeitung der Diplomarbeit fand im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2018 statt. Diese Arbeit wurde 2019 in der 2. überarbeiteten Auflage veröffentlicht.
Schlagworte
Deutschland, Nachkriegszeit, Kalter Krieg, Anti-Atomtod-Bewegung, SPD, parlamentarische und außerparlamentarische Opposition, Agitatoren der DDR in Westdeutschland, kommunistische Beeinflussungsversuche, Rückzug der SPD aus der außerparlamentarischen Bewegung
Arbeit zitieren
Ralf Moeck (Autor:in), 2019, Zwischen parlamentarischer Opposition und politischer Protestbewegung. Die SPD im "Kampf gegen den Atomtod", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454499

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