Christlich - moralische Dimensionen in verschiedenen Pyramus und Thisbe Bearbeitungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Vorwort

II Ovids Pyramus und Thisbe

III Bearbeitungen von Pyramus und Thisbe
a) Jörg Wickram
b) Johann Spreng

IV Die Auslegungen
a) Gerhard Lorichius
b) Johann Spreng
c) Georg Sabinus
d) Vergleich der Auslegungen

V Fazit

VI Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
4.2 Darstellungen

I Vorwort

Die Metamorphosen des Ovid zählen sicherlich zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Es wundert nicht, dass Ovid eine ausgeprägte Rezeptionsgeschichte vorweisen kann, denn Stoff bieten allein die Metamorphosen in Hülle und Fülle. Die Wirkung Ovids setzt im Hohen Mittelalter ein: Künstler aller Sparten „wetteifern in der Nachbildung und Abwandlung ovidischer Motive“[1]. Ovid wurde zum Modeautor; durch seine Allgegenwärtigkeit prägte er schließlich den Begriff der Aetas Ovidiana, wobei vor allem die Metamorphosen ungeheuer beliebt waren.

Jede Metamorphose zeichnet sich durch die Schilderung einer Verwandlung aus, die sich als Folge der Erzählung ergibt. Beispiele hierfür sind sowohl der Götterzorn, der häufig Eingang in die Erzählungen findet, als auch die Liebe, die in den Metamorphosen oft Anlass zu einer Verwandlung bietet. So auch in der Geschichte Pyramus und Thisbe, die dieser Arbeit zugrunde liegt.

Zunächst steht Ovids Original im Mittelpunkt und wird einer ausführlichen Betrachtung unterzogen, damit die Unterschiede zu den zu vergleichenden Textcorpora leichter aufgezeigt werden können. Im Anschluss daran werden die dazugehörigen Auslegungen vorgestellt, näher betrachtet und untereinander verglichen. Sowohl in den bearbeiteten Pyramus und Thisbe - Geschichten als auch in den dazugehörigen Auslegungen finden sich christliche Moralvorstellungen, die für die Entstehungszeit nicht ungewöhnlich sind. Das Erkenntnisinteresse liegt in der Frage, wie die christlichen Moralvorstellungen sowohl in der Bearbeitung von Pyramus und Thisbe als auch in den dazugehörigen Auslegungen umgesetzt sind.

II Ovids Pyramus und Thisbe

Die Geschichte von Pyramus und Thisbe wird, ganz im Sinne des von Ovid propagierten Carmen Perpetuum, in einen bestimmten inhaltlichen Rahmen eingebettet. Alcithoe, eine der drei Töchter des thebanischen Königs Minyas, erzählt ihren Schwestern bei der Webarbeit die Geschichte von Pyramus und Thisbe, um die Zeit ein wenig zu verkürzen.

Handlungsort der Geschichte ist Babylon. Pyramus und Thisbe, die in benachbarten Häusern wohnen, verlieben sich gegen den Willen der Väter[2] ineinander und müssen aufgrund des Verbotes heimlich durch einen Spalt in einer Wand kommunizieren. Aufgrund dieser Situation sehen sich die Beiden genötigt ihr geplantes Treffen heimlich abzuhalten und sie beschließen sich nachts außerhalb der Stadt unter einem Maulbeerbaum zu sehen.

Thisbe erscheint dort etwas früher als ihr Geliebter und wird von einer Löwin überrascht, die an einer Quelle in der Nähe des Maulbeerbaumes ihren Durst löschen will. Bei ihrer Flucht vor der Löwin verliert Thisbe ihren Mantel, der von der blutverschmierten Löwin, die offensichtlich kurz zuvor auf der Jagd war, mit Blut befleckt wird.

Pyramus findet den blutverschmierten Mantel und schließt daraus voreilig, dass Thisbe tot sei, woraufhin er voller Vorwürfe mit seinem Schwert Selbstmord begeht. Die Früchte des Maulbeerbaumes färben sich daraufhin von seinem Blut dunkel.

Thisbe, die sich zwischenzeitlich in einer Grotte vor der Löwin versteckt hielt, findet ihren Geliebten, der bereits im Sterben liegt. Nachdem sich ihre Blicke ein letztes Mal vereinigt haben, tötet sie sich. Die beiden Wünsche, dass die von Pyramus’ Blut dunkel gefärbten Früchte als Erinnerung an ihre durch unglückliche Liebe begangenen Selbstmorde bleiben und dass die Überreste in einer gemeinsamen Urne ruhen sollen, werden gewährt.

Führt man sich den Inhalt der Geschichte vor Augen, stellt sich zunächst die Frage wer an dieser Tragödie Schuld trägt. Sicherlich tragen in erster Linie die Eltern einen Großteil der Schuld, da sie die Liebe ihrer Kinder verbieten und dafür nicht einmal einen plausiblen Grund angeben. Mit Sicherheit hat auch Pyramus eine Teilschuld, da er zu spät zur Verabredung kommt.

Außerdem erklärt er Thisbe ohne ausreichende Beweise für tot und begeht damit einen entscheidenden Fehler, den die Literaturwissenschaft mit dem griechischen Wort Harmatia beschreibt.

Dieser „Irrtum infolge einer übereilten Folgerung verursacht eine Umkehrung, eine Peripeteia der durch Thisbes Flucht vor der Löwin wieder möglich gewordenen glücklichen Entwicklung und bewirkt durch den Selbstmord des Pyramus statt des Glücks des Zusammentreffens die endgültige Trennung durch den Tod“[3]. So führt, ganz nach den gängigen poetologischen Idealen, der Fehlschluss zur tragischen Wende.

Zu Beginn der Metamorphose rühmt der Autor die Schönheit von Pyramus und Thisbe, wobei der zweite Vers, gemäß dem Gesetz der wachsenden Glieder, sich ganz der Schönheit Thisbes annimmt.[4]

Neben dem Schlüsselbegriff der Liebe (das Wort amor, bzw. Zusammensetzungen mit diesem Wort kommen im Text elf mal vor und rufen dem Leser so das Hauptgeschehen immer wieder ins Gedächtnis) gibt es noch zwei Motive, die in der Geschichte eine tragende Rolle spielen: die Wand und die Früchte des Maulbeerbaumes.

Die Wand, die durch einen störenden Riss beschädigt ist, bildet die einzige Kommunikationsmöglichkeit für das Liebespaar. Sie wird aus diesem Grunde auch personifiziert, da nämlich nicht durch die Wand gesprochen wird, sondern mit ihr.

Ja sogar menschliche Eigenschaften wie die invidia[5] werden ihr zugetraut, auch wenn der „Vorwurf der Missgunst sofort eingeschränkt wird- nec sumus ingrati - denn die Wand begünstigt ja das Liebesglück, indem sie den Stimmen Durchlaß gibt“[6].

In Bezug auf das Wand-Motiv hat Ovid ein sprachlich sehr anschauliches Bild geschaffen, denn mit dem Chiasmus

(…) hinc Thisbe, Pyramus illinc (…)[7]

wird durch den Satzbau eine gewisse Symmetrie geschaffen, die dem Leser bei der Verbildlichung der Situation hilfreich ist.

Das Liebespaar ist zwar nicht vollkommen voneinander getrennt, aber dennoch ist die Trennung schwer überbrückbar, was durch die allabendliche Kusszeremonie[8] deutlich wird.

Beide küssen ihre Seite der Wand, wenngleich die Küsse nicht den Anderen nicht erreichen.

So wird durch die Personifizierung der Wand, die Schilderung der Kusszeremonie und die sprachliche Gestaltung an dieser Stelle die Trennung der beiden Protagonisten für den Leser noch greifbarer.

Die Umstände wecken die Sehnsucht beider nacheinander: dies kommt allein dadurch zum Ausdruck, dass die Wandgespräche regelmäßig stattzufinden scheinen, was durch das Wort saepe in Vers 71 verdeutlicht wird.

Deutlich kommt zum Ausdruck, dass beide unter dieser Situation und damit verbunden, unter der Sehnsucht nach körperlicher Nähe zu leiden scheinen.[9]

Die Früchte des Maulbeerbaumes nehmen neben der Wand eine wichtige Rolle ein, denn gerade sie stehen letztlich für die Metamorphose in der Geschichte. Waren sie anfangs noch von heller Farbe, verändern sie sich nach dem Selbstmord des Pyramus ins Dunkle und bleiben so. Sie stehen also durch ihre Farbe für die Trauer, da ja dunkle Farben gemeinhin als Zeichen für Trauer angesehen werden können.

Gleichzeitig kann das Maulbeerbaummotiv als Aition angesehen werden, da der Tod des Pyramus die Ursache ist, weshalb die Früchte des Maulbeerbaums dunkel sind.

Erwähnenswert im Zusammenhang mit dem Maulbeerbaum ist auch noch der Ort, an dem dieser steht. Da Ovid diesbezüglich von einem Schatten, einer Quelle und von einem mit Früchten behangenen Baum spricht, liegt es nahe, diesen Topos als locus amoenus anzusehen. Dennoch gleicht dieser Ort, bedingt durch das Grab des Ninos[10], ebenfalls einem locus occultus.

Das Grab verweist also schon zu Beginn der Geschichte, an dem sich ja eine Beschreibung des Treffpunktes findet, auf den tragischen Schluss, aber „ zunächst (...) ist die idyllische Szenerie dazu angetan, dem Grauen und der Gefährlichkeit durch diesen freundlichen Ausblick entgegenzuwirken“[11]. Bei der Beschreibung des Treffpunktes erwähnt Ovid nicht die Grotte, in die Thisbe vor der Löwin flüchtet. Sie findet erst Erwähnung, als sie für den weiteren Verlauf der Handlung benötigt wird.[12]

Ein weiteres wichtiges Detail, an dem man sich leicht stört, ist der Umstand, dass die Löwin, die gerade von der Jagd kommt und am Gewässer beim Treffpunkt ihren Durst löscht, noch immer ein blutiges Maul hat, obwohl sie Wasser getrunken hatte.

Die Geschichte hätte sonst gar nicht ihren bekannten Lauf nehmen können, auch wenn dies ein weiterer logischer Fauxpas zu sein scheint.

[...]


[1] Stackmann, Karl: Ovid im deutschen Mittelalter. In: arcadia 1 (1966), S. 233.

[2] Zitiert wird nach folgender Ausgabe: Anderson William: P.Ovidius Naso- Metamorphoses. Bibliotheca Teubneriana .Monachii 2001. Die Versangaben beziehen sich auf diese Ausgabe.

Eigentlich wird die Liebe von den Eltern verboten. Vgl.: V. 61 parente.

[3] Schmitt von Mühlenfels, Franz: Pyramus und Thisbe: Rezeptionstypen eines Ovidischen Stoffes in Literatur, Kunst und Musik. Winter, Heidelberg 1972. S.20.

[4] Vgl. Bömer, Franz: P. Ovidius Naso-Metamorphosen (Kommentar). Heidelberg. S.36.

[5] Vgl. Anderson, V.73 ,invide’

[6] Römisch, Egon: Metamorphosen Ovids im Unterricht. Heidelberg 1976. S.112.

[7] Anderson, V.71.

[8] Anderson, V.79f.

[9] Anderson, V. 74: Quantum erat, ut sineres toto nos corpore iungi, (...).

[10] Verstorbener Gatte der Semiramis, Königin von Babylon

[11] Römisch, S. 113.

[12] Vgl. Römisch S. 114.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Christlich - moralische Dimensionen in verschiedenen Pyramus und Thisbe Bearbeitungen
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Antike Rezeption
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V47191
ISBN (eBook)
9783638441902
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Christlich, Dimensionen, Pyramus, Thisbe, Bearbeitungen, Antike, Rezeption
Arbeit zitieren
Steffi Rothmund (Autor:in), 2005, Christlich - moralische Dimensionen in verschiedenen Pyramus und Thisbe Bearbeitungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47191

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