Erec und Enite. Zwischen Reden und Schweigen


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Wissenschaftlicher Diskurs

Die erste Aventiurereihe

Das Redeverbot
Das „verligen“
Das Schweigegebot

Zweite Aventiurereihe
Die Räuber-Aventiuren
Die erste Grafen-Aventiure
Die erste Guivreiz-Aventiure
Zwischeneinkehr am Artushof

Die dritte Aventiurereihe
Die Riesen-Aventiure
Die zweite Grafen-Aventiure
Die zweite Guivreiz-Aventiure
Joi de la curt
Die Krönung

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Mit seinem „Erec“ hat Hartmann von Aue das Werk Chrétiens, „Erec et Enide“, adaptiert. Beide Romane befassen sich explizit mit dem Ehe- und Minneverhältnis des Paares, wobei Hartmann noch ein wenig stärker von der mittelalterlichen Realität abweicht als Chrétien. Was das Verhältnis von Erec und Enite/ Enide ausmacht, ist die verbale Kommunikation zum einen und das Schweigen zum anderen. Der These, dass sie das Hauptthema des „Erecs“ sind, wird kaum jemand widersprechen.

Anhand dieser beiden Punkte lassen sich sowohl die Entwicklung der Paarbeziehung als auch die individuellen Entwicklungen der beiden Charaktere darlegen. Den Ausgangspunkt für diese Untersuchung bilden das „verligen“ und das damit verbundene Schweigegebot.

Auf dieses werde ich in der folgenden Hausarbeit den Schwerpunkt legen und entlang des Werks weitere Rede- und Schweigesituationen in Bezug auf das Paar Erec und Enite/ Enide herausstellen. Dabei berufe ich mich auf den bereits bestehenden Diskurs und stelle einige Aufsätze zum Thema „Reden und Schweigen“ im „Erec“ vor. Wie es auch in diesen der Fall ist, stelle ich Vergleiche zwischen dem Text Chrétiens und Hartmanns an, um so mögliche Differenzen des Schweigegebots und seiner Ausführung aufzudecken.

Wissenschaftlicher Diskurs

Uwe Ruberg widmete sich 1978 in seinem Aufsatz das erste Mal den Schweige- und Sprechsituationen im „Erec“. Er untersucht darin den „Gesamtkomplex der Schweigesituationen“[1], um die übergeordnete Funktion des Schweigegebots darzustellen und den Grad der Beteiligung verschiedener Personen festzustellen. Zusätzlich behandelt er das Schweigen auf Erzählerebene. Er orientiert sich an den drei Abenteuerfolgen, um Schweigen und rechtes Sprechen herauszuarbeiten.[2]

Auch Joachim Bumke untersucht das Erzählerschweigen. Vor allem aber konzentriert er sich auf das Geschlechterverhältnis des Mittelalters, nachdem die Frau eine untergeordnete Rolle einnimmt, und betrachtet den „Erec“ unter diesem Aspekt. Einen weiteren Abschnitt widmet er der Monologe, Gebete und Gedankenreden Enites, die den größeren Teil ihrer Rede ausmachen, während Erec vermehrt direkt spricht. Er bezieht auch die Sprachphilosophie von Augustin mit ein, die im Mittelalter bekannt war.[3]

Britta Bussmann geht es um die Hervorhebung Enites in Bezug auf die ihrer Meinung nach wichtigsten zwei Schweigemotive: Die Warnung vor dem „verligen“ und das Schweigegebot. Sie geht nicht nur auf Enites Entwicklung vom Schweigen zum Sprechen, sondern auch auf ihre Sprachbeherrschung, die Rhetorik, ein. Dabei erklärt sie das Sprechen zum Merkmal der Herrscherin, wozu sie Vergleiche mit Ginover anstellt.[4]

Rodney Fisher beruft sich in ihrem Aufsatz auf den doppelten Kursus des „Erecs“ und vergleicht die Räuberaventiuren mit der Riesenaventiure unter Beachtung des Sprechverbots.[5]

Ursula Schulze untermauert in ihrem Aufsatz die These, dass es im „Erec“ Hartmanns von Aue um die Integration der Minne in den Sozialrahmen der Ehe geht. Sie behandelt Enites Schönheit, ihre Funktionen und die Aventiuren des Paares und hebt besonders die Oringles-Szene in Bezug auf Minne und Ehe hervor. Zudem ordnet sie das Werk in den geschichtlichen Kontext ein, indem sie einen Publikumsbezug herstellt.[6]

Ebenfalls auf Enites Schönheit geht Haiko Wandhoff ein, der die Verbindung zwischen Hören und Sehen im „Erec“ herausarbeitet.[7]

In allen Texten werden die Werke Hartmanns und Chrétiens verglichen, wobei der Schwerpunkt meist auf der deutschen Fassung liegt.

Des Weiteren haben sich mit der Thematik Bruno Quast[8] und Albrecht Classen[9] beschäftigt, deren Aufsätze ich aber nicht für meine Arbeit verwende.

Die erste Aventiurereihe

Auslöser für Erecs erste Aventürefahrt ist die Zwergenbeleidigung. Sie ist ein Zeichen unhöfischen Benehmens.

Im Auftrag Ginovers versucht zuerst die Hofdame, sich nach dem Namen des fremden Ritters zu erkundigen. Sie wird nicht nur mit Schweigen, sondern auch mit einem Peitschenschlag abgewiesen. Erec ergeht es ähnlich, was ihm, geschlagen von einem Zwerg und unfähig, sich zu verteidigen, Schande einbringt. So ist sein Aufbruch folgerichtig und begründet mit dem Streben nach Wiedererlangung seiner Ehre.[10]

Enites Vater Koralus kann nicht nur Erecs Frage nach dem Namen des fremden Ritters beantworten (vgl. V. 465), er klärt ihn auch über den Sperberkampf auf, rüstet ihn und vertraut ihm seine Tochter an. Zunächst hält er Erecs Wunsch aufgrund ihres niederen Standes für Spott, doch Erec verlangt, über Enites Armut zu schweigen (vgl. V. 577ff.).

Bei Chrétien spricht Enides Vater zwar seinen Verdruss über ihre Armut aus (vgl. V. 509ff.), zögert angesichts des Standesunterschiedes aber nicht (vgl. V. 675f.), nachdem Erec erklärt hat, wer er ist. Anders als bei Hartman erfährt Erec erst nach seinem und Enides Sieg den Namen Yders (vgl. V. 1042).

In beiden Werken wird der „hochmütig-stumme[n]“[11] Iders aber zur Rede gezwungen.

Mit seinem Schuldeingeständnis und der Ergebenheit gegenüber Erec und später Ginover (vgl. Chrétien V. 1042ff., 1183ff.; Hartmann V. 1001ff., 1214ff.) ist die durch unhöfisches Schweigen verletzte Ehre Erecs (und die des Artushofs) wieder hergestellt.

Enites Redeanteil ist mehr als gering und beschränkt sich bis zur Einkehr in Karnant auf Gehorsam, Klage und schüchterne Worte (vgl. V. 322, 852, 1322ff.). Bei Chrétien sagt Enide gar nichts. Ihr Schweigen entspricht zwar der höfischen Etikette, hat aber für das Herrscherpaar fatale Konsequenzen.[12]

Das Redeverbot

Das „verligen“

Nach Ursula Schulze ist das „verligen“ die Wirkung von über allem dominierender Minne, die Erec seine Ritterhaftigkeit und somit auch Enite die Ehre nehmen. In ihrer Übersteigerung wird die Minne zum Unwert.[13]

Die Enide Chrétiens verschweigt die Hofkritik aus Angst vor dem Zorn ihres Ehemanns (vgl. V. 2520f.). Als sie nun Erec gesteht, was sie bedrückt, übt sie auch Kritik an seinem Verhalten und erwartet von ihm entsprechend zu handeln, um seinen Ruhm wiederherzustellen (vgl. V. 2562ff.).

Bei Hartmann fürchtet Enite, ihren Mann zu verlieren (vgl. V. 3011f.). Aus Angst vor anderen Verdächtigungen aber, spricht sie doch (vgl. V. 4035f.). Dabei hat sie, anders als bei Chrétien, keinen direkten Redeanteil.

Immer wieder wird die Frage nach der Schuld Enites aufgeworfen.

Sowohl bei Chrétien als auch bei Hartmann nimmt Enide/ Enite die Kritik des Hofes als einzige bzw. erste wahr. Durch ihr Schweigen gegenüber Erec bewahrt sie ihn nicht vor dem „verligen“.

Nach Britta Bussmann findet hier eine Verschiebung statt. Die unrechtmäßige „parole“ bei Chrétien wird zum „schlechten Schweigen“ bei Hartmann. Er macht die Sprache zum Merkmal weiblichen Herrschaftshandelns, was im Gegensatz zum Bild der frommen, schweigsamen Ehefrau steht.

Enite und Erec haben bereits die Königswürde erhalten und das Schweigen der Herrscherin Enite ist also unangebracht, macht sie schuldig. Sie hat Erec die gerechte und nötige Zurechtweisung verschwiegen und ihre Herrschaftsposition nicht vertreten.[14]

Damit befindet sich Enite in der gleichen Position wie Erec, „denn beide bedürfen der Rehabilitierung der Ehre.“[15]

Das Schweigegebot

Aus den unterschiedlichen Situationen ergeben sich auch verschiedene Schweigegebote, die zur akustischen und körperlichen Trennung des Paares führen. Einzig die räumliche Nähe bleibt bestehen.[16]

Bei Chrétien ist das Redeverbot ausdrücklich an das Erblicken gekoppelt. Enide muss voran reiten, darf nichts sagen, wenn sie etwas bemerkt und nur sprechen, wenn Erec sie dazu auffordert (vgl. V. 2764ff.). Das weist schon auf die Räuberaventiuren hin.

Bei Hartmann gilt ein generelles und durch Androhung der „Todesstrafe“ verschärftes Schweigegebot (vgl. V. 3098), was sich in der Begegnung mit z.B. dem Knappen zeigt, den sie nur stumm grüßt.

[...]


[1] Ruberg, Uwe: Beredetes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters. München: Fink 1978. S. 176.

[2] Ruberg, Uwe: Beredetes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters. München: Fink 1978. S. 174- 203.

[3] Bumke, Joachim: Der „Erec“ Hartmanns von Aue. Eine Einführung. Berlin: de Gruyter 2006.

[4] Bussmann, Britta: Dô sprach die edel Künegîn. Sprache Identität und Rang in Hartmanns "Erec", in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Bd.134. S. 1-29.

[5] Fisher, Rodney: Räuber, Riesen und die Stimme der Vernunft in Hartmanns „Erec“, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 60, 1986. S. 353-374.

[6] Schulze, Ursula: âmîs unde man. Die zentrale Problematik in Hartmanns "Erec", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 105, 1983, S. 14-47.

[7] Wandhoff, Haiko: Gefährliche Blicke und rettende Stimmen. Eine audiovisuelle Choreographie von Minne und Ehe in Hartmanns "Erec", in: Jan-Dirk Müller (Hg.): "Aufführung" und "Schrift" in Mittelalter und Früher Neuzeit. DFG_Symposium 1994.

[8] Quast, Bruno: Getriuwiu Wandelunge. Ehe und Minne in Hartmanns „Erec“, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Bd. 122, 1993. S.162-180.

[9] Classen, Albrecht: Schweigen und Reden in Hartmanns „Erec“, in: Erec ou l`ouverture du monde arthurien. Greifswald: Reineke-Verlag 1993. S.25-42.

[10] Ruberg, S. 184-186.

[11] Ruberg, Uwe: Beredetes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters. München: Fink 1978. S. 187.

[12] Wandhoff, S.179.

[13] Schulze, S. 22-23.

[14] Bussmann; Britta: Dô sprach die edel Künegîn. Sprache Identität und Rang in Hartmanns "Erec", in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur Bd.134. S. 6-7.

[15] Schulze, Ursula: âmîs unde man. Die zentrale Problematik in Hartmanns "Erec", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 105, 1983, S. 29.

[16] Ruberg, S. 175.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Erec und Enite. Zwischen Reden und Schweigen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
1,7
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V353357
ISBN (eBook)
9783668394278
ISBN (Buch)
9783668394285
Dateigröße
681 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erec, Enite, Hartmann von Aue, Reden, Schweigen
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Erec und Enite. Zwischen Reden und Schweigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353357

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