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Trans*-faire Sexualpädagogik unter Einbeziehung von Körper- und Leiblichkeit

Konkretisierung an Kinder- und Jugendliteratur aus der Anglophonie

von Renata Duda-Merle (Autor:in)
©2016 Dissertation 324 Seiten

Zusammenfassung

Forschungsergebnisse aus Deutschland und der Anglophonie belegen, dass Trans*-Jugendliche stärker unter Ausgrenzung und Benachteiligung leiden als ihre Altersgenossen. Forscher_innen rufen deshalb zur Sichtbarmachung von alternativen Lebensweisen zugunsten von Vielfalt auf. Die Autorin visualisiert, wie hierzu im Kontext der Sexualerziehung an Schulen sowie Bildungseinrichtungen Jugendliteratur eingesetzt werden kann und evaluiert Vorschläge für die pädagogische Praxis. Anhand eines Textkorpus diskutiert sie, dass der Roman einen Erlebnisraum eröffnet, in dem durch persönlichen Kontakt mit Trans*-Charakteren eine Fremdheitserfahrung möglich wird. Zunächst auf der emotionalen Ebene des Leibes beginnend, kann diese für eine selbstreflexive, kognitive Auseinandersetzung mit Vielfalt und der sozialen Konstruktion von Geschlechtskörpern genutzt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagungen
  • Inhalt
  • Vorwort
  • 1. Einleitung
  • 1.1 Trans*: Relevanz des Themas und Forschungsstand
  • 1.2 Erkenntnisinteresse und Vorgehen der vorliegenden Arbeit
  • 2. Theoretische Grundlegungen
  • 2.1 LSBT*(I)(Q): Kritische Reflexion zentraler Begriffe
  • 2.2 Geschlecht und Körper in den Sozialwissenschaften
  • 2.2.1 Konstruktion von Geschlecht
  • 2.2.2 Queere Kritik und Intersektionalität
  • 2.2.3 Geschlecht in den Trans Studies
  • 2.2.4 Der (Trans*) Körper
  • 3. Grundlagen einer Trans* Sexualpädagogik
  • 3.1 Trans* im Kontext einer queeren Sexualpädagogik
  • 3.2 Die Aufnahme des (Trans*) Körpers in die Sexualpädagogik
  • 4. Literatur als Zugang (zu) einer Trans* Sexualpädagogik
  • 4.1 Warum Literatur? Allgemeine Überlegungen
  • 4.2 Auswahl und Darstellung des Textkorpus
  • 4.3 Themenschwerpunkt: Male-to-female
  • 4.4 Themenschwerpunkt: Female-to-male
  • 4.5 Themenschwerpunkt: Transreading
  • 4.6 Überblickscharakterisierung des Korpus und praktische Schlussfolgerungen
  • 5. Ergebnis und Desiderata
  • Summary
  • Literaturangaben

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Vorwort

Ich bin in einer 15-Tausend-Seelen Kleinstadt im hessischen Vogelsberg aufgewachsen. Oben auf dem Hügel im Musikerviertel, wo wir wohnten, waren Menschen unterschiedlichster Couleur zu Hause. Neben einigen meiner Lehrer_innen lebte dort die alt gewordene Elite nur durch eine Straße von den sozial Benachteiligten getrennt: Anwälte im Ruhestand, Zahnärzte, die nur Privatpatienten behandelten, Kleinunternehmer, Russlanddeutsche, Türken, Arbeitslose. An Diversität in all ihren Facetten gewöhnt, waren mir abfällige Bemerkungen über Andere fremd. Dass es sie tatsächlich nicht gab, kann ich nicht bestimmt sagen. Fast zweifele ich daran, denn Menschen haben immer erstaunlich viel zu sagen.

Wenn man von unserem Balkon Richtung Süden schaute, blickte man direkt ins Herz der Sozialsiedlung. Dort sah man manchmal eine Frau mit schwarzen Locken, stets in einen Plisseerock in dunkler Farbe gekleidet und mit leuchtendem Lippenstift geschminkt. Sie war immer alleine unterwegs, hielt ihre Handtasche ganz nah am Körper und bewegte sich unglaublich schnell. Es dauerte sehr lange, bis ich sie nah genug betrachten konnte, um den glattrasierten Bart und den Adamsapfel zu erkennen. An zwei Dinge kann ich mich besonders gut erinnern. Das Eine ist, dass sie mir nie anders oder irgendwie seltsam erschien – ganz im Gegenteil. Meinen alten Nachbarn, der immer die Nerven verlor, wenn ihm Kinder Walnüsse aus dem Garten klauten, fand ich während seiner Wutausbrüche weit außergewöhnlicher. Das Andere, das ich erinnere, ist das Gefühl tiefer Verbundenheit mit ihr, nachdem ich mein erstes Auto bekommen habe. Es war ein alter Fiat Panda in Mintgrün mit grell pinken Sitzen. Sie wiederum fuhr einen alten Seat Marbella in einem leuchtenden Blau mit grünen Sitzen. Während es meine Klassenkamerad_innen mit ihren Gefährten in gedeckten Farben – bordeaux metallic war das Schrillste, was sie zu bieten hatten – immer schafften, sich mehr oder minder inkognito zwischen Orten zu bewegen, die den Eltern lieber verborgen bleiben sollten, waren meine Nachbarin und ich unübersehbar wie bunte Dackel. Versuche, unauffällig von einem Ende der Stadt zum anderen zu gelangen, waren zum Scheitern verurteilt. Spätestens eine Woche danach würde mir meine Mutter erzählen, dass mich Philipps/Christians/Ninas/Monikas/… Mama/Oma/… – Väter/Opas/… waren dann doch meistens arbeiten – die Bürgermeister-Wagner-Straße hat entlang fahren sehen und wo ich denn hin wollte. Und noch während ich dabei wäre, mir eine Notlüge zu überlegen, würde sich ein weiteres Familienmitglied ins Gespräch einklinken, dass er/sie* doch vorgestern wieder das Auto unserer ← 9 | 10 → Nachbarin auf dem Supermarktparkplatz um kurz nach vier Uhr am Nachmittag hat stehen sehen und wo sie wohl arbeite. Manchmal hatte ich Glück und diese zweite, durch das Familienmitglied eingeworfene Frage entwickelte ein Eigenleben, welches die erste, an mich gerichtete, Frage überschattete. Das Warten auf meine Antwort wurde vergessen. Eine Antwort auf die andere Frage gab es aber nicht, denn trotz ihrer stetigen Präsenz im bunten Auto wusste niemand etwas über sie.

Kurz nachdem ich Hessen verlassen hatte, zog auch meine Familie aus dem Musikerviertel und dem Vogelsberg fort. Ich habe die Frau nie wieder gesehen. Als ich vor wenigen Jahren Lehrerin in Schleswig-Holstein wurde und in Lehrerzimmern an unterschiedlichen Schulen Gesprächen über alternative Lebensweisen beiwohnte, musste ich wieder an sie denken. Wobei „Gespräch“ vielleicht schon ein zu großes Wort für diese Art von Kommunikation ist. Ein geflüstertes „Karls/Maries/… Mutter ist lesbisch,“ oder ein Ausruf „Was? Schwul? Maik/Frederik/…, der aus dem 10. Jahrgang?“, stehen eher auf der Tagesordnung. Begleitet von einem Durchblättern der Infobroschüre „Wortschatz. Begriffe zur Akzeptanz vielfältiger sexueller Vielfalt.“ des Lesben- und Schwulenverbandes Schleswig-Holstein hört man eventuell noch Verwunderung, warum man sich denn jetzt auch noch mit Trans* beschäftigen solle, das haben wir doch gar nicht an unserer Schule. Wenn das Wort überhaupt ausgesprochen wird, klingt Trans* dann wie etwas Unerwünschtes, Anderes, Trennendes. Aber doch, wir haben Trans* Kinder an Schulen! Ich kenne einige persönlich. Und das ist auch der Augenblick, in dem ich wieder an meine damalige Nachbarin denke und unsere schreiend bunten Autos, die eine (zumindest von mir erlebte) Gemeinsamkeit jenseits von Geschlechtszuweisungen erlaubten, was mir heute letztendlich einen ganz anderen Blickwinkel auf die Thematik Geschlecht im Allgemeinen und Trans* im Besonderen erlaubt.

Offensichtlich hat mich diese persönliche Begegnung geprägt. Wie kann man solche persönlichen, prägenden Begegnungen aber für Schüler_innen bereitstellen? Das ist die eine Frage. Die andere ist, wie macht man dieses auf eine Art und Weise, mit der Eltern einverstanden sind? Denn mittlerweile werden nicht nur Kämpfe in Lehrerzimmern ausgefochten, welches Fach angeblich am besten dafür geeignet ist, Sexualerziehung in den Unterricht einzubeziehen. Nicht, dass diese Frage überhaupt gestellt werden müsste, seit Sexualerziehung als Bildungsauftrag an ALLE Fächer vorgeschrieben ist (vgl. Hilgers et al. 2004). Richtiger wäre es, zu fragen, wie es das jeweilige Fach bewerkstelligen kann. Doch diese letzte Frage stellen nur wenige, engagierte, meist recht junge Kolleg_innen.

Die hitzigen Diskussionen werden nun auch außerhalb der Schulmauern, auf der Straße und in den Medien ausgefochten. Verunsicherte und sicherlich auch ← 10 | 11 → zu wenig oder unausgewogen informierte Eltern laufen Sturm. Eltern werden hier nicht als Kollektiv verstanden. Es sind nicht alle, die sich wehren. Diejenigen, die es tun, sind dabei jedoch sehr laut und deutlich quer durch die Republik zu hören. Angeblich zum Schutz ihrer Kinder demonstrieren sie gegen moderne Sexualerziehung (vgl. Die Freie Welt. Internet- & Blogzeitung für die Zivilgesellschaft 2014), unterstellen der Sexualpädagogik pädophile Absichten sowie eine Übersexualisierung ihrer Schützlinge (vgl. Petition zum Bildungsplan 2015 2014; Soldt 2014; Voigt 2014). Überkommene Gleichungen wie Schwul = Kinderschänder werden wieder laut. Die Familie werde in Frage gestellt, gar durch die neuen sexualpädagogischen Ansätze zerstört. Bei einer bundesdeutschen Scheidungsrate von 35% (vgl. Statistisches Bundesamt 2015) ist das eine kühne Schuldzuweisung an die Sexualpädagogik. Die Medien ziehen mit. Vom Umschlag der feministischen Frauenzeitschrift EMMA rief es im Januar/Februar 2015 auf Boulevardzeitungsniveau „Puffs und Pädos in Schulbüchern“.

Welche Handlungsoptionen haben Pädagog_innen und Lehrer_innen vor dem Hintergrund dieser aus dem Blickwinkel der akademischen Disziplin der Pädagogik undifferenzierten Entrüstung? Vorsicht ist geboten. Ein Taktieren zwischen dem Anliegen, Kinder zu handlungsfähigen, differenziert denkenden Subjekten zu erziehen und dabei keine besorgten Eltern zu erzürnen, findet statt. Ein Erlebnisraum, der einen persönlichen Bezug zur Vielfalt herstellt, muss zwar geschaffen werden, jedoch ist dabei zu beachten, dass dieser Eltern nicht als vulgär aufstößt. Obwohl sie von Jugendlichen selbst allenthalben sexualisiertes Vokabular hören, haben sich auf der anderen Seite Pädagog_innen und Lehrer_innen zu benehmen. Ein Puff im Kontext von sexualpädagogischer Arbeit führte dazu, dass ein einschlägiges Werk mit Übungen (Tuider et al. 22012) in Hamburg von Leselisten für Lehrkräfte gestrichen wurde (vgl. demofueralle 2014). Unter pädagogischen Insidern heißt es seitdem nur noch augenzwinkernd „Das böse Buch“. Zum Thema „Vielfalt“ arbeitende Fachkräfte lassen sich nicht entmutigen, können aber die Steine, die ihnen in den Weg gelegt werden, nicht ignorieren.

Gehen Themen, die Sexualität betreffend, über Heterosexualität und Aufklärung hinaus, ist vor allem an normgebenden Institutionen wie der Schule eine Herangehensweise geboten, die einerseits die Eltern befürworten und die andererseits den Schüler_innen die Thematik auf eine elegante Art und Weise präsentiert. Bereits in meiner Staatsexamensarbeit habe ich zu diesem Zweck die Queer Studies für den Englischunterricht vorgeschlagen und dies an einem Jugendbuch – Meg Rosoffs What I Was – konkretisiert (Duda-Merle 2011). Seit meiner Examensarbeit habe ich mit vielen Kolleg_innen gesprochen, die diesen Ansatz verfolgen. Lesen gehört zum Sprachunterricht dazu und wird von Eltern grundsätzlich befürwortet. ← 11 | 12 → Eine Kolleg_in liest immer wieder Hermann Hesses Unterm Rad und stellt in diesem Zusammenhang Homosexualität offen zur Diskussion. In den Englischfachschaften ist Stephen Chboskys The Perks of Being a Wallflower eine fest etablierte Lektüre für die ersten zwei Halbjahre der Oberstufe.1 Sexualerziehung findet hier „nebenbei“ statt, von den meisten Eltern wahrscheinlich unbemerkt und von uns Lehrkräften auch nur angestoßen, im Unterricht in einem fest gesteckten Rahmen problematisiert und kreativ umgesetzt. Was tatsächlich passiert, wenn jemand ein Buch liest, ist nicht nachzuverfolgen. Man lebt mit den Figuren mit oder als eine der Figuren selbst. Es entsteht tatsächlich ein Raum, in dem neues, anderes Handeln möglich wird, in dem man sich erprobt, Menschen trifft, die man sich nicht als Nachbar_in vorstellen kann. Das alles passiert zunächst im geschützten Raum meines Kopfes, kann aber weiter nach Außen wirken. Als Lehrkraft biete ich den Schüler_innen in Form eines Buches zunächst diesen Erlebnisraum und schreite eine kleine Ecke davon mit ihnen ab. Das große Potenzial liegt aber darin, dass Leser_innen eventuell in diesem Raum für eine Weile länger bleiben möchten. In Foren der Fanfiction begleiten Leser_innen die Figuren weiter, öffnen neue Türen für sie, schicken sie auf sexuelle Abenteuer. Dort wirkt der sexualpädagogische Anstoß fort und wird zu einem Diskurs unter Jugendlichen. Zu The Perks of Being a Wallflower gibt es zum Beispiel Einträge zu lesen, die Eltern, welche gegen moderne Sexualerziehung protestieren, vermutlich dazu bewegen würden, für ein Verbot der Lektüre an Schulen zu plädieren.2 Das Wort „Puff“ wirkt daneben schon fast harmlos. Im Buch öffnet sich für junge Leser_innen also ein Erlebnisraum, in dem sie Vielfalt erleben, kennen und schätzen lernen können, der aber gleichzeitig so privat ist, dass Anstürme kritischer Eltern keinen Zugang dorthin bekommen.

Nach den Forschungsergebnissen meiner Examensarbeit und den vielen Gesprächen mit Kolleg_innen in unterschiedlichen Lehrerzimmern Schleswig-Holsteins war es nur ein logischer gedanklicher Schritt hin zu Literatur mit und zu Trans* Lebensweisen. Das ist der Erlebnisraum, in dem Jugendliche eine Trans* Nachbarin haben können, genauso wie ich damals. Gleichzeitig fand ich mich bei der Präzisierung meines Forschungsvorhabens mit zwei Problemen konfrontiert, die zum einen in einer adäquaten Theoretisierung des Themenschwerpunktes Trans* in der Sexualerziehung, zum anderen in der Wahl entsprechender ← 12 | 13 → Romane bestanden. Bezüglich des ersten Problems wurde schnell deutlich, dass eine queere theoretische Fundierung zu kurz greifen würde, wenn die Queer Studies ausschließlich als eine Fortführung der Gay and Lesbian Studies verstanden würden. Hinsichtlich des zweiten Problem kristallisierte sich ebenso rasch der Sachverhalt mangelnder Thematisierung von Trans* Lebensweisen in deutscher Kinder- und Jugendliteratur heraus. Vor diese Herausforderungen gestellt, musste ich mir klar darüber werden, wie ich mich dem Thema nähern möchte: Vom Allgemeinen (Geschlecht in der Sexualerziehung) zum Besonderen (Trans*) oder andersherum vom Besonderen zum Allgemeinen. Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden, weil ich nach einer eingehenden Auseinandersetzung mit den Trans Studies zu dem Schluss gekommen bin, dass die dortige Theorie, welche stark die Körper- und Leiblichkeit fokussiert (vgl. Salamon 2010), sehr fruchtbar auf die Sexualerziehung im Allgemeinen übertragen werden kann. Da die akademische Disziplin der Trans Studies ihre Wurzeln im US-amerikanischen Raum hat, wo auch die politische Trans* Bewegung bereits auf eine recht lange Wirkungszeit zurückblickt (vgl. Genschel 22005), konnte ich dort auch schnell auf einen soliden Fundus von Texten für Kinder und Jugendliche zurückgreifen, um diesen durch Romane aus der allgemeinen Anglophonie zu ergänzen.

Von dem Gedanken aus, Kindern und Jugendlichen einen Erlebnisraum, in dem Vielfalt – im Besonderen der Umgang mit Trans* Lebensweisen – erlebt werden kann, durch Texte zu eröffnen, verfolgt diese Arbeit somit ein doppeltes Ziel: 1) Eine adäquate Theoretisierung von Trans* Lebensweisen in der Sexualpädagogik, und 2) die Erschließung der in der Anglophonie zugänglichen Werke für Kinder- und Jugendliche, anhand derer die sexualpädagogische Arbeit zu und mit Trans* konkretisiert werden kann. Hierbei ist es mein Anspruch, deutlich zu machen, dass das Thema Trans* entlang der hier vorgeschlagenen Theorie und Konkretisierung nicht als Additum fungiert, das insular behandelt wird. Trans* wird hier vielmehr als Ausgangspunkt für eine neue Fokussierung des Geschlechts und/oder der damit zusammenhängenden sexuellen Orientierung verstanden, was eine allgemeingültige Übertragbarkeit auf Vielfalt als solche erlaubt, wobei auch traditionelle Konzepte von Frau, Mann und Heterosexualität, wie sie beispielsweise in Butlers Matrix verdeutlicht werden, mit bedacht werden (können).

Die Einbeziehung der Trans Studies in die Sexualpädagogik ist neu und somit kann diese Arbeit auch nur als Anfang für eine neu ausgerichtete Denkweise in der Disziplin verstanden werden. Wie jede Theorie und erste Konkretisierungsversuche wird auch mein Vorschlag empirisch auf seine Praktikabilität zu überprüfen sein.


1 Neben einer deutschen Übersetzung des Romans (dt. Das also ist mein Leben) gibt es eine annotierte Ausgabe für den fremdsprachigen Englischunterricht aus dem Cornelsen-Verlag. Vgl. www.cornelsen.de/lehrkraefte/reihe/r-3009/ra-4727/titel/9783464360002?back_link=search [zuletzt eingesehen am 17.09.2015].

2 Vgl. https://fanfiktion.de/s/55bd5fc50000940d107b1f30/1/Verlangen [zuletzt eingesehen am 17.09.2015].

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1. Einleitung

1.1 Trans*: Relevanz des Themas und Forschungsstand

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Andrej Peijic eines der gefragtesten weiblichen Models der Welt ist (vgl. Kammerer 2012), Balian Buschbaum öffentlich von seiner Geschlechtsangleichungsoperation berichtet, das Jugendnetzwerk Lambda die ersten Unisex-Toiletten an den ersten Berliner Schulen erkämpft hat3, und das Bundesverfassungsgericht 2011 eingeräumt hat, dass ein Mensch transsexuell sein kann, ohne gleichzeitig eine geschlechtsangleichende Operation zu wünschen.4 Wir scheinen auf einem guten Weg hin zur geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt, weg von binären Zuschreibungen von weiblich und männlich – so jedenfalls der erste Eindruck. Studien zum Umgang mit lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen belehren uns eines Besseren (vgl. Timmermanns 2003). Die Hasskriminalität aufgrund von sexueller Orientierung stieg in Berlin zwischen 2005 und 2010 stetig (vgl. Klocke 2012: 5). Studien explizit zum Umgang mit Trans*5 Menschen sind hingegen kaum vorhanden (vgl. ebd. 27). Wir wissen nicht viel über Trans* und Trans* Jugendliche sowie ihre Begegnungen mit anderen Menschen im Alltag (vgl. Mittag, Sauer 2012: 62). Es ist zu vermuten, dass sie ähnlichem gesellschaftlichem Druck ausgesetzt sind, wie Schwule, Lesben und andere sexuelle Identitäten. Fachpersonal ist deshalb aufgefordert, pädagogische Arbeit zu leisten, die einerseits Raum für Bewusstmachung von Diversität schafft, andererseits geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sichtbar macht. Dies sollte überall dort geschehen, wo junge Menschen heranwachsen, die sich bald an gesellschaftlichen Prozessen beteiligen werden, um ihnen ein Werkzeug zu geben, Veränderung zu bewirken – also in Schulen und Jugendarbeit. ← 15 | 16 →

Die Sichtung neuester Literatur das Thema betreffend zeigt jedoch deutliche Mängel hinsichtlich pädagogischen Handelns. Dies ist zum Teil auf eine nicht ausreichende Ausbildung des Fachpersonals zurückzuführen, aber auch auf systemische Hindernisse, wie die mangelnde Einbeziehung von vor allem geschlechtlicher Vielfalt an Hochschulen und in schulischen Lehrplänen.

Die Erhebung des Forschungsstandes und die Verdeutlichung der Relevanz des Themas für die (Sexual-)Pädagogik sollen in fünf Schritten erfolgen. Zunächst soll anhand von empirischen Studien der Status quo von Trans* und Trans* Jugendlichen in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und an (deutschen) Schulen im Besonderen skizziert werden. Daraus abgeleitet sollen im zweiten Schritt die Empfehlungen der Forschung im Hinblick auf ein pädagogisches Handeln und etwaige systemische Hindernisse, welche dieses zurzeit noch erschweren, dargelegt werden. Weiterhin werden bereits vorhandene Umsetzungen und weiterführende Vorschläge zur alternativen Umsetzung vor allem an Schulen vorgestellt. Letztere werden als Ausgangspunkt dienen, Kinder- und Jugendliteratur als Möglichkeit für eine weiterführende pädagogische Arbeit vorzuschlagen. Dabei soll im Besonderen die angelsächsische Kinder- und Jugendliteratur fokussiert werden, da diese zur Stunde im Vergleich zu deutschen Werken mit Trans* Themen einen großen und relativ leicht zugänglichen Fundus bietet.

Details

Seiten
324
Jahr
2016
ISBN (ePUB)
9783631696088
ISBN (PDF)
9783653071641
ISBN (MOBI)
9783631696095
ISBN (Hardcover)
9783631679340
DOI
10.3726/978-3-653-07164-1
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Schlagworte
Sexualpädagogik Trans Studies Phänomenologie Fremdheitserfahrung Leseprozess
Erschienen
Frankfurt am Main, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 324 S.

Biographische Angaben

Renata Duda-Merle (Autor:in)

Renata Duda-Merle wurde am Institut für Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert.

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