Die Spruchdichtung Walthers von der Vogelweide zwischen künstlerischer Freiheit und politischem Auftrag


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Zeit Walthers von der Vogelweide

3. Walthers Werdegang

4. Literarische und gesellschaftliche Bedingungen zu Walthers Lebzeiten

5. Walther von der Vogelweide und seine politische Spruchdichtung

6. Walthers Arbeit im Umfeld von Philipp von Schwaben

7. Walther im Dienste Otto IV.

8. Walthers Zeit bei Friedrich II.

9. Schluss

10. Quellen

1. Einleitung

Neben Goethe und Schiller gehört Walther von der Vogelweide wohl zu den bekanntesten deutschsprachigen Dichtern. Es wurden 140 Sprüche in 500 Strophen in mehr als 25 Handschriften von Waltherüberliefert. Mittlerweile sind seine Werkeüber 800 Jahre alt und seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts sind seine Sprüche und Lieder Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen. Seit geraumer Zeit nimmt die Rubrik Walther einen Großteil der Bibliografien im Mittelalter ein.

Mit Walther von der Vogelweide beginnt die politische Dichtung in der deutschen Sprache. Walthers Spruchdichtung stellt eine erste Nutzung von Literatur zur Vermittlung von Informationen dar. Nebenher begründete Walther die höfische Form der Spruchdichtung. Dabei glich er seine Sprüche an den Minnesang an und vereinigte damit erstmalig die adlige und bürgerliche Lyrik.

Die Umsetzung der Politik in der Dichtung begründet die Bedeutung von Walthers Spruchdichtung.

Das Thema dieser Arbeit bildet ein Spiel zwischen einem stark ausgeprägten künstlerischen Selbstbewusstsein und der propagandistischen Auftragsdichtung.

Die folgende Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil geht es kurz um Leben und Werk Walthers. Danach werden die historischen und gesellschaftlichen Bedingungen zu Walthers Zeit dargelegt. Der zweite Teil bildet den Hauptteil dieser Arbeit. Da soll ganz genau auf die politische Spruchdichtung von Walther eingegangen werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Walthers Sprüchen unter Philipp II., Otto IV. und Friedrich II. Aufgrund des Umfangs der Sangsprüche ist es nicht möglich, in dieser Arbeit auf alle Sprüche Walthers im Dienste oder im Umfeld Friedrichs, Ottos und Philipps einzugehen.

Die folgende Arbeit dient dazu zu klären, ob Walther von der Vogelweide nun ein freischaffender Künstler oder ein Propagandist ist. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, ein Bild des politisch aktiven Walthers nachzuzeichnen, welches ein angemessenes historisches Verständnis seiner Lyrik ermöglichen soll.

2. Die Zeit Walthers von der Vogelweide

Es gab zahlreiche Bemühungen, das Leben von Walther von der Vogelweide biografisch festzuhalten. Es existiert nur ein Lebenszeugnis von Walther von der Vogelweide und bei diesem handelt es sich lediglich um eine private Aufzeichnung. Aufgrund dessen kann man nur sehr wenigüber Walthers Leben sagen.

3. Walthers Werdegang

Es gibt keine genauen Angaben, wann Walther von der Vogelweide geboren wurde und wann er starb. Man kann nur anhand seiner literarischen Werke versuchen, seinen Lebensweg nachzuvollziehen. Dennoch sind all diese Dokumente mit Vorsicht zu behandeln.

Walther nennt in seiner politischen Lyrik einige historisch bekannte Personen wie, König Philipp von Schwaben (1177-1208), König und Kaiser Otto IV. (1175/76-1218) und Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Aufgrund der Erwähnung dieser Personen in seinen Werken kann man annehmen, dass Walther von der Vogelweide zwischen dem letzten Drittel des 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts gelebt haben muss. Anhand seiner Werke kann man sein Geburts- und Sterbedatum ungefähr datieren. Im Alterston von 1230 schaut Walther auf seinen Minnesang zurück. Dabei sagt er, dass er ungefähr 40 Jahre gedichtet hat. Daraus kann man schließen, dass er etwa um 1190 mit dem Minnesang begonnen haben muss. In der Forschung wird angenommen, dass Walther mit ungefähr 20 Jahren den Minnesang für sich entdeckt hat. Aus diesen Fakten kann man sein Geburtsdatum um 1170 und sein Sterbedatum um 1230 setzen.[1]

Walther von der Vogelweide scheint seine Kindheit und Jugend in Österreich und Umgebung verbracht zu haben. Diesen Fakt findet man im Unmutston von 1213 wieder.

In diesem steht geschrieben: „Zze Esterrîch lernde ich singen unde sagen.“[2] Bis zum Tod von Heinrich VI. im Jahre 1197 scheint Walther in Wien gelebt zu haben. Anschließend befindet sich Walther von 1198 bis 1202 im Dienste Philipps.[3] Doch nach der Ermordung Phillips wechselte er im Jahre 1212/1213 auf die Seite des Welfen Otto IV.[4] Aber schon ein Jahr später um 1213/14 arbeitet Walther für den jungen Friedrich II.[5]

Es kann nur geraten werden, welchen Stand Walther hatte und woher er kam. 1874 wurde das einzige außerliterarische historische Dokument gefunden, welches Walthers Existenz als Sänger beweist. Leider weist die Biografie Walthers viele Probleme auf. So kann man nur seine Lyrik und einige Reiserechnungen des Passauer Bischofs als Dokument seiner Existenz nutzen.[6] Walther selbst hat nie etwasüber sich selbst mitgeteilt, wenn dann nurüber literarische Rollen.

4. Literarische und gesellschaftliche Bedingungen zu Walthers Lebzeiten

Der Literaturbetrieb in der höfischen Zeit ist mit dem der heutigen Zeit nicht mehr zu vergleichen. Die Gönner und Auftraggeber mussten immer die Geschichte der mittelalterlichen Literatur betrachten und absegnen. So etwas wie ein Verlagswesen, ein Buchhandel, Urheberrecht und literarische Öffentlichkeit existierten nicht. Die Autoren verfassten jedes Buch mit der Hand und der einzig vorhandene Schreibstoff war Pergament. Aufgrund dieser Umstände diente die mittelalterliche Literatur hauptsächlich zur Legitimierung und Lobpreisung derjenigen, welche in der Lage waren, diese hohen Produktionskosten zu bezahlen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass eben diese Abhängigkeit der Dichter von ihren Gönnern deren literarische Werke geprägt haben.[7] „Kunst auf Bestellung erscheint vielen als eine Kunst minderer Qualität, weil ein Auftragsverhältnis die Selbstbestimmung des Künstlers zu gefährden scheint.“[8]

Die Werke der Künstler konnten erst durch den Auftrag des Gönners und seine materiellen Voraussetzungen geschaffen werden. Leider gab es für die Dichter keine Alternative, weshalb: „die Bindung an den Auftraggeber [...] nicht als Alternative zur Freiheit des gesehen werden“[9] kann. Aus den Angaben der Dichter in ihren Werken kann man entnehmen, wer die Auftraggeber und Gönner der höfischen Dichtung waren. „Mittelalterliche Kunst war Auftragsdichtung und muß so verstanden werden.“[10] Durch die Beschäftigung eines Dichters an seinem Hof ist der Ruhm des Auftraggebers gestiegen. Drehpunkte der höfischen Literatur waren die großen Hoffeste, auf denen sich der internationale Adel traf. „Diese Feste waren eine Selbstdarstellung der adeligen Gesellschaft, ein öffentliches Zurschaustellen ihrer Macht, ihres Reichtums und des höfischen Zeremoniells.“[11]

Aufgrund von fehlenden historischen Zeugnissen ist die gesellschaftliche Stellung der Dichter in den meisten Fällen unbekannt. Am schlechtesten dargestellt waren jedoch die Dichter, deren Hauptaugenmerk auf der Spruchdichtung lag. Der Großteil von ihnen war bürgerlicher Herkunft. Auch Walther gehörte dieser Gruppe an. Deshalb bildeten das Leitthema seiner Spruchdichtung das Elend seiner Existenz und die Käuflichkeit seiner Kunst sowie das von ihm verfasste Herrscherlob.

5. Walther von der Vogelweide und seine politische Spruchdichtung

Eine Untergattung der mittelhochdeutschen Lyrik, stellt die Spruchdichtung dar. Eben dieser Spruchdichtung gilt Walther von der Vogelweide als Begründer. Man definiert Spruchdichtung heute: „Formal [als] gesungene Lieddichtung in mittelhochdeutscher Sprache [und] inhaltlich [als] Sangverslyrik, die nicht von dem Themenbereich Liebe/‚Minne‘, sondern von Fragen der richtigen und falschen Lebensführung (Moral/Ethik), von der Problematik der Sängerexistenz, von Politik und Religion handelt.“[12] Man kann Walthers Sangspruchdichtung in drei Teilbereiche unterteilen. Diese wären: Politik, Walthers Existenz und Religion, wobei es vorkommen kann, dass alle drei Teile zusammen in einem von Walthers Ton vorkommen. Damit man Walthers Töne richtig einordnen kann, sollte man auch den Begriff der ‚politischen Lyrik‘ definieren. „Unter politischer Lyrik sollte man Texte subsumieren, die sich zum einen mit konkreten politischen Personen und Geschehnissen befassen [...], zum anderen von der Gesellschaft und der Welt in allgemeiner, abstrakter Form handeln.“[13]

Da viele Informationen zum historischen Hintergrund fehlen, ist die Interpretation von Sangspruchdichtung äußerst schwierig. Dadurch kann es immer wieder zu Fehlern kommen. Im folgenden Kapitel soll versucht werden, das ‚Ich’ in Walthers Werken genauer zu untersuchen und festzulegen, ob Walther als Repräsentant der fahrenden Dichter, als Künstler oder im Namen seines Gönners spricht.

6. Walthers Arbeit im Umfeld von Philipp von Schwaben

Walther hat nach dem Tod von Herzog Friedrich I. von Österreich seinen Gönner in Wien verloren. Aufgrund von Uneinigkeiten mit Leopold VI., dem Nachfolger Friedrichs, verlässt Walther den Wiener Hof.[14] Seine Situation nach dem Tod Friedrichs beschreibt Walther im ‚ Ersten Philippston‘: „Do Fridrich ûz Œsterrîch alsô gewarp,daz er an der sêle genas und im der lîp erstarp, dô fuort er mînen krenechen trit in die erde.“[15]

Nun etwas zur geschichtlichen Entwicklung im Römischen Reich. Der Kaiser Heinrich VI. starb kurz vor seinem Aufbruch zu seinem Kreuzzeug. Der Tod des Kaisers löste große Thronwirren in Deutschland aus. Im Jahre 1198 kommt es zu einer Doppelwahl des Staufers Philipp von Schwaben und des Welfen Otto von Braunschweig. Philipp wurde dabei am falschen Ort mit der richtigen Krone, dem sogenannten ‚Waisen‘ gekrönt, während Otto zwar am richtigen Ort aber nicht mit der berühmten alten Kaiserkrone gekrönt wurde.[16] Dieser Umstand warf nun die Frage auf, wer nun der rechtmäßige König ist.

In dieser Zeit arbeitete Walther als Propagandist für Philipp und seine Anhänger. In seinen Sprüchen rechtfertigt er die Wahl Philipps zum deutschen König. Der erste Spruch, welchen Walther im Interesse von Philipp von Schwaben verfasste war ‚Der Reichston‘. Dieser besteht aus drei Strophen, welche inhaltlich die Situation in Deutschland um die Jahrhundertwende beschreibt. Genauer gesagt geht es in den verschiedenen drei Strophen um die „Weltklage“, die „Kirchenklage“ sowie die „Reichsklage“. In der ersten Strophe denkt der Zuhörer, dass Walther sich um das Wohl des Reichs sorgt. Er singt also nicht nur für seinen König Philipp, sondern auch für das Reich. „Fride und reht sint sêre wunt.“[17] Da der Friede und das Recht sehr wund sind, betont Walther in der zweiten Strophe, dass ein starkes Königstum von enormer Notwendigkeit ist. Er fordert dazu auf, dass man dem Herzog Philipp von Schwaben die Krone aufs Haupt setzt: „Philippe, setze den weisen ûf, und heiz si treten hinder sich.“[18]

[...]


[1] Kurt Herbert Halbach: Walther von der Vogelweide, Stuttgart 1965. 4 durchges. Und erg. Auflage. Bearbeitet von Manfred Günther Scholz. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag 1983. S.29.

[2] Die mittelhochdeutschen Fassungen der Gedichte Walthers werden zitiert nach Cormeau, Christoph (Hg.): Leich, Lieder, Sangsprüche. Berlin: Verlag Walter de Gruyter 1996. Dieübertragung ins Neuhochdeutsche entstammen Friedrich Maurer: Walther von der Vogelweide. Sämtliche Lieder. München: Wilhelm Fink Verlag 1972. (L.66, 27f.) (Wohl vierzig Jahre habe ich gesungen oder mehr/ von Liebe und wie jemand soll).

[3] Vgl. ‚Reichston‘ (L.8,4) und ‚Der Erste Philippston‘ (L.18, 29).

[4] Vgl. ‚Ottenton‘ (L.11,6).

[5] Vgl. ‚König- Friedrich- Ton’ (L.26,3) und ‚Kaiser- Friedrichs- Ton‘ (L.84,14).

[6] Hedwig Heger: Das Lebenszeugnis Walther von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bichofs Wolfger von Erla. Wien: Verlag Dr. A. Schendl 1970. S.208.

[7] Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1999. S.595.

[8] Ebd. S.638.

[9] Joachim Bumke: Mäzene im Mittelalter. Die Gönner und Auftraggeber der höfischen Literatur in Deutschland 1150-1300. München: C.H. Beck Verlag 1979. S.65.

[10] Joachim Bumke: Höfische Kultur. S.9.

[11] Ebd. S.35.

[12] Ulrich Müller: Walthers Sangspruchdichtung, in: Horst Brunner/Gerhard Hahn (Hrsg.):Walther von der Vogelweide. Epoche- Werk- Wirkung. München: C.H. Beck Verlag 1996. S.137.

[13] Thomas Bein: Walther von der Vogelweide. Stuttgart: Reclam Verlag 1997. S.172.

[14] Ulrich Müller: Walthers Sangspruchdichtung. S.145.

[15] Vgl. ‚Erste Philippston’ (L19, 29-31) (Als Friedrich von Österreich so verfahren war/daß er an der Seele gesund wurde und ihm der Leib starb/nahm er meinen Kranichenschritt mit in die Erde).

[16] Hahn, Gerhard: Walther von der Vogelweide. 2. Durchges. Auflage. München und Zürich: Artemis Verlag 1989. S.110.

[17] Vgl. ‚Der Reichston‘ (L. 8, 26) (Friede und Recht sind schwer verwundet).

[18] Vgl. ‚Der Reichston‘ (L. 9, 8-9) (Doch wehe Dir, deutsches Volk/ wie steht es mit Deiner Rechtsordnung).

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Spruchdichtung Walthers von der Vogelweide zwischen künstlerischer Freiheit und politischem Auftrag
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Germanistik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V321895
ISBN (eBook)
9783668212213
ISBN (Buch)
9783668212220
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Walther von der Vogelweide, Mediävistik, Spruchdichung, Politische Dichtung, Mittelalter, Minne
Arbeit zitieren
Laura Kretzer (Autor:in), 2016, Die Spruchdichtung Walthers von der Vogelweide zwischen künstlerischer Freiheit und politischem Auftrag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321895

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