Strukturelle Kontinuität von Barnard bis Luhmann: Der Begriff des Systems in der Organisationssoziologie


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist ein System?

3. Barnards Anwendung des Begriffs System auf Organisationen
3.1 Elemente: Handlungen
3.2. Handlungen verbunden durch bewußte Koordination
3.3. Teil des Systems sind Handlungen – nicht Menschen

4. Herbert Simon: die Organisation als Entschei­dungsmaschine
4.1. Elemente: Entscheidungen
4.2. Entscheidungsprämissen als Verbindungen
4.3. Nur die Entscheidung ist im System

5 Einbettung der Organisation als System in Luhmanns Systemtheorie
5.1. Elemente der Organisation bei Luhmann: Entschei­dungen als Kommunikationen
5.2. Was verbindet die Entscheidungen zur Organisation? Autopoesis!
5.3. Die Unterscheidung zwischen System und Umwelt

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Chester Barnard hat mit seiner berühmten Definition einer Organisation als „System bewußt koordinierter Handlungen zweier oder mehr Personen“ den Begriff des Systems in die Organisationstheorie eingeführt. Herbert Simon und seine Anhänger haben die handlungstheoretische Theorie Barnards weiterentwickelt – und in ihren Arbeiten Barnards Systembegriff aufgegriffen, jedoch die Elemente des Systems „Organisation“ neu gefasst. Schließlich hat Niklas Luhmann die Ansätze von Barnard und Simon in sein kommunikationstheoretisches Theoriegebäude „sozialer Syste­me“ integriert.

Die Einführung des Systembegriffs in die Organisationswissenschaften stellte für die Disziplin in zweierlei Hinsicht eine Revolution dar: Zum Einen konnte man von diesem Zeitpunkt an Organisationen abstrakt fassen – und war nicht mehr an konkrete Organisationen wie zum Beispiel Firmen oder öffentliche Verwaltungen als Forschungs- und Denkobjekte gebunden. Zum anderen war dieser Begriff des Systems die Grundlage für Luhmanns später folgenden Versuch, die Organisationstheorien in „naturwissenschaftli­chen“, exakten Begriffen zu beschreiben und so in ein Theoriegebäude zu inte­grieren, dass nicht nur Organisationen, sondern sämtliches soziales Han­deln beinhaltet.

Ziel dieser Arbeit ist es, die strukturelle Kontinuität der drei Ansätze anhand des jeweils zentralen Begriffs des „Systems“ herauszustellen. Dazu werde ich erst drei zentrale Merkmale dieses Begriffes – Elemente, Verbindungen und Welt-/Umwelt-Unterscheidung – herausarbeiten, und dann zeigen, wie diese Struktur in den Arbeiten von Barnard, Simon und Luhmann ausgefüllt wird.

2. Was ist ein System?

Das Wort „System“ kommt aus dem Griechischen: Das Wort σύστημα be­deutet „das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene“ (Wikipedia 2006a). Wenn das System also das „Verbundene“ sei, so müssen Systeme als zu ver­bindendes Elemente beinhalten – und jeweils ihre Verbindungen. Kant nutzt den Systembegriff in seiner berühmten Wissenschaftsdefinition: „Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft“ (Kant 1768, S. V). Der Begriff an sich ist also prinzipiell nichts neues.

Als zweckgebunde Einheit wirkt das System auf seine Umwelt, insofern ist hier eine weiteres Merkmal des Systems an sich zu identifizieren: Jedes Sys­tem hat eine Außengrenze, die das System von seiner Umwelt trennt (Wiki­pedia 2006).

Zusammenfassend sind für die Zwecke dieser Arbeit die drei Wesensmerk­male eines Systems seine Elemente, Verbindungen sowie die Unterschei­dung zwischen System und Umwelt.

3. Barnards Anwendung des Begriffs System auf Organisationen

Für Barnard ist eine Organisation ein „System bewußt koordinierter Aktivi­täten oder Kräfte zweier oder mehr Personen“. Im folgenden werde ich die­se Definition im Hinblick auf die oben genannten drei Merkmale erklären:

3.1 Elemente: Handlungen

Für Barnard kann eine Organisation nicht als aus Personen bestehend defi­niert werden: Denn dann wäre schwierig zu erklären, wie eine Person meh­reren Organisationen zugehörig sein kann, und wie Organisationen weiter bestehen, selbst wenn alle Mitglieder ausgetauscht sind. Die Elemente eines Systems, das eine Organisation ist, müssen laut Barnard sinnvollerweise Handlungen sein. Insofern kommen die Personen in seiner Definition nur­mehr im Genitiv vor: Personen sind die Träger der Handlungen, die sie als „Mitwirkende“ den Organisationen „beisteuern“ („contribute“). Am Beispiel einer Studierenden, die verschiedene Seminare besucht, kann dies veranschaulicht werden: Die Studentin ist nicht Teil der einzelnen Seminare, verstanden als Organisation, sondern nur ihre Redebeiträge, ihr Verhalten im Seminar, ihr Zuspätkommen und ihr Zufrühgehen konstituieren die Organisation Seminar.

3.2. Handlungen verbunden durch bewußte Koordination

Die Elemente des Systems Organisation werden bei Barnard verbunden durch „bewußte Koordination“. Barnard holt hier weit aus und erklärt zu­nächst die Notwendigkeit, zu kooperieren, aus der biologischen Unzuläng­lichkeit des Menschen: „Hence, when biological powers are regarded as the limiting factor, and it is believed that by cooperation these limitations can be overcome, the the limiting factor becomes cooperation itself.“ (Barnard 1938, S. 25). Weiterhin postuliert Barnard, „the individual human ... has mo­tives, arrives at purposes, and wills to accomplish them“ (Barnard 1938, S. 60) Da er jedoch seine Ziele wegen seiner biologischen Grenzen nicht allein verwirklichen kann, ist es notwendig, ein gemeinsames Ziel anzunehmen (ebd.). Insofern haben wir es hier mit einer speziellen Zweckrationalität (siehe Kieser 2002, S. 39ff.) im Weberschen Sinne zu tun: Individuen versuchen, durch auf rationalem Wege ein gesetztes Ziel zu erreichen. Im Unterschied zu Weber akzentuiert Barnard jedoch, dass die Individuen sich den fremd gesetzten Zielen freiwillig anschließen, während Weber eher auf durch Zwang gekennzeichnete Machtverhältnisse abstellt.

Nach Barnard ist die Kooperation grundsätzlich unwahrscheinlich. Er iden­tifiziert zwei „Bedingungen“, von denen die erfolgreiche Kooperation ab­hängig ist: Effektivität und Effizienz. Effektivität meint in diesem Kontext das Ausmaß, in dem die Organisation ihr (gemeinsames) Ziel erreicht. Effi­zienz ist hingegen das Ausmaß, in dem die individuellen Bedürfnisse der Handlungen beisteuernden Individuen befriedigt werden. Die Rolle der Füh­rung ist, Effektivität und Effizienz einer Organisation unter Beachtung der begrenzenden Umweltbedingungen („limiting factors“) sicherzustellen.

Um das Beispiel des Seminars wieder aufzugreifen, ist nun die Rolle des Seminarleiters, Ziele – in diesem Fall: Lernziele – zu setzen, und mit Regeln sicherzustellen, dass sie in einer Umwelt, die Seminarteilnehmer leicht verleitet, an den See zu gehen oder ihre Arbeitskraft anderen Organisationen, etwa ihrer Lieblingsdiskothek, zur Verfügung zu stellen.

Zusammenfassend ist die bewußte Koordination von Handlungen unter ei­nem gemeinsamen Ziel durch die Führung der Organisation der Kitt, der die Handlungen als Elemente der Organisation verbindet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Strukturelle Kontinuität von Barnard bis Luhmann: Der Begriff des Systems in der Organisationssoziologie
Hochschule
Universität Potsdam  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Klassiker der Verwaltungs- und Organisationssoziologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V64600
ISBN (eBook)
9783638573733
ISBN (Buch)
9783656785286
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strukturelle, Kontinuität, Barnard, Luhmann, Begriff, Systems, Organisationssoziologie, Klassiker, Verwaltungs-, Organisationssoziologie
Arbeit zitieren
Martin Meyerhoff (Autor:in), 2006, Strukturelle Kontinuität von Barnard bis Luhmann: Der Begriff des Systems in der Organisationssoziologie , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64600

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