Superfrauen 10 - Musik und Tanz


Textbook, 2001

342 Pages


Excerpt


Vorwort

Stars aus der Welt der Musik und des Tanzes

Bei den umjubelten Auftritten der schwedischen Sopranistin Jenny Lind reagierten erwachsene Frauen und Männer in Europa und Amerika so wie heute jugendliche Besucher/innen von Rock-Konzerten: Damen fielen in Ohnmacht und Herren mussten besinnungslos aus den Opernhäusern getragen werden. Die begnadete Künstlerin machte sich unter dem Ehrentitel „schwedische Nachtigall“ in der Welt der Musik einen Namen.

Als „Wunderkind aus Deutschland“ erregte die erst 13-jährige Anne- Sophie Mutter 1976 bei den „Internationalen Musikfestwochen“ in Luzern international Aufsehen. Der österreichische Dirigent Herbert von Karajan bezeichnete sie nach dem Vorspielen des schwierigsten Werkes von Johann Sebastian Bach als die „größte musikalische Frühbegabung seit dem jungen Menuhin“. Das „Wunderkind“ entwickelte sich in der Folgezeit zur Geigerin der Weltklasse.

Grenzenlos war die Begeisterung für die österreichische Tänzerin Fanny Elßler. Während ihrer USA-Tournee musste der Kongress jeden Abend, an dem Fanny tanzte, seine Sitzung verschieben, weil die meisten seiner Mitglieder die Vorstellung sehen wollten und deswegen keine Beschlüsse mehr gefasst werden konnten. In New York City spannten Fans die Pferde von Fannys Kutsche ab und zogen sie eigenhändig durch die Straßen der Stadt.

Solche Geschichten erzählt das Buch „Superfrauen 10 - Musik und Tanz“. Es schildert das Leben und Werk von 51 Sängerinnen, Komponistinnen, Musikerinnen und Tänzerinnen in Wort und Bild. Zum Beispiel von Lale Andersen, die das berühmteste Lied zur Zeit des Zweiten Weltkrieges sang, oder von Anna Pawlowa, die mit dem Solo „Der sterbende Schwan“ zu Weltruhm gelangte.

MUSIIK

Lale Andersen

Die Chansonette,

die „Lili Marleen“ sang

Das berühmteste Lied zur Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde von der deutschen Chansonsängerin Lale Andersen (1905-1972), eigentlich Lise-Lotte Helene Berta Bunnenberg, gesungen. Ihr „Lili Marleen“ schloss jeweils die Sendefolge des deutschen „Soldatensenders Belgrad“ ab und gefiel deutschen, britischen und amerikanischen Soldaten so gut, dass seine Interpretin international berühmt wurde. Die renommierte Londoner Tageszeitung „Times“ nahm Lale Andersen 1969 in die Liste der bekanntesten Personen des 20. Jahrhunderts auf.

Lise-Lotte Helene Berta Bunnenberg kam am 23. März 1905 in Lehe - heute ein Stadtteil von Bremerhaven - als Tochter eines Schiffsstewards zur Welt. Wie ihr Vater hatte sie Sehnsucht nach der Ferne, von ihm lernte sie viele Shanties (Arbeitslieder der Seeleute). Ihre Mutter ist früh gestorben. 1924 heiratete die 19-jährige Lise-Lotte den Worpsweder Maler Paul Ernst Wilke (1894-1992). Aus dieser Ehe gingen die Kinder Björn, Litta und Michael hervor.

1930 nahm die 25-jährige Lise-Lotte Wilke Schauspielunterricht in Bremen. Der Karriere wegen verließ sie Ehemann und Kinder, wurde 1931 geschieden und suchte ihr Künstlerglück in Berlin. 1931 begann sie als Peggy in der Komödie „Muss die Kuh Milch geben?“ des britischen Schriftstellers Somerset Maugham (1874-1965) ihre Bühnenlaufbahn am „Deutschen Künstlertheater“ in Berlin. Von 1931 bis 1933 trat sie an „Dr. Roberts Klein-Bühnen“ in Berlin auf. 1932/

1933 besuchte sie die Schauspielschule des „Deutschen Theaters“ in Berlin. Ab 1934 verwendete sie das Pseudonym „Lale Andersen“. Zwischen 1933 und 1937 gehörte Lale Andersen zum Ensemble des Zürcher Schauspielhauses. In diese Zeit fallen auch ihre dramatischen Studien bei dem deutschen Schauspieler Ernst Ginsberg (1904-1964), der nach seiner Emigration von 1933 bis 1962 Mitglied des Zürcher Schauspielhauses war. Von 1938 bis 1941 sah man sie am „Kabarett der Komiker“ von Willi Schaeffer (1884-1962) in Berlin, außerdem als Salondame bei Otto Falckenberg (1873-1947) an den „Münchner Kammerspielen“ in „Ihr erster Mann“ und in „Simpl“. Das gefühlvolle Lied „Lili Marleen“, das von einem jungen Wachtposten handelt, wurde 1915 während des Ersten Weltkrieges von dem jungen deutschen Schriftsteller und Soldaten Hans Leip (1893-1983) auf dem Weg zur Ostfront getextet. Er schrieb das „Lied eines jungen Wachtposten“ für seine Freundin und die seines Kumpels, die „Lili“ und „Marleen“ hießen.

Das Lied verschwand dann in der Versenkung und wurde 1937 nach der lyrischen Melodie von Rudi Zink (1910-1983) von Lale Andersen gesungen. Am 2. August 1939 nahm sie dasselbe Lied nach der einprägsameren Vertonung von Norbert Schultze (Pseudonym: „Frank Norbert“, 1911-2002) auf Platte auf.

Auch die zweite Version von „Lili Marleen“ blieb zunächst völlig unbeachtet. Der Durchbruch erfolgte im Sommer 1941, als dem gerade etablierten deutschen „Besatzungssender Belgrad“ die „leichte Muse“ ausging und man in Wien Schallplatten beschaffte. Darunter befand sich der Titel „Lili Marleen“, den am 18. August 1941 ein Techniker mehr aus Versehen als aus Absicht nach den Nachrichten auflegte.

Danach verlangten Tausende deutscher Soldaten - vom Landser bis zum General - eine Wiederholung. Der Sender schloss kurze Zeit später allabendlich sein Programm mit „Lili Marleen“. Lale Andersen erhielt damals Waschkörbe voller Feldpostbriefe. Unbekannte Landser klingelten an ihrer Wohnungstür. Wo die Sängerin auftauchte, erkannte man sie als „Lili Marleen“. Bei jedem Auftritt musste sie dieses Lied singen.

1942 warf das Propagandaministerium Lale Andersen „undeutsche Kontakte“ zu jüdischen Emigranten in der Schweiz vor. Aus Furcht vor einer Verhaftung nahm sie angeblich eine Überdosis Schlaftabletten. Sie lag noch im Koma, als der Rundfunksender „British Broadcasting Corporation“ (BBC) meldete, sie hätte Selbstmord begangen, weil der nationalsozialistische Propagandaminister Joseph Goebbels (1897- 1945) befohlen habe, sie verhaften und in ein Konzentrationslager transportieren zu lassen. Goebbels ließ sofort ein Dementi verbreiten und bezichtigte BBC der Lüge.

Nach der deutschen Niederlage bei der Schlacht von Stalingrad 1942/ 1943 wurde „Lili Marleen“ aus dem Programm des Soldatensenders Belgrad genommen. Lale Andersen durfte nach neunmonatigem Auftrittsverbot zwar wieder singen, nur „Lili Marleen“ nicht mehr. Denn Goebbels betrachtete diesen Titel als sentimental und unheroisch, er nannte es das „Lied mit dem Leichengeruch“. Ab April 1944 war „Lili Marleen“, gesungen von Lale Andersen, ab sofort verboten“. Fortan lief die Platte ohne Gesang.

Das inzwischen auch von den Briten, Franzosen, Italienern, Amerikanern und Kanadiern begeistert gespielte Lied wurde von dem amerikanischen Schriftsteller John Steinbeck (1902-1968) als „das schönste aller Liebeslieder“ bezeichnet. Für Soldaten aller Nationen war es ein Symbol der Hoffnung. In England drehte man noch während des Krieges mit der 1933 nach Großbritannien emigrierten Lucie Mannheim (1899-1976) einen Propagandafilm über das Schicksal von Lili und Lale.

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Lale Andersen auf der Nordseeinsel Langeoog. Als das kulturelle Leben in deutschen Großstädten wieder aufblühte, ging sie als Sängerin auf Gastspielreisen. Außerdem trat sie in London, Helsinki, Kopenhagen und Nordamerika im Fernsehen auf und war als Sängerin und Kabarettistin in europäischen und amerikanischen Sendern zu hören.

Lale Andersens „große Liebe“ war der Schweizer Komponist sowie spätere Hamburger und Pariser Opernintendant Rolf Liebermann (1910-1999). Doch sie zog seiner Bitte, sich doch endlich für ein Leben an seiner Seite zu entscheiden, ihre Karriere vor. 1949 heiratete Lale

Andersen den Komponisten und Maler Artur Beul. Die zweite Ehe dauerte bis zu ihrem Tod.

Als Lale Andersens bekannteste Chansons der Nachkriegszeit gelten „Unter der roten Laterne von St. Pauli“, „Der Junge an der Reling“, „Blaue Nacht am Hafen“ (1949) und „Ein Schiff wird kommen“ (1959). Gut angekommen ist auch ihre Brecht-Weill-Langspielplatte von 1957. Nicht wenige Kritiker betrachteten sie als weibliches Gegenstück des Sängers und Schauspielers Hans Albers (1892-1960).

Ende 1965 stand Lale Andersen im Mittelpunkt einer großen Amerikatournee, die der Deutschlandsender Chicago veranstaltete. Danach hatte sie in den USA täglich bis zu drei Fernsehauftritte. Im April 1967 folgte eine 31-tägige Tournee unter dem Titel „good bye memories“ durch die Bundesrepublik Deutschland. Die erfolgreichen Lieder „Blaue Nacht am Hafen“, „Wenn du heimkommst“, „Sommerwind“ und „Grüß mir das Meer“ textete sie unter dem Pseudonym „Nicola Wilke“.

In einem Interview mit der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ erklärte Lale Andersen im April 1968, „Lili Marleen“ sei nicht ihr persönliches Lieblingslied gewesen. Auch „Blaue Nacht am Hafen“ und „Ein Schiff wird kommen“, die sie in die Hitparaden brachten, waren nicht ihre Plattenfavoriten. Viel besser gefiel ihr ihre Langspielplatte mit plattdeutschen Liedern.

Lale Andersen war auch als Schriftstellerin erfolgreich. Aus ihrer Feder stammen das Buch „Wie werde ich Haifisch? - Ein heiterer Ratgeber für alle, die Schlager singen, texten oder komponieren wollen“ (1962) und ihr autobiographischer Roman „Der Himmel hat viele Farben - Leben mit einem Lied“ (1972), der in ihrem Todesjahr erschien. Ihre Tochter Litta Magnus-Andersen gab Anfang 1981 die dokumentarisch belegte Biographie „Lale Andersen - die Lili Marleen“ heraus, die Einblicke in die Kulturszene des „Dritten Reiches“ erlaubte.

1968 verschlechterte sich der seit Jahren angegriffene Gesund- heitszustand Lale Andersens rapide. Am 29. August 1972 starb sie im Alter von 67 Jahren in einer Wiener Privatklinik an Herzversagen. Sie hatte zuvor in Österreich ihren autobiographischen Roman „Der Himmel hat viele Farben - Leben mit einem Lied“ präsentiert. Die

Sängerin wurde auf dem Langeooger Dünenfriedhof neben ihrer Ferienpension „Sonnenhof“ beerdigt.

Lale Andersens berühmtes Lied „Lili Marleen“ ist in mindestens 50 Filmen gesungen worden. Zu den Interpreten gehören unter anderem Marlene Dietrich (1901-1992), Bing Crosby, Freddy Quinn und Jean- Claude Pascal. Lales Leben wurde in dem Film „Lili Marleen“ (1981) von Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) geschildert, in dem Hanna Schygulla die Hauptrolle spielte. Ebenfalls 1981 setzte Lale Andersens Geburtsstadt Bremerhaven der Sängerin in der Innenstadt eine „Lili- Marleen“-Laterne als Denkmal.

Marian Anderson

Die erste schwarze Sängerin der „Met“

Den ersten Auftritt einer schwarzen Sängerin in der New Yorker „Metropolitan Opera“ („Met“) feierte Mitte der 1950-er Jahre die amerikanische Künstlerin Marian Anderson (1902-1993) in der Oper „Maskenball“ von Guiseppe Verdi (1813-1901). Noch 15 Jahre zuvor hatte eine konservative Frauenvereinigung verhindert, dass sie in der ehrwürdigen „Constitution Hall“ in der Hauptstadt Washington singen durfte.

Marian Anderson wurde am 17. Februar 1902 als Tochter eines Stückeis- und Kohlenhändlers sowie einer Lehrerin in Philadelphia geboren. Bereits als Sechsjährige sang sie im baptistischen Kirchenchor ihres Geburtsortes. Ihre erste Gage in Höhe von 50 Cents erhielt sie im Alter von acht Jahren. Schon als Kind vertrat sie manchmal einen abwesenden Sopran, Tenor oder Bass. Ihr Vater starb, als sie erst zwölf Jahre alt war. Danach musste ihre Mutter als Waschfrau den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder bestreiten.

Bis zum Alter von 17 Jahren erhielt Marian keine richtige musikalische Ausbildung. Erst dann brachte ein Freund der Familie sie zum Studio der Sopranistin Mary Saunders Patterson. Da die Mutter Marians nicht in der Lage war, für jede Unterrichtsstunde einen US-Dollar zu bezahlen, gab die Sopranistin dem Mädchen kostenlosen Unterricht. Auf Anregung von Mary Saunders Patterson ließ sich Marian Anderson nach einem halben Jahr von der Sängerin Agnes Reifsnyder weiter ausbilden. Mit 19 wurde sie von dem italienischen Gesangslehrer Guiseppe Boghetti (1896-1941) ein Jahr lang unterrichtet. Auch er war von ihrem Talent so beeindruckt, dass er auf Honorar verzichtete. Später folgten weitere Gesangsstudien in New York City, an der Musikhochschule in Chicago und in Europa.

1925 gewann Marian Anderson bei einem Gesangswettbewerb unter 300 Mitbewerbern den ersten Preis: einen Auftritt im New Yorker „Lewisohn Stadion“ mit dem „New York Philharmonic Orchestra“, der zum großen Erfolg wurde. 1929 durfte sie erstmals in der New Yorker „Carnegie Hall“ auftreten. Die „Carnegie Hall“ ist eine Stiftung des amerikanischen Industriellen Andrew Carnegie (1835-1919).

Dank eines Stipendiums der „Nationalen Vereinigung schwarzer Musiker“ konnte Marian Anderson in Europa arbeiten. Ihr Repertoire umfasste bald mehr als 200 Lieder in neun Sprachen sowie Opernarien und Spirituals. Wegen der Reinheit ihrer Stimme und des Reichtums ihrer Töne galt sie als beste Kontraaltistin der Welt.

1930 gab Marian Anderson in Berlin ihr Debüt in Europa. Bei mehreren Tourneen während der ersten Hälfte der 1930-er Jahre trat sie außer in Berlin auch in Paris, London, Italien, Spanien, Polen, Lettland und Russland auf. In Schweden, Norwegen, Dänemark und England sang sie vor den jeweiligen Monarchen.

Der italienische Dirigent Arturo Toscanini (1867-1957) lobte Marian Anderson im August 1935 nach ihrem Auftritt im Salzburger „Mozarteum“, eine Stimme wie die ihre könnte man nur einmal in hundert Jahren hören. In jenem Jahr holte der Impressario Sol Hurok (1888-1974) Marian Anderson in die USA zurück, wo sie ebenfalls große Erfolge feierte. Bereits ihr Debüt in der „Town Hall“ von New York im Dezember 1935 wurde zum Triumph.

Ungeachtet des Ruhms von Marian Anderson vertrat 1939 die konservative Frauenvereinigung „Daughters of the American Revolution“ („Töchter der Amerikanischen Revolution“) die Auf- fassung, sie dürfte als Schwarze nicht in der „Constitution Hall“ (Washington) auftreten. Aus Protest gegen diese Haltung trat die Lehrerin, Journalistin und Politikerin Eleanor Roosevelt (1884-1962) aus dieser Organisation aus.

Der liberale Innenminister Harold Ickes (1874-1952) ermöglichte Marian Anderson als Ersatz für den geplatzten Auftritt in der „Constitution Hall“ am Ostersonntag 1940 ein Freilichtkonzert am „Lincoln Memorial“, zu dem 75.000 Menschen kamen. 1942 sang sie auf ausdrückliche Einladung der „Töchter der Amerikanischen Revolution“ doch noch in der „Constitution Hall“.

Einen Höhepunkt ihrer Karriere erlebte Marian Anderson am 7. Januar 1955. Damals trat sie als Ulricca in der Oper „Maskenball“ von Guiseppe Verdi in der New Yorker „Met“ auf, wo man sie enthusiastisch feierte. Die Künstlerin sang 1957 bzw. 1961 auch bei den feierlichen Amtseinführungen (Inaugurationsfeiern) für die amerikanischen Präsidenten Dwight David Eisenhower (1890-1969) und John F. Kennedy (1917-1963).

1957 erschien Marian Andersons Autobiographie „My Lord, what an morning“ (deutsch: „Mein Leben“, 1957). Im selben Jahr unternahm sie - gesponsert vom amerikanischen Außenministerium, „American Theatre and Academy“ und der Edward R. Murrow’s Fernsehserie „See It Now“ - eine Tournee in zwölf Länder und legte dabei 35.000 Meilen - umgerechnet mehr als 55.000 Kilometer - zurück.

Präsident Eisenhower ernannte Marian Anderson 1958 zur US- Delegierten bei den „Vereinten Nationen“. 1963 wurde sie von Präsident Lyndon B. Johnson (1908-1973) mit der „Presential Medal of Freedom“ ausgezeichnet. 1965 beendete sie nach einem Auftritt in der „Carnegie Hall“ und einer Tournee durch vier Erdteile ihre Karriere. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören die „National Medal of Arts“ (1986) und der „Grammy Award for Lifetime Achievement“ (1991).

Marian Anderson war mit dem Architekten Orpheus Fischer verheiratet, mit dem sie auf einer Farm in Connecticut lebte. Am 8. April 1993 starb sie im Alter von 91 Jahren in Portland (Oregon).

Martha Argerich

Die phäonomenale Pianistin

Als beste Pianistin der Welt gilt die argentinische Musikerin Martha Argerich. Ihre Interpretationen romantischer Klaviermusik sowie

der Klavierwerke des deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach (1714-1788) und des russischen Komponisten Sergej Sergejewitsch Prokofjew (1891-1953) werden von Kennern bewundert. Martha Argerich wurde am 5. Juni 1941 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires geboren. Mit fünf Jahren erhielt sie Klavierunterricht, und als Achtjährige gab sie bereits ihr erstes Konzert. Der amerikanische Pianist Arthur Rubinstein (1887-1982) lobte nach ihrem Debüt ihr „phänomenales Talent“, gab ihr spontan einen Wangenkuss und verfasste ein Empfehlungsschreiben.

Im Alter von acht Jahren arbeitete Martha mit Vicente Scaramuzza. Danach gab sie alljährlich ein Konzert. Damit Martha in Europa ihre Kunst verfeinern konnte, ließ sich ihr Vater 1955 als argentinischer Diplomat nach Wien versetzen. Das Mädchen studierte zwei Jahre lang bei Österreichs bestem Pianisten Friedrich Gulda in Wien sowie bei Madeleine Lipatti und Nikita Magaloff in Genf (Schweiz). Gulda bezeichnete sie als größtes Talent, das ihm je untergekommen ist.

Im Alter von 16 Jahren gewann Martha Argerich 1957 innerhalb von drei Wochen den „Busoni-Wettbewerb“ in Bozen (Südtirol) und den „Internationalen Musikwettbewerb“ in Genf. Als 17-Jährige arbeitete sie mit dem Geiger Joseph Szegeti zusammen. 1960 unterbrach sie ihre internationale Karriere, um sich bei dem belgischen Pianisten Stefan

Askenase (1896-1985) und seiner Frau am Konservatorium in Brüssel zu perfektionieren.

1964 nahm Martha Argerich ihre Konzerttätigkeit wieder auf. 1965 siegte sie als erste Pianistin der westlichen Hemisphäre beim renommierten „Chopin-Wettbewerb“ in der polnischen Hauptstadt Warschau.

Der Auftritt Martha Argerichs als Solistin in Prokofjews 3. Klavierkonzert in den 1960-er Jahren mit Claudio Abbado und den „Berliner Philharmonikern“ geriet zu einer regelrechten „Interpretationslegende“. Als Pianistin eroberte Martha zunächst Europa und später Amerika. Manchmal hatte ihr Publikum auch unter ihren Launen, zu denen Absagen in letzter Minute gehörten, zu leiden.

Der Münchener Kritiker Joachim Kaiser schrieb 1977 in seinem Buch „Große Pianisten in unserer Zeit“: „Das Unheimliche, ja Unstete an Martha Argerich ist, dass sie eigentlich sehr selten so gut spielt, wie sie „eigentlich“ spielt, spielen kann, spielen könnte ...“ Er sah gleichsam einen „Zickzackkurs zwischen der so genannten ,Krise‘ und dem phantastischen Gelingen“.

In den 1980-er Jahren bildete Martha Argerich mit dem russischen Geiger Gidon Kremer ein viel gelobtes Duo, später gehörte der exzentrische Klavierspieler Alexander Rabinowitsch aus Baku (Aserbeidschan) zu ihren pianistischen Partnern.

Die deutsche Tageszeitung „Die Welt“ bezeichnete Martha Argerich 1986 als eine der „lernfaulsten Großbegabungen“, fand es aber um so bemerkenswerter, dass sie „mit einer Handvoll von Klavierkonzerten“ rund um die Welt Sensation machte. 1994 spielte sie mit den „Berliner Philharmonikern“ Tschaikowskis erstes Klavierkonzert, mit dem sie sich zehn Jahre nicht mehr befasst hatte, so bravourös, dass das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sie als „Königin der Löwen“ pries.

Martha Argerichs erste Ehe wurde bald geschieden. 1965 heiratete sie den Schweizer Dirigenten Charles Dutoit und danach den amerikanischen Pianisten Stephen Bishop-Kovacevich, von dem sie getrennt lebt. Eng befreundet ist sie mit dem Klavierspieler Alexander Rabinowitsch aus Baku. Martha Argerich ist Mutter von drei Töchtern.

Eine der erfolgreichsten Chansonetten der Welt in den 1950-er und 1960-er Jahren war die schweizerische Sängerin Lys Assia, eigentlich Rosa Schärer. Viele ihrer in dieser Zeit mit ungekünstelter und herzlicher Stimme gesungenen Titel erfreuten ein Millionenpublikum. Mit dem Lied „O mein Papa“ des Schweizer Komponisten Paul Burkhard (1911- 1977) glückte ihr 1949 ein Welterfolg, dem später viele andere folgten. Rosa Schärer kam am 3. März 1924 in Rupperswil (Kanton Aargau) zur Welt. Ihr Vater Frederic Schärer besaß dort ein Installationsgeschäft, ihre Mutter Mina wurde als Adlige geboren und hieß ursprünglich von Rodel. Lys ließ sich an einer Ballettschule, am Konservatorium und an der „Kunstakademie Zürich“ künstlerisch ausbilden.

Ihr Debüt als Künstlerin feierte Lys Assia als Tänzerin in einer Revue des Zürcher „Corso Palais“. Danach wirkte sie im „Orchester Eddie Bruner“ als Schlagersängerin und pendelte zwischen Genf, Zürich, Basel und Lugano. 1942 wurde sie zur „Miss Frankreich“ gewählt. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) engagierte „Radio Basel“ sie für das Funkorchester.

Den Durchbruch schaffte Lys Assia 1946 mit dem Lied „Eine weiße Hochzeitskutsche“. Es folgten Auftritte in Paris, im amerikanischen Rundfunk und im britischen Fernsehen. Anschließend eroberte sie mit ihrer weichen, schmeichelnden Stimme Deutschland. Dort trat sie mit Vico Torriani in Düsseldorf und mit Viktor de Kowa (1904-1973) in Berlin auf.

Mit dem gefühlvollen Ohrwurm „O mein Papa“ (1949) aus dem Musical „Feuerwerk“, den sie erstmals im Wunschkonzert im „Bernhard-Theater“ sang, ebnete sich Lys Assia den Weg zur internationalen Welt des Chansons. Das Lied handelt von einer jungen Frau, die über ihren Vater singt, der ein berühmter Circus-Clown war. Die junge Lys Assia machte eine Karriere wie keine andere Schweizer Sängerin. Sie war in den großen Varietépalästen Europas ebenso zu hören und zu sehen wie in denen der USA und Südamerikas, erhielt sechs „Goldene Schallplatten“ und hatte in Caracas (Venezuela) und London ihre eigene Fernseh-Show. In England sang sie für Queen Elizabeth II., in Argentinien für die „First Lady“ Eva Perón (1919- 1952) und in Ägypten für König Faruk (1920-1965), der ihr Schmuckstücke als Gage schenkte.

Als größte Hits Lys Assias gelten „Eine weiße Hochzeitskutsche“ (1946), „Oh mein Papa“ (1949), „Moulin Rouge“ (1953), „Schwedenmädel“ (1954), „Arrivederci, Roma“ (1955), „Jolie Jacqueline“ (1955), „Refrain“ (1956), „Was kann schöner sein, que sera sera“ (1957), „Wenn die Glocken hell erklingen“ (1959), „Ein Schiff wird kommen“ (1960), und „Moon River - für immer“ (1961). 1953 heiratete Lys Assia in erster Ehe den Zürcher Industriellen Henry Kunz (1899-1957). Mit dem Lied „Refrain“ gewann sie 1956 den ersten Wettbewerb „Eurovision Song Contest“ bzw. „Grand Prix de la Chanson“ für die Schweiz. Damals erlebte dieser von den öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten Europas veranstaltete Wettbewerb seine Premiere in der Schweiz.

1957 erreichte Lys Assia mit dem von Paul Burkhard geschriebenen Schlager „Giorgio vom Lago Maggiore“ den zweiten Platz im „Grand Prix de la Chanson“. Im selben Jahr verlieh ihr die „Decca“ die „Goldene Schallplatte“. Zu dieser Zeit stand sie mit allen Größen des Showbusiness auf der Bühne, zum Beispiel Dean Martin (1917-1995) und Marlene Dietrich (1901-1992).

Auf der Leinwand war Lys Assia in den Filmen „Palast-Hotel“ (1952), „Die Kaiserin von China“ (1953) mit Nadja Tiller, „Schlagerparade“ (1953) mit Johannes Heesters (1903-2011) und „Ein Mann vergißt die Liebe“ (1955) mit Willy Birgel (1891-1973) zu sehen. Ihr zu Ehren erhielt 1957 eine Rosenzüchtung - eine orangefarbene Florbunda-Rose - ihren Namen.

Ihre zweite Ehe schloss Lys Assia 1963 mit dem dänischen Generalkonsul und Multimillionär Oscar Pedersen (1921-1995). Er besaß eine Hotelkette in Europa und Übersee und brachte drei kleine Kinder mit in die Ehe. Nach der Heirat eröffnete Lys Hotels in Deutschland, Dänemark, der Schweiz, Japan und Südamerika. In den Hotels kümmerte sie sich um Innendekorationen und Orchester.

Ab 1972 trat Lys Assia wieder als Showstar im Fernsehen auf. Im selben Jahr unternahm sie auch eine vierwöchige Tournee durch die USA mit dem Komponisten Peter Kreuder (1905-1981). In den 1980-er Jahren war sie regelmäßig als Gast in Wohltätigkeitsveranstaltungen und Shows zu sehen und zu hören. Das war zum Beispiel in der Show „Musik ist Trumpf“ mit Peter Frankenfeld (1913-1979) und „Wir machen Musik“ mit Lou van Bourg (1917-1986) sowie 1981 bei der „Gala der Sieger der 25 Grand-Prix-Wettbewerbe“ anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Eurovision und im Oktober 1988 bei der Schlager-Olympiade des „Zweiten Deutschen Fernsehens“ (ZDF) der Fall.

Lys Assia hatte stets ein Herz für Tiere. Aus diesem Grund betätigte sie sich aktiv als Tierschützerin und hob die Stiftung „Hunde in Not“ aus der Taufe, die bedürftige Hundebesitzer finanziell unterstützt, die sich eine Behandlung ihrer kranken Tiere nicht leisten können. 1986 nahm Lys Assia in Hamburg drei Platten mit Evergreens auf, nachdem sie und ihr Mann größtenteils ihre Hotels verkauft und sich in den Ruhestand gesetzt hatten. 1995 starb ihr Gatte Oscar Pedersen nach einem Autounfall, bei dem Lys schwere Verletzungen erlitt. Im Mai 1996 unterzog sich Lys Assia einer Herzoperation.

Die „Grande Dame des Chansons“ stieg nach ihrer Genesung wieder auf die Bühne und nahm „O mein Papa“ als Techno-Version auf. Lys Assia erklärte: „Das Singen gab mir die Freude am Leben zurück“. Im Mai 1997 trat sie zu Ehren von Paul Burkhard in Winterthur und im August 1999 in Hamburg anläßlich des 85. Geburtstages von Heidi Kabel in einer TV-Gala auf. In einem Interview mit der „Winterthurer Woche“ sagte Lys: „Ich bin noch nicht alt genug, um Schluss zu machen“. Sie werde singen, solange man sie noch hören wolle.

Als „Queen des Folksongs“ genießt die amerikanische Sängerin und Gitarristin Joan Baez weltweit großes Ansehen. Die engagierte

Vertreterin der Gewaltlosigkeit sang politische Lieder, nahm innerhalb von drei Jahrzehnten mehr als 50 Langspielplatten auf, beteiligte sich an Demonstrationen, protestierte gegen Atomwaffen, verweigerte Steuern und prangerte Menschenrechtsverletzungen an. Joan Chandos Baez - so ihr Geburtsname - kam am 9. Januar 1941 als Tochter des mexikanischen Physikers Albert Vinicio Baez und seiner Frau Joan Bridge Baez in Clarence Center auf Staten Island (New York) zur Welt. Ihren Vater hatten Forschungs- und Lehraufträge in die USA geführt. Joan wuchs in Redlands (Kalifornien) auf.

Wegen ihrer dunklen Hautfarbe musste Joan Baez in Redlands unter Rassenvorurteilen leiden: Sie durfte nicht mit weißen Nachbarkindern spielen, und man beschimpfte sie als „Nigger“. Bereits im Alter von zehn Jahren wünschte sich Joan, die Leute sollten aufhören, sich gegenseitig das Gehirn aus dem Schädel zu blasen.

Von Rock’n’Roll in den Bann gezogen, begann Joan Baez als Zwölfjährige auf der Gitarre zu üben. Nach dem Verlassen des Colleges studierte sie kurze Zeit an der „Boston University Fine Arts of Drama“. In Boston wurde Joan von ihrem Vater in die „Coffee Houses“-Szene um den „Harvard-Square“ eingeführt, wo man Folksongs zum Besten gab und sie sich für diese Art von Musik begeisterte.

In der Folgezeit schloss sich Joan Baez verschiedenen Beatnik-Gruppen an, sang in „Coffee Houses“, im „Ballad Room“, „Club 47“ und ab 1958 im „Chicago“. 1959 trat sie ohne Einladung beim „Newport Festival“ auf und feierte dort einen sensationellen Erfolg. Ihr erstes Schallplatten-Album „Joan Baez“ von 1960 wurde zur meistverkauften Folklore-Langspielplatte in den USA. Nun galt die kaum 19-Jährige als Star.

Das amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ schrieb über Joan Baez: „Ihre Stimme ist so klar wie die Luft im Herbst: ein vibrierender, kraftvoller, unerzogener, aufwühlender Sopran“. Auch als Prominente verabscheute Joan weiterhin Make-up. Wenn sie mit ihrem Sportwagen fuhr, saß sie barfuß am Lenkrad. Sie meinte, eigentlich sei sie keine Sängerin, sondern eine Politikerin.

Die musikalische Karriere der „Jeanne d’Arc des Folksongs“ war eng mit der politischen Entwicklung der 1960-er Jahre verbunden. Joan Baez begleitete mit ihren Songs die Studentenbewegung sowie die Bürgerrechts- und Anti-Vietnam-Bewegung. 1963 lehnte sie es ab, in einer Fernsehsendung von ABC aufzutreten, weil der linke Sänger Pete Seeger von den amerikanischen Medien boykottiert wurde. 1964 stiftete sie in Palo Alto (Kalifornien) ein „Institut zum Studium der Gewalt- losigkeit“.

Im August 1969 sang Joan Baez beim legendären Freiluft-Rockfestival in Woodstock bei Bethel (New York), zu dem 300.000 bis 500.000 Besucher kamen. Das Woodstock-Konzert gilt als Symbol der Jugendbewegung der 1960-er und 1970-er Jahre.

„Weil ein Teil des Geldes für Bomben und Panzer ausgegeben wird“, zahlte Joan Baez keine Steuern, sondern überwies statt dessen die Hälfte ihrer Konzerteinnahmen an pazifistische Organisationen. An der Spitze eines Demonstrationszuges marschierte sie von Selma nach Montgomery, klebte in amerikanischen Städten Plakate gegen die Atomrüstung, blockierte mit Demonstranten mehrfach Armeegebäude und verbüßte dafür Gefängnisstrafen.

Nach ihrer Hochzeit von 1968 mit dem amerikanischen Wehr- dienstverweigerer David Harris predigte Joan Baez verstärkt gegen den Vietamkrieg. Im selben Jahr erschien ihr Buch „Daybreak“ („Tages- anbruch“). Im Juli 1969 musste Harris wegen seiner antimilitärischen Haltung ins Gefängnis. Im Dezember dieses Jahres brachte Joan den Sohn Gabriel Earl zur Welt. Im März 1971 wurde ihr Gatte nach 20 Monaten wieder freigelassen. Zusammen mit ihm schrieb sie das Buch „Coming out“ (1971). Ihre Ehe wurde 1973 geschieden. Trotz ihres starken politischen Engagements lehnte Joan Baez ideologische Bindungen stets ab. Ihre Songs widmete sie Menschen, die Mut bewiesen, wie Lech Walesa in Polen, Corazon Aquino auf den Philippinen, den Müttern der Verschwundenen in Argentinien oder den Opfern des Terrors und der Unterdrückung.

Zwischen 1963 und 1975 machte Joan Baez die Lieder des amerikanischen Rock-Sängers Bob Dylan bekannt und trug so maßgeblich zu dessen Karriere bei. Dylan revanchierte sich damit, dass er Joan 1975 bei seiner „Rolling Thunder Revue“ auftreten ließ und ihr eine Rolle in dem vierstündigen Film „Renaldo and Clara“ (1978) verschaffte.

Die warmherzige Joan Baez und der mürrische Bob Dylan traten in den 1960-er und 1970-er Jahren oft als Duo auf. Sie blieb immer freundlich und offen, während er das Image des „lonsome wolf“ pflegte und sich zum Sänger der großen Bitterkeit entwickelte, zum Außenseiter und Fremden schlechthin.

1972 gehörte Joan Baez zu den Gründern der Sektion von „Amnesty International“ (AI) an der Westküste der USA. 1974 wurde sie Mitglied des „National Advisory Council“ von „Amnesty International“. 1979 hob sie die Menschenrechtsorganisation „Humanitas International Human Rights Commitee“ aus der Taufe. 1979 prangerte sie in einem „Open Letter to Hanoi“ („Offener Brief an Hanoi“) Menschenrechtsverletzungen in Vietnam an.

Nach dem Abebben der Protestwelle gegen den Vietnamkrieg gelangen Joan Baez nur noch wenige Hits, weswegen man sie manchmal bereits totsagte. Bei ihrer Lateinamerika-Tournee 1981 wurde sie von fa- schistischen Kreisen mit verbalem Terror und Bombendrohungen empfangen.

1986 feierte Joan Baez bei der ersten Tournee für „Amnesty International“ in den USA zusammen mit „U2“, „Police“ und Bob Geldorf ein Comeback. 1987 brachte sie nach siebenjähriger Pause wieder eine Langspielplatte heraus, die den Titel „Recently“ trug. 1988 trat sie bei einer Europatournee zusammen mit der argentinischen Folksängerin Mercedes Sosa und dem deutschen Pianisten Konstantin Wecker auf. Im selben Jahr erschienen auch ihre Memoiren „We shall overcome - Mein Leben“.

Joan Baez erhielt für ihre Lieder acht „Goldene Schallplatten“ und eine „Goldene Single“. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem „Gandhi Memorial Int. Foundation Award“ (1988), „Chevalier Légion d’Honneur“, der Ehrenbürgerschaft von Mailand (1988) und der „Friedensmedaille von Verdun“ (1988).

Im Februar 1993 bekam Joan Baez nach einem Auftritt im Mannheimer „Rosengarten“ die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland zu spüren. Als sie zusammen mit einigen der sie begleitenden Musiker in Mannheim tanzen wollte, verwehrte man ihr in zwei Diskotheken den Zutritt. Einer der Türsteher, der den Weltstar offenbar nicht kannte, soll Joan mit den Worten „Das sind mir viel zu viele Ausländer hier“ abgewiesen haben. Die Sängerin kommentierte die Affäre relativ gelassen.

Wie sehr Joan Baez von ihren deutschen Fans geschätzt wird, zeigte wenige Tage später eine Szene nach dem Auftritt in der „Frankfurter Jahrhunderthalle“. Obwohl bereits das Deckenlicht ausgeschaltet und die Kabelstecker herausgezogen waren, weigerte sich das klatschende Publikum beharrlich zu gehen. Daraufhin kam Joan ohne Mikrophon noch einmal zum Bühnenrand und spendete ihre fünfte Zugabe.

Aus Anlass des 50. Jubiläums der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ erhielt Joan Baez als erste am 18. März 2011 in San Francisco den nach ihr benannten „Joan Baez Award“. Diese Ehrung wurde ihr für ihren herausragenden Einsatz im weltweiten Kampf für Menschenrechte und ihre mutige Menschenrechtsarbeit bei „Amnesty International“ zuteil.

Glanzvolle Auftritte in Paris als Chansonsängerin und Tänzerin feierte Mitte der 1920-er Jahre die aus den USA stammende dunkelhäutige französische Künstlerin Josephine Baker (1906-1975), geborene Freda McDonald. Die leichtbekleidete Frau war damals als „schwarze Venus“ in den „Folies Bergère“ und im „Casino de Paris“ die große Attraktion.

Freda McDonald kam am 3. Juni 1906 als Tochter des schwarzen Musikers Eddie Carson und der Wäscherin Carrie McDonald in Saint Louis (Missouri) zur Welt. Ihr Vater ließ sich zu Hause bei der Familie wenig sehen, ihre Mutter musste sich und die vier Kinder Josephine, Richard, Margaret und Willie Mae als Wäscherin ernähren. Bereits mit acht Jahren stand Josephine auf einer Kabarettbühne im New Yorker Stadtviertel Harlem. Zwischen acht und zehn Jahren besuchte sie keine Schule, weil sie in Küchen helfen, auf Babies aufpassen und andere Tätigkeiten verrichten musste. Danach lebte sie bei ihrer Großmutter in Philadelphia, wo sie auch zur Schule ging.

Im Juli 1917 musste Josephines Familie mitten in der Nacht im Ghetto vor dem erbosten weißen Mob fliehen, der vermutlich nach einem schwarzen Mann suchte, der eine weiße Frau vergewaltigt hatte. Während des Überfalls starben 39 Schwarze und neun Weiße.

Schon als Schülerin begeisterte sich Josephine Baker für das Theaterspielen und Tanzen. Bereits mit zwölf Jahren brach sie den Schulbesuch ab. Mit 13 wurde sie schwanger und schloss mit Willie Wells, dem Vater ihres Kindes, ihre erste Ehe.

1921/1922 traten Josephine Baker und ihr zweiter Mann Howard Baker mit der Wandertruppe „The Dixie Steppers“ auf. 1923 durfte sie in der Komödie „Shuffle Along“ in der New Yorker „Music Hall“ tanzen, wobei ihr Naturtalent auffiel. Später sah man sie in „Chocolate Dandies“ am Broadway und im New Yorker „Plantantion Club“. Am 15. September 1925 fuhr sie mit dem Schiff nach Frankreich.

Weltberühmt wurde Josephine Baker 1925 durch ihre Auftritte mit der Tanzgruppe „Black birds“ im Pariser „Théatre des Champs Elysées“ in „La Revue Nègre“. Ihre großen Erfolge in der französischen Hauptstadt basierten teilweise auf ihrer gewagten Kostümierung: Manchmal tanzte sie in den „Folies Bergère“ und im „Casino de Paris“ fast nackt, nur mit einem Rock aus Bananen bekleidet. Der französische Dichter, Maler, Komponist und Filmregisseur Jean Cocteau (1889-1963) schwärmte bei ihrem Anblick: „Dieses schöne Idol aus dunklem Stahl und Bronze, Ironie und Gold“.

Josephine Baker war maßgeblich am Siegeszug des Jazz beteiligt. Im Dezember 1926 gründete sie der Rue Pigalle von Paris ihren Nachtclub „Chez Josephine“. Von 1928 bis 1930 unternahm sie eine Welttournee durch 25 Länder. In den USA wurde sie häufig wegen ihrer dunklen Hautfarbe angegriffen. 1930 konnte ihr Manager Pepito Abatino (1898- 1936) sie dazu überreden, Sprech- und Gesangseinlagen ins Programm aufzunehmen.

1934/1935 trat Josephine Baker im „Théatre Marigny“ in der Operette „La Créole“ auf. 1936 kehrte sie mit Pepito Abatino in die USA zurück. Nach einem Streit reiste Pepito nach Frankreich, wo er an Krebs starb, bevor Josephine zurückkehrte.

1937 erhielt Josephine Baker die französische Staatsbürgerschaft. Auf der Leinwand konnte man sie in den Filmen „La Sirène des tropiques“ (1927), „Zou Zou“ (1934), „Princesse Tam-Tam“ (1935), „Fausse alerte“ (1940), „Moulin Rouge“ (1944) und „An jedem Finger zehn“ (1954) bewundern.

Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges arbeitete Josephine Baker zunächst für das „Rote Kreuz“, dann für die französische Widerstandsbewegung („Résistance“) und später in Nordafrika als Leutnant der französischen Geheimpolizei. Nach Kriegsende trat sie wieder in den „Folies Bergére“ auf und gab weltweit Gastspiele. Nun war sie aber weniger Tänzerin als Diseuse und Chanonette.

Ab Ende der 1940-er Jahre baute Josephine Baker zusammen mit ihrem vierten Mann Jo Bouillon das mittelalterliche Schloss „Les Milandes“ in der Dordogne als Wallfahrtsort der Rassen- und Religionstoleranz aus. Doch dorthin kamen nur im ersten Jahr nach der Fertigstellung der Hotels, Restaurants und des Josephine-Museums genug Gäste. Seit den 1950-er Jahren adoptierte Josephine Baker zwölf Kinder verschiedener Hautfarbe und Religion: Akio, Janot, Luis, Jari, Jean- Claude, Moise, Brahim, Marianne, Koffi, Mara, Noel und Stellina. Sie wurden bald als „Regenbogenkinder“ bekannt und in „Les Milandes“ aufgezogen. 1954 gründete Josephine den Menschenschutzverein „World cultural Association against racial and religious discrimination“. Durch das Schloss „Les Milandes“ entstanden Josephine Baker immer höhere Schulden, das Anwesen musste im Mai 1968 versteigert werden. Im Herbst 1969 konnte Josephine mit finanzieller Unterstützung von Fürst Rainier von Monaco (1923-2005) in Roquebrune Cap Martin bei Monaco eine Villa beziehen. Auch in den 1970-er Jahren trat sie noch verschiedentlich auf.

Josephine Baker heiratete fünf Mal. 1919 wurde sie - wie erwähnt - mit Willie Wells vermählt. 1920 ehelichte sie Howard Baker. Als dritter Ehemann folgte 1937 der Franzose Jean Lion, als vierter 1947 der Orchesterleiter Jo Bouillon (1908-1984) und als fünfter 1973 der amerikanische Künstler Robert Brady (1986-1986). Im April 1975 erlebte die seit längerem herzleidende Künstlerin in Paris ein triumphales Comeback. Bei den anstrengenden zweimonatigen Probenarbeiten mutete sie sich jedoch offenbar zuviel zu und brach im Varieté-Theater „Bobino“ zusammen. Am 12. April 1975 erlag Josephine Baker nach einer Party, die zu Ihren Ehren gegeben wurde, im Alter von 68 Jahren in einem Pariser Krankenhaus einem Herzversagen. Als erste amerikanische Frau wurde sie in Frankreich mit militärischen Ehren bestattet.

Montserrat Caballé

Die „Primadonna

der leisen Töne“

Eine der letzten großen Primadonnen des 20. Jahrhunderts ist die spanische Sängerin Montserrat Caballé. Wegen ihres vielseitigen Repertoires, ihrer ausgefeilten Technik, ihrer unnachahmlich leisen Töne und der Dramatik ihres Vortrags rühmt man sie häufig als Nachfolgerin der legendären Maria Callas (1933-1977), die als beste Sopranistin der Welt gilt.

Montserrat Caballé wurde am 12. April 1933 als Tochter einer armen Arbeiterfamilie in Barcelona geboren. Bereits im Alter von sieben Jahren sang sie Kantaten des deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach (1865-1750). Ab 1942 konnte sie mit einem Stipendium am „Conser- vatorio di Liceo“ in Barcelona Gesang studieren und später ihre Aus- bildung am „Conservatorio Superior de Musica“ in Barcelona fortsetzen. Für ihre Studienerfolge wurde die 20-jährige Montserrat Caballé mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Ihre Bühnenausbildung schloss sie in Mailand ab. Ihr erstes Engagement hatte sie am „Stadttheater Basel“, wo sie 1956 ihr Debüt feierte. Von 1959 bis 1962 arbeitete sie am „Stadttheater Bremen“. Diesen Engagements verdankt sie ihre fließende deutsche Sprache. Im Oktober 1961 brach sie auf der Bühne in Bremen zusammen. Ein Arzt diagnostizierte zu wenig Blutzucker.

1962/1963 unternahm Montserrat Caballé eine erste einjährige Konzerttournee durch Mexiko. 1963 gab sie ein Gastspiel in ihrer spanischen Heimatstadt Barcelona, wo das Publikum sie feierte. Ab dieser Zeit arbeitete ihr Bruder Carlos Caballé erfolgreich als ihr Manager.

Bei einer Aufführung von „Madame Butterfly“ lernte Montserrat Caballé den Tenor Bernabé Marti kennen, der sie zunächst ignorierte, bis er vom Theaterfriseur erfuhr, Caballé habe sich über seinen zu wenig feurigen Kuss beschwert. Am 14. August 1964 heirateten beide am Berg Montserrat, nach dessen Kloster Caballé benannt ist. Bei der Fahrt zur Trauzeremonie blieb das Brautauto in strömendem Regen am Berg liegen. Um doch noch zur Kirche zu gelangen, musste Caballé in einem stinkenden und schmutzigen Viehwagen weiterfahren.

Aus der Ehe von Montserrat Caballé und Bernabé Marti gingen die Kinder Barnabé und Montserrat hervor. Die Familie wohnt - zwischen den Konzertreisen - in einem Landhaus bei Barcelona. Ohne vorherige Probe sprang die vorher nahezu unbekannte Montserrat Caballé in New York City für die schwangere Marilyn Horne in der Aufführung „Lucrezia Borgia“ ein und erntete 25 Minuten lang tosenden Beifall. Ebenfalls 1965 trat sie erfolgreich in der New Yorker „Metropolitan Opera“ („Met“) als „Marguerite“ („Gretchen“) im „Faust“ auf, was ihr den Ruf als eine der brillantesten Belcanto- Sängerinnen der Welt einbrachte. 1965 triumphierte sie auch beim „Glyndebourne Festival“ als „Marschallin“ im „Rosenkavalier“. Montserrat Caballé gastierte an allen großen Opernhäusern der Welt. Der große spanische Tenor José Carreras verdankt ihr seine Entdeckung. Sie hörte ihn am 11. Januar 1970 auf der Bühne des „Liceo“ in Barcelona in einer Aufführung, in der sie die Norma sang und der 23- jährige Carreras in der Nebenrolle des Flavio sein offizielles Bühnendebüt gab, zum ersten Mal.

1985 erlitt Montserrat Caballé in New York einen Herzinfarkt. Danach rieten ihr die Ärzte von strapaziösen Opernrollen ab. Seitdem gastierte sie fast ausschließlich im Konzertsaal. 1992 sang Montserrat Caballé zusammen mit dem Popstar Freddie Mercury (1946-1991) den „Barcelona“-Song für die „Olympischen Spiele“. Ihren größten Auftritt für die Olympiahymne in Barcelona vor rund zwei Milliarden Fernsehzuschauern bestritt sie alleine, da Mercury ein halbes Jahr zuvor gestorben ist.

1994 ernannte der Generaldirektor der „United Nations Educational Scientific and Cultural Organization“ (UNESCO), Federico Major, Montserrat Caballé zur „Botschafterin des guten Willens“. In Spanien gründete sie eine Stiftung für sozial benachteiligte Kinder. Ab Mitte der 1990-er Jahre gab sie oft gemeinsame Konzerte mit ihrer Tochter Montserrat, deren künstlerische Karriere als Sopranistin sie aktiv förderte. 1996 nahm sie ein Album „Caballé and Friends“ mit verschiedenen Größen der Rockmusik auf. Im selben Jahr musste sie sich auch einer Darmoperation unterziehen.

Dank ihrer stimmlichen Qualität sowie ihres humorvollen und herzlichen Auftretens ohne Starallüren entwickelte sich Montserrat Caballé zum Liebling des Publikums. Ihr Repertoire umfasst 90 Opernrollen und 800 Lieder. Zu ihren großen Partien gehören neben „Lucrezia Borgia“, „Marguerite“ und der „Marschallin“ auch „Violetta“ in „Traviata“ (1967), „Norma“ (1972), „Maria Stuart“ (1973), „Adriana Lecouvreur“ (1979) und „Tosca“.

Die sympathische Künstlerin erhielt mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Titel „Commandeur des arts des lettres“ (1986), den Schallplattenpreis „Echo Klassik“ der Deutschen Phonoakademie (1996) und den „Bambi Klassik“ (1998).

2014 akzeptierte Montserat Caballé eine sechsmonatige Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe von 240.000 Euro wegen Steuerhinterziehung. Strafen unter zwei Jahren werden in Spanien normalerweise zur Bewährung ausgesetzt.

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Excerpt out of 342 pages

Details

Title
Superfrauen 10 - Musik und Tanz
Author
Year
2001
Pages
342
Catalog Number
V303396
ISBN (eBook)
9783668021754
ISBN (Book)
9783668021761
File size
1783 KB
Language
German
Keywords
Musik, Tanz, Musikerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen, Bigorafien, Frauenbiografien
Quote paper
Ernst Probst (Author), 2001, Superfrauen 10 - Musik und Tanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303396

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Title: Superfrauen 10 - Musik und Tanz



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