Die Bedeutung des Nationalstaates im Zeitalter der Globalisierung

Das transnationale Unternehmen als Indikator


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die Globalisierung und der Nationalstaat
2.1 Begriffsklärung
2.2 Historische Entwicklung
2.3 Es lebe der Staat!

3. Das „heimatlose“ transnationale Unternehmen?
3.1 Quantitative Betrachtung
3.2 Qualitative Betrachtung
3.3 Entwicklung eines Modells zu den Beziehungen zwischen Nationalstaat und TNU
3.4 Fallbeispiel BMW

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bereits vor über 30 Jahren postulierte Charles P. Kindleberger, dass die Tage des Nationalstaates als ökonomisch bedeutsame Einheit gezählt seien (Hu: 1992, 108), und bis heute ist der Bedeutungsverlust des Staates eine häufig vertretene These geblieben. So formuliert Dirk Messner (2004, 20):

The new world economy is marked by competition between local clusters [...], global cities [...], global city regions [...] and global value chains [...] that no longer know national boundaries.

Dabei wird die Entstehung und Entwicklung transnationaler Unternehmen (TNU) häufig als Argument für das angebliche Ende der wirtschaftlichen Bedeutung von Nationalstaaten herangezogen:

It has been the rise of the TNC [transnational corporation] – especially of the massive ´global´ corporation – that is seen to pose the major threat to the autonomy of the nation-state (Dicken: 2003, 198).

Daher wird in dieser Hausarbeit die Bedeutung von Nationalstaaten in der globalen Wirtschaft anhand transnationaler Unternehmen untersucht. Zunächst wird auf die Bedeutung des Nationalstaates im Allgemeinen eingegangen, um anschließend seine Rolle für transnationale Unternehmen zu bewerten.

2. Die Globalisierung und der Nationalstaat

2.1 Begriffsklärung

Der Titel dieses Kapitels enthält gleich zwei Begriffe, die heutzutage so selbstverständlich verwendet werden, dass eine nähere Betrachtung ihrer Bedeutung lohnt. ´Globalisierung´ — Was versteckt sich hinter dem Modewort der Jahrtausendwende? Bereits das Wort für sich macht deutlich, dass es sich hierbei nicht um einen Zustand, sondern vielmehr um einen Prozess handelt. Im Gegensatz zu Internationalisierungsprozessen, die lediglich eine quantitative Ausweitung der grenzüberschreitenden Aktivitäten bezeichnen, beinhalten Globalisierungsprozesse zusätzlich eine qualitative Veränderung der funktionalen Verflechtung solcher Aktivitäten (Dicken: 2003, 12).

Der Begriff „Nationalstaat“ vereint zwei Begriffe, die Peter Dicken (2003, 123) folgendermaßen definiert:

o A state is a portion of geographical space within which the resident population is organized (i.e. governed) by an authority structure. States have externally recognized sovereignty over their territory.

o A nation is a ´reasonably large group of people with a common culture, sharing one or more cultural traits, such as religion, language, political institutions, values, and historical experience [...]´

Während der ´Staat´ demnach einen rein territorialen Begriff darstellt, bezieht sich die ´Nation´ auf eine Gruppe von Menschen, welche die gleiche Kultur teilen. Setzt man beide Begriffe zusammen, bezeichnet der ´Nationalstaat´ also einen bestimmten Raum, der unter einer gemeinsamen Regierung steht und dessen Einwohner eine Kultur teilen[1]. Dies ist eine wichtige Erkenntnis, da besonders verschiedene Regierungen und Kulturen grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten erschweren: „operating across national boundaries, rather than within a single nation, poses additional problems of coordination and control“ (Dicken: 2003, 213).

2.2 Historische Entwicklung

Historisch gesehen hat der Nationalstaat eine bedeutende Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung aller Länder gespielt (Dicken, 2003: 122), und bis heute beeinflussen nationale Regierungen den eigenen sowie den globalen Markt in variierender Intensität.

Im Zuge der Globalisierung sind geographische Entfernungen von Gütern, Personen und Informationen heute leichter zu überwinden als jemals zuvor. „Seit 1920 sanken die Kosten für Seefracht um rd. 2/3, für Flugreisen um 84%, für Übersee-Telefonate um 99%“ (Suntum: 2007, 119). Auch die Staatsgrenzen sind aufgrund internationaler Organisationen und Bündnisse wie beispielsweise der Welthandelsorganisation, der NAFTA oder der EU durchlässiger für mobile Produktionsfaktoren geworden. Innerhalb der EU ist der Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital (durch die gemeinsame Währung) quasi grenzenlos möglich und auch die Arbeitskraftmobilität hat sich wesentlich erhöht (Suntum: 2007, 119). Durch den technologischen Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie kann insbesondere kodiertes Wissen heutzutage kostengünstig und schnell ausgetauscht werden.

2.3 Es lebe der Staat!

Es kann kaum bezweifelt werden, dass sich die Position des Nationalstaates unter dem Einfluss der Globalisierung verändert. Dennoch stellt Dicken ganz klar fest:

„The state remains a most significant force in shaping the world economy“ (Dicken, 2003: 122).

Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Staat übernimmt nach wie vor eine regulierende Funktion in der Handels- und Wirtschaftspolitik. Neben zentralen Bereichen wie der Erhebung von Steuern und der Festlegung von Handelsbeschränkungen, „kann bei der Art und Höhe der Festsetzung der sog. Lohnnebenkosten der Einfluß von Regierung und Parlament beträchtlich sein“ (Lemper: 1994, 15). Weiterhin sind Rechtssysteme national organisiert. Diese definieren beispielsweise in vielen kapitalistischen Staaten den Privatbesitz und verschaffen ihm Geltung (Whitley: 1998, 454). Auch Bereiche der Infrastruktur — zum Beispiel Bildungswesen, Verkehrsinfrastruktur und Energieangebot — werden wesentlich von nationalen Regierungen beeinflusst. Besondere Bedeutung für Unternehmen können, je nach Branche, auch staatlich festgesetzte Subventionen oder Umweltstandards haben. Zudem wirken sich Produktionsstandorte „vor Ort“ positiv auf das Image und das Kaufverhalten der Konsumenten aus. Ein weiterer Aspekt, der zwar nicht an Nationalstaaten ge bunden, aber doch eng mit ihnen ver bunden ist, ist die Kultur, denn der Nationalstaat fungiert als eine Art ´Behälter´, in dem sich verschiedene Handlungsweisen entwickeln (Dicken: 2003, 226). Vorherrschende Normen und

Werte werden durch die Mitarbeiter in die Unternehmen getragen und beeinflussen diese. Dies mag besonders bei den Entscheidungsträgern in der Unternehmensspitze einleuchten, doch auch der Umstand, ob Hilfsarbeiter bereit sind in Schichten und am Wochenende zu arbeiten kann die Unternehmenspolitik wesentlich beeinflussen. Mit der Globalisierung haben grenzübergreifende Kontakte zugenommen, und auch die internationalen Verflechtungen von TNU tragen zu einem gewissen Grad dazu bei, die Bindung kultureller Eigenschaften an einen bestimmten Raum aufzuweichen.

Als kollektive Phänomene sind Kulturen [...] per definitionem zuallererst mit Interaktionen und sozialen Beziehungen verbunden und nur indirekt und ohne zwingende Notwendigkeit mit bestimmten Gebieten im physischen Raum. Je weniger soziale Beziehungen innerhalb territorialer Grenzen auf einen bestimmten Raum beschränkt sind, desto weniger gilt das auch für die Kultur (Mense-Petermann: 2005, 184).

Die Wichtigkeit des Nationalstaates im Bereich der Kultur könnte also tatsächlich aufgrund des Anstiegs von grenzübergreifenden Kontakten abgenommen haben. Es wäre möglich, dass stattdessen Regionen einen Teil der Kulturfunktion von den Nationalstaaten übernommen haben. Somit würden sie die Unternehmen mit prägen und sich beispielsweise auf deren Organisationsstrukturen auswirken:

Where regional governments, financial institutions, skill development and control systems and broad cultural norms and values are distinct from national ones and able to exert considerable discretion in the economic sphere, we would expect distinctive kinds of economic organization to become established at the regional level (Whitley: 1998, 455).

Als Regionen im größeren geographischen Maßstab können beispielsweise Nordamerika, mit der NAFTA als staatenübergreifender Wirtschaftsinstitution oder die Europäische Union in Europa betrachtet werden. Auch wenn über die eventuelle Abgabe eines Teils der Kulturfunktion an Regionen hier nur Vermutungen angestellt werden können, so soll doch etwas zu dem Verhältnis Staat und Region bezüglich der Regulierungsfunktion gesagt werden. Obgleich in der EU einige regulierende Funktionen von staatsübergreifenden Institutionen übernommen werden, werden diese Regelungen doch nach wie vor im Konsens der Mitgliedsstaaten ausgehandelt. Die Regulierungsfunktion wird also nicht abgegeben, sondern vielmehr staatenüb]ergreifend in internationaler Zusammenarbeit erfüllt. Zudem behält jeder einzelne Staat über die gemeinsamen Regelungen hinaus eine Vielzahl an individuellen Besonderheiten. Für die Zukunft wäre eine Dominanz der Region EU über die einzelnen Mitgliedsstaaten denkbar: If, for example, owners, managers, unions and other organized groups became structured at a European level, together with the emergence of a European state that dominated national and regional political systems and established standardized labour and financial systems across Europe, we would expect nationally distinct business systems to become less significant than the emerging European form of economic organization (Whitley: 1998, 456).

Derzeit gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Mitgliedsstaaten bereit wären ihre Kompetenzen derart weitreichend aufzugeben. Obwohl die Region eine mehr oder weniger wichtige Rolle in ökonomischen Systemen einnehmen kann, behält der Staat also bis heute eine übergeordnete Funktion: „business systems are more national than regional“ (Whitley: 1998, 456)[2].

[...]


[1] Hier bestehen selbstverständlich zahlreiche Ausnahmen, beispielsweise Einwanderergruppen aus anderen Kulturkreisen.

[2] Whitley trifft diese Aussage für das späte 20te Jahrhundert. Da sich die Faktoren, welche auf die Wirtschaftssysteme einwirken jedoch nur sehr langsam verändern (vgl. Whitley: 1998, 450), scheint es angemessen, seine Schlussfolgerung auf das beginnende 21te Jahrhundert zu erweitern.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung des Nationalstaates im Zeitalter der Globalisierung
Untertitel
Das transnationale Unternehmen als Indikator
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Regionale Cluster in globalen Produktionsnetzwerken
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V113146
ISBN (eBook)
9783640132416
ISBN (Buch)
9783668156128
Dateigröße
2022 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Nationalstaates, Zeitalter, Globalisierung, Regionale, Cluster, Produktionsnetzwerken
Arbeit zitieren
Yvonne Studtfeld (Autor:in), 2008, Die Bedeutung des Nationalstaates im Zeitalter der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113146

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