Luthers Sprachschaffen


Seminararbeit, 2001

25 Seiten


Leseprobe


Gliederung

0. Martin Luther - ein Teil der Geschichte

1. Martin Luther - sein Leben und Wirken
1.1 Biographischer Überblick
1.2 Sprachliche Situation seiner Zeit
1.3 Luthers Deutsch

2. Martin Luther - seine Bedeutung in der Sprachwissenschaft
2.1 Bewertung seiner Verdienste
2.2 Allgemeine Aspekte der Betrachtungsweise
2.3 Luthers Stil (Textarbeit)

3. Zusammenfassung und Fazit

Literaturliste

Anhang
An den christlichen Adel deutscher Nationen

0. Martin Luther - ein Teil der Geschichte

„Luther war ein Genie sehr bedeutender Art; er wirkt nun schon manchen guten Tag, und die Zahl der Tage, wo er in fernen Jahrhunderten aufhören wird produktiv zu sein, ist nicht abzusehen.“1

Goethe bringt es auf den Punkt, Martin Luther schrieb mit seinem Lebenswerk, auch lange über seinen Tod hinaus, Geschichte. Und er schrieb sie im wahrsten Sinne des Wortes. Mit der Person Martin Luthers verbindet man sofort den Anschlag der 95 Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg und somit die Reformation der Kirche, aber auch die folgenreiche Tat der Bibelübersetzung ins Deutsche.

Um Luthers Verdienste war man sich schon früh bewußt. Wobei die Einschätzungen darüber weit auseinandergehen. Sein Beitrag zur Umgestaltung der Kirche ist vielfach in den Wissenschaftsbereichen der Theologie und Geschichte behandelt worden. Auch diese Arbeit wird in einem biographischen Abriß seines Lebens darauf eingehen. Doch wird Luther auch ein Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Sprache zugeschrieben. Nicht zu unrecht, wenn man sich die Fülle seiner Schriften ansieht. Doch sie allein macht ihn noch nicht zum wichtigen Glied in der Entwicklungskette der Sprache. Wichtig ist hierbei, daß die Schriften Luthers zum großen Teil in deutscher Schrift abgefaßt sind. Zu seinen Lebzeiten war das nicht unbedingt die Regel.

Es liegen vielfältige Dokumente vor, wie z.B. Predigten, Tischreden, Flugschriften, Briefe u.ä., die von seiner sprachlichen Kompetenz zeugen. Doch kann man sagen, daß die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache, so daß auch die einfache Bevölkerung das Wort Gottes lesen konnte, zum bedeutendsten Teil seines Lebenswerkes zählt.

Sein Hauptaugenmerk lag darauf, daß die Sprache der Bibel verständlich sei, in zweierlei Hinsicht. Zum einen verständlich für jede soziale Schicht, den Inhalt betreffend. Und zum anderen verständlich für eine regional weitgestreute Leserschaft, also die Form betreffend.

Die Frage hierbei ist nun, inwieweit Luther bestehende Traditionen weiterführte oder er als „Schöpfer“ angesehen werden muß.

Unbestritten ist aber, daß er einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache hat. Im Folgenden soll versucht werden, Luthers Sprachschaffen genauer zu definieren. Dafür ist es notwendig, ihn in die sprachliche Situation seiner Zeit einzuordnen und direkt an seinem geschriebenen Wort zu arbeiten.

1. Martin Luther - sein Leben und Wirken

1.1 Biographischer Überblick

Martin Luther wird am 10. November 1483 in Eisleben geboren, kurz nach seiner Geburt zieht die Familie nach Mansfeld. Hier will sein Vater die finanziellen Verhältnisse der Familie mit Hilfe des Kupferbergbaus verbessern. In Mansfeld besucht Luther die Lateinschule, wechselt aber 1497 nach Magdeburg in die Schule der „Brüder vom gemeinsamen Leben“. Doch schon 1498 zieht er zu Verwandten nach Eisenach, wo er an der städtischen Pfarrschule lernt.

Der Bergbau ermöglicht es Luthers Vater, seinen Sohn 1501 auf die Erfurter Universität zu schicken, um ein Jurastudium aufzunehmen. Doch die Tradition der Universität verlangt zunächst, daß ihre Studenten die sieben freien Künste (Grammatik, Rhetorik, Mathematik/Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) erlernen. So erhält Luther 1502 mit dem Bakkalaureat den ersten akademischen Rang und 1505 wird er Magister, was als Abschluß des Studiums der sieben freien Künste gilt. Erst mit diesem Titel ist es erlaubt, sich höheren Fakultäten zuzuwenden. Luther beginnt auch das Jurastudium, bricht es aber schon sehr bald ab. Am 2. Juli 1505 gelobt Luther, Mönch zu werden und tritt dem Bettelorden der Augustiner im Erfurter Kloster bei. Schon ein Jahr später legt er sein Mönchsgelübde ab und wird 1507 zum Priester geweiht. Im gleichen Jahr kehrt er auch an die Universität Erfurt zurück, diesmal jedoch um ein Studium der Theologie aufzunehmen. 1512 beendet er sein Studium mit dem Doktor der Theologie und erhält eine Bibelprofessur an der Wittenberger Universität und wird Prediger in der Wittenberger Stadtkirche. Mit der letzteren Tätigkeit kommt er auch mit der Praxis des Ablaßwesens in Berührung. Der Ablaß hatte sich in einem jahrhundertelangen Prozeß im Zusammenhang mit dem Bußsakrament herausgebildet. Der Sünder mußte bereuen, dies durch die Beichte vor dem Priester bekunden, um von ihm die Absolution und eine auferlegte Buße zu erhalten. Diese Strafe konnte man aber auch durch eine Ablaßzahlung tilgen. Im Spätmittelalter jedoch entartete das Ablaßwesen zu undurchsichtigen finanzpolitischen Transaktionen. Ablaßbriefe erteilten somit die Absolution, ohne daß der Sünder wirklich Reue zeigt oder Besserung gelobt. Diese Praxis verstieß gegen Luthers Vorstellungen als Beichtvater, daß man als Sünder Gott lieben und deshalb Leid und Reue über seine Sünden ein Leben lang tragen müsse.

Schon vor seinem Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 wandte sich Luther in Predigten gegen diesen Ablaßmißbrauch. Die Thesen prangerten zwar die Art und Weise des Ablaßhandels an, ohne ihn aber insgesamt, oder gar die Kirche als Vermittler des Heils in Frage zu stellen. Zunächst riefen die Thesen keine großen Reaktionen hervor, erst nachdem Drucke davon im Umlauf waren, gab es zustimmende wie auch ablehnende Äußerungen. Aufgrund des anwachsenden Drucks durch die römische Kurie sieht sich Luther gezwungen, seine religiösen Ansichten zu einer selbständigen Theologie auszuformen. Es entstehen Schriften wie: „ An den christlichen Adel deutscher Nation“, „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ oder „Von der Freiheit eines Christenmenschen“. Innerlich trennt er sich nun völlig von Rom. Im Juni 1520 wird ihm der Kirchenbann angedroht, er soll seine Lehren widerrufen. Als er demonstrativ die Bulle und das Kirchengesetzbuch öffentlich verbrennt, wird am 3.Januar 1521 der Bannfluch über Luther verhängt. Auf dem Reichstag zu Worms erhält er nochmals die Gelegenheit, sich von seinen Schriften abzuwenden, was er jedoch nicht tut. Nachdem er Worms wieder verlassen hat, wird die Reichsacht über in verhängt. Luther ist nun vogelfrei. Kurfürst Friedrich der Weise läßt Luther kurzerhand am 4. Mai 1521 „entführen“, um seine Sicherheit zu garantieren. Er wird auf die abgeschiedene Wartburg bei Eisenach gebracht, wo er ungefähr zehn Monate als Junker Jörg lebt. Hier beobachtet er mit Wohlwollen das weitere Voranschreiten der reformatorischen Ideen. Auf der Wartburg verwirklicht er eine weitreichende Idee. In nur elf Wochen übersetzt er das Neue Testament vom Griechischen ins Deutsche. Es folgen erst später Teile des Alten Testaments, 1522 erscheint zunächst das sogenannte „Septembertestament“.

Luther kehrt dann im März 1522 nach Wittenberg zurück und kämpft zusammen mit der mittlerweile erstarkten reformatorischen Bewegung. Seine Hauptaufgabe liegt im Predigen, er unternimmt zahlreiche Reisen durch ganz Mitteldeutschland. Mit der Zeit entsteht eine neue Gegnerschaft Luthers, diesmal aus den eigenen Reihen. Luther versucht die Gewaltbereitschaft der Anhänger Thomas Münzers zu besänftigen, doch sie wollen den Sturz der Obrigkeiten um jeden Preis. Luther distanziert sich auch Zeit seines Lebens von gewalttätigen Maßnahmen, um Veränderungen durchsetzen zu wollen.

Ab 1525 widmet Luther sich vermehrt dem Schreiben. So erscheint 1529 der „Kleine Katechismus“ sowie der „Große Katechismus“, eine Art christliches Lehrbuch, sowie Gesangsbücher. 1534 erscheint dann auch die erste Gesamtausgabe der Bibel in deutscher Sprache. Bis zu seinem Tode gibt Luther seine Lehrtätigkeit an der Wittenberger Universität nicht auf, und obwohl er schon jahrelang mit verschiedenen Krankheiten zu kämpfen hat, predigt er weiter. Luther stirbt am 18. Februar 1546 in seiner Geburtsstadt Eisleben, wo er sich gerade auf einer Reise befindet. Am 22. Februar wird er in der Schloßkirche zu Wittenberg beigesetzt.

Doch mit seinem Tod endet seine Wirkungskraft nicht. Für die Sprachwissenschaft ist Luther ein genauso großer Untersuchungsgegenstand, wie für die Geschichtswissenschaft. Mit seinen Schriften nahm er einen nicht von der Hand zu weisenden Einfluß auf die deutsche Literatursprache. Dieser Aspekt seines Schaffens soll im Folgenden genauer beleuchtet werden.

1.2 Die sprachliche Situation seiner Zeit

Würde man Luthers Schriften losgelöst von der sprachlichen Situation seiner Zeit betrachten, so würde vermutlich eine verfälschte Schlußfolgerung gezogen. Nicht alle Merkmale, die seine Sprache aufweist, sind neu und von ihm selbst kreiert. So setzt er teilweise bestehende Traditionen fort oder verhilft sprachlichen Entwicklungstendenzen seiner Zeit zum Durchbruch. Um Luther also sprachwissenschaftlich objektiv einordnen zu können, muß zunächst die sprachliche Situation seiner Zeit beschrieben werden.

Hier möchte ich den Beschreibungsebenen von Joachim Schildt2 folgen, wo zwischen der diatopischen, diastratischen und diasituativen Ebene der Sprache unterschieden wird.

Die diatopische, d.h. sprachgeographische, Situation zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch die Koexistenz von mehreren Literatursprachen. Wobei jede einzelne Literatursprache einen unterschiedlich großen territorialen Geltungsbereich umfaßte. Zumeist bauten diese auf den jeweiligen Territorialdialekten auf. Wenn hier von Literatursprache die Rede ist, so soll der Begriff eher im Sinne von Schriftsprache verstanden werden, abgegrenzt vom mündlichen Gebrauch der Sprache.

Es herrschen zwar unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Gewichtung der einzelnen Sprachvarianten vor, doch kann ein Konsens darüber ausgemacht werden, daß das Ostmitteldeutsche und das Ostoberdeutsche zu den dominierenden Literatursprachen gehörten. Zum Ostmitteldeutschen zählen die Gebiete Obersachsens, Thüringens, Schlesiens und Teile Böhmens, in diesem Sprachraum ist auch Luther zu Hause. Zum Ostoberdeutschen zählen Bayern, Schwaben, Oberfranken und Österreich. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen gab es kein so starkes kulturelles Zentrum, das hätte prägend wirken können. Die Dominanz dieser beiden Literatursprachen liegt somit in der geographischen Lage ihrer Herkunft begründet. Sie waren stets das Bindeglied zwischen anderen Territorialstaaten, z.B. in wirtschaftlicher Hinsicht oder im Kontakt zwischen den Universitäten. Die Sprachformen konnten sich also niemals abkapseln und lebten in ständigem Austausch mit Regionen im Norden, Westen und Süden. Außerdem hatten viele deutsche Dialekte durch die zahlreichen Siedlerströme Einfluß auf das Ostmitteldeutsche genommen.

In den Bereich der diastratischen, d.h. der sozialen, Ebene der Sprache fällt der Benutzerkreis der Literatursprache. Der war zunächst noch sehr klein und besaß einen elitären Charakter.

Die schreibenden Teile der Gesellschaft beschränkten sich auf den Adel, wohlhabendes Stadtbürgertum, Verwaltungs- und Kanzleibeamte, Professoren, Juristen und Theologen. Doch im Zuge der gesellschaftlichen Umwälzungen, die die aufkommende reformatorische Bewegung und der Ausbau des Buchdrucks hervorrief, sollte sich die Gemeinschaft der Leser und Schreiber noch erheblich erweitern.

Hier beginnt auch schon die diasituative, d.h. funktionale, Ebene der Sprache. Schon bevor Luther zu schreiben anfing, befand sich die deutsche Literatursprache in vielen Bereichen auf dem Vormarsch und drängte das Latein mehr und mehr in den Hintergrund. In der Dichtung, im Geschäftsverkehr, in den Kanzleien der Fürsten und Städte trat sie schon bald vollständig in den Vordergrund. Doch die Wissenschaft und Bereiche der Theologie bedienten sich weiterhin ausschließlich des Lateins.

Es wurde schon erwähnt, daß der Buchdruck und die Kanzleisprachen einen nicht zu verkennenden Einfluß auf den Werdegang der deutschen Schriftsprache hatten.

Es gibt zwei anfänglich widersprüchlich erscheinende Äußerungen Luthers bezüglich der Kanzleisprachen. So sagt er in einer seiner Tischreden: „ Ich habe keine gewisse sonderliche eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche der gemeinen deutschen Sprache, das mich beide, Ober- und Niederl ä nder, verstehen m ö gen. Ich rede nach der Sechsischen Cantzelei, welcher nachfolgen alle F ü rsten und K ö nige in Deutschland. Alle Reichstete, F ü rstenh ö fe schreiben nach der sechsischen und unsers F ü rsten Cantzelei, darumb ists auch die gemeinste deutsche Sprache. “ 3

Hier verdeutlicht Luther, daß seine Sprache keineswegs ein von ihm geschaffenes Kunstprodukt ist. Vielmehr bedient er sich schon bestehender Normen, die durch die sächsische Kanzlei verbreitet worden sind. Diese Vorgehensweise verschafft ihm den Vorteil, daß er ein allgemeines Verständnis voraussetzen kann, was bei einer Eigenkreation nicht unbedingt gegeben wäre. So hat er an lautlichen Haupteigenarten der sächsischen Kanzlei stets festgehalten, z.B. hat er die Diphthonge ei au ä u für î û iu verwandt. Bezüglich der Orthographie hat er die Kanzleisprache aber keineswegs als normgebend angesehen, z.B. nutzt er in späteren Werken nicht mehr die kanzleitypischen Doppelschreibungen von Konsonanten wie vnnd, teuffel oder krangk.

Es war eigentlich ganz unmöglich, daß Luther eine Kanzleisprache als „Gesetzbuch“ für seine Sprache nimmt. Er wollte der Sprache Leben einhauchen, so war er faktisch gezwungen den Ausdruck, die Syntax wie auch den Wortgebrauch der steifen und schwerfälligen Kanzleisprachen abzulehnen. Sein Ziel war es, ein breites Publikum zu erreichen, daß heißt, er mußte auch die Sprache der Menschen sprechen. Die Vorbildwirkung der Kanzleisprache bestand also vielmehr darin, daß sie ein einigermaßen einheitliches Deutsch vorgab, was vom Schriftbild her für viele verständlich war.

So ist nun auch seine scheinbar harte Kritik an den Kanzleien in einem milderen Licht zu sehen. „ Es achtet auch niemant recht deutsch zu reden \ sonderlich der herrn Canceleyen vnd die lumpen prediger \ vnd puppen schreiber \ die sich lassen duncken \ sie haben macht deutsche sprach zu endern \ und tichten uns teglich newe w ö rtter \ ...\ ja lieber man \ es ist wol beth ö ret vnd ernarret dazu. “ 4

Luther knüpfte also an die gemeinsprachlichen Bestrebungen der Kanzleien an, führt sie aber nicht nur fort, sondern setzt noch eigene Akzente.

Doch auch der Buchdruck trägt zur Entwicklung einer sogenannten Gemeinsprache bei. Den Druckern und Verlegern lag eine überregionale Verbreitung ihrer Produkte am Herzen. So nahmen sie orthographische Veränderungen selbständig vor. Beispielsweise führten sie, konsequenter als Luther, die Großschreibung der Substantive durch. Luther selbst nahm keinen Anstoß am Handeln der Drucker solange der Sinn erhalten blieb.

Zu jener Zeit war man noch weit davon entfernt, sich an orthographische oder grammatische Normen zu halten, solche Tendenzen lassen sich erst im 17. Jahrhundert verzeichnen.

Es läßt sich also sagen, daß es bereits Ansätze gab, die deutsche Sprache dahingehend zu vereinheitlichen, daß das geschriebene Wort auch in mehreren Mundarträumen gleichzeitig verstanden werden konnte.

1.3 Luthers Deutsch

Neben der sprachlichen Situation seiner Zeit ist es auch angebracht, Luthers eigene sprachliche Bildung zu betrachten und sein daraus hervorgegangenes Verhältnis zum Wort.

Luthers Heimat ist das östliche Harzvorland, wo in der mündlichen Kommunikation noch das Niederdeutsche vorherrschte. Im Elternhaus wurde aber vermutlich Ostmitteldeutsch mit thüringischer Prägung gesprochen. Während seiner Studienjahre und der Zeit im Kloster vertiefte er seine Kenntnisse des Ostmitteldeutschen . Während seiner Zeit in Wittenberg kam er mit dem Hochdeutschen, geprägt von ostmitteldeutschen Elementen, in Berührung. Auf seinen zahlreichen Reisen lernte er auch die Sprachgewohnheiten anderer deutscher Sprachlandschaften kennen, wie auch im Kreise seiner Tischgesprächspartner. In seinen ersten Schriften erkennt man noch seine enge Verbundenheit zum heimatlichen Sprachraum. So bevorzugt er zunächst das mitteldeutsche Präfix vor- (vor-pflichten, vor-ordnen), später gebraucht er fast ausschließlich ver-. Oder er setzt anfangs i für e: gottis welchir behaldist; später: gottes welcher behaldest.5

Doch mehr und mehr bemüht er sich, auch andere Sprachräume mit einzubinden. Luther entscheidet sich meist für die Form, die sich später auch im Neuhochdeutschen durchsetzen wird, wobei es oftmals eine südliche Variante ist.

Beispiele:6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aber in einigen wenigen Fällen entscheidet er sich auch für die Variante aus seinem Sprachraum, die sich dann später durchsetzen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es muß aber betont werden, daß der Siegeszug dieser Varianten nicht allein Luthers Verdienst ist.

Der hohe Anteil an südlichen Formen liegt in der Tatsache begründet, daß die nördlich/ mitteldeutsche Sprachform von der südlichen überlagert wurde. Es gibt durchaus auch „falsche“ Entscheidungen Luthers, gelegentlich blieb er auch hinter gängigen Veränderungen seiner Zeit zurück. Zu Beginn des Abschnitts wurde angemerkt, daß sich aus Luthers sprachlicher Bildung auch sein Verhältnis zum Wort erklären läßt. Da dieser Aspekt in den Bereich des Stils hineinspielt, welcher in Punkt 2.3 thematisiert wird, soll an dieser Stelle ein berühmtes Zitat Luthers aus dem „Sendbrief vom Dolmetschen“ genügen.

„ [...] denn man mus nicht die buchstaben jnn der Lateinischen sprachen fragen / wie man sol Deudsch reden / wie diese Esel thun / Sondern man mus die mutter jhm hause / die kinder auff der gassen / den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen / vnd darnach dolmetschen / so verstehen sie es denn /vnd mercken / das man Deudsch mit jhn redet. “ 7

Er will also eine Sprache schaffen, die für jedermann verständlich ist. An anderer Stelle sagt er sinngemäß, der Sinn soll nicht den Worten folgen, sondern die Worte dem Sinn.

Im Rahmen seiner sprachlichen Bildung wird schon deutlich, unter welch vielfältigen Aspekten das Sprachschaffen Luthers zu betrachten ist. Im folgenden Abschnitt soll nun konkret darauf eingegangen werden.

2. Martin Luther - Bedeutung in der Sprachwissenschaft

2.1 Bewertung seiner Verdienste

Die Bewertung von Luthers Verdiensten im Werdegang der neuhochdeutschen Sprache ist breitgefächert. So urteilt z.B. W. Jungandreas, Luther habe „überall hin die entscheidenden Schritte zum Neuhochdeutschen hin gemacht, daß wir ihn also mit vollem Recht als den Schöpfer der neuhochdeutschen Schriftsprache ansehen können.“8 Ähnlich äußert sich auch Jakob Grimm in seiner Deutschen Grammatik 1:“Luthers sprache ... muß ihrer edlen, fast wunderbaren reinheit, auch ihres gewaltigen einflußes halber, für kern und grundlage der neuhochdeutschen sprachniedersetzung gehalten werden.“9 Weiter bezeichnet er das Neuhochdeutsche als „protestantischen dialect“.

Luthers Person im Zusammenspiel mit dem Umwälzungsprozeß der Reformation bilden für ihn also den Ursprung der neuhochdeutschen Sprache. Aber beide, Jungandreas sowie Grimm, messen Luther eine enorme Bedeutung bei. Führt man ihre Gedanken weiter, so wäre ohne Luther unsere heutige Sprache eine grundlegend andere. Doch so weit kann man wohl nicht gehen, den Entstehungsprozeß einer Sprache an einer Person festmachen zu wollen. Die Forschungen der Sprachwissenschaft haben ergeben, daß viele andere Umstände auf eine Sprache Einfluß nehmen. Zu beachten sind zum Beispiel politisch - gesellschaftliche Aspekte, wie die Ostkolonisation oder die zunehmende Verstädterung und die kulturellen Aspekte, wie der Buchdruck oder der Ausbau des Bildungssystems. Die genannten Beispiele sind nur ein Bruchteil der Einflüsse, die auf eine Sprache wirken. In Anbetracht dessen, sind die zu Beginn angeführten Äußerungen wohl zu hoch gegriffen. Ob aber Arno Schirokauer es besser trifft, wenn er sagt : „Ihm diente die Sprache, aber niemanden nach ihm“, denn „mit ihren plebejischen Elementen“ konnte die Luthersprache, „selbst wenn sie wollte, niemals wesentliches zur Hochsprache beitragen.“10 Wobei er scheinbar „Hochsprache“ in dem Sinne versteht, daß sie nur von höheren sozialen Schichten gesprochen wurde. Einzuwenden ist hier, daß sich eine Sprachvariante vermutlich nur deshalb durchsetzt, da sie von vielen Sprachträgern genutzt wird. Sie entwickelt sich also nicht von oben nach unten (auch nicht von unten nach oben), sondern lebt in ständigen Wechselwirkungen. Und gerade weil eine Sprache lebt, kann sie ständig beeinflußt werden. So erscheint doch der Mittelweg bei der Einschätzung Luthers Sprachwirkens der brauchbarste zu sein. In der Wissenschaft herrscht ein weitgehender Konsens darüber, daß man Luther als ein wichtiges Glied in der langen Kette der Entstehung des Neuhochdeutschen bezeichnen muß. Eine Kette, die vor ihm begann und noch lange nach ihm weitergeht, wenn sie überhaupt je endet.

“Luther ist nicht Schöpfer und nicht Vollender der neuhochdeutschen Schriftsprache; aber die gesellschaftliche Bedeutung seiner Bibelübersetzung, seiner Lieddichtung und seiner Streitschriften machten ihn zum einflußreichsten Schriftsteller in der Frühgeschichte unserer Nation.“11

2.2 Allgemeine Aspekte der Betrachtungsweise

Nachdem Luthers Bedeutung für die Entstehung des Neuhochdeutschen allgemein gezeigt worden ist, stellt sich nun die Frage, wo konkret sein Wirken anzusiedeln ist. Auch hier gehen die Meinungen auseinander, je nachdem, welchen Schwerpunkt der jeweilige Autor gewählt hat.

„Bei den Lauten und Formen der Sprache, in Orthographie und Grammatik folgte er dem Usus seiner näheren und weiteren Umgebung.“12 Doch so vernichtend, wie dieses Urteil zunächst klingen mag, ist es gar nicht. Es besagt lediglich, daß Luther sich keine eigene, neue Sprache geschaffen hat, sondern auf bereits vorhandene Mittel zurückgriff. Heinrich Bach fügt noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzu: „LUTHERs syntax unterscheidet sich nicht von der sprachübung seiner zeit, und LUTHER hat so wenig wie irgend ein anderer autor die entwicklung beeinflußt.“13

Sicher wird es einige Arbeiten geben, die diesen Aussagen widersprechen. Doch im Rahmen dieser Arbeit soll diesen Aussagen Folge geleistet werden, als daß Luther keinen direkten Einfluß auf diese Bereiche geübt hat. Vielmehr kommt ihm die Aufgabe eines Katalysators zu. Luthers Schriften, besonders die Bibeldrucke, fanden eine enorme Verbreitung. Kein Werk oder Autor zuvor konnte derartige Auflagenzahlen verzeichnen. Zu seinen Lebzeiten erscheinen 23 Ausgaben der Vollbibel, mehr als 400 Gesamt- oder Teilausgaben , daß macht durchschnittlich 17 Ausgaben pro Jahr (von 1522 bis 1546). Man zählte 3700 Drucke und Nachdrucke seiner anderen Schriften, wobei einige davon in lateinischer Sprache abgefaßt sind. Doch diese Zahlen sprechen für sich, Luthers Bibel könnte man im modernen Sinn mit einem Bestseller vergleichen. Und das blieb nicht ohne Folgen. Seine Lautung, Formen, Orthographie, Grammatik und Syntax hatten einen Vorbildcharakter für viele Autoren seiner Zeit. Mit der Bibelübersetzung ins Deutsche trug er auch zur Emanzipation der Volkssprache gegenüber dem Lateinischen bei. Wenn die Heilige Schrift in Deutsch vorlag, so gab es keinen Hinderungsgrund dafür, warum die Nationalsprache nicht auch in andere Bereiche vordringen sollte. Wie schon angedeutet, nahm Luther hier einen eher indirekten Einfluß auf die Sprachentwicklung, was aber deswegen nicht weniger bedeutend ist.

Von einem eher direkten Einfluß kann man bei den Aspekten des Wortschatzes und des Stils sprechen. In diesem Abschnitt soll dem Wortschatz nachgegangen werden.

Manfred Lemmer zählt in seinem Aufsatz „Zur Bewertung Luthers Bibelwortschatz im 17./18. Jahrhundert“ fünf verschiedene Beispiele auf, die Luther und die Lexik betreffen. Zum ersten sind es Wörter im lutherischen Sprachgebrauch, die synonymische Konkurrenten aus anderen Sprachlandschaften allmählich zurückdrängen, so daß sie nicht in die Literatursprache aufgenommen werden. So entscheidet er sich in der Septemberbibel schließlich für Splitter anstelle von Sprei ß, oder er bevorzugt fett anstelle von feist. Zum zweiten sind es Wörter, die außerhalb Luthers Sprachraum zwar bekannt, aber nicht mehr gebräuchlich waren, z.B. tauchen oder f ü hlen. Zum dritten sind es Wörter, denen Luther zu einer neuen Bedeutung verhilft, oder diese vor ihm nicht belegt ist. So erweiterte Luther z.B. die Bedeutung von Beruf, worunter zunächst nur <Ruf und Berufung> verstanden wurde, um die heute gängige <Amt, Tätigkeit>. Oder er verändert durch seinen Gebrauch die Wertung eines Begriffs. So war der Pfaffe zunächst einfach ein Weltgeistlicher. Erst Luther belegt ihn mit negativem Sinn. Schließlich führt Lemmer noch die Wortneubildungen an. Hierbei muß man aber vorsichtig hinzufügen, daß nicht alle Neubildungen, die Luther zugeschrieben werden, auch wirklich aus seiner Feder stammen. Man hat sie nur vor ihm nicht nachweisen können. Lange Zeit buchte man Wehmutter auf Luther, später konnte eine Verwendung schon im 15. Jahrhundert in Thüringen nachgewiesen werden. Unter Neubildungen wird meist die Zusammenführung von Wortgefügen zu einem Kompositum oder die Ableitung verstanden. In einer Bibelausgabe von 1522 schreibt er noch kriegs knechte und zins groschen, 1546 hat er diese dann zusammengefaßt und schreibt kriegsknechte und zinsgroschen. Weitere Wortschöpfungen sind z.B. gottgefällig, Wortgezänk, Sündenangst.

Es entstanden aber auch Wörter, die aus Verben und Adjektiven abgeleitet wurden, durch Hinzufügen von Morphemen wie -heit, -keit, -nis und -ung. So z.B. barmhertzickeyt, verdamnis oder ordnung. So konnte die Sprache durch neue Abstrakta angereichert werden, die Luther bei der Bibelübersetzung dringend benötigte. Viele dieser Wortneubildungen entstehen zunächst in religiösem Rahmen und werden erst später auch außerhalb dessen verwandt. Ein Beispiel hierfür ist der Sündenbock, die religiöse Herkunft des Wortes ist noch heute offensichtlich, dennoch gehört es heutzutage aber zum allgemeinen Wortgut.

Neben den Wortneubildungen und Ableitungen schreibt man Luther auch einen großen Verdienst im Bereich der festen Wendungen zu, die Bestandteil einer jeden Sprache sind. Sie arbeiten meist mit einprägsamen Bildern. Zu ihnen zählen idiomatische Wendungen und im weiteren Sinne auch sprichwörtliche Redensarten. Bekannterweise brachte Luther eine Sprichwortsammlung heraus, aber er arbeitete auch viele Sprichworte in seiner Bibelübersetzung ein. Beispiele dafür sind die noch heute geläufigen Redensarten: Recht mu ß (doch) Recht bleiben [Psalm 94,15] oder im Schwei ß e deines Angesichts [I. Mos.3,19].

Manchmal sind Redewendungen Luthers erst nachträglich zum geflügelten Wort avanciert. Im ersten Buch Moses [22,17] ist zu lesen: wie Sand am Ufer des Meeres, heutzutage wird eine verkürzte Form im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt: wie Sand am Meer.

Indem Luther sich dieser bildlichen Sprache bediente, war er keinesfalls ein Einzelfall. Sofern man in dieser Zeit schon von einem Trend sprechen kann, machten sich doch eine Vielzahl von Autoren die volkstümliche Metaphorik zunutze. Zu nennen wären Agricola, Eck, Emser, Hutten usw. Die Nutzung solcher Redensarten fällt natürlich bereits in den Bereich des Wortschatzes, berührt aber auch schon den Stil, der im folgenden Abschnitt behandelt wird.

2.3 Luthers Stil

„Es gehört zu den - wenn auch nicht ganz unumstrittenen - Allgemeinplätzen über die Person des Reformators Martin Luther, dass er ein Meister des Stils gewesen sei.“14 Viel Lob läßt sich finden, so schreibt Klaus Höpcke15 Luther habe eine „Ausdruckskraft, die der Klarheit des Denkens und Fühlens den Ton gab, den das Volk verstand [...]“ Eine Sammlung von Attributen sei hier aufgelistet: anschaulich, wirksam, einfach, klangschön, kreativ, logisch, klar, bildhaft, kraftvoll ... und sie ließe sich noch fortsetzen. Eine solche Sprachgewalt läßt sich schwer abstrakt beschreiben, daher soll im Folgenden direkt an Luthers Wort gearbeitet werden. Die Wahl fiel auf einen Auszug aus der Programmschrift „An den christlichen Adel deutscher Nationen“ von 1520. Es handelt sich hierbei um den ersten sinnzusammenhängenden Abschnitt. Dieser umfaßt zwar fünf Seiten, aber da Luther seinen Text klar gegliedert hat, konnte man ihn auch nicht auseinanderreißen.

Thematisch beschäftigt sich der Text mit der Rolle Roms und des Papstes innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft. Luther spricht sich dabei sehr deutlich gegen den Papst und dessen Selbstverständnis aus. Er fordert die Christen, in diesem Fall den christlichen Adel, dazu auf, sich auf den eigenen Glauben zu verlassen und nicht die römischen Gesetze zu befolgen. Mit dieser Schrift zog er natürlich den Zorn Roms auf sich, woraufhin der Ketzerprozeß gegen ihn wieder aufgenommen wird.

Der vorliegende Text gliedert sich folgendermaßen: Nach einer Anrede der Adressaten Der allerdurchlauchtigsten / Groszmechtigisten Keyserlichen Maiestet / vnd Christlichen Adel deutscher Nation. und der Benennung des Absenders D(oktor) Martinus Luther erfolgt eine kurze Vorrede (S.I, Z.1- 9). In dieser Vorrede rechtfertigt er sich und den Grund seines Schreibens. So sieht er sich, ein eyniger armer mensch [S.I,Z.2], als Sprachrohr für alle stend der Christenheit, die not vnd beschweru(n)g druckt [S.I,Z.2/3]. Er will die Mißstände der römischen Kirche aufzeigen, in der Hoffnung, daß man sich von ihrer tuck und boszeit [Zeile 6] befreien wird.

Die nun folgenden Zeilen [S.I,Z.10-29] erklären den derzeitigen Zustand, das die theuren fursten / keyszer Fridrich der erst / vnd der ander vnd vil mehr deutscher keyszer / szo iemerlich sein von den Bepsten mit fussen tretten vnd vordruckt [S.I, Z.14-16]. Er mahnt zur Gottesfurcht und Demut [S.I, Z.27], um den Papst und seine Gefolgschaft besiegen zu können. Den größten Teil des Gesamttextes nimmt der vierte Abschnitt ein. Hier führt er die drei Mauern an, die sich die Romanisten mit grosser behendickeit / vmb sich zogen [S.I, Z.30]. Wobei die erste Mauer in der Behauptung besteht, daß die weltliche Gewalt keine Macht über die geistliche Gewalt habe, sondern nur umgekehrt. Die zweite Mauer besteht im alleinigen Anspruch, die Heilige Schrift auszulegen. Die dritte Mauer sieht Luther in dem Gesetz, daß nur der Papst selbst ein Konzil einberufen darf. Er greift nun eine Mauer nach der anderen an, Wollen die erste mauer am ersten angreyffenn [S.I, Z.45/46]. Wobei die erste Mauer noch die schwerste Hürde ist, die ander (die zweite) maur / ist noch loszer vnd vntuchtiger [S.III, Z.32] und Die dritte maur fellet von yhr seibs / wo disse erste zwo fallenn [S.IV, Z.19]. Nachdem Luther also die drei römischen Schutzmauern zum Fall gebracht hat, zieht er sein Fazit : Drumb lasset vns fest haltenn / Christliche gewalt / mag nichts widder Christum. [S.V, Z.5] Vnnd das sie (die Romanisten) mit vns allen gleich dem schwert vnterworffen sein [S.V, Z.11]. Der eigentliche Text ist hier noch lange nicht zu Ende, im Anschluß daran beschäftigt sich Luther noch ausführlich mit den Konzilien. Aber der vorliegende Abschnitt wird genügen, um Luthers Stil zu verdeutlichen.

Allein schon die klar strukturierte Gliederung trägt zum allgemeinen Verständnis bei. Gleich zu Beginn führt er das Bild der drei Mauern ein, bekannt aus der griechischen Mythologie, wonach Tartarus (der tiefste Teil der Unterwelt) von drei Mauern umgeben war. Er benennt sogleich die drei Mauern in Kurzform und läßt sie dann nacheinander einstürzen. Einer solchen Struktur kann jeder Leser folgen und sie nachvollziehen. Eben diese, in sich geschlossene Gliederung machte es auch schwer, eine einzelne Textstelle herauszugreifen. Denn Luthers weitere Stilmittel bauen auch auf dieser Struktur auf. Wie schon die Steigerungen in der Art und Weise wie die Mauern fallen zeigen, so ist es auch mit Luthers Redeweise. Im Verlauf der Schrift kommen immer neue Stilmittel hinzu.

Gleich zu Beginn stellt Luther klar heraus, ob er sich an einen Freund oder Feind richtet:

Allerdurchleuchtigister / gnedigste / liebenn herrnn [S.I, Z.1]. Auch wenn diese Anrede eher formelhaft anmutet, so war Luther keineswegs gezwungen, sie auch nach der Adressatenbenennung noch einmal zu verwenden. Luther war dafür bekannt, daß er für seine Feinde durchaus eindeutige Bezeichnungen kreierte. Wie zum Beispiel die Benennung von Papst Julius II als blutseuffer Julium secundum [S.I, Z.17], weil er viele Kriege führte. Oder wenn er seine Gegnerschaft in Rom als fursten der hellenn [S.I, Z.21] tituliert, von gleisner vnd olgotzen [S.I, Z.53] spricht. Karl V erhält jedoch ein positives Attribut: mit dissem edlen blut Carolo [S.I, Z.20]. Eine weitere indirekte Verdeutlichung der Freund/Feind Unterteilung ist die ständige Nutzung von wir, im Sinne von ‘wir Christen’ im Gegensatz zu sie, womit der Papst und seine Gefolgschaft gemeint sind.

Luther schreibt man oft zugute, daß er der Sprache Leben einhauchte. Eine lebendige Sprache war in den Kanzleien auch nicht nötig, da man dort den höchstmöglichen praktischen Nutzen erzielen wollte. Luthers Intention war es vielmehr, den Menschen zu erreichen, weshalb er sich auch sprechsprachlicher Elemente bediente. Dazu zählen die Vielzahl von Kleinwörtern, die er beständig in seine Sätze einflocht. Es sollen an dieser Stelle drei Beispiele genügen : Ja sie trewmet [S.II, Z.27], vnnd doch alle gleich geweyet priester vnd bischoffe [S.II, Z.40], was machen den die Romischen schreyber [S.II, Z. 53]. In allen Beispielen könnten die Wörter problemlos entfernt werden, ohne daß der Sinn dadurch verändert wäre. Doch mit ihnen klingt die Aussage natürlicher, eben weil auch Emotionen des Schreibers vermittelt werden, sie potenzieren die Wirkungskraft der Grundaussage.

Auch die sogenannten Zwillingsformeln finden häufige Verwendung. Die einzelnen Komponenten könnten zwar auch allein stehen, doch erst ihre Verknüpfung (meist mit vnd) erweckt Aufmerksamkeit und da es meist kurze Wörter sind, prägen sie sich auch gut ein.

tuck vnd boszheit [S.I, Z.6], list vnd trug [S.I, Z.45]

Noch eingängiger sind natürlich die Formeln, die den gleichen Anlaut haben: gnad vnd gewalt [S.II, Z.13], werck vnd wort [S.III, Z.18], leyp vnd leben [S.III, Z. 21]. Wobei letzteres Beispiel auch noch im heutigen Sprachgebrauch verwendet wird. Wie schon gesagt, sind beide Komponenten auch eigenständig. Stünde aber beispielsweise nur : gotlich gepot vnd warheit lassen nyderlegen / der wir in der tauffgeschworn haben / bey zustehen mit leyp ... [S.III, Z.20/21] so fehlte die entscheidende Kraft der Aussage. Erst die Formel leyp vnd leben steigert sie so, daß ein Christ das göttliche Gebot und die Wahrheit um alles in der Welt verteidigen soll.

In gewissem Sinn lebt die letzte Formel auch schon vom, für Luther so typischen, bildlichen Charakter. Der vorliegende Textausschnitt baut ja im Grunde auf einem Bild, das der drei Mauern, auf. Das Stilmittel des sprachlichen Bildes zur Veranschaulichung von abstrakten Gegenständen umfaßt noch bedeutend mehr Aspekte. So arbeitet Luther mit menschlichen Sinneseindrücken oder nutzt die Bedeutung menschlicher Gliedmaßen zur Bebilderung seines Anliegens . Nu sehen wir / wie sie mit der Christenheit vmbgahn [S.III, Z.29] oder vnd nichts anders in die augen bilden / dan der elend(e) Christe(n)heit iamer vnd not [S.I, Z.23/24]. Die Augen symbolisieren hier also den direkten Weg des Erkennens und Verstehens. Die Hand wird zum Zeichen für das Anbieten von Hilfe: seine hand zureychen der elende(n) Nation [S.I, Z.5]. Der tretende Fuß zur Darstellung von Demütigung und Unterdrückung: von den Bepsten mit fussen tretten vnd vordruckt [S.I, Z.15/16]. Abstrakte Handlungen werden also lebensnah dargestellt, so daß sie keinesfalls mißverstanden werden können. Im entfernteren Sinn kann man auch das Bild des Korpus mit in diese Kategorie zählen. So beschreibt Luther die Christenheit als einen Körper, wo ein jeder ein einzelnes Gliedmaß ist, womit eine gegenseitige Abhängigkeit (ohne negativen Beigeschmack) zwischen den Menschen impliziert wird. das wir alle ein corper sein des heubts Jesu Christu / en yglicher des andern glidmasz. [S.II, Z.34/35] Und schon wieder einigt er damit die christliche Gemeinschaft, wie es auch schon mit der wir - Form getan hat.

Sogar den Umgang mit der Sprache selbst bebildert Luther. Mit Hilfe seiner Schrift will er die tuck vnd boszheit [S.I, Z. 6] der Römischen Kirche durchleuchten [S.I, Z.7]. Durchleuchten meint hier die genaue Darstellung ihrer Lügen, um so die Allmacht des Papstes in Frage zu stellen. Weiterhin schreibt er der Sprache die Fähigkeit des Kämpfens zu, wobei aber die Bibel für ihn eine unschlagbare Waffe darstellt. Doch das wir nit mit worten widder sie fechte(n) / wollen wir die schrifft her bringe(n). [S.III, Z.41]. Oder wenn Luther den Vorwurf äußert, daß der Papst keinen Beweis in der Bibel anbringen kann, der seine Machtstellung rechtfertigen kann: vnnd mugen auch keinen buchstaben auff bringen [S.III, Z.49]

Eine weitere Gruppe der sprachlichen Bilder sind jene, in denen er abstrakte Handlungen mit Bildern veranschaulicht, die real zwar nicht möglich sind, aber trotzdem für sich sprechen. Nu helf vns got vnd geb vns der Basaunen eine / [...] / das wir disze stroeren vnd papyren mauren auch vmbblassen [S.I, Z.43/44]. Mit Posaunen kann man nichts umblasen und Mauern aus Stroh und Papier werden sich auch nirgends finden. Posaunen sind aber sehr laute Instrumente, die Aufsehen erregen und Stroh und Papier sind leicht zerstörbare Materialien. Luther wählt aber auch abstrakte Bilder, die abstrakte Vorgänge erklären, deren Sinn es ist weiterführende Assoziationen hervorzurufen. Wenn da von einem Spiel die Rede ist [S.I, Z.24/25] hat das Bild nicht nur eine Bedeutung. Ein Spiel verkörpert Glück, Strategie, Gewinnen, Verlieren, Risiko und dergleichen. Nicht zu vergessen sind die christlichen Bilder, die Luther verwendet. Erwähnt sei dabei die Gestalt des Teufels, der des öfteren Erwähnung findet.

In seiner Bibelübersetzung nutzt er sehr häufig Redewendungen, die auch heute noch geläufig sind. Leider fand sich in dem vorliegenden Textausschnitt nur eine einzige, die auch weniger bekannt ist. Yhe grosser die gewalt / yhe grosser vngluck [S.I, Z.26]. Mit diesem kurzen und prägnanten Satz faßt Luther seine einleitenden Worte zusammen und mahnt damit zum Widerstand gegen die päpstliche Gewalt.

Doch nicht nur die schon erwähnten sprachlichen Bilder dienen der Veranschaulichung, auch Gleichnisse oder kleine Geschichten dienen diesem Zweck. Drumb ist des Bischoffs weyhen nit anders / den als wen er an stat vnd person der gantzen samlung / eynen ausz dem hauffen nehme / die alle gleiche gewalt haben / vnd yhm befilh / die selben gewalt / f ü r die andern ausztzurichten / gleich als wen tzehen bruder / kuniges kinder gleich erben / einen erweleten / das erb f ü r sie zuregieren / sie weren yhe alle kunige vnd gleicher gewalt / vnd doch eine(m) zuregieren befolen wirt. Vnd das ichs noch klerer sag / Wen ein heufflin fromer Christen leye(n) wurden gefangen vnnd in ein wusteney gesetzt / die nit bey sich hetten einen geweyheten priester von eine(m) Bischoff / vnnd wurden alda der sachen eynisz / erweleten eynen vnter yhn / er were ehlich odder nit / vnd befilhen ym das ampt zu teuffen / mesz halten / absoluieren / vnd predigenn / der wer warhafftig ein priester / als ob yhn alle Bischoffe vnnd Bepste[408]hetten geweyhet. [S.II, Z.5-12] Hier versucht Luther das Prinzip der Bischofsweihe zu erklären, indem er sie zunächst mit einem weltlichen Geschehen gleichsetzt: gleich als wenn [...]. Kehrt dann aber zum eigentlichen Geltungsbereich zurück, um es noch deutlicher zu machen, Vnd das ichs noch klerer sag, und erweitert den Akt der Weihe auf die einfachen Christen. Der Bischofsweihe wird damit ihre Unnahbarkeit genommen, indem Luther ihr ein weltliches Gegenstück liefert, die Erbengemeinschaft.

Ein Gleichnis mit einem anderen Lebensbereich herzustellen, ist eine Art und Weise der Beweisführung, die andere, viel gewichtigere ist das Bibelzitat. Wie schon erwähnt, ist das göttliche Wort in Luthers Augen eine unanfechtbare Größe. Jede Feststellung oder Behauptung untermauert er mit einer Bibelstelle: wie ym xxxiii. Psalm stet [S.I, Z.13] oder Das aber Christus sagt zu Petro [S.III, Z.54].

Nun fehlt noch eine großes Stilmittel, dessen sich Luther oft bedient, das der dialogischen Redeform.

Hierbei lassen sich zwei Gruppen ausmachen, die rhetorische Frage und die Rede- und Gegenrede. Beide dienen jedoch dem Zweck der Einbindung des Lesers bzw. Hörers. Die rhetorischen Fragen beinhalten ja schon die Antwort, derer sich der Rezipient aber trotzdem erst bewußt werden muß.

warumb solt man yhm den nicht folgenn? hot nit der Bapst viel mal geyrret? wer wolt der Christenheit helffenn / szo der Bapst yrret / wo nit einem andern mehr dan yhm glaubt wurdt / der die schrifft f ü r sich hette? [S.III, Z.46-48]

Der fiktive Dialog, stellt zunächst eine Frage oder gleich einen Fragenkatalog und liefert dann erst die Antwort, auch hier erhält der Rezipient die Möglichkeit, die Fragen für sich selbst schon eher zu beantworten. Warumb ist dein leyp / leben / gut vnd ehr szo frey / vnd nit das meyne / szo wir doch gleich Christen sein / gleich tauff / glaubenn / geyst vnd alle ding haben? Wirt ein priester erschlagen szo ligt ein land ym lnterdict / warumb auch nit wen ein bawr erschlagen wirt? wo kumpt her solchs grosz vnterscheyd / vnter den gleychen Christenn? allein ausz menschen gesetzen vnd tichten. [S.III, Z.12-16]

Die klare Gliederung Luthers Streitschrift, die schon einen positiven Einfluß auf die Verständlichkeit ausübt, wird durch diverse Stilmittel noch verstärkt. Verständlich ist nun auch, warum er als „Meister des Stils“ gilt und seine Sprache als anschaulich, einfach, bildhaft und kraftvoll beschrieben wird. In seiner Bibelübersetzung oder Predigten spielt auch der Rhythmus eine entscheidende Rolle, denn diese Texte waren auf das Hören zugeschnitten. Es finden sich dort dann auch vermehrt Reime oder Vokalspiele. Verständlicherweise weist die Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nationen“ solche Elemente nicht auf. Im Rahmen dieser Arbeit konnten demnach nicht alle Stilmittel erwähnt werden, derer sich Luther bedient. Aber sie gewährt doch einen Einblick, wie Luther die Möglichkeiten der Sprache nutzte, um seinen Gedanken wirkungsvoll Ausdruck zu verleihen. Abschließend muß auch noch gesagt werden, daß der Sprachstil Luthers in dem vorliegenden Auszug nicht unbedingt als einfach beschrieben werden kann. Denn er unterschied sehr feinfühlig, welches Niveau für den jeweiligen Adressaten angebracht war. Vom deutschen Adel konnte er ein höheres Bildungsniveau erwarten, als von der breiten Leserschaft der Bibel.

Zusammenfassend kann man Luthers Stil als gekonnt und ausgefeilt beschreiben. Noch lange nach seinem Tod wirkte er damit auf die nachfolgenden Generationen der Schreibenden fort. Das heißt nicht, daß er ein kanonisches Vorbild war, aber seine Art zu schreiben, hinterließ doch seine Zeichen.

3. Zusammenfassung und Fazit

Martin Luther ist zweifelsfrei eine bedeutende Persönlichkeit im Lauf der Geschichte. Mit dieser Arbeit wurde gezeigt, daß er sowohl im christlichen Glauben als auch in der neuhochdeutschen Sprache bedeutende Spuren hinterlassen hat. Hingegen früheren Betrachtungen wurde sein Wirken auf die heutige Standardsprache relativiert, jedoch nicht negiert. Luther war ein Kind seiner Zeit, seine reformatorischen Gedanken, wie auch sein sprachliches Schaffen folgten schon existenten Traditionen. Sein Verdienst liegt also hauptsächlich in der erfolgreichen Anwendung dieser Traditionslinien und in ihrem Ausbau. Um sein Wirken bildlich zu beschreiben, könnte man ihn als Katalysator von sprachlichen Prozessen beschreiben. Er konnte so wirken, weil er die feinen Mechanismen der Sprache beherrschte und weil er Themen behandelte, die ein breites Publikum erreichten. Die Bedeutung seiner Bibelübersetzung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Luther schenkte der deutschen Nation damit das Wort Gottes in einer für alle verständlichen Sprache. Natürlich erlangt ein solches Werk einen Vorbildcharakter für viele Schreiber in seinem Umfeld und auch über seinen Tod hinaus.

Als herausragend gilt aber weithin sein Stil. Eben aus diesem Grund nimmt dieser Aspekt seines Schaffens auch einen großen Teil dieser Arbeit ein. Es wurde gezeigt, daß er gekonnt sprachliche Mittel einsetzte, um seinen Ideen einen möglichst großen Geltungsbereich zu verschaffen. Luther gehört zu denjenigen, die der deutschen Schriftsprache zu Leben und Seele verhalfen. Jedoch mit der Einschränkung, daß er ein Glied in einer langen Kette ist. Eine Sprache lebt und läßt sich beeinflussen, so auch von Martin Luther.

Der allerdurchleuchtigisten / Groszmechtigisten Keyserlichen Maiestet / vnd Christlichem Adel deutscher Nation.

D(oktor) Martinus Luther.

Gnad vnd sterck von Got zuuor / Allerdurchleuchtigister / gnedigste / liebenn hernn. Es ist nit ausz lautter furwitz noch freuel geschehenn / das ich eyniger armer mensch mich vnterstanden / fur ewrn hohen wirden zu redenn / die not vnd beschweru(n)g / die alle stend der Christenheit / zuuor deutsche landt / druckt / nit allein mich / szondern yderman bewegt hat / viel mal zuschreyen vnd hulffbegere(n) / hat mich auch itzt zwunge(n) zuschreyen / vnnd ruffen / ob got yemand den geyst gebe(n) wolt / seine hand zureychen der elende(n) Nation. Es ist oft durch Concilia etwas furgewa(n)t / aber durch etlicher menschen list / behe(n)diglich vorhyndert vnd ymmer erger worde(n) / wilcher tuck vnd boszheit / ich itzt / got helff mir / durchleuchten gedenck / auf das sie erkant / hynfurt nit mehr / so hynderlich vn(d) schedlich sein mochte(n). Got hat vns ein iungs edlisz blut zum heubt gebe(n) / damit viel hertze(n) zu groser guter hoffnu(n)g erweckt / danebe(n) / wil sichs zymen / das vnser datzu thun / vn(d) der zeit vn(d) gnade nutzlich brauchen.

Das erst / das in disser sache(n) furnehmlich zuthun ist / das wir vns yhe fursehen / mit grossem ernst / vn(d) nit etwas anheben / mit vortrawe(n) grosser macht odder vornunfft / ob gleich aller welt gewalt vnser were / dan got mag vnd wils nit leyde(n) / das ein gut werck werde angefangen / in vortrawen / eygener macht vnd vornu(n)fft.

Er stosset es zu poden / da hilft nichts fur / wie ym .xxxiii. psalm stet / Es wirt kein kunig bestehen / durch seine grosse macht / vn(d) kein her durch die grosze seiner sterck. Vnd ausz dem grund sorg ich sey es vortzeyte(n) kummen / das die theuren fursten / keyszer Fridrich der erst / vnd der ander vnd vil mehr deutscher keyszer / szo iemerlich sein von den Bepsten mit fussen tretten vnd vordruckt / für wilchen sich doch die welt furchtet / Sie haben[406]sich villeicht vorlassen auf yhre macht / mehr dan auff got / drumb habe(n) sie mussen fallen. Vnd was hat zu vnsern zeiten / den blutseuffer Julium secundum szo hoch erhaben / dan das ich besorg / Franckreich / deutschen vn(d) Venedige haben auf sich selb bawet. Es schlugen die kinder beniamin zwei vn(d) viertzig tausent Israelite(n) / darvmb das sie sich auf yhre sterck vorliessenn Judic. xix

Das vns auch nit szo gelinge / mit dissem edlen blut Carolo / mussen wir gewisz sein / das wir in disser sach nit mit menschen / szondern mit den fursten der hellenn handelen / die wol mugen mit krieg vnd blut vorgissen die welt erfullenn / aber sie lassen sich damit nicht vberwinden. Man musz hie mit einem vortzag leyplicher gewalt / in demutigem vortrawen gottis / die sach angreyffen / vnd mit ernstlichem gebet hulff bey got suchenn / vnd nichts anders in die augen bilden / dan der elende(n) Christe(n)heit iamer vnd not / vnangesehen was bosz leut vordienet habe(n) / wo das nit / szo sol sichs spiel wol lassen anfahenn mit grossem schein / aber wen mann hynein kumpt / sollen die boszen geist / ein solch yrrung zurichten / das die gantz welt must ym blut schweben / vnnd dennocht damit nichts auszgericht / drumb last vns hie mit furcht gottis vnd weyszlich handelen. Yhe grosser die gewalt / yhe grosser vngluck / wo nit in gottis furcht vnnd demut gehandelt wirt. Haben die Bepste vnd Romer biszher mugen durch teuffels hulff / die kunig in einander werre(n) / sie mugens auch noch wol thun szo wir on gottis hulff/ mit vnser macht vn(d) kunst fare(n).

Die Romanisten haben drey mauren / mit grosser behendickeit / vmb sich zogen / damit sie sich biszher beschutzt / das sie niemant hat mugenn reformierenn / da durch die gantz Christenheit / grewlich gefallen ist. Zum ersten / wen man hat auf sie drungen / mit weltlicher gewalt / haben sie gesetzt vnd gesagt / weltlich gewalt habe nit recht / vbir sie / sondern widderumb / geystlich sey vbir die weltliche. Zum andern / hat man sie mit der heylige(n) schrifft wolt straffen / setzen sie da kege(n) / Es gepur die schrifft niemant ausztzulegenn / den dem Bapst. Zum dritten drewet man yhn mit einem Concilio / szo ertichten sie / es muge niemant ein Concilium berufen den der Bapst. Alszo haben sie die drey rutten vns heymlich gestolen / das sie mugen vngestrafft sein / vnd sich in sicher befestung diszer dreyer maur gesetzt / alle buberey vnd boszheit zutreyben / die wir dan itzt sehen / vnd ob sie schon ein Concilium musten machen / haben sie doch dasselb zuuor mat gemacht / damit / das sie die fursten zuuor mit eyden vorpflichten / sie bleyben zulassen / wie sie sein. dartzu dem Bapst vollen gewalt geben vbir alle ordnung des Concilii / alszo das gleich gilt / es sein vil Concilia odder kein Concilia / on das sie vns nur mit laruen vnd spiegelfechten betriegen / szo gar greulich fürchten sie der haut[407]für eine(m) rechte(n) freyen Concilio. vnd haben damit kunig vnd fursten schochter gemacht / das sie glewben es were widder got / szo man yhn nit gehorchte in allen solchen schalckhafftige(n) listigen spugnissen.

Nu helf vns got vnd geb vns der Basaunen eine / do mit die mauren Hiericho wurden vmbworffenn / das wir disze stroeren vnd papyren mauren auch vmbblassen / vnd die Christlichen rutten / sund zu straffenn losz machen / des teufels list vnd trug an tag zu bringe(n) / auff das wir durch straff vns bessern / vnnd seine huld widder erlangen. Wollen die erste maur am ersten angreyffenn. Man hats erfunden / das Bapst / Bischoff / Priester / Klostervolck wirt der geystlich stand genent / Furste(n) / Hern / handtwercks vnd ackerleut / der weltlich sta(n)d / wilchs gar ein feyn Co(m)ment vnd gleyssen ist / doch sol niemant darub schuchter werden / vnnd das ausz dem grund. Dan alle Christen / sein warhafftig geystlichs stands / vnnd ist vnter yhn kein vnterscheyd / denn des ampts halben allein, wie Paulus .i. Corint. xii. sagt / das wir alle sampt eyn Corper seinn / doch ein yglich glid sein eygen werck hat / damit es den andern dienet / das macht allis / das wir eine tauff / ein Euangelium / eynen glauben haben / vnnd sein gleyche Christen / den die tauff / Euangeliu(m) vnd glauben / die machen allein geistlich vnd Christen volck. Das aber der Bapst odder Bischoff salbet / blatten macht / ordiniert / weyhet / anders dan leyen / kleydet / mag einen gleisner vnd olgotzen machen / macht aber nymmer mehr / ein Christen odder geystlichen menschen. Dem nach szo werde(n) wir allesampt durch die tauff zu priestern geweyhet. wie sanct Peter .i. Pet. ij. sagt / yhr seit ein kuniglich priesterthum / vnd ein priesterlich kunigreych. Vnd Apoc. Du hast vns gemacht durch dein blut zu priestern vnd kunige(n). dan wo nit ein hoher weyen in vns were / den der Bapst odder Bischof gibt / szo wurd nymmer mehr durch Bapsts vnnd Bischoff weyhen ein priester gemacht / mocht auch noch mesz halten / noch predigenn / noch absoluieren.

Drumb ist des Bischoffs weyhen nit anders / den als wen er an stat vnd person der gantzen samlung / eynen ausz dem hauffen nehme / die alle gleiche gewalt haben / vnd yhm befilh / die selben gewalt / für die andern ausztzurichten / gleich als wen tzehen bruder / kuniges kinder gleich erben / einen erweleten / das erb für sie zuregieren / sie weren yhe alle kunige vnd gleicher gewalt / vnd doch eine(m) zuregieren befolen wirt. Vnd das ichs noch klerer sag / Wen ein heufflin fromer Christen leye(n) wurden gefangen vnnd in ein wusteney gesetzt / die nit bey sich hetten einen geweyheten priester von eine(m) Bischoff / vnnd wurden alda der sachen eynisz / erweleten eynen vnter yhn / er were ehlich odder nit / vnd befilhen ym das ampt zu teuffen / mesz halten / absoluieren / vnd predigenn / der wer warhafftig ein priester / als ob yhn alle Bischoffe vnnd Bepste[408]hetten geweyhet. Daher kumpts / das in der not / ein yglicher teuffen vnd absoluieren kan / das nit muglich were / wen wir nit alle priester weren. Solche grosz gnad vnd gewalt der tauff vn(d) des Christlichen stands / haben sie vns durchs geystlich recht fast nidergelegt vnd vnbekant gemacht. Auff disse weysze erweleten vortzeyten / die Christen ausz de(m) hauffen yhre Bischoff vnd priester / die darnach vo(n) andern Bischoffen wurden bestetiget / on alles prangen das itzt regirt / Szo wart sanct Augustin / Ambrosius Cyprianus Bischoff.

Die weyl dan nu die weltlich gewalt / ist gleych mit vns getauft / hat den selben glauben vnnd Euangelij / mussen wir sie lassen priester vnd Bischoff sein / vnd yr ampt zelen / als ein ampt das da gehore vn(d) nutzlich sey / der Christenlichen gemeyne. Dan was ausz der tauff krochen ist / das mag sich rumen / das es schon priester Bischoff vnd Bapst geweyhet sey / ob wol nit einem yglichen zympt / solch ampt zu vben. Dan weyl wir alle gleich priester sein / muß sich niemant selb erfur thun / vnd sich vnterwinden / an vnszer bewilligen vnd erwelen / das zuthun / des wir alle gleychen gewalt haben / Den was gemeyne ist / mag niemandt on der gemeyne willen vnd befehle an sich nehmen. Vnd wo es geschehe das yemandt erwelet zu solchem ampt / vnd durch seinen miszprauch / wurd abgesetzt / szo were ehr gleich wie vorhyn. Drumb solt ein priester stand nit anders sein in der Christe(n)heit / dan als ein amptman / weil er am ampt ist / geht er vohr / wo ehr abgesetzt / ist ehr ein bawr odder burger wie die andern. Alszo warhafftig ist ein priester nymmer priester / wo er abgesetzt wirt. Aber nu haben sie ertichtet Caracteres indelibiles vn(d) schwetze(n) / das ein abgesetzter priester / dennocht / etwas anders sey / dan ein schlechter leye. Ja sie trewmet / Es mug ein priester nymmer mehr anders den priester odder ein ley werden / das sein alles menschen ertichte rede vnd gesetz.

Szo folget ausz dissem / das leye / priester / fursten / bischoff / vnd wie sie sagen / geistlich vnd weltlich / keynen andern vnterscheyd / ym grund warlich habe(n) / den des ampts odder wercks halben / vnnd nit des stands halbenn / dan sie sein alle geystlichs stands warhafftig priester / bischof / vnd bepste / aber nit gleichs eynerley wercks / gleich wie auch vnter den priestern vnd munchen nit eynerley werck ein yglicher hat. Vnnd das ist sanct Paul Ro. xij. vnd .i. Corint. xij. vnnd Petrus .i. Pet. iij wie ich droben gesagt / das wir alle ein corper sein des heubts Jesu Christi / ein yglicher des andern glidmasz. Christus hat nit zwey noch zweyerley art corper / eine(n) weltlich den andern geistlich. Ein heubt ist / vnd einen corper hat er.

[409]Gleych wie nw die szo mann itzt geystlich heyst / odder priester / bischoff odder bepst / sein von den andern Christen nit weytter noch wirdiger gescheyden / dan das sie das wort gottis vnnd die sacrament sollen handeln / das ist yhr werck vnnd ampt. Alszo hat die weltlich vbirkeit / das schwert vnnd die ruttenn in der hand / die boszen damit zustraffenn / die frummen zuschutzen. Ein schuster / ein schmid / ein bawr / ein yglicher seyns handtwercks / ampt vnnd werck hat / vnnd doch alle gleich geweyhet priester vnd bischoffe / vnnd ein yglich sol mit seinem ampt odder werck / denn andern nutzlich vnnd dienstlich sein / das alszo viellerley werck / alle in eine gemeyn gerichtet sein / leyp vnd seelen zufoddern / gleich wie die glidmasz des corpers alle eyns dem andern dienet.

Nu sich / wie Christlich das gesetzt vnd gesagt sey / weltlich vbirkeit sey nit vber die geystlickeit / sol sie auch nit straffenn. Das ist eben szouil gesagt / die handt sol nichts datzu thun / ob das aug grosz nodt leydet / Ists nit vnnaturlich / schweyg vnchristlich / das ein glid de(m) andern nit helffen / seinem vorterben nit weren sol? Ja yhe edler das glidmasz ist / yhe mehr die andern yhm helffen solle(n). Drumb sag ich / die weil weltlich gewalt von got geordnet ist die boszen zu straffen / vnd die frumen zuschutzen / szo sol man yhr ampt lassen frey gehn vnuorhyndert durch den gantzen corper der Christenheit / niemants angesehen / sie treff Bapst / Bischoff / pfaffen / munch / Nonnen / odder was es ist. Wen so das gnug were / die weltlich gewält zuhyndern / das sie geringer ist vnter den Christlichen empten / den der prediger vnd beichtiger ampt / odder geystliche stand / szo solt mann auch vorhyndern / den schneydern / schustern / steynmetzenn / tzymmerleutenn / koch / kelnern / bawrn / vnd alle zeitlichen handtwercken / das sie dem Bapst / Bischoffen / Priestern / Munchen / kein schu / klei- der / hausz / essen / trincke(n) machte(n) / noch tzynsz geben. Lessit man aber diesen leyen yhre werck vnuorhindert / was machen den die Romischen schreyber / mit yhren gesetzen / das sie sich ausztziehen ausz dem werck weltlicher Christlicher gewalt / das sie nur frey mugen bosz sein / vnd erfüllen was sanct Peter gesagt hat / Es werden falsch meyster vnter euch erstehen / vnd mit falsche(n) ertichten wortten mit euch vmbgehen / euch ym sack zu vorkeuffen.

Drumb sol weltlich Christlich gewalt yhr ampt vben frey vnuorhyndert / vnangesehen obs Bapst / bischoff / priester sey de(n) sie trifft / wer schuldig ist der leyde / was geistlich recht da widder gesagt hat / ist lauter ertichtet Romisch vormessenheit. den also sagt sanct Pauel alle(n) Christe(n) / Ein ygliche seele <ich halt des Bapsts auch> sol vnterthan sein der vbirkeit / de(nn) sie tregt nit vmbsonst das schwert / sie dienet got damit / zur straff der bosen / vnd zu lob den frumen. Auch sanct Petrus / Seyt vnterthan allen menschlichen ordnu(n)gen vmb gottis wilIen / der es szo haben wil. Er hats auch vorkundet / das[410]kummen wurden solch mensche(n) / die die weltlich vbirkeit wurden furachtenn ‚ij. Pet.ij. wie dan geschehenn ist durch geystlich recht.

Also meyn ich / disse erste papyr maur lig darnyder / seyntemal / weltlich hirschaft / ist ein mitglied worden des Christlichen Corpers / vnnd wie wol sie ein leyplich werck hat / doch geystlichs stands ist / darumb yhr werck sol frey vnuorhindert gehen / in alle glidmasz des gantze(n) corpers / straffen vnd treyben / wo es die schuld vordienet odder not foddert / vnangesehen / Bapst / Bischoff / Priester / sie drewen odder bannen / wie sie wollen. Da her kompts / das die schuldigenn priester / szo man sie in das weltlich recht vberantwortet / zuuor entsetzt werden priesterlicher wirden / das doch nit recht were / wo nit zuuor ausz gothicher ordnung das weltlich schwert / vbir die selben gewalt hette. Es ist auch zuuiel / das man szo hoch ym geystliche(n) recht hebt / der geistlichen freyheit / leyp vnnd gutter / gerad als weren die leyen nit auch szo geistlich gute Christen als sie / odder als gehorten sie nichts zur kirche(n). Warumb ist dein leyp / leben / gut vnd ehr szo frey / vnd nit das meyne / szo wir doch gleich Christen sein / gleich tauff / glaubenn / geyst vnd alle ding haben? Wirt ein priester erschlagen szo ligt ein land ym lnterdict / warumb auch nit wen ein bawr erschlagen wirt? wo kumpt her solchs grosz vnterscheyd / vnter den gleychen Christenn? allein ausz menschen gesetzen vnd tichten.

Es musz auch kein gutter geyst sein / der solch ausztzug erfunden / vnd die sund frey vnstreffiich gemacht hat / dan szo wir schuldig sein / widder den boszen geist seine werck vnd wort / zu streytten / vnd yhn vortreyben wie wir mugen / als vns Christ(us) gepeut vnd seine Apostel. wie kemen wir dan datzu / das wir solten stil halten vnd schweygen / wo der Bapst odder die seynenn / teufelisch wort odder werck furnehmen? Solten wir vmbs menschen willenn / gotlich gepot vnnd warheit lassen nyderlegen / der wir in der tauffgeschworn haben / bey zustehen mit leyp vnd leben / furwar wir weren schuldig aller seien die dadurch vorlassen vnd vorfuret wurden. Drumb musz das der heubt teufel selb gesagt haben / das ym geistlichen recht stet / Wen der Bapst szo schedlich bosz were / das er gleich die selenn mit grossen hauffen zum teufel furet / kund man yhn dennocht nit absetzen. Auf diessen vorfluchten / teuffelischen grund bawen sie zu Rom / vnnd meynen / man sol ehe alle weit zum teufel lassen faren / den yhrer buberey widderstrebenn. wen es gnug were doran / das einer vber den andern ist / darumb er nit zustraffen sey / must kein Christen den andern straffenn. Seintemal Christus gepeut / ein yglicher sol sich den vntirsten vnd geringsten halten.

[411]Wo sund ist / da ist schon kein behelft mehr widder die straff / als euch sanct Gregorius schreybt / das wir wol alle gleich sein / aber die schuldt mach einen vnterthan dem andern. Nu sehen wir / wie sie mit der Christenheit vmbgahn. Nemen yhn die freiheit / on alle beweysung ausz der schrifft / mit eygenem freud die got vn(d) die Apostel haben vnterworffen de(m) weltliche(n) schwert / das zubesorgen ist / es sey des Endtchrists spiel / odder sein nehster vorlaufft.

Die ander maur / ist noch loszer vnd vntuchtiger das sie allein wolle(n) meister der schrifft sein / ob sie schon yhr leblang nichts drynnen lernenn / vonnessen sich allein der vbirkeit / kauckeln für vns / mit vnuorschanipte(n) wortten / der Bapst mug nit yrren ym glaubenn / er sey bosz odder frum / mugen desselben nit ein buchstaben antzeygen. Da her kompt es / das szouil ketzerisch vnd vnchristlich / ja vnnaturliche gesetz stehen ym geistliche(n) recht / dauon itzt nit not zuredenn / Dan die weil sie es achten / der heylig geist lasz sie nit / sie sein szo vngeleret vnd bosze wie sie kunden / werden sie kune zusetzen was sie nur wollen. Vnd wo das were / watzu were die heylige schrifft not odder nutze? lasset sie vns vorprennenn / vnnd benugen an denn vngelereten hern zu Rom / die der heylig geyst / ynnenhat / der doch nit dan stume hertzen mag ynnen habenn. Wen ichs nit gelesen het / were myrs vngleublich geweszenn / das der teufel solt zu Rom solch vngeschickt ding furwendenn / vnd anha(n)g gewinnen.

Doch das wir nit mit wortten widder sie fechte(n) / wollen wir die schrifft her bringe(n). Sanct Paul spricht .i. Corint. iiij. szo yemant etwas bcssers offenbar wirt ob ehr schon sitzt / vnd dem andern zuhoret ym gottis wort / so sol der erst der do redt / stilschweygen vnd weychen. Was were disz gebot nutz / szo allein dem zuglewben were / der do redt odder oben ansitzt. Auch Christus sagt Joban. vi. das alle Christen sollen geleret werden von got / szo mag es yhe geschehen / das der Bapst vnd die seinen bosz sein / vnnd nit rechte Christen sein / noch von got geleret rechten vorstand haben. widderumb ein geringer mensch den rechten vorstand haben / warumb solt man yhm den nicht folgenn? hot nit der Bapst viel mal geyrret? wer wolt der Christenheit helffenn / szo der Bapst yrret / wo nit einem andern mehr dan yhm glaubt wurdt / der die schrifft für sich hette?

Drumb ists ein freuel ertichte fabel / vnnd mugen auch keinen buchstaben auff bringen / damit sie bewerenn / das des Bapsts allein sey / die schrifft ausztzulegen / odder yhr auszlegung zubestetigenn / Sie haben yhn die gewalt selbs genommen. Vnd ob sie furgeben es were sanct Peter die gewalt gebenn / da yhm die schlussel seint geben. Ists offenbar gnug / das die schlussel nit allein[412]sanct Petro / sondern der gantzen gemein geben seint. Dartzu die schlussel nit auff die lare odder regiment / szondern allein auff die sunde zupinden odder losen geordnet sein / vnd ist eytel ertichtet ding / was sie anders vnd weytter ausz den schlussel yhn zuschreybenn. Das aber Christus sagt zu Petro. Ich hab für dich gebeten das dein glaub nit zurgehe / mag sich nit streckenn auff denn Bapst / seintemal das mehrer teyl der Bepst on glauben gewesen sein / wie sie selb bekennen mussen / so hat Christus auch nit allein fur Petro gebetten / sondern auch für alle Apostel vnd Christen. wie er sagt Johan. xvij. Vatter ich bitte für sie / die dw mir geben hast / vnnd nit allein für sie / sondern für alle / die durch yhr wort glewben in mich / Ist das nit klar gnug geredt?

Denck dach bey dir selb / Sie mussen bekennen das frume Christen vnter vns sein / die den rechten glaube(n) / geyst / vorstand / wort / vnd meynu(n)g Christi haben / yhe warumb solt man den / der selben wort vnnd vorstand vorwerfen / vnnd dem Bapst folgen der nit glaubenn noch geyst hat? were doch das / den gantzen glauben / vnd die Christenlichen kirche vorleugnet. Item / Es musz yhe nit allein der Bapst recht haben / szo der artickel recht ist / Ich gleub ein heylige Christliche kirche. odder mussen alszo beten / Ich gleub in den bapst zu Rom / vnd alszo die Christliche kirch / gantz in eine(n) menschen zihen / wilchs nit anders dan teuffelisch vnd hellisch yrtumb were.

Vbir das / szo sein wir yhe alle priester / wie droben gesagt ist / alle einen glaube(n) / ein Eua(n)gelij / einerley sacrament habe(n) / wie solten wir den nit auch haben macht / zuschmecken vnd vrteylen / was do recht odder vnrecht ym glaubenn were. wo bleybt das wort Pauli .i. Corrnt. ij. Ein geistlicher mensch richtet alle ding / vnnd wirt von niemants gerichtet. vnd .ij. Corint. iiij. wir haben alle eynen geyst des glauben? / wie solten wir denn nit fulen szo wol als ein vngleubiger bapst / was dem glauben eben odder vneben ist? Ausz dieszem allenn vnd vielen andern spruchen / sollen wir mutig vnd frey werden / vnnd den geyst der freyheit <wie yhn Paulus nennet> nit lassen mit ertichten wortten der Bepst abschrecken / sondern frisch hyndurch / allis was sie thun odder lassen / nach vnserm gleubigen vorsta(n)d der schrift richten / vnd sie zwingen zufolgen dem bessern vnnd nit yhrem eygen vorstand. Muste doch vortzeytenn Abraham seine Sara horen / die doch yhm hertter vnterworffen war / den wir yemant auff erden / szo war die eselynne Balaam auch kluger denn der Propheta selbs / Hat got da durch ein eselinne redet gegen einem Propheten / warumb solt er nit noch reden kunnen durch ein frum mensch gegen dem Bapst? Item sanct Paul straffi sanct Peter als einen yrrigen. Gal. ij. Drumb geburt einem yglichen Christen / das er sich des glaube(n)s annehm / zuuorstehen vnd vorfechten / vnd alle yrtumb zuuordammen.

[413]Die dritte maur fellet von yhr seibs / wo disse erste zwo fallenn / dan wo der bapst widder die schrifft handelt / sein wir schuldig der schrifft bey zustehen / yhn straffen vnd zwingen / nach dem wort Christi Math. xviij. Su(n)diget dein bruder widder dich / szo gang hyn vnd sags yhm zwischen dyr vnnd yhm allein / horet ehr dich nit / szo nym noch einen odder zween zu dir / horet er die fit / szo sag es der gemeyne / horet er die gemeyne nit / szo halt yhn als einen heyden. Hie wirt befohlenn einem yglichenn glid / fur das ander zusorgenn / wieuil mehr sollen wir dartzu thun / wo ein gemeyn regierend gelid vbel handelt / wilchs durch seine(n) handel viel schaden vnd ergernisz gibt den andern / sol ich yhn den vorklagen fur der gemeyne / szo musz ich sie ia zusammenn bringen.

Sie habe(n) auch keinen grund der schrifft / das allein dem Bapst gepur ein Concilium zuberuffen odder bestetigenn / dan allein yhre eygene gesetz / die nit weytter gelten / dan szo ferne sie nit schedlich sein der Christenheit vnd gottis gesetzenn. wo nw der Bapst strefflich ist / horen solch gesetz schon auff / die weyl es schedlich ist der Christenheit / yhn nit straffen durch ein Concilium.

Szo leszen wir Act. xv. das der Apostel Conciliu(m) nit sanct Peter hat beruffen / sondern alle apostel / vnd die eltisten. wo nw sanct Peter das allein het gepurt / were das nit ein Christlich Conciliu(m) / sondern ein ketzrisch Conciliabuium geweszen. Auch das berumptiste Conciium Nicenum / hat der Bischoff zu Rom noch berufen noch bestetiget / sondern der keyszer Co(n)stantinus / vnnd nach yhm viel ander keyszer desselben gleichen than / das doch die allerchristlichsten Concilia geweszen sein. Aber solt der bapst allein die gewalt haben / szo musten sie alle ketzrisch gewesen sein. Auch wen ich ansehe die Co(n)cilia die der bapst gemacht hat / find ich nit besonders das drynnen ist auszgericht.

Darumb / wa es die not foddert / vnd der bapst ergerlich der Christenheit ist / sol dartzu thun wer am ersten kan / als ein trew glid des gantzen corpers / das ein recht frey Conciliu(m) werde / wilch niemandt so wol vormag als das weltlich schwert / sonderlich die weyl sie nu auch mitchristen sein / mitpriester / mitgeystlich / mitmechtig in allen dingen / vnd sol yhre ampt vnd werck das sie von got haben vbir yderman / lassen frey gehe(n) / wo es not vnd nutz ist zugehen. Were das nit ein vnnaturlich furnehmen / szo ein fewr in einer stadt auffgienge / vnd yderman solt stille stehenn / lassen fur vnnd fur brennen was do brennen mag / allein darumb / das sie nit die macht des Burgemeysters hettenn / odder das fewr villeicht ann des Burgemeysteis hausz anhube? ist nit hie einn yglicher burger schuldig die andern zu bewegen vnnd beruffenn? wie viel mehr sol das in der geystlichen stad Christi geschehen / szo ein fewr des ergernisz sich erhebt / es sey an des Bapstes regiment odder wo es wolle. Desselben gleichen geschicht auch szo die feynd eine stadt vberfielen / da vor-[414]dienet der ehr vnd danck / der die an- dern am ersten auff bringt. warumb solt den der nit ehre vordienen / der die heilischen feynd vorkundet / vnd die christen erweckt vnd berufft.

Das sie aber yhre gewalt rumen / der sichs nit zyme widdertzufechtenn / ist gar nichts geredt. Es hat niemant in der Christenheit gewalt / schaden zuthun / odder schaden zuweren / vorpietenn. Es ist kein gewalt in der kirchen / den nur zur besseru(n)g / Drumb wo sich der Bapst wolt der gewalt brauchenn / zuwerenn ein frey Conciliu(m) zumachen / damit vorhyndert wurd die besserung der kirchen / szo sollen wir yhn vnnd seine gewalt nit ansehen / vnd wo er bannen vnd donnern wurd / soit man das furachten / als eins tollen menschen furnehmen / vnd yhn/ in gottis zuuorsicht / widderumb banne(n) vnd treyben / wie man mag / dan solch seine vormessene gewalt ist nichts / er hat sie auch nit / vnd wirt bald mit einem spruch der schrifft nydergelegt / denn Paulus zu den Corinthern sagt / Got hat vns gewalt geben / nit zu vorterben / sondern zubessern die christenheit. Wer wil vber dissen spruch hupffen? des teufels vnd Endchristes gewalt ists / die do weret was zur besserung dienet der christenheit / darumb yhr gar nit zufolgen / sondern widdertzustehen ist / mit leyp / gut / vnd allem was mir vormugenn.

Vnd wo gleich ein wundertzeichen für den Bapst widder die weltlich gewalt geschehe / odder yemandt ein plag widderfure / wie etlich mal sie rumen geschehe(n) sey / sol man dasselb nit anders achte(n) / dan als durch de(n) teuffel geschehe(n) / vmb vnsers glaubens zu got gebreche(n). wie dasselb Christus vorkundigt hat Matt. xxiiij. Es werden kummen in meynem namen falsche Christenn vnd falsche propheten / zeychen vnd wunder thun / das sie auch die auszerweleten mochten vorfuren / vnd sanct Paul sagt den Thessalonicen(ses) das der Endchrist werde durch Satanam mechtig sein / in falschen wundertzeychen.

Drumb lasset vns das fest haltenn / Christliche gewalt / mag nichts widder Christum. wie sanct Paul sagt / wir vormugen nichts widder Christum / sondern für Christo zuthun. Thut sie aber etwas wider Christum / so ist sie des Endchrists vnnd teuffels gewalt / vnd solt sie wunder vnd plagen regnen vnnd schlossen / wunder vnd plagen beweren nichts / sonderlich / in dieszer letzten ergisten zeit / von wilcher falsche wu(n)der vorkundet sein in aller schrifft / drumb mussen wir vns an die Wort gottis halten / mit festem glaube(n) / szo wirt der teuffel seine wunder wol lassen.

Hie mit / hoff ich / sol das falsche lugenballtige schrecken / damit vns nu lange zeit die Romer habenn schuchter vnd blod gewissen gemacht / ernyder[415]liegen. Vnnd das sie mit vns allen gleich dem schwert vnterworffen sein / die schrifft nit macht haben ausztzulegen durch lautter gewalt on kunst. vnd keinen gewalt habe(n) ein Concilium zuweren / odder noch yhrem mutwillen pfenden / vorpflichten / vnnd seine freyheit nehmen / vnnd wo sie das thun / das sie warhafftig des Endtchrists vnd teufels gemeinschafft sein / nichts vo(n) Christo / denn den namen haben.

entnommen aus: Martin Luther, Studienausgabe, Delius, Hans-Ulrich (Hrsg.), in Zusammenarbeit mit Junghans, Helmar; Rogge Joachim; Wartenberg, Günther, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, Band 2, 1982

Literaturliste

1. Luther, Martin, An den christlichen Adel deutscher Nationen, in: Delius, Hans-Ulrich (Hrsg.),Martin Luther, Studienausgabe, Evangelische Verlagsanstalt, Berlin, 1982, Band 2
2. Eckermann, Johann Peter, Gespräche mit Goethe, Aufbau-Verlag, Berlin, Weimar, 1982
3. Schildt, Joachim (Hrsg.), Luthers Sprachschaffen, Linguistische Studien, Reihe A, Arbeitsberichte 119/1, 1984
4. Wolf, Herbert (Hrsg.), Luthers Deutsch - Sprachliche Leistungen und Wirkungen, 1996
5. Arndt, Erwin / Brandt, Gisela, Luther und die deutsche Sprache, Bibliographisches Institut Leipzig, 1983
6. Festschrift für Lauri Seppänen zum 60. Geburtstag, Acta Universitatis Tamperensis, Ser. A Vol. 183, 1984

Aufsätze in Luthers Sprachschaffen (3.)

1. Schildt, Joachim, Martin Luthers deutsches Sprachschaffen
2. Höpcke, Klaus, Luthers Sprachschaffen: Was gibt es dem, der heute schreibt und redet?

Aufsätze in Luthers Deutsch (4.)

1. Pietsch, Paul, Martin Luther und die hochdeutsche Schriftsprache
2. Bach, Heinrich, Wo liegt die entscheidende Wirkung der „Luthersprache“ in der Entwicklung der deutschen Standardsprache?
3. Schildt, Joachim, Zum deutschen Sprachschaffen Martin Luthers
4. Dückert, Joachim, Das Grimmsche Wörterbuch und Luther
5. Arndt, Erwin, Luther im Spiegel der Sprachgeschichte
6. Große Rudolf, Luthers Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Sprache

Aufsatz in Festschrift für Lauri Seppänen zum 60. Geburtstag (6.)

1. Schildt, Joachim, ... vnd den selbigen auff das maul sehen ... - Betrachtungen zum Stil Martin Luthers

[...]


1 Goethe, Johann Wolfgang von, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, S. 580

2 Schildt, Joachim, Martin Luthers deutsches Sprachschaffen, In: Linguistische Studien, 119/1,

3 Aurifabers Ausg. V. 1567, Kap. 69; Colloquia ed. Bindseil I, 263; zitiert in: Pietsch, Paul, Martin Luther und die hochdeutsche Schriftsprache S.31, in: Luthers Deutsch

4 Luther, Martin, Am Schluß der Vorrede zu: Das Allte testament deutzsch; zitiert in: ebd. S.34

5 Beispiele entnommen aus: ebd. S.37

6 Beispiele entnommen aus: Bach, Heinrich, Wo liegt die entscheidende Wirkung der „Luthersprache“ in der Entwicklung der deutschen Standardsprache? S.131, in: Luthers Deutsch

7 Luther, Martin, Sendbrief zum Dolmetschen, nach Wittenberger Fassung; zitiert in: Arndt/Brandt, Luther und die deutsche Sprache, S.34

8 Jungandreas, Wolfgang, Geschichte der deutschen und der englischen Sprache; zitiert in: Schildt, Joachim, Zum deutschen Sprachschaffen Martin Luthers, in: Luthers Deutsch, S.119

9 Grimm, Jakob, zitiert in: Dückert, Joachim, Das Grimmsche Wörterbuch und Luther, in: Luthers Deutsch, S. 149

10 Schirokauer, Arno, zitiert in: Arndt/Brandt, Luther und die deutsche Sprache, S.35

11 Arndt, Erwin, Luther im Spiegel der Sprachgeschichte, in: Luthers Deutsch, S. 89 f

12 Große, Rudolf, Luthers Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Sprache, in: Luthers Deutsch, S.116

13 Bach, Heinrich, Wo liegt die entscheidende Wirkung der „Luthersprache“ in der Entwicklung der deutschen Standardsprache?, in: Luthers Deutsch, S.127

14 Schildt, Joachim, ... vnd den selbigen auff das maul sehen...- Betrachtungen zum Stil Martin Luthers, in: Festschrift für Lauri Seppänen, S.233

15 Höpcke, Klaus, Luthers Sprachschaffen: Was gibt es dem, der heute schreibt und redet?, in: Linguistische Studien, 119/1, S. 9

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Luthers Sprachschaffen
Autor
Jahr
2001
Seiten
25
Katalognummer
V102368
ISBN (eBook)
9783640007516
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Luthers, Sprachschaffen
Arbeit zitieren
Jana Beisker (Autor:in), 2001, Luthers Sprachschaffen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102368

Kommentare

  • Gast am 11.2.2003

    zu luther.

    hallo und guten tag,
    war auf der suche nach dem namen schochter im internet, dabei bin ich auf ihre arbeit über luther gestoßen.
    dort fand ich den namen schochter im zusammenhang mit königen und fürsten.
    könige und fürsten schochter gemacht. wie kann ich das verstehen, können sie mir weiterhelfen.
    vielen dank im voraus
    toni schochter

  • Gast am 25.2.2002

    Fußnoten.

    wo sind die Angaben für die Fußnoten???

Blick ins Buch
Titel: Luthers Sprachschaffen



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