Der Minnesang - Ein entwicklungsgeschichtlicher Einblick in eine literarische Form mittelhochdeutscher Dichtung


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zum Ursprung des Minnesangs

3. Entwicklungsstufen
3.1 Früher donauländischer Minnesang
3.2 Minnesangs Frühling
3.3 Blütezeit des Minnesangs
3.4 Wende des Minnesangs

4. Formaler und musikalischer Aufbau der Minnedichtung

5. Themen und Inhalte des Minnesangs

6. Formen der Minne

7. Zur Überlieferung / Stand der Forschung

8. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfuhr die deutsche Dichtung einen Wandel enormen Ausmaßes: An die Stelle des Klerus als Repräsentant der geistigen Kultur trat nunmehr das Rittertum mit seinen Idealen und Tugenden.

Das Kloster, das einst als Wahrzeichen des kulturellen Weltbildes diente, verlor an Wichtigkeit und wurde hinsichtlich seiner repräsentativen Aufgabe durch die imposanten Burgen der Ritter abgelöst. Der kulturellen Veränderungen entsprechend vollzog sich ebenfalls ein Wandel innerhalb der mittelalterlichen Dichtung. Behandelten die größtenteils dem Klerus angehörigen Autoren zumeist geistliche Themen oder biographische Auszüge adeliger Personen[1], so wandte man sich jetzt verstärkt weltlichen Themen zu.

In dieser Zeit entwickelte sich das ritterlich höfische Epos, das zum einen antike Stoffe wie z.B. die Geschichte um Alexander den Großen oder den Krieg um Troja behandelte, zum anderen den französisch-bretonischen Stoffkreis, dem sich beispielsweise Arthus- und Gralssage zurechnen lassen, aufgriff, und des weiteren auch die französischen Heldenepen, die sich insbesondere um die sagenumwobene Person Karls der Große drehten, nicht außen vor ließ. Bei den ritterlich-höfischen Epen, handelte es sich um eine Standesdichtung, eine Dichtung also, deren Adressanten- und Rezipientenkreis gleichermaßen dem Ritterstand angehörte. Von Spielleuten vorgelesen[2], wurde durch diese Gattung, die sich mir ihrer Versreinheit und -rhythmik als eine gehobene Dichtersprache darstellte, ein Idealbild geschaffen, das als Maßstab des ritterlichen Lebens diente.[3] Eine weitere Standesdichtung des Rittertums bildeten die Volksepen. Die Bezeichnung dieser Gattung rührte demnach nicht vom Adressanten- oder Rezipientenkreis, sondern vielmehr vom Inhalt, der das heimische, dem Volk gut bekannte, von heidnischen Elementen geprägte Sagengut zum Gegenstand machte.[4] Als wohl berühmtestes aller Volksepen gilt noch heute das Nibelungenlied, dessen Autor bis heute unbekannt geblieben ist.

Die dritte Gattung, die sich neben dem ritterlich-höfischen und dem Volksepos entwickelte, widmete sich ebenfalls einem weltlichen Thema – der Minne.

Liebesbotschaften, die unerhörte Anbetung der Frau und die schmerzliche Trennung der Liebenden sind nur einige der Themen, denen sich der Minnesang widmete. Auf den folgenden Seiten soll nun die Entwicklungsgeschichte anhand der verschiedenen Phasen des Minnesangs erörtert werden.

2. Zum Ursprung des Minnesangs

Im Allgemeinen definiert man den Minnesang, der neben der Vagantendichtung[5] und dem Volkslied[6] als wichtigste Erscheinungsform mittelhochdeutscher Lyrik gilt, als Sammelbezeichnung für verschiedenste Formen mittelhochdeutscher Dichtkunst[7], deren Entwicklung sich, chronologisch gesehen, über ein knappes Jahrhundert – von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts – vollzog.[8]

Bezüglich des Ursprungs bzw. der Herkunft dieser Gattung gibt es in der wissenschaftlichen Forschung bis heute keine Einstimmigkeit. Zahlreiche Forscher sahen den Ursprung des Minnesangs in der bereits seit ca. 1100 in der Provence blühenden Liebeslyrik der Troubadours, die durch die Reisen der französischen Trouvères auch in den deutschen Sprachraum ausstrahlte. Von den Liedern jener Trouvères nahm man wiederum an, dass sie durch die seit dem

8. Jahrhundert an arabischen Höfen in Spanien gepflegte Lyrik beeinflusst wurden. Andere Wissenschaftler führten den Ursprung des Minnesangs auf die heimischen Lyriktraditionen zurück und vermuteten einen Einfluss der lateinischen Vagantendichtung. Wieder andere schließlich sahen eine Anregung durch die antike Liebeslyrik z.B. Ovids oder auch durch die Gedankenwelt christlicher Marienverehrung.[9]

Wahrscheinlich trugen alle die in den Thesen genannten Vorbilder als Impulsgeber zur Entwicklung des Minnesangs bei, allerdings lässt sich der Anteil und die Gewichtung der einzelnen vermuteten Einflüsse nicht ausmachen.

3. Entwicklungsstufen

Der Minnesang war wie bereits Eingangs erwähnt, neben den zwei Arten des Epos eine Form der höfischen Dichtung, die eng mit der Entwicklung einer höfisch-ritterlichen Kultur zur Zeit der Stauferkaiser verwoben war. Entsprechend wurde der Minnesang von den Minnesängern besonders gern an kulturellen Zentren wie z.B. im Reichstag, an Fürstenhöfen, aber auch in Städten vorgetragen. Der Vortragende, der in der Regel Dichter und Komponist seiner Dichtung war, entsprang keines bestimmten Standes. Ganz im Gegenteil befand sich unter den Minnesängern eine ansehnliche Bandbreite aller Stände: Sowohl Angehörige des höchsten Adels bis hin zu den Ministerialen, als auch Geistliche, Bürger und sogenanntes fahrendes Volk betätigten sich als Minnesänger, und konnten mehr oder minder erfolgreich sein, wenn sie die Vorstellungen, Normen und Konventionen, an die sie durch die höfische Gesellschaft gebunden waren, respektierten und zu würdigen wussten.

Der erste Sänger, der nachweislich genannt werden kann, war Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien[10], der im provenzalischen Sprachraum, also im Einflussgebiet der Troubadours aktiv war. Um 1160 entstanden dann auch im deutschsprachigen Raum die ersten Minnelieder. Die rund 100 Jahre, in denen der Minnesang zum festen kulturellen Bestandteil der damaligen Gesellschaft gehörte, lassen sich in vier unterliterarische Epochen gliedern, die im Folgenden erläutert werden sollen.

[...]


[1] Vgl. Annolied und Kaiserchronik

[2] Man verzichtete hier auf einen freien Vortrag und bevorzugte das gelesene Wort.

[3] Heinrich von Veldeke gilt mit seinem Werk ‚Eneide’ als Begründer des ritterlich-höfischen Epos, gefolgt von Hartmann von Aues Werken ‚Erec’, ‚Gregorius uf dem Steine’, ‚Der arme Heinrich’ und ‚Iwein’. Auch Wolfram von Eschenbachs ‚Parzival’ und die Bearbeitung von Tristan und Isolde durch Gottfried von Straßburg sind dieser ritterlich-höfischen Dichtung zuzuordnen.

[4] Des weiteren darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass das gemeine Volk derzeit nahezu analphabetisch war und sein Volksgut in mündlicher Tradition überlieferte.

[5] Die Vagantendichtung (lat. Vagari = umherschweifen) gilt als eine umstrittene Bezeichnung weltlicher Dichtung, vor allem des 12. und 13. Jahrhunderts, die insbesondere für die mittellateinische Lyrik verschiedenste Gattung wie z. B. Trink- Spiel- Buhl- Tanz- und Liebeslieder, aber auch Parodien, Schwänke und Satiren hervorbrachte.

[6] Der Begriff des Volksliedes wurde erst später von J.G. Herder geprägt und galt vor allem in der Romantik als Bezeichnung für volkstümliche Lieder von einfacher Struktur, die einem Mythos ähnelnd bereits lange Zeit im Volk lebendig waren und in mündlicher Überlieferung tradiert wurden. Die Abgrenzung von der jeweiligen zeittypischen Dichtung wurde jedoch bereits im Mittelalter durch Begriffe wie ‚vulgares cantiones’ oder ‚rustica carmina’ markiert, und erweiterte sich später mit Begriffen wie Bauernlied, Gassenhauer, Straßenlied etc.

[7] Zumeist ist die ritterlich-höfische Liebeslyrik und Liedkunst gemeint.

[8] Vgl. Räkel, Hans-Herbert: Der deutsche Minnesang – Eine Einführung mit Texten und Materialien. München 1986. S. 14

[9] Vgl. Seibold, Carsten: Deutschland, Österrich, Südtirol – Auf den Spuren der Minnesänger. München 1988. S. 19

[10] Vgl. Räkel, Hans-Herbert: Der deutsche Minnesang – Eine Einführung mit Texten und Materialien. München 1986. S. 21f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Minnesang - Ein entwicklungsgeschichtlicher Einblick in eine literarische Form mittelhochdeutscher Dichtung
Hochschule
Universität Siegen  (Germanistik)
Veranstaltung
Einführung in das Mittelhochdeutsche
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V20467
ISBN (eBook)
9783638243315
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Minnesang, Einblick, Form, Dichtung, Einführung, Mittelhochdeutsche
Arbeit zitieren
Yvonne Vitt (Autor:in), 2002, Der Minnesang - Ein entwicklungsgeschichtlicher Einblick in eine literarische Form mittelhochdeutscher Dichtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20467

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