Unterrichtsstunde: Hoffmanns „Lied der Deutschen“ im Vergleich mit Brechts „Kinderhymne“ (10. Klasse)


Unterrichtsentwurf, 2004

20 Seiten, Note: nur Leistungsschein, keine Note


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die Unterrichtseinheit

2. Die Unterrichtsstunde

3. Unmittelbare Unterrichtsvoraussetzungen

4. Sachanalyse

5. Didaktische Analyse

6. Methodische Möglichkeiten

7. Geplanter Unterrichtsverlauf

8. Anhang

9. Literaturangaben

1. Die Unterrichtseinheit

Die Unterrichtseinheit behandelt das Thema „politische Lyrik“. Die Schüler sollen politische Gedichte aus verschiedenen Epochen kennen lernen. Ziel des Unterrichts ist es weiterhin, die inhaltlichen und formalen Besonderheiten sowie die Tendenz der jeweiligen Gedichte unter Einbezug ihres sozio-kulturellen Kontexts zu erarbeiten und sie untereinander zu vergleichen.

2. Die Unterrichtsstunde

Die geplante Stunde ist die erste Stunde der Unterrichtseinheit. Das Thema der Stunde wird die Analyse von August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens „Das Lied der Deutschen“ und ein anschließender kurzer Vergleich mit Bertolt Brechts „Kinderhymne“ sein, der in der nächsten Stunde weitergeführt wird.

3. Unmittelbare Unterrichtsvoraussetzungen

Die Unterrichtseinheit halte ich in der 10 a, die 27 Schüler umfasst. Der Großteil der Schüler ist deutscher Herkunft; die wenigen Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache beherrschen die deutsche Sprache ebenfalls sehr gut.

Brecht ist den Schülern bereits ein Begriff, da Gegenstand der vorherigen Unterrichtseinheit das Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ mit anschließendem Theaterbesuch im Berliner Ensemble war. Es ist davon auszugehen, dass alle Schüler die Melodie und unter Umständen Teile des Texts der deutschen Nationalhymne kennen. Da sich die Schüler auch mit Brecht zuvor schon auseinandergesetzt haben, stellen die oben genannten Gedichte einen idealen Einstieg in die Unterrichtseinheit dar. Im Verlauf der nächsten Stunden werden wir uns mit sehr unterschiedlicher politischer Lyrik beschäftigen: Unter anderem mit der Marseillaise, einem Sonett von Andreas Gryphius, einigen Werken Heines, einem Gedicht Tucholskys, dem Horst-Wessel-Lied, sowie mit Teilen der politischen Lyrik Johannes R. Bechers und Erich Frieds.

Die 10 a ist mit Sozialformen wie Gruppen- und Partnerarbeit bereits sehr gut vertraut. Im vorangegangenen Unterricht habe ich ein hohes Interesse der Schüler an der Zeit vor, während und kurz nach dem 2. Weltkrieg festgestellt.

4. Sachanalyse

Nationalhymne

Eine Hymne ist ein feierlicher Gesang. Text und Musik werden zu einem Lied verbunden, das religiöse oder weltliche Ereignisse lobpreist. Die ersten Nationalhymnen entstanden Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Sie rühmen den Herrscher, beschreiben historische Daten oder das Heimatland und werden vielfach als Ausdruck des National- und Staatsbewusstseins empfunden. Wie die Nationalflaggen sind sie ein offizielles Symbol nationaler Selbstständigkeit.

Nationalhymnen dienen im zwischenstaatlichen Verkehr zur Begrüßung und Ehrung des Staatsoberhauptes und werden u.a. auch bei Siegerehrungen bedeutender Sportveranstaltungen wie den olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften gespielt.

Deutsche Nationalhymne

Die Melodie der deutschen Nationalhymne stammt von Joseph Haydn. Die als Auftragswerk 1796 entstandene Musik wurde bald als „Kaiserhymne“ bekannt, da der Text, zu dem Haydn die Melodie komponierte, ein Loblied auf den österreichischen Kaiser ist („Gott erhalte Franz den Kaiser“).

Der Text der deutschen Nationalhymne wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben geschrieben. Sein dreistrophiges „Lied der Deutschen“ entstand 1841 auf Helgoland. Anfangs war das Deutschlandlied nur eines unter vielen Liedern, das die Einheit Deutschlands in den damals noch zersplitterten deutschen Gebieten besang.

Erst 1922 wurde Hoffmanns Text zusammen mit Haydns Melodie vom Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) zur offiziellen deutschen Nationalhymne bestimmt. Bereits zu dieser Zeit war das Deutschlandlied ein „nationalistisch-militaristische[r] Kampfgesang“[1]. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus blieb das „Lied der Deutschen“ Teil der Nationalhymne. Nach der Flaggenverfügung von 1933 wurde die erste Strophe des Deutschlandliedes zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied, dem Kampflied der SA, zu einem Gesang verschmolzen. Das Deutschlandlied wurde zu einem Symbol der NS-Diktatur. Es erklang u.a. bei der so genannten „Reichspogromnacht“ am 9. November 1938 und begleitete die deutschen Soldaten bei ihren Eroberungsfeldzügen durch ganz Europa. Auch in den Konzentrationslagern war das Lied „allgegenwärtig“[2].

Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Alliierten das Deutschlandlied zunächst. Trotzdem erfreute es sich sowohl bei Politikern als auch in der Bevölkerung weiterhin großer Beliebtheit. Es kam zu einer mehrjährigen Kontroverse um den Status des Liedes. Drei Jahre nach der Staatsgründung der Bundesrepublik Deutschland endete dieser Disput mit einem Kompromiss. Das gesamte Deutschlandlied wurde wieder Nationalhymne; bei staatlichen Veranstaltungen wurde aber nur die dritte Strophe gespielt und / oder gesungen. Diese Regelung wurde auch nach der Wiedervereinigung von 1990 beibehalten. Die erste Strophe wird auch heutzutage besonders gern von Rechtsextremisten und Rechtsradikalen als Kampflied und zu Provokationszwecken gesungen.

Aufgrund der wechselvollen Geschichte blieb das Deutschlandlied als Nationalhymne sehr umstritten. Befürworter des Liedes verweisen auf den Bekanntheitsgrad des Liedes, auf die Bewahrung von Traditionen, die wesentlich weiter zurück als bis zur Zeit der NS-Diktatur reichen, auf die Zustimmung in der Bevölkerung und auf die Nationalhymnen anderer Nationen, deren Text ebenfalls als militaristisch-nationalistisch eingestuft werden kann. Die Gegner des Deutschlandliedes hingegen führen vor allem den Missbrauch durch die Nazis und die schlimmen Erinnerungen der Opfer der Diktatur an das Deutschlandlied sowie den unzeitgemäßen Text an. Sie argumentieren weiterhin, dass ein demokratisches Deutschland nicht von einer als nationalistisch empfundenen Hymne repräsentiert werden darf und fordern, das demokratische Selbstverständnis mit einer unbelasteten Hymne zu unterstreichen.

Hoffmann von Fallersleben – Das Lied der Deutschen

Autor und Entstehung

- eigentlich August Heinrich Hoffmann, nannte sich selbst von Fallersleben nach seinem Geburtsort Fallersleben bei Braunschweig; lebte von 1798-1874. Dichter und Germanist, heute vor allem wegen seinem „Lied der Deutschen“, das als Text der Nationalhymne dient, bekannt.
- Das „Lied der Deutschen“ entstand 1841 bei einem Urlaubsbesuch Hoffmanns auf Helgoland, das damals noch zum Königreich England gehörte. Es erschien erstmals am 4. September 1841 als Flugblatt bei Hoffmann und Campe, Hamburg zusammen mit der Melodie Haydns und einem Bild des Dichters.[3]

Analyse und Interpretation

Im Folgenden werde ich mich wegen ihrer Umstrittenheit besonders ausführlich mit der ersten Strophe auseinandersetzen. Die anderen Strophen werde ich etwas kürzer abhandeln.

Das Gedicht besteht aus 3 Strophen mit je 8 Versen. Das Reimschema folgt der Form abcbdbeb. Der Titel „Lied der Deutschen“ ist programmatisch. Es richtet sich an alle Deutschen, d.h. alle Deutschsprechenden, da zum Zeitpunkt der Entstehung noch kein deutsches Reich existierte. Dieser letztgenannte Umstand wird im Verlauf des Gedichtes noch mehrmals von Wichtigkeit sein.

Die erste Strophe beginnt sehr emotional und patriotisch – oder doch nationalistisch? - mit Deutschland, Deutschland über alles, / Über alles in der Welt,. Deutschland wird überhöhend gepriesen, nämlich Über alles in der Welt. Durch die zweifache Nennung gleich zu Beginn wird der Effekt noch verstärkt. Deutschland steht damit zugleich über dem Einzelnen, den Kleinstaaten des deutschen Bundes, aber auch über allen anderen Nationalstaaten. Es folgt der als Aufforderung zu lesende Zweizeiler Wenn es stets zum Schutz und Trutze / Brüderlich zusammen hält,. Das deutsche Volk soll brüderlich zusammenhalten, um sich gegen Feinde von außen zu schützen und ihnen zu trotzen, d.h. Widerstand zu leisten bzw. sie herauszufordern[4]. So wird das Bild einer verschworen Gemeinschaft von Brüdern entworfen. Die Zeilen fünf und sechs der ersten Strophe geben Aufschluss über die geographischen Begrenzungen dieses zu erstrebenden politischen Gebildes Deutschland: Nämlich Von der Maas bis an die Memel, / von der Etsch bis an den Belt -. Alle vier Nomen sind Bezeichnungen für Flüsse: Die Maas liegt im heutigen Belgien und Frankreich, die Memel in Litauen, der Belt in Dänemark und die Etsch in Oberitalien. Die Deutung dieser Passage ist ebenso umstritten wie der Passus Deutschland über alles. Die Flüsse werden von verschiedenen Autoren entweder als damalige Grenzen des deutschen Bundes bezeichnet oder als Wunschtraum einer imperialistischen Zielsetzung interpretiert.[5] Die erste Strophe endet mit der Wiederholung der ersten beiden Verse: Deutschland, Deutschland über alles, / Über alles in der Welt!.

Zu Beginn der zweiten Strophe werden bestimmte den Deutschen eigene ‚Dinge’ und Charaktereigenschaften gepriesen: Deutsche Frauen, deutsche Treue, / Deutscher Wein und deutscher Sang / Sollen in der Welt behalten Ihren alten schönen Klang,. Durch die vierfache Verwendung des Adjektivs deutsch wird das in der ersten Strophe heraufbeschworene Einheitsgefühl weiter verstärkt. Die Formulierung alter schöner Klang suggeriert eine lange Tradition des Gesamtdeutschen, die objektiv aufgrund der Zersplitterung in viele Kleinstaaten nicht vorhanden ist. In den folgenden zwei Versen wird das Possesivpronomen uns zweifach verwendet und unterstreicht so das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen nochmals. Die Strophe endet wieder mit der Wiederholung der ersten beiden Verse Deutsche Frauen….

[...]


[1] Neumann / Landesbildstelle Berlin 1990: 13.

[2] Ortmeyer 1991: 21.

[3] Der komplette Titel des Hamburger Erstdrucks lautet [zitiert nach Neumann / Landesbildstelle Berlin 1990: 10]: „Das Lied der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben. Melodie nach Joseph Haydn’s: ‚Gott erhalte Franz den Kaiser’, Unsern guten Franz!’. Arrangiert für die Singstimme mit Begleitung des Pianoforte und der Guitarre (Text Eigentum der Verleger). 1. September 1841. Hamburg, Hoffmann und Campe, Stuttgart, bei Paul Neff. 4. Bill. Gr. 8˚. Satz und Stereotypie von Fabricius (Preis 2 g. Groschen).“

[4] Quelle: Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm.

[5] Vgl. Ortmeyer 1991.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Unterrichtsstunde: Hoffmanns „Lied der Deutschen“ im Vergleich mit Brechts „Kinderhymne“ (10. Klasse)
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Theorie und Praxis der Unterrichtsplanung im Fach Deutsch
Note
nur Leistungsschein, keine Note
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V39690
ISBN (eBook)
9783638384049
Dateigröße
448 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In einer 10. Klasse soll im Rahmen des Oberthemas "politische Lyrik" zunächst die Nationalhymne (Text aller drei Strophen + Musik) behandelt werden und dann mit Brechts Alternativhymne "Kinderhymne" verglichen werden. Inhalte: Situierung, Sachanalyse, Didaktische Analyse, Methodische Möglichkeiten, Geplanter Unterrichtsverlauf, Anhang mit Materialien.
Schlagworte
Unterrichtsstunde, Hoffmanns, Deutschen“, Vergleich, Brechts, Klasse), Theorie, Praxis, Unterrichtsplanung, Fach, Deutsch
Arbeit zitieren
Martin Lehmannn (Autor:in), 2004, Unterrichtsstunde: Hoffmanns „Lied der Deutschen“ im Vergleich mit Brechts „Kinderhymne“ (10. Klasse), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39690

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