Spielarten der Minne - Minnesang


Seminararbeit, 2002

23 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Einleitung

Was bedeutet der Begriff Minne eigentlich?

Das mittelhochdeutsche Wort ist nicht einfach zu übersetzen. Es ist nicht nur der Terminus für die erotische Beziehung zwischen Mann und Frau, es kann auch einen sakralen Hintergrund haben und als Ausdruck für die Verbundenheit zu Gott stehen. Ebenso möglich ist das Verhältnis zwischen Lehnsmann und Herrn unter diesem Begriff zu deuten.[1] Je nach Kontext bekommt die „Minne“ eine andere Bedeutung, aber immer im Zusammenhang mit einer gewissen Zusammengehörigkeit zweier Individuen. Schließlich verdrängte das neuhochdeutsche Wort „Liebe“ die alte Bezeichnung.

Unter Minnesang versteht man die Lieder, die im Mittelalter von ritterlichen Sängern und Berufssängern an den Höfen der adligen Gesellschaft vorgetragen wurden.

Aus der Fülle dieser Liebeslieder kann man schließen, dass sie bei der damaligen literaturtragenden Gesellschaft gut angekommen sind, denn sie musste immer wieder danach verlangt haben. Man kann auch noch eine weitere These aufstellen, werden die Lieder inhaltlich verglichen. Der Begriff Minne bekommt von Autor zu Autor eine neue, andere Note. Der Minnesang ist also ein Teil einer umfassenden Auseinandersetzung mit der Liebe, die die höfische Literatur beherrschte. Die Liebe war für die Gesellschaft ein solches Phänomen und von solcher Wichtigkeit, dass man versuchte ihre Psychologie, ihre Mechanismen und ihre Wirkungen zu ergründen.[2] So entstanden verschiedene Spielarten der Minne, die diese besagte Note ausmachen.

Die Wurzeln der Diskussion über verschiedenste Liebesauffassungen kamen aus noch früherer Zeit und stammten aus Frankreich. Dort debattierte man in der französischen Adelsgesellschaft darüber, was manchmal sogar in eine Art Gesellschaftsspiel ausartete, welches nach dem Muster eines Rechtsstreits inszeniert wurde. Eleonore von Aquitanien führte solche „Liebeshöfe“ ein, dort urteilten die Damen bei Hof über Liebesdinge.

Die verschiedenen Liebeskonzepte fasst man heute unter dem Begriff der höfischen Liebe „amour courtois“ zusammen.

In dieser Arbeit sollen die vier Hauptspielarten näher betrachtet werden, die den Minnesang während seiner Blütezeit (Mitte 12. Jahrhundert bis Ende 13. Jahrhundert) in Deutschland bestimmten.

1. Wechselseitige Minne

Die wechselseitige Minne ist eine überzeitliche Spielart. Man findet sie vor allem in Liedern des frühen Minnesangs, doch auch in der weiteren Geschichte desselben ist sie durchaus vorhanden. Die ältesten Lieder ca. 1160, stammen aus dem bayrisch-österreichischen Raum. Zunächst bestehen sie noch aus einzelnen Strophen von zum Teil anonymen Autoren, zum Teil aber auch Bezeugten. Da sind zu nennen „Der von Kürenberg“, Dietmar von Aist, die Burggrafen von Regensburg und Rietenburg, sowie der Schwabe Meinloh von Sevelingen.

Charakteristika, der wechselseitigen Minne

Kennzeichnend für diese Spielart ist, dass das lyrische Ich nicht nur dem Mann vorbehalten ist, sondern auch die Frau sprechen kann. Dialogisch aufgebaute Lieder, sind unter der Bezeichnung „Wechsel“ zusammengefasst.

Lieder, in denen die wechselseitige Minne vorherrscht, handeln von erotischen Beziehungen zwischen Mann und Frau, beiderseitigem Kontaktsuchen und inneren und äußeren Hemmnissen. Gefühle wie Begehren, Sehnsucht, Hoffnung, Zweifel am Partner und Selbstzweifel sind dabei Handlungsschwerpunkte. Weitere Themen sind Emotionen im Vorfeld einer Liebesbeziehung, Hemmungen vor einer Gefühlsäußerung, Wiederstände vor einer Kontaktaufnahme, aber auch die Enttäuschung über manchmal nur scheinbare mangelnde Resonanz beim Partner wird häufig zum Gegen-stand des Inhaltes der Lieder.[3]

Glück ist selten zu finden, denn die Liebe zwischen den beiden Personen, von denen die Lieder handeln, steht trotzdem im Widerspruch zu den Normen der Sitte.

Um der Sitte gerecht zu bleiben gibt es verschiede Instanzen, die sich den Liebenden entgegenstellen. Zum einen die „merker“, die Aufpasser, und zum anderen die „huote“, die über die Frau wachende Aufsichtsinstitution. Dabei erfährt zumeist die Frau das Leid, denn für den Ritter ist die Minne eher eine glückliche, sein Selbstwertgefühl erhöhende Erfahrung. Außerdem hat die Frau nicht selten mit der Untreue des Mannes zu kämpfen. Was dem Mann zusteht, steht ihr noch lange nicht zu. Dazu schreibt Ingrid Kasten: „In der unterschiedlichen Art, in der Liebe von Mann und Frau erfahren wird, macht sich ein von patriarchalischen Strukturen geprägtes Denken geltend, das zwar die sexuelle Freizügigkeit des Mannes toleriert, nicht aber die der Frau. Von diesem Denken ist auch das Rollenverständnis der Frau bestimmt. Denn die – von Männern verfassten Frauenstrophen bestätigen mittelbar die in den Männern behauptete erotische Attraktivität und Ungebundenheit des Mannes und suggerieren, dass die Frau für sich das Recht auf eine freie Liebe nicht beanspruchen kann.“[4]

2. Hohe Minne

Besonderes Interesse fand man ebenso darin, dass die Liebe eine sittliche Vervollkommnung des Menschen bewirken sollte. Auf dieser Grundlage wurden wiederum verschiedene Liebeskonzepte entwickelt, wovon eine Erscheinungsform unter der Bezeichnung „Hohe Minne“ zusammengefasst wird. Ihr Beginn kann etwa um 1170/80 verzeichnet werden, doch dominant wird das Phänomen erst um 1200, zieht sich dann jedoch das ganze 13. Jahrhundert hindurch.

Die Hohe Minne hebt sich durch eigene „Regeln“ von den anderen Liebesauffassungen deutlich ab und wird in neuzeitlichen Darstellungen nicht selten mit dem Minnesang schlechthin gleichgesetzt. Vor allem die Hohe Minne hat ihre Vorgänger in Frankreich. Die an den Höfen Südfrankreichs wirkenden Liederdichter, die Trobadors, hatten dort das Konzept des Frauendienstes entwickelt. Diese und die Trouveres, die nordfranzösischen Liederdichter, vermittelten das Frauendienstkonzept an die deutschen Minnesänger. Diese betonten allerdings den sinnlichen Charakter der Liebe viel weniger, was sich dann im Hohen Minnesang ausprägte. Der Minnesang, Frauendienst und die Hohe Minne stehen also in einem unmittelbaren Zusammenhang.

2.1 Charakteristika, Themen und Handlungsschwerpunkte der hohen Minne

Dieses Minneverhältnis ist einseitig. Als lyrisches Ich erscheint jetzt nur noch der Ritter. Im Gegensatz zur wechselseitigen Minne, bei welcher die Frau die Leiderfahrende ist, wird das Dominanzverhältnis zwischen Mann und Frau nun umgekehrt, und dieses kann man auch als auffallendstes Charakteristikum der Hohen Minne bezeichnen. Nun steht plötzlich die Frau über dem Mann. Sie wird zu seiner Herrin, zum „summum bonum“ des höfischen Daseins.[5] Das Ganze bekommt einen Touch von lehnsrechtlichen Vorstellungen. Das Verhältnis der beiden Geschlechter ist somit durch eine besondere Distanz bestimmt. Es ist nicht ehelich und daher illegitim. Der Frauendienst fordert, dass die Frau die Liebe des Mannes nie erwidert, und daher bekommt diese Liebeskonstellation einen widersinnigen Charakter.

Der Mann erscheint als einziger Träger dieser Liebeserfahrung, und durch die Stilisierung der Frau durch einige Autoren erscheint es manchmal fragwürdig, ob die besagte Dame überhaupt existiert.

Die Hauptelemente der Lieder der Hohen Minne sind in erster Linie der Frauenpreis und Treuebekundungen durch den ritterlichen Sänger.

Die Lieder werden geprägt durch die Unterwerfung des Mannes als „dienstman“ mit der Bitte um Lohn für seinen Dienst, seine ergebungsvolle Treue und Beständigkeit.

Die Minnelieder werden zu Werbeliedern, die davon handeln, dass der Sänger die Dame preist und trotz ihrer Nichterhörung ihr fortwährend treu bleibt. Die Männer preisen die sittliche Vollkommenheit der Frau und somit wird diese zum Inbegriff der Tugend selbst.

[...]


[1] Vergl. Brackert, Helmut: Minnesang. Frankfurt am Main 1983. S. 261.

[2] Solche Studien sind nachzulesen in: Schnell, Rüdiger: Causa amoris. Liebeskonzeptionen und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur. Bern/München 1985.

[3] Vergl. Schweikle, Günther: Minnesang. Stuttgart Weimar, 1995. S. 170.

[4] Kasten, Ingrid: Minnesang. In: Deutsche Literatur-Eine Sozialgeschichte. Hg. Horst Albert Glaser. Bd. 1. Hamburg. 1988. S.172.

Vergl. Kuhn, Hugo. Determinanten der Liebe. In: Der deutsche Minnesang. Hg. Hans- Herbert s. Räkel. München. 1986. S. 141.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Spielarten der Minne - Minnesang
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Germanistik)
Veranstaltung
Seminar: Liebeslyrik des Mittelalters
Note
gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V21147
ISBN (eBook)
9783638248310
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Spielarten, Minne, Minnesang, Seminar, Liebeslyrik, Mittelalters
Arbeit zitieren
Johanna Quednau (Autor:in), 2002, Spielarten der Minne - Minnesang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21147

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