Vom klassischen Orff-Instrumentarium zur modernen Perkussion in der Musikpädagogik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Das „Elementare“ bei Orff

III. Carl Orff – ein biographischer Überblick

IV. Das Orff-Instrumentaium
4.1 Stabspiele
4.1.1 Holzstabspiele
4.1.2 Metallstabspiele
4.2 Das kleine Schlagwerk
4.3 Das große Schlagwerk
4.4 Weitere Instrumente des Orff-Schulwerks

V. Das Instrumentarium des Orff-Schulwerks im zeitlichen Wandel
5.1 Güntherschule
5.2 „Musik für Kinder“

VI. Improvisation

VII. Das Schlagwerk in der heutigen Musikpädagogik

VIII. Ausblick

IX. Quellenverzeichnis

I. Einleitung

Perkussion ist heutzutage in der praxisorientierten Musikpädagogik nicht mehr wegzudenken. Sei es im Kindergarten, im Musikunterricht der Schule oder in der musikalischen Früherziehung – Perkussionsinstrumente und damit eine Weiterentwicklung des Orff-Instrumentariums – bilden einen festen Bestandteil für die Erziehung von Musik und Bewegung. So entwickelte sich im Laufe der Jahre vom Orff-Instrumentarium ausgehend ein breites Spektrum an Perkussionsinstrumenten, deren Ursprung aus vielen verschiedenen Musikkulturen herrührt und meist im Zusammenhang mit Liedern oder Geschichten zum Einsatz kommt.

Die ersten Vorreiter dieser Entwicklung waren berühmte Pädagogen wie J. H. Pestalozzi oder E. Jaques-Dalcroze in seiner rhythmischen Gymnastik um die Jahrhundertwende. Auch Carl Orff begleitete ganz zu Anfang seine Schüler in der Güntherschule nur am Klavier – allerdings fand er sehr schnell Lösungen für ein geeignetes, die Rhythmik unterstützendes Klangbild zur Begleitung der Tänze. Es sollte eine Einheit zwischen Musik und Bewegung gebildet werden, weswegen Orff sich auch um Instrumente bemühte, die von den teilweise musikalisch unerfahrenen Tänzern ausgeübt werden konnten. Durch sein reges Interesse an fremden Musikkulturen sowie an der Musik des Mittelalters entwickelte Orff ein spezielles Instrumentarium, welches hauptsächlich aus Schlaginstrumenten besteht.

In jeder Musikkultur gelten die Perkussionsinstrumente als wesentlicher Bestandteil der Musik, so dass die zentrale Funktion dieser auch in die Musikpädagogik mit einbezogen werden muß. Orff befasste sich als einer der ersten Pädagogen mit der Einbeziehung von Schlaginstrumenten in die Musikerziehung. Da ihm das Natürliche und die Lebendigkeit der Musik sehr am Herzen lag, arbeitete er mit Mitarbeitern ein Schulwerk heraus, in dem er die Musik, den Rhythmus und den Tanz zu vereinen wußte. Die Kombination aus diesen drei Elementen fasste er unter den Begriff „elementare Musikübung“ zusammen. Ein wichtiger Punkt war auch die Improvisation, um eine wirkliche Spontaneität, Phantasie und Kreativität – die eigentlichen Grundsätze der Musik – zu verwirklichen.

Die folgende Ausarbeitung soll einen Überblick über die Entstehung des Orff-Instrumentariums bilden, die Ausweitung und Weiterentwicklung desselben aufzeigen, um das heutige Schlagwerk in der Musikpädagogik zu begründen.

II. Das „Elementare“

Der Begriff „Elementar“ umfasst im Allgemeinen alles, was grundlegend und wesentlich ist und selbst einem Anfänger oder Unerfahrenen bekannt. In diesem Zusammenhang wird dieser Begriff mit Musikübung in Verbindung gesetzt, dessen Definition wie folgt lautet:

Orff verstand das Elementare alsunlösbare Einheit von Musik, Bewegung und Spiel. Sie ist eine Musik, die man selbst tun muß, in die man nicht als Hörer, sondern als Mitspieler einbezogen ist. Sie ist vorgeistig, kennt keine große Form, keine Architektonik, sie bringt kleine Reihenformen, Ostinati und kleine Rondoformen. Elementare Musik ist erdnah, naturhaft, körperlich, für jeden erlernbar und dem Kinde gemäß.[1]

Deswegen fordert Orff die enge Verbindung von Bewegung und Musik, da er denSinn für die innere Bewegung, für die Ganzheit sowohl eines Rhythmus als auch einer Melodiewecken möchte. Diesen Grundsatz bildet Orff auch alsoberste Aufgabe des Schulwerks.[2]

Außerdem ist es ihm sehr wichtig, daß die enge Verbindung des Rhythmus mit der Musik kein leeres, auswendig gelerntes, totes Gebilde ist, sondern als jeweils das Lebendige und die Improvisation unterstützende Element gesehen wird. Durch diese Erkenntnis bildet der Pädagoge in seinen zahlreichen Studien vor allem an der Güntherschule seine rhythmisch-melodische Übung heraus, dessen beiden Teile in der Übung zwar äußerlich betrachtet erst in den nur rhythmischen und in den rhythmisch-melodischen Teil zerfallen, aber nie wirklich getrennt als separate Teile durchgearbeitet werden sollten.

Als grundlegende Form des Schulwerks wird das Arbeiten in der Gruppe gesehen. Dadurch kann erst ein Miteinander im Musizieren und Improvisieren entstehen, es entspricht der Natur des elementaren Musizierens.

Obwohl man zwar das eigentliche Ziel des Schulwerks nur im Gruppenunterricht verwirklichen kann, dienen Einzelübungen als unumgängliche Hilfe zur richtigen Beherrschung der elementare Darstellungsmittel und ihrer Techniken.[3]

Festzuhalten ist immer der Modellcharakter des Schulwerks, der die improvisatorische und didaktische Freiheit als wichtigsten Grundsatz nimmt.

So werdenrhythmische Übungen, Sprechen, Singen, Instrumentalspiel (Trommel, Pauken, Stabspiele, Blockflöten), Improvisations- und Dirigierübung[4]im Rahmen des Schulwerks gelehrt. Neben dem Einüben des Instrumentariums werden die Kinder mit den theoretischen Grundlagen wie Tonarten, Dur und Moll etc. vertraut gemacht.

III. Carl Orff – ein biographischer Überblick

Carl Orff wurde als Sohn einer alten bayrischen Offiziersfamilie am 10.Juli 1895 in München geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums schlossen sich ab 1913 Studienjahre an der Akademie der Tonkunst an. Schon sehr früh setzt sich Orff mit der Musik auseinander – erlernte er schließlich seit seinem fünften Lebensjahr in privatem Musikunterricht Klavier, Orgel und Cello. Schon in jungen Jahren begeisterte er sich für rhythmische Instrumente, was durch seinen Wunsch Pauke zu lernen, zum Ausdruck kam. Auch mit der Improvisation befasste er sich früh und zog sie dem alltäglichen Üben am Klavier immer vor.

Die eigentliche, für sein kompositorisches und pädagogisches Schaffen wichtige Ausbildung lernte Orff autodidaktisch. So setzte er sich zum Beispiel intensiv mit Kompositionstechniken von R. Strauss, G. Mahler, C. Debussy und A. Schönberg auseinander. Noch bevor er in Harmonielehre unterrichtet wurde, verfasste er schon seine ersten Kompositionen, die ausschließlich Liedvertonungen beinhalteten.

Ein gutes Gefühl für Rhythmik und die Faszination der Schlaginstrumente zeigt er schon in seinem ersten Chorwerk, welches er 1912 verfasste. So schrieb er für das Stück eine recht originelle Besetzung vor, die für ein Bariton-Solo, drei Chöre und Orchester mit Orgel komponiert ist. In der orchestralen Besetzung kann man schon deutliche Grundzüge seines kompositorischen Stils erkennen, der zum Beispiel in der „Carmina Burana“ in vollendeter Form zum Ausdruck kommt. So verwendet er zum Einen eine im aus drei Teilen bestehenden Werk unterschiedliche Besetzung, die wie folgt aufgeführt wird:

Teil I: Oboe d’amore, Englischhorn, Klarinette, Fagott, Kontrafagott, 4 Hörner, Posaune, Tuba, Tamtam.

Teil II: Oboe, Klarinette, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 2 Tuben, Tamtam, Pauken, Harfe.

Teil III: Flöten, Oboe, Oboe D’amore, Englischhorn, Klarinette, Bassklarinette, Fagott,

Kontrafagott, Blechinstrumente, Klaviere, 2 Harfen, Schlagwerk.

Der Komponist steigert hier pro Teil den Umfang der an sich schon recht ungewöhnlichen Besetzung, die sich auch im Schlagwerk niederschlägt. Vieles in seinem späteren Schaffen – sei es aus kompositorischer oder pädagogischer Sicht – kann man allein durch diese besondere Wahl der Besetzung leichter verstehen. Sicherlich orientiert sich Orff auch an Kompositionstechniken und Besetzungswahl von Debussy und anderen Vorbildern, doch vieles entsteht durch seine ihm völlig eigene und sehr bewusste Klangvorstellung.

1915 bis 1917 war er als Korrepetitor und Kapellmeister am Theater – den Münchner Kammerspielen – tätig. Dort nahm er viele Anregungen aus dem Schauspiel mit, was in seinen Opernwerken später stark zum Ausdruck kommt. Während seiner Heeresdienst-zeit im Jahr 1917 bahnte sich eine innere Krise an, diezu einer völligen Wende in seinem kompositorischen Schaffen führte.[5]

In dieser Zeit danach widmete er sich vermehrt der alten Musik, was ihn unweigerlich mit den Werken Orlando di Lassos, Palästrinas und schließlich auch Monteverdis zusammenbrachte. Währenddessen faszinierte ihn die neue Tanzbewegung, die in Schwabing sehr intensiv praktiziert wurde. Besonders Mary Wigman und Rudolf von Laban begeisterten ihn und ließ sich in seinem pädagogische Schaffen von ihnen inspirieren. Diese vorangegangenen Eindrücke schließlich brachten ihn auf die nähere Beschäftigung mit Musik und Bewegung als Einheit. Ab 1921 nahm Orff ein Studium bei Heinrich Kaminsky für ein Jahr auf, dem allerdings nun eine völlige Abwendung von zeitgenössischer Musik folgte.

Während der Bearbeitung von Monteverdis Oper „Orfeo“ arbeitete er mit Dorothee Günther, die den Text der Oper ins Deutsche übertrug, erstmals zusammen. Durch ihre gemeinsame Arbeit bildeten sich erste Gedanken für die Gründungeiner Gymnastikschule mit einem innovativen musikalischen Konzept für Gymnastik und Tanz.[6]

Daraufhin gründeten sie am 1.September 1924 die Güntherschule, deren tänzerische Leitung Günther und Orff die musikalische Führung übernahmen. Günther beschreibt Ihre Absichten in ihrer „Einführung zu Grundlagen und Aufbau des Musikschulwerks“ alseinen Weg zur Wiederherstellung der naturgegebenen Einheit von Musik und Bewegung – Musik und Tanz. Ein Weg, der nicht nur für einige intuitive Künstler gangbar sein, sondern der eine pädagogische Lösung bringen sollte, die es ermöglichte, allgemein im Menschen wieder rhythmische Schwingung, Aufnahme- und Gebefähigkeit, Tanz- und Musizierlust zu erwecken.[7]

Die Güntherschule bildete für Orff ein hervorragendes Experimentierfeld in seinen pädagogischen und künstlerischen Versuche, woraus daraufhin in den Jahren bis 1930 die erste große Konzeption für das spätere “Orff-Schulwerk“ entstand. So entwickelte er zusammen mit dem Musikwissenschaftler und Leiter des Berliner Instrumentenmuseums Curt Sachs sowie dem Cembalo- und Klavierbauer Carl Maendler ein neues Schlagwerk-Instrumentarium. Vorher nur mit dem Klavier die Tänze begleitend, konnte sich nun ein Instrumentarium entwickeln, dass außerhalb des Klaviers die Rhythmik fördernd eine Möglichkeit für die einfache Handhabung desselben gegeben wurde. Maendler zum Beispiel war für den Bau des im Schulwerk nicht mehr wegzudenkende Xylophons zuständig, das später den Grundstock des Instrumentarium bildete.

Eine weitere mitwirkende Kraft für das Schulwerk war Orffs Schülerin und spätere Mitarbeiterin Gunhild Keetman, mit der er zusammen die endgültige Ausführung des Schulwerks ausarbeitete. Hans Bergese als Schüler und Assistenz Orffs konnte auch entscheidend zum Gelingen des Werks beitragen.

Das von Orff geschaffene eigene Schlagwerkorchester, bei dem auch erstmalig die Blockflöte einen wichtigen Bestandteil bildete, wurde von den Tänzerinnen unter der Leitung von Günther und Maja Lex selbst aufgeführt. Die Musik für diese Tänze schrieb ausnahmslos Keetman. Die Studenten der Güntherschule bestand aus Erwachsenen, deshalb richtete sich die Zusammenstellung des Orchesters und seine Spielweise an ihre Bedürfnisse und bildete somit die Vorstudie zum „Schulwerk für Kinder“. Parallel zu den Studien am Schulwerk ging die Arbeit an Bearbeitungen von Monteverdi-Opern weiter, die er meistens mit Günther zusammen herstellte.

Bei den olympischen Festspielen im Jahr 1936 war Orff in Zusammenarbeit mit Günther, Keetman und Lex für die Eröffnung der Spiele im Stadion zuständig.

[...]


[1]Orff, In: OJB 1963, S.16

[2]Twittenhoff, S. 9

[3]Keetman, Elementaria, S. 11

[4]Orff 1976, S. 226

[5]Liess, S. 13

[6]Kugler 2000, S. 169

[7]Günther, In: Liess, S. 16

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Vom klassischen Orff-Instrumentarium zur modernen Perkussion in der Musikpädagogik
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Musikpädagogik)
Veranstaltung
Instrumentalpädagogik
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V25184
ISBN (eBook)
9783638278935
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
- Orffs Biographie (Überblick) - eingehende Behandlung des Orff-Instrumentariums - Schlagwerk in der heutigen Musikpädagogik (ausgehend vom Orff-Instrumentarium) - Improvisation - Günther-Schule - "Musik für Kinder" etc.
Schlagworte
Orff-Instrumentarium, Perkussion, Musikpädagogik, Instrumentalpädagogik
Arbeit zitieren
Alina Meyer (Autor:in), 2003, Vom klassischen Orff-Instrumentarium zur modernen Perkussion in der Musikpädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25184

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