Das Gottesbild in Heinrich Kaufringers geistlichen Erzählung 'Der Einsiedler und der Engel'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Das Gottesbild in Der Einsiedler und der Engel
2.1.1 Der Engel als Bote Gottes
2.1.2 Mögliche Kritik Heinrich Kaufringers
2.2 Vergleich mit dem Gottesbild in Die unschuldige Mörderin

3 Schlussbemerkung

4 Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur

1 Einleitung

„Gottes Wege sind unerforschlich“[1] ; nicht nur das Sprichwort selbst ist weit verbreitet, auch mit der Aussage, dass Gottes Handeln unbegreiflich scheint, beschäftigt sich noch heute ein großer Teil der Menschheit. Heinrich Kaufringer, dessen Wirken in das Spätmittelalter datiert wurde,[2] widmete sich u.a. diesem Thema in seiner geistlichen Erzählung Der Einsiedler und der Engel. Seine dichterische Arbeit ist in zwei Handschriften überliefert: im Münchner cgm 270 und im Berliner Mgf 564.[3] Der Text Der Einsiedler und der Engel leitet die Sammlung im Münchner cgm 270 ein[4] und ist im Gegensatz zu den anderen Dichtungen nicht unikal überliefert, da eine ähnliche Fassung im Münchner cgm 1119 vorhanden ist.[5]

In Heinrich Kaufringers Erzählung fungiert ein Engel als Bote Gottes, dessen Aufgabe es ist, einem Einsiedler göttliche ‚Wunder‘ zwar vor Augen zu führen, ihm aber gleichzeitig bewusst zu machen, dass der menschliche Verstand diese ‚Wunder‘ nicht durchschauen kann. Im Prolog wird betont, dass „ [g]otes wunder ist als vil / das sein ieman waiß kain zil “.[6] Diese Behauptung wird dann auch in der darauffolgenden Erzählung beispielhaft bewiesen.[7] Doch will Heinrich Kaufringer meiner Meinung nach über die angedeutete Theodizeefrage und über die Aussage hinaus, dass die Menschen diesem Gott einfach vertrauen sollen, da im Rahmen der Erzählung ein Gottesbild entwickelt wird, welches u.a. kritisch durch den Leser hinterfragt werden soll. Ich widme mich daher in meiner Hausarbeit der Frage: welches Gottesbild durch den auf die Erde gesandten Engel dargestellt wird. Zu Beginn wird mithilfe des Primärtextes Der Einsiedler und der Engel aufgezeigt, welche ‚Wunder‘ der Engel vollbringt und daraus das Bild des hier repräsentierten Gottes entwickelt. Es soll geklärt werden, ob dieser Gott eine Autorität mit Glaubwürdigkeit ist und wodurch diese in Frage gestellt werden kann. Danach wird ausgeführt, warum Heinrich Kaufringer gerade dieses Bild Gottes vorstellt, welche Kritik er demnach mit seiner geistlichen Erzählung üben will. Das ermittelte Gottesbild wird im Anschluss mit dem verglichen, das in dem Märe Die unschuldige Mörderin vermittelt wird. In der Schlussbemerkung sind die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und es wird ein Ausblick gegeben, wie das hier ausgeführte Thema noch erweitert werden kann.

2 Hauptteil

2.1 Das Gottesbild in Der Einsiedler und der Engel

2.1.1 Der Engel als Bote Gottes

Im Prolog der geistlichen Erzählung (V. 1-14) wird deutlich, dass es einen Gott gibt, der ‚ wunder‘ [8] vollbringt, die kein menschlicher Verstand zu fassen versteht.[9] Diese Aussage wird durch einen lateinischen Psalm verstärkt, der für alle Hörer und Leser verständlich in die Volkssprache übersetzt wird.[10] Der Mensch kann die ‚Wunder‘ Gottes nicht nur nicht begreifen, sondern sie auch in ihrer Zielsetzung nicht definieren.[11] Es wird dem Rezipienten, der aufgrund der Ausführungen im Prolog Gnadentaten und barmherziges Handeln Gottes erwartet,[12] ein göttliches Bild vorgestellt, das zahlreiche für das menschliche Wesen unbegreifliche ‚ wunder[13] vollbringt. Gott steht demnach über den Menschen und ist ihnen überlegen. Welche ‚Wunder‘ das nun sind und ob diese ‚Wunder‘ einfach nur Verwunderung hervorrufen, wird im weiteren Verlauf genauer ausgeführt. Da die Behauptung, die in den ersten neun Versen aufgestellt wurde, auch bewiesen werden soll, wird im Prolog noch ein gläubiger Mensch, ein Einsiedler, vorgestellt, der eben dieser geistigen Beschränktheit in Bezug auf das Handeln Gottes entspricht. Und gerade jener Einsiedler will den unzähligen ‚Wundern‘ Gottes auf den Grund gehen, er will sie entdecken und geht deshalb aus seiner Hütte im Wald in die weite Welt hinaus. Doch Gott greift ein: Er schickt einen Engel[14] auf die Erde, der den Einsiedler in menschlicher Gestalt auf seiner Entdeckungsreise begleiten soll. Auf die Bitte des Engels, ihn begleiten zu dürfen, schließen er und der Einsiedler ein auf Treue basierendes Bündnis,[15] was für den späteren Verlauf von großer Bedeutung sein wird, da es nur durch das Einverständnis beider wieder gelöst werden kann.[16] Sie beginnen ihre Wanderschaft, bis sie am Abend eine Stadt erreichen, in der sie in eine Herberge einkehren. Dort werden sie von einem reichen und frommen Bürger freundlich empfangen. Der Erzähler beschreibt ausführlich, wie gut der Einsiedler und der als Mensch getarnte Engel bei diesem Gastgeber beherbergt werden. Auch die Familie des Gastgebers wird kurz vorgestellt: Er hat eine schöne Frau und ein kleines Kind, auf dem ihre gesamte Zuneigung liegt.[17] Dieses Kind hat die Frau nach langem Beten und trotz Unfruchtbarkeit empfangen, da Gott so gütig gewesen ist und dem Ehepaar ihren sehnlichsten Wunsch gewährt hat.[18] Gott steht demnach zwar über den Menschen, waltet aber scheinbar mit all seiner Güte über ihnen. Der Wirt ist sich der Anwesenheit Gottes ebenfalls bewusst, denn er betont, dass die Versorgung, die die Gäste erfahren, von Gott gegeben wird. Nachdem der Einsiedler und der Engel eine erholsame Nacht verbracht hatten, bricht der Morgen ein.[19] Es wird vom Erzähler eine Situation mithilfe von Vokabeln wie ‚ liechte, zart, lüchtet, liechte moun[20] geschaffen, die auf nichts Böses schließen lässt.[21] Auch die Beschreibung des Kindes, das vor ihrem Aufbruch in die Stube getragen wird, trägt zur friedlichen Stimmung bei. Der Engel schließt sich dieser Atmosphäre mit seiner Bemerkung „ sich an das schön kindelein / das ist zierlich und auch clar[22] vorerst an, doch plötzlich geschieht für den Rezipienten und für den Einsiedler etwas gänzlich Unvorhersehbares[23] : Der Engel nimmt ein Kissen, drückt es dem schlafenden Kind auf das Gesicht, setzt sich darauf und löscht somit das junge Leben aus. Der Einsiedler ist darüber sehr erschrocken und erzürnt, beschimpft den Engel in Menschengestalt sogar als Kind des Teufels,[24] verurteilt seine Taten aber nach weltlichem Maßstab, da er nicht wie der Rezipient weiß, dass sich hinter der Maske eines Menschen ein Gesandter Gottes verbirgt.[25] Der Engel beharrt dem Einsiedler gegenüber zwar auf der Richtigkeit seiner Tat, begründet sie aber nicht. Und so verstärkt sich die Meinung des Einsiedlers vor sich einen Verbündeten des Teufels zu sehen. Auch der

Rezipient, der zwar um die richtige Identität dieses ‚ wallers[26] weiß, kann nichts Rechtes hinter seinem Handeln entdecken, weil er nicht nur durch den Mord das Gastrecht des frommen Wirten missbraucht,[27] sondern auch gegen das fünfte der zehn Gebote verstoßen hat.[28] Die Begründung seines Mordes erläutert der Engel erst später, als er sich nach insgesamt vier ‚Wundern‘ dem Einsiedler in seiner wahren Gestalt zu erkennen gibt. Er betont die Güte Gottes, der sich aufgrund vieler Gebete dazu herabgelassen habe, den Wunsch des Ehepaares nach einem Kind zu gewähren. Doch habe sich das Ehepaar nach der Erfüllung ihrer Gebete verändert. Nichts sei ihnen wichtiger als ihr Kind gewesen und so hätten sie mehr und mehr Erbe für ihren Nachkommen angehäuft und dabei Gott vergessen. Und um das Seelenheil der Eltern zu retten, musste ihr einziges Kind sterben. Es musste sein Leben lassen, indem der Engel all seinen Zorn auf das junge Leben projizierte. Gott war folglich so erzürnt über die Abkehr der Eltern, dass er Rache üben wollte.[29] Durch die Offenbarung des Engels wird dem Einsiedler und den Rezipienten vor Augen geführt, dass dieser Gott, der gütig und verständnisvoll sein kann, ebenso sehr grausam und voller Rache ist. Ihm sind alle Mittel recht, sogar der Mord an einem unschuldigen Kind, damit im Mittelpunkt des menschlichen Lebens nicht zwischenmenschliche Beziehungen, sondern der Glaube an ihn steht. Hervorzuheben ist, dass durch diesen Mord nicht nur die Eltern bestraft werden, sondern dass das Kind, das Gott der Welt geschenkt hat und noch voller Unschuld gewesen ist, für die vermeintlichen Sünden der Eltern sterben muss. Dieses erste vom Engel erbrachte ‚Wunder‘ dient zwar der Rechtfertigung Gottes, jeder sterbliche Mensch ist aber auch in der Lage ein solches zu vollbringen.[30] Der Einsiedler bekommt nach der seiner Ansicht nach kriminellen Tat Furcht selbst dafür verantwortlich gemacht zu werden, flüchtet daher schnellstens aus der Herberge und begibt sich weiter auf die Suche nach den göttlichen ‚Wundern‘ in der Welt.[31] Der Mord an dem kleinen Kind ist die erste Bewährungsprobe, die das Treuebündnis zwischen Einsiedler und Engel zu überstehen hat. Da es nur durch die Zustimmung beider gelöst werden kann, ist es dem Einsiedler zwar ein „[…] groß mißfallen / doch mocht er des nit widerstaun / er muost in mit im laussen gaun “.[32] Die Bedeutung dieses Bündnisses ist enorm, da dem Engel, egal was passiert, immer das Recht zusteht den Einsiedler zu begleiten. Wären sie diese Gesellschaft nicht eingegangen, könnte der Engel seinen Plan, ihm die Allmacht Gottes und die menschliche Eingeschränktheit vor Augen zu führen, nicht mehr weiter verfolgen. Der im Auftrag Gottes handelnde Engel muss also von vornherein schon gewusst haben, dass sein Handeln nach menschlichem Maßstab falsch ist. Nach einer langen Wanderzeit erreichen der Einsiedler und sein Gefährte eine weitere Stadt, in der sie wieder in eine Herberge eines frommen, reichen und tugendhaften Mannes einkehren. Der Erzähler betont aufs Neue, dass sie dort gut behandelt werden und sogar mit einem Trinkgefäß, das mit Gold und Silber verziert und zwölf Mark wert ist, geehrt werden, dass sie mit einer guten Mahlzeit und einer bequemen Nachtstätte versorgt werden und dafür sogar wenig bezahlen müssen.[33] Als der Morgen graute, „ der engel aber ain wunder anfieng “.[34] Diese Aussage scheint mir ironisch gemeint zu sein, da die nachfolgende Tat wieder eine alltägliche Handlung und in einer Gesellschaft wahrlich nichts Außergewöhnliches darstellt. Der Engel stiehlt, bevor sie aufbrechen, das vergoldete und versilberte Trinkgefäß, während der Einsiedler ehrfürchtig betet.[35] Der Erzähler bringt den Einsiedler mit dem Adjektiv ‚ sälig[36] in Verbindung, den Engel hingegen bezichtigt er des Diebstahls. Demnach beurteilt auch der Erzähler den getarnten Engel nach weltlichen Moral- und Rechtsvorstellungen.[37] Als die Gefährten ihre Reise fortsetzen, zeigt der Engel kurzerhand den gestohlenen Becher, macht den Einsiedler also konkret auf seine Tat aufmerksam, die gegen das siebte der zehn Gebote verstoßen hat und für den Einsiedler und den Rezipienten wieder überraschend vollzogen worden ist. Der Einsiedler ist wie bei dem Mord erzürnt und entrüstet, beschimpft daher seinen Begleiter, indem er ihn der Untreue bezichtigt und ihm das tadellose Verhalten des Gastwirtes vor Augen führt. Nachdem es dem Einsiedler beim ersten Vorfall nur missfallen hatte, dass der Engel ihn weiter begleitet hatte, ist er nun gewillt das Bündnis zwischen ihnen aufzukündigen, was u.a. wieder an seiner Angst selbst Verantwortung für die Taten des Engels tragen zu müssen, festzumachen ist.[38] Doch der Engel verweigert ihm, das Bündnis aufzulösen, beschimpft ihn als ‚ dorot[39] und bestätigt somit die Behauptung des Prologs, dass der Einsiedler beispielhaft für die Menschheit steht, die die Taten Gottes nicht erkennen und begreifen kann.[40] Eine Erklärung für sein Handeln erteilt der Engel wieder nicht unmittelbar, sondern erneut erst, als er sich dem Einsiedler als Bote Gottes offenbart. Seine Begründung für den Diebstahl des kostbaren Trinkgefäßes besteht darin, dass das Seelenheil des Wirtes verloren gewesen wäre, wenn er den Becher nicht gestohlen hätte, das einzige Gut, welches der tugendreiche Bürger unrechtmäßig erworben hatte, indem er es als ‚ ratschatz[41] für einen Aufenthalt in seinem Haus verlangte.[42] Durch die Erklärung der zweiten Tat des Engels, die nach menschlichen Vorstellungen ein Verbrechen gewesen ist, wird das im Text beschriebene Gottesbild deutlicher: Gott hat einen seiner Engel auf Erden geschickt, um einem Einsiedler seine Allmacht näherzubringen. Der Engel, der als Bote Gottes fungiert, hat einem Gastwirt einen kostbaren Becher gestohlen, den dieser unrechtmäßig in seinen Besitz genommen hat. Dieser Gott vergilt also Gleiches mit Gleichem und stellt sich in dieser Beziehung auf die Stufe der Menschen. Der Engel lehnt es ab, das Bündnis aufzukündigen und deutet das erste Mal gegenüber dem Einsiedler an ein ‚Wunder‘ vollbracht zu haben und dass es noch weitaus größere ‚Wunder‘ zu entdecken gebe. Doch scheint der Einsiedler so erbost über seinen Begleiter zu sein, dass er nicht auf dessen Bemerkung reagiert. Vielleicht ist diese Bemerkung aber gerade der Auslöser dafür, dass er sich niedersetzt und sich weigert seine Reise fortzusetzen, weil er hinter der Tat keineswegs göttliches Einwirken vermutet.[43] Da der Engel dem Mann aber nicht von der Seite weicht, also „[…] ie bei im beleiben [wolt]“[44] und der Abend schon hereinbricht, beschließen sie zu versuchen eine noch etwas weiter entfernte Stadt zu erreichen. Jedoch müssen sie schnell feststellen, dass sie es nicht schaffen werden und so steuern sie ein vor der Stadt stehendes Haus an, das aber schon von außen keinen einladenden Eindruck macht,[45] denn es ist „ ain haus mit bösem obedach “.[46] Dies kann eine Andeutung dafür sein, dass sie in diesem Haus keine so gute Bewirtung wie zuvor erfahren werden, aber auch dafür, dass Gott nicht, wie ich meine, seine schützende Hand über dieses Haus hält und dass das Böse demnach schon eingezogen ist. Der Wirt der Schänke, der wiederum vom Erzähler mit dem Adjektiv ‚ böse[47] ausgestattet wird, hat die Angewohnheit viel Geld für wenig erbrachte Leistung zu verlangen.[48] Als die ‚ prüeder[49] sich dem verruchten Haus nähern, können sie schon laut lärmende Gäste vernehmen. Der Erzähler versucht also im Vergleich zu den vorherigen Aufenthalten die Stimmung mithilfe von Geräuschen näher zu beschreiben und den Rezipienten darauf aufmerksam zu machen, dass die Gefährten dort nichts Gutes zu erwarten haben. Die schlechte Behandlung durch den Wirt wird dadurch deutlich, dass die Bedürfnisse der Einkehrenden nicht erfüllt werden.[50] Der Einsiedler und der Engel können sich weder setzen und sich ausruhen, da die Bänke voll besetzt sind, noch können sie essen und trinken, da ihnen nichts gereicht wird. Trotz aller Unannehmlichkeiten bricht der Morgen an und der Einsiedler und der Engel sind im Begriff ihre Reise fortzusetzen, als sie vom Wirt aufgehalten werden. Er verlangt von den Gefährten für die Unterkunft und für das, was sie gegessen und getrunken hätten, entlohnt zu werden. Der Wirt droht ihnen sogar den Weg zu versperren, wenn sie seiner Forderung nicht nachkommen würden.[51] Dieses Verhalten des Wirts lässt darauf schließen, dass er wirklich kein frommer, tugendreicher und gottgläubiger Mann ist. Der Rezipient ist nun darauf eingestellt, dass ein Streit zwischen dem Wirt und den Gefährten ausbrechen wird, da die Leistung, für die sie einen hohen Preis zahlen sollen, nicht erbracht worden ist. Die Reaktion des Einsiedlers, der über das Verhalten des Wirtes entrüstet ist und keineswegs über eine Bezahlung nachdenkt, ist daher verständlich und wird vom Rezipienten auch so erwartet. „Denn je schlechter ein Mensch ist, desto weniger verdient er es, belohnt zu werden.“[52] Doch wie in den anderen Situationen passiert nun etwas Unvorhergesehenes: Der Engel beruhigt den Einsiedler, behauptet sogar, dass der Wirt ein frommer Mann sei und bietet ihm das kostbare Trinkgefäß zur Entschädigung seines Aufwandes an. Dieser nimmt dankend und ohne ein schlechtes Gewissen an. Als die Gefährten sich weiter auf ihre Reise begeben, bricht der Einsiedler, dem es vorher die Sprache verschlagen hat, in Wut aus. Er betont, dass er die Wunder Gottes habe erblicken wollen und nicht die des Bösen.[53] Der Einsiedler verwendet in seiner Reaktion die Worte ‚ tiefel, bös, tiefels diener, des bösen valand[54] und verstärkt seine Meinung, es nur mit Machenschaften des Teufels zu tun zu haben und dahinter keinesfalls göttliches Eingreifen zu vermuten.[55] Diese Taten, die der Engel begeht, lassen nicht an Gott denken. Sie erinnern eher an den Teufel und sein böses Tun. So fühlt sich auch der Rezipient zusehends vor die aufkommende Theodizeefrage gestellt[56] und neigt immer mehr dazu, aufgrund der Aussagen und Reaktionen des Einsiedlers die Taten des Engels als schlecht zu betrachten.[57] Auf eine Erklärung für die nach weltlichem Maßstab falsche Tat muss der Einsiedler zwar wieder vergeblich warten, doch weist der Engel zunehmend darauf hin, dass hinter seinem Handeln Gottes Wirken steht. Denn er erwidert:

[...]


[1] Horst und Annelies Beyer: Sprichwörterlexikon. Sprichwörter und sprichwörtliche Ausdrücke aus deutschen Sammlungen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Leipzig ³1987, S. 227.

[2] Vgl. Ruh/Wachinger (Hgg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 4, Berlin/New York ²1983, S. 1077.

[3] Vgl. Michaela Willers: Heinrich Kaufringer als Märenautor. Das Oeuvre des cgm 270, Berlin 2002, S. 2.

[4] Vgl. ebd., S. 211.

[5] Vgl. ebd., S. 2.

[6] Heinrich Kaufringer: Der Einsiedler und der Engel, hrsg. von Paul Sappler, Tübingen 1972, V. 1-2.

[7] Vgl. Marga Stede: Schreiben in der Krise. Die Texte des Heinrich Kaufringer, Trier 1993, S. 212.

[8] Der Einsiedler, V. 1.

[9] Vgl. ebd., V. 1-2.

[10] Vgl. Willers 2002, S. 212.

[11] Vgl. Der Einsiedler, V. 7-9.

[12] Vgl. Willers 2002, S. 226.

[13] Der Einsiedler, V. 1; vgl. hierzu: Matthias von Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch 381992, S. 328: wunder kann u.a. als Verwunderung, Neugier, Tat, Neuigkeit und Wunder übersetzt werden.

[14] Vgl. hierzu: Theologisches Universal-Lexikon: zum Handgebrauche für Geistliche und gebildete Nichttheologen 1, Elberfeld 1869, S. 222: Engel, die entweder als ‚Söhne Gottes‘ oder als ‚Heilige‘ bezeichnet werden, sind gerecht und intelligent, führen die Befehle Gottes aus und fungieren als Vermittlerrolle zwischen Gott und den Menschen.

[15] Vgl. Der Einsiedler, V. 15-42.

[16] Vgl. Willers 2002, S. 214.

[17] Vgl. Der Einsiedler, V. 43-63.

[18] Vgl. ebd., V. 345-356.

[19] Vgl. ebd., V. 73-83.

[20] Ebd., V. 82-89.

[21] Vgl. Alwine Slenczka: Mittelhochdeutsche Verserzählungen mit Gästen aus Himmel und Hölle, u.a. New York/München 2004, S. 27.

[22] Der Einsiedler, V. 98-99.

[23] Vgl. Slenczka 2004, S. 27.

[24] Vgl. Der Einsiedler, V. 100-118.

[25] Vgl. Willers 2002, S. 215.

[26] Der Einsiedler, V. 23.

[27] Vgl. Willers 2002, S. 215f.

[28] Vgl. Slenczka 2004, S. 25f.

[29] Vgl. Der Einsiedler, V. 345-368.

[30] Vgl. Stede 1993, S. 22f.

[31] Vgl. ebd., S. 25.

[32] Der Einsiedler V. 130-132.

[33] Vgl. ebd., V. 133-148.

[34] Ebd., V. 150.

[35] Vgl ebd., V. 149-158.

[36] Ebd. V. 156.

[37] Vgl. Willers 2002, S. 217.

[38] Vgl. Der Einsiedler, V. 159-173.

[39] Ebd., V. 174.

[40] Vgl. Willers 2002, S. 217.

[41] Vgl. Der Einsiedler, V. 387; vgl. hierzu: Heinrich Kauringer: Werke, hrsg. von Paul Sappler, Tübingen 1972, S.287: ratschatz kann als Bestechungsgeschenk übersetzt werden.

[42] Vgl. Der Einsiedler, V. 380-390.

[43] Vgl. ebd., V. 175-184.

[44] Ebd., V. 185.

[45] Vgl. ebd., V. 186-195.

[46] Ebd., V. 195.

[47] Ebd., V. 197.

[48] Vgl. ebd., V. 196-198.

[49] Der Erzähler deutet in Vers 202 explizit an, dass das auf Treue basierende Bündnis des Einsiedlers und des Engels noch Bestand hat.

[50] Vgl. Slenczka 2004, S. 33.

[51] Vgl. Der Einsiedler, V. 209-222.

[52] Slenczka 2004, S. 31.

[53] Vgl. Der Einsiedler, V. 223-246.

[54] Ebd., V. 246-253.

[55] Vgl. Willers 2002, S. 219.

[56] Vgl. Slenczka 2004, S. 19.

[57] Vgl. ebd., S. 33f.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Gottesbild in Heinrich Kaufringers geistlichen Erzählung 'Der Einsiedler und der Engel'
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Gewalt, Intrige, Wahnsinn: Die Welt des Heinrich Kaufringer
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
21
Katalognummer
V201623
ISBN (eBook)
9783656282877
ISBN (Buch)
9783656283379
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Engel als Bote Gottes, Rachegott, Vier Morde, Gottesbild, mögliche Kritik Heinrich Kaufringers, unschuldige Mörderin, Der Einsiedler und der Engel, geistliche Erzählung, Märe
Arbeit zitieren
Tanja Triepel (Autor:in), 2012, Das Gottesbild in Heinrich Kaufringers geistlichen Erzählung 'Der Einsiedler und der Engel', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201623

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