Motive und rhetorische Figuren im Dritten Stück des "Tagebuchs der Italienischen Reise für Frau von Stein"


Seminararbeit, 2013

14 Seiten, Note: 2


Leseprobe


I. Einleitung und Allgemeines zum

Tagebuch der Italienischen Reise für Frau von Stein

Goethes „Italienische Reise“ gilt als eines der großen Werke der Reiseliteratur und auch in Goethes eigenem Schaffen hat die Schrift neben der „Dichtung und Wahrheit“ einen besonderen Platz als eine bedeutende autobiographische Schrift.

Die „Italienische Reise“ ist eine Bearbeitung des „Tagebuchs der italienischen Reise für Frau von Stein“ aus dem Jahr 1786. Goethe war in jener Zeit glühend in Charlotte von Stein verliebt, was aus hunderten von schwärmerischen Briefen an ihr ersichtlich wird. Es ist in der Wissenschaft noch nicht geklärt, ob es sich bei der Beziehung zwischen Goethe und Frau von Stein um eine rein platonische Liebe handelte oder ob die Beziehung auch sexueller Natur war. Fest steht, dass Goethe mit der Widmung seines Tagebuchs an ihr um ihre Gunst und Aufmerksamkeit buhlte. Goethe schreibt ihr in einem Brief vom 14.10.1786 aus Venedig: „Anfangs gedacht ich mein Tagebuch allgemein zu schreiben, dann es an dich zu richten und das Sie zu brauchen damit es kommunikabel wäre, es ging aber nicht es ist allein für dich.“[1] Einen Monat davor, im Brief vom 18. September 1786, schrieb Goethe noch folgendes: „Ich habe ein treues Tagbuch geführt und das Vornehmste was ich gesehn was ich gedacht aufegschrieben und nach meiner Rechung kannst du es in der Mitte Oktbr. haben. […] Sag aber niemanden etwas von dem was du erhälst. Es ist vorerst ganz allein für dich.“[2] Goethe deutet in seinem Tagebuch gar an, dass er bloß reise, um seine Erlebenisse ihr dann zu berichten: „Und da ich blos zu reisen scheine um dir zu erzählen; so setz ich mich nun hin, da es Nacht ist, dir mancherlei vorzutragen.“[3] Man kann also folgenden Schluss betreffend Goethes Intentionen ziehen, was er mit seinen Aufzeichnungen vor hatte: „Das Reise-Tagebuch hatte somit zwei Aufgaben zu erfüllen: Zum einen sollte sich Frau von Stein von Goethes ungebrochener Liebe überzeugen können, zum anderen war es ihm offenbar schon zu Beginn der Reise in den Sinn gekommen, die südlichen Eindrücke nach seiner Rückkehr in überarbeiteter Form der Öffentlichkeit vorzulegen.“[4]

Während Frau von Stein als Widmungsträgerin des Tagebuchs der Italienischen Reise noch eine zentrale Rolle für die Schrift spielte, wird sie in der Italienischen Reise nie erwähnt: „Wer die Italienische Reise zur Hand nimmt, wird nichts finden was auf sie [i.e. Frau von Stein, Anm.] hindeuten könnte, keine namentliche Nennung, keinen Hinweis; nicht mit einer Silbe erwähnte Goethe die Frau, der er das so bekenntnisvolle und eindrucksreiche Tagebuch der Reise von Karlsbad nach Rom gewidmet hatte.“[5] Es darf also angenommen werden, dass Frau von Stein, so sehr Goethe auch in den 1780ern in sie verliebt war, 20 Jahre später, also zu jener Zeit, als Goethe das Tagebuch zu seiner Italienische Reise umarbeitete, keine Rolle mehr in seinem Leben spielte. Das an Charlotte von Stein oft verwendete vertauliche „Du“ im Tagebuch wird in der Italienischen Reise oftmals in ein allgemeines, unverbindliches „meine Freunde“ umgestaltet.[6]

Neben dem nur in der Italienischen Reise vorangestellten Motto „Auch ich in Arcadien“ ist sicherlich der erste Satz des Tagebuchs und der Reise am bekanntesten: „ d 3 Sept früh 3 Uhr stahl ich mich aus dem Carlsbad weg, man hätte mich sonst nicht fortgelassen.“[7] Aber warum fürchtete sich Goethe, seine Bekannten, Verwandten und Freunde von seinem Plan zu informieren? Warum war sein Diener Seidel der einzige, dem Goethe von seinem Reisevorhaben berichtete (Seidel sollte sich während Goethes Abwesenheit um anfallende amtliche Angelegenheiten kümmern; Goethe hatte zu jener Zeit eine hohe amtliche Stelle im Dienste des Herzogs Karl August von Sachen-Weimar-Eisenach inne)? Ein wichtiger Grund war sicherlich, dass er möglichst ungestört und inkognito reisen wollte; man darf ja nicht vergessen, dass Goethe in Europa und vorallem im Deutschen Reich durch seinen Bestseller „Werther“ einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte. Man findet im Tagebuch immer wieder Stellen, in denen Goethe seine Angst zum Ausdruck bringt, „entdeckt“ zu werden. Vorallem fürchtete er sich wohl mit damit einhergehenden gesellschaftlichen Verpflichtungen; als Weimarer Geheimrat, der er war, sicher kein unschlüssiger Gedanke. Aus München schreibt er: „Ich wohne auch hier in Knebels Wirtshaus, mag aber nicht nach ihm fragen, aus Furcht Verdacht zu erwecken oder dem Verdacht fortzuhelfen. Niemand hat mich erkannt und ich freue mich so unter ihnen herum zu gehen.“[8] Noch in Bozen („Ich eilte fort damit mich nicht irgend einer erkennte, […].“[9] ) und gar in Verona („Wenn es nicht gleich Aufsehens machte und ich meine humilem personam nicht kompromittierte; so lies ich es [i.e. die Casa di Palladio, Anm.] zeichnen und illuminiren wie dasteht […].“[10] ) plagte ihn die Angst, „entlarvt“ zu werden.

Abgesehen von Frau von Stein war ein weiterer wichtiger Briefpartner in jener Zeit der weitgereiste Dichter, Theologe und Vordenker der Philologie Johann Gottfried Herder. Herder war, auch durch Goethes Einsatz, seit 1776 in Weimar als Stadtpfarrer der St.Peter & St.Paul Kirche tätig, nebenbei betätigte er sich als Literat. Nach anfänglichen freundschaftlichen Beziehungen zerwarfen sie sich allerdings bald, nachdem Goethe von seiner italienischen Reise zurückkehrte. Herder, dessen materielle und gesundheitliche Situation sich in jener Zeit verschlechterte, wurde kränklich und misslaunig, und es dauerte nicht lange, bis es zum Zerwürfnis mit Goethe kam. Ein wichtiger Auslöser für den Bruch waren auch die ideologischen Differenzen: Während Herder die Französische Revolution vorsichtig begrüßte, lehnte Goethe sie (noch) strikt ab; und auch Herders Einsatz für die frühromantische Bewegung löste beim klassizistischen Goethe Missbehagen aus. Barthold Georg Niebuhr, ein Althistoriker, der mit Goethe bekannt war, gab in einem Brief an Dore Hensler die Schuld für den Bruch (wohl nicht ganz unparteieiisch) Herder: „Goethe und Herder waren während der vielen Jahre die sie in Weimar nebeneinander lebten nie eigentlich Freunde. Ihr Verhältnis war immer gespannt, und während der letzten acht Jahre von Herders Leben eigentlich ganz gebrochen, und das durch die Schuld des letzten.“[11] Nichtsdestotrotz war Herder und mit ihm seine Gattin Maria Karoline Herder, wichtige briefliche Ansprechpartner Goethes auf seiner Reise. Wie sehr sie ihm auf der Reise fehlten, bringt er in folgendem Brief vom 2. Dezember 1786 aus Rom etwas pathetisch zum Ausdruck: „Bald hoff ich nun durch Briefe von euch erfreut zu werden; Nachricht, dass es meinen Freunden wohl gehe, ist das einzige was mir hir fehlt.“[12]

II. Motive und rhetorische Figuren im Dritten Stück des

Tagebuchs der Italienischen Reise für Frau von Stein

Im folgenden werde ich nun versuchen anhand des Dritten Stücks des Tagebuchs der italienischen Reise an Frau von Stein Motive und rhetorische Figuren herauszulesen, die Goethe in seinem Werk verwendet. Im Dritten Stück schreibt Goethe über seine Aufenthalte in Verona, Vicenza und Padua, die er vom 15. bis zum 27. September besuchte.

Goethe erwähnt ausdrücklich, dass sich vom Dritten Stück an das Format des Tagebuchs zu ändern (mit der von nun an geringeren Blattgröße änderte sich auch seine Schriftgröße), womit sich auch der „Innhalt“ ändern wird.

Das erste Motiv ist Goethes Ankunft in Verona

„Seit gestern Mittag bin ich hier, […].“[13],

wo er „viel gesehen und viel gelernt“ hat, uns aber noch nicht davon berichtet. Die Schilderung folgt anderntags, als er sich schon „von dem Sprung über die Gebirge“[14] erholt hat. Die ortsbezogene Metapher drückt Goethes Überquerung der Alpen und Dolomiten und seinen Eintritt in die Poebene aus. Goethe war außerordentlich in Geologie, Geographie und Mineralienkunde interessiert und es finden sich etliche Beschreibungen von Gesteinsarten und Landschaftscharakteristika, nicht nur in diesem Werk. Es wurde gar eine weitverbreitete Gesteinsart nach ihm benannt, der Goethit, oder auch Nadeleisenerz.

Auf das nächste Motiv geht Goethe genauer ein, nämlich die Beschreibung des Amphitheaters in Verona:

„Das erste Monument der alten Zeit, das ich sehe und das sich so gut erhalten hat, […].“

So beeindruckend und imposant die Architektur des Baues ist, verfehlt es für Goethe die Wirkung, die es in römischer Zeit hatte und er führt es vor allem darauf zurück, da das Volk damals ein anderes war und sich hier auch zahlreicher versammelte. Es finden sich zwei Metapher in dieser Beschreibung: „[…] er [der Architekt, Anm.] bereitet einen solchen Crater durch die Kunst, so einfach als nur möglich und dessen Zierath das Volck selbst ist.“[15] Goethe ersetzt hier den Circus, also die langgestreckte, rechteckige Arena, durch die metaphorische Äquivalenz „Crater“ und das Volk wird als bloßes „Zierath“ abgewertet, das lediglich die Imposanz und Wirkung der Architektur erhöhen soll. Nach der Beschreibung eines Volksfest und der Porta del Palio folgt plötzlich als Motiv die Intentionen vergangener Künstler

„Nun ein Wort was auf die Wercke der Alten überhaupt gelten mag.“[16]

[...]


[1] Goethe, Johann Wolfgang von: Italienische Reise. Hg. Christoph Michael und Hans-Georg Dewitz. Deutscher Klassiker Verlag. Berlin. 2011. S. 1451

[2] Goethe, Johann Woflgang von: Briefe 1786 – 1791. Jazzybee Verlag Jürgen Beck. Altenmünster. 2012. Brief 8/2507.

[3] Goethe: Italienische Reise. S. 651.

[4] Heimböckel, Dieter: Von Karlsbad nach Rom. Aisthesis Verlag. Bielefeld. 1999. S. 22.

[5] Heimböckel: Von Karlsbad nach Rom. S. 40.

[6] Vgl. Heimböckel: S. 49ff.

[7] Goethe: Italienische Reise. S. 604

[8] Goethe: Italienische Reise. S. 609

[9] Goethe: Italienische Reise. S. 626

[10] Goethe: Italienische Reise. S. 660

[11] Goethe, Johann Wolfgang von: Begegnungen und Gespräche. Bd. 5. Hg. Renate Grumach. Walter De Gruyter & Co. Berlin & New York. 1985. S. 571.

[12] Schmidt, Erich (Hg.): Tagebücher und Briefe an Frau von Stein und Herder. Schriften der Goethe Gesellschaft, 2.Band. Verlag der Goethe Gesellschaft. Weimar. 1886. S. 324.

[13] Goethe: Italienische Reise. S. 641

[14] Goethe: Italienische Reise. S. 641

[15] Goethe: Italienische Reise. S. 642

[16] Goethe: Italienische Reise S. 643

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Motive und rhetorische Figuren im Dritten Stück des "Tagebuchs der Italienischen Reise für Frau von Stein"
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Europäische und Vergleichende Literaturwissenschafte)
Veranstaltung
Reiseliteratur
Note
2
Autor
Jahr
2013
Seiten
14
Katalognummer
V279692
ISBN (eBook)
9783656726104
ISBN (Buch)
9783656726067
Dateigröße
644 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reiseliteratur, Goethe, Italienische Reise, Motive, Metapher
Arbeit zitieren
Siawasch Aeenechi (Autor:in), 2013, Motive und rhetorische Figuren im Dritten Stück des "Tagebuchs der Italienischen Reise für Frau von Stein", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/279692

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