Das Motiv der Liebe in der Troubadour-Lyrik im Vergleich mit der deutschen und der französischen Romantik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Der Ursprung der Lyrik

II. Das Motiv der Liebe in der Troubadour-Lyrik im Vergleich mit der deutschen und der französischen Romantik
1. Troubadour-Lyrik
1.1. Sozio-historische und sprachliche Einordnung
1.2. Stilistische Merkmale anhand dreier Beispieltexte
1.3. Das Motiv der Liebe
2. Romantik
2.1. Sozio-historische Verortung der Romantik
2.1.1 Die Deutsche Romantik anhand von Hölderlins "Diotima"
2.1.2. Die Französische Romantik anhand von Lamartines "Le lac".
2.1.3. Unterschiede und Gemeinsamkeiten
3. Die romantischen Rückbezüge auf das Mittelalter allgemein und die Troubadourlyrik im Besonderen
3.1. Rückbezüge der Romantik auf Stoffe und Personen der Troubadourlyrik anhand von Ludwig Uhlands "Bertran de Born"
3.2. Das provenzalische Liebesmotiv in der Romantik
4. Die historische Bedeutung für den Nationalismus

III. Der Einfluss der Troubadourlyrik und ihre Zeitlosigkeit

I. Der Ursprung der Lyrik

Im heutigen alltäglichen Verständnis von Lyrik sind die wesentlichen Merkmale von Gedichten, dass sie sich reimen und eine Strophenform besitzen. Des Weiteren drehen sich Gedichte um Gefühle und Emotionsverarbeitung, oftmals Liebe. Und die verwendete Sprache differenziert von der Alltagssprache, da sie "verdichtet" ist. Diese in der Öffentlichkeit bekannten Auffassungen sind zwar weder falsch, noch vornehmlich Ausnahmen, jedoch ist die Gattung der Lyrik selbstverständlich nicht auf ihre bekanntesten und wohl häufigsten Ausprägungen zu reduzieren. Reimlose Prosagedichte oder erzählende Gedichtformen wie die Ballade sind untypische Formen er Lyrik, werden jedoch gemeinhin mit guten Gründen hinzugerechnet. Doch wenn sich diese Auffassungen von Dichtung in der Bevölkerung verankert haben, heißt das nur, wie großen Einfluss diese Formen der Literatur haben. Doch wie kam es dazu? Wie entstand diese Gattung und speziell diese so dominante Ausprägung?

Verfolgt man die Spuren der Lyrik zurück zu ihren Ursprüngen, findet man sich im antiken Griechenland wieder. Die Dithyrambendichtung war eine Textform mit musikalischer Begleitung, meist der der Lyra, von welcher der Name der Lyrik herrührt, oder der Kithara.1 Diese Textgattung war also eng an die Entwicklung des Liedes geknüpft und richtete sich nach diesem aus: In Länge, der Emotionalität des Inhaltes und der Versform, welche zu den rekurrierenden Melodieabläufen passt. Um den Anforderungen des Liedes zu genügen, musste nicht nur die Länge der Sätze und Worte passen, auch inhaltlich war es erforderlich, so kurz, prägnant und kreativ wie möglich das Gesagte auszudrücken. Daraus folgte die hohe Informationsdichte der Gattung und einer hohen Zahl an rhetorischer Figuren wie Metaphern, Symbolen, Analogien oder Chiffren. Lange Zeit noch war die Lyrik an das Lied geknüpft, so auch noch im Mittelalter. Für die Entwicklung und die Wahrnehmung der Lyrik von entscheidender Bedeutung war die Troubadourlyrik aus dem 12. Jahrhundert. Die Troubadoursänger und ihre Nachahmer aus anderen Sprachen festigten eine so einflussreiche Tradition und Techniken, dass ihre Errungenschaften bis heute Bedeutung tragen. Der Reim, die Strophe und das Sonett sind ohne sie heute nicht denkbar.2 Unmittelbar nach ihrer Blütezeit noch viel rezipiert, nahm das Interesse an der provenzalischen Dichtung ab, bis die Forschung und die öffentliche Wahrnehmung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mit Einsetzen der Romantik, die Lieder wiederentdeckten und ihnen damit die Möglichkeit gaben, direkten Einfluss auf die Lyrik zu nehmen, wie wir sie heute kennen.

II. Das Motiv der Liebe in der Troubadour-Lyrik im Vergleich mit der deutschen und der französischen Romantik

Die folgende Arbeit befasst sich mit der Troubadour-Lyrik und ihren bis in die deutsche und die französische Romantik hineinreichenden Wirkkreisen. An dieser Stelle soll vor allem das Liebesmotiv im Zentrum der Analyse stehen und in seinen Einflüssen auf die oben genannten Epochen eingehend durchleuchtet werden. Dabei werden zunächst die wesentlichen Merkmale der Troubadour-Lyrik vorgestellt und gleichzeitig im Kontext ihres sozio-historischen Hintergrunds bewertet. Dies wird vor allem an den Beispielen von Betran de Borns "Miez sirventes vueilh far dels reis amdos", sowie Folquet de Marseilles "Sitot me soi a tart aperceubutz" und "Pour mal temps ne por gelee" von Gace Brulé herausgearbeitet werden. Sowohl die deutsche, als auch die französische Romantik sollen dabei in ihrem historischen Kontext und ihren wesentlichen Merkmalen, sowie ihren bedeutensten Vertretern untersucht werden. Hierfür werden die Gedichte "Diotima" von Friedrich Hölderlin und Alphonse de Lamartines "Le Lac" in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeite umrissen und näher analysiert. Eine besondere Rolle werden hier stilistische und thematische Gemeinsamkeiten einnehmen. In einem abschließenden Rückbezug auf das Liebesmotiv wird sodann auch an dieser Stelle ein Vergleich zwischen den verschiedenen Texten stattfinden.

1. Troubadour-Lyrik

1.1. Sozio-historische und sprachliche Einordnung

Die Troubadours waren "provenzalische Dichterkomponisten und Sänger,"3 die in der "lengua d'oc", dem Okzitanischen, dichteten und sangen. Der Begriff Okzitanisch leitet sich von der Latinisierung von der "lengua d'oc", "occitanus" ab.4 "Troubadour" ist eine französische Abwandlung des Wortes "Trobador", welches später in das Deutsche übernommen wurde. Aus etymologischer Sicht erklärt sich der "Trobador" als "Reimefinder" und Sänger.5 Der typische Troubadour war Ritter und Dichter, zog von Hof zu Hof und hielt sich aufgrund seiner "mobile profession" nicht nur im provenzalischen Sprachraum auf.6 Die sprachlichen Grenzen waren aufgrund der Ähnlichkeiten der frühen romanischen Sprachen kein Hindernis, sodass die Troubadourlyrik in Spanien, Frankreich, Deutschland und Italien rezipiert und nachgeahmt wurde. So gab es katalanische (Berenguer de Palou) und italienische (Lanfranc Cigala) Dichter, die sich der Stilistik und der Sprache ?welcher? bedienten. 7 Wenn sie nicht innereuropäisch von Hof zu Hof reisten, befanden sie sich auf Abenteuerreise in fremde Länder und besangen dabei vor ständig wechselndem Publikum die Schönheit der Natur und die Liebe zur Dame in "naiven und ergreifenden Liedern".8

Die Troubadourlyrik war ein Phänomen des 12. und 13. Jahrhunderts und hat seine Anfänge circa 1100. Zwischen 1160 und 1180 erreichte die vornehmlich im Süden Frankreichs verbreitete Tätigkeit ihren Höhepunkt. Mit dem Albingenserkrezzug (1209-1229) fand diese Praxis jedoch ihr Ende, als der Süden politisch an den Norden angegliedert wurde.9 Die Lyrik der Troubadours hat dennoch „auf beinahe die gesamte europäische Dichtung gewirkt.“10 Die Troubadours stammten über die Generationen hinweg aus allen Ständen. Sie verwendeten die silbenzählende Versform und waren zugleich die Komponisten der kaum erhaltenen Lieder zu ihrer oftmals mit Naturbildern angereicherten Lyrik.11 Deutete sich zunächst eine "Genus-Sprachen-Zuordnung" an, in welcher das Okzitanische auch außerhalb Südfrankreichs für die Dichtung verwendet wurde, [Heldenlieder jedoch in altfranzösisch und theologische Texte in Latein verfasst wurden,] etablierte es sich bald, die Lieder in den jeweils eigenen Dialekten zu schreiben. So wurde in Nordfrankreich mit den "Trouvères" in den eigenen Dialekten gedichtet oder in Deutschland der Minnesang angestoßen.12 Auch die sich später unter Dante und Petrarca entwickelnde italienische Literatur wurde von den provenzalischen Dichtern beeinflusst, die insbesondere von Dante rezipiert wurden. Dieser prägte sogar den Begriff der "Langue d'oc" und ließ einige der bekanntesten Troubadour in seiner "divina comedia" auftreten.13 Später förderte die Erforschung der Troubadourlyrik durch Friedrich Christian Diez und François-Juste-Marie Raynouard die Entstehung der Romanischen Literaturwissenschaft als Philologie.14

1.2. Stilistische Merkmale anhand dreier Beispieltexte

Die Lyrik der Troubadours fungierte ausschließlich als Gesangstext, jedoch sind heute die wenigsten Melodien erhalten geblieben. 15 Ein besonderes Merkmal der okzitanischen Lyrik, wie auch später der nordfranzösischen und deutschen Lyrik ist das begrenzte, feste Vokabular mit wenigen Kernbegriffen, die darüber hinaus "inter-lingual" sind, wie die Begriffe "fin cuer", "cuor gentil" und "edelez herze" zeigen.16 Früh entwickelt sich ein lyrisches Gattungssystem, in welchem tradierte und neue Gattungen umfasst werden, die durch "präzise Relationen" ausgezeichnet sind.17 Im Zentrum der Troubadourlyrik stand die Kanzone ("cansó"), die der göttlichen Preisung und vor allem der Huldigung der Frau gewidmet war.18 Diese machte etwa ein Drittel aller erhaltenen Texte aus und stellt somit eine der beiden Hauptgattungen der provenzalischen Dichtung dar. Die zweite wichtigste Form war das "sirventes", ein politisches Rügelied, welches der politischen oder persönlichen Schelte diente.19 Des Weiteren existierte noch das Streitlied (Tenzone), das religiöse Lied, die Pastorelle und das Tageslied.

Im Mittelpunkt des Gattungssystems steht die Kanzone, auf die alle anderen Gattungen stilistisch, formal und gehaltlich bezogen sind und die „besondere künstlerische Aufmerksamkeit“ genoß.20 In Bezug auf Vers und Strophen bestimmt die Kanzone die Physiognomie aller weiteren lyrischen Gattungen. Die heutige Bezeichnung "Kanzone" geht auf die italienische Tradition zurück ("canso"). Bevor diese Differenzierung stattfand wurde die Gattung lediglich "vers" genannt. 21 Peire Vidal, Arnaut Daniel, Gaucelm Faidit und Folquet de Marseille bedienten sich dieser Gattung dabei in besonderem Maße. So verfasste Folquet de Marseille größtenteils Liebeslieder, darunter auch "Sitot me soi a tart aperceubutz". Hier handelt es sich um eine inhaltlich und formal typische Kanzone in Sonettform, in welcher das lyrische Ich Amor für seine verzweifelte und unerfüllbare Liebe zur Verantwortung ziehen möchte und letztendlich Rat für seine Lage sucht. Folquet verwendet dabei insbesondere Personifizierungen und Allegorien, wie zum Beispiel die des Amors (V. 5, 9, 33, etc.)22 oder des Liebenden, der von Schönheit angezogen wird wie ein Schmetterling vom Licht (V. 12). Ebenso verwendet Folquet Vergleiche, in denen der Liebende mit einem Spieler (V. 3) oder einem zügellosen Pferd (V. 23) oder jedoch auch die Bekanntschaft zu Amor mit einem häßlichen Bild (V. 35) verglichen wird. Der Dichter bedient sich einer sublimen Ausdrucksweise bei der Formulierung der Strophen und verwendet eine reiche, bunte Sprache. Der Text enthält viele Wendungen und Anspielungen aus der lateinischen Literatur ("Amor") und zeigt darin auch die kultur-historische Verwandtschaft der Kanzone.

Ein weiteres Beispiel für die Liebeslyrik in der Troubadourdichtung findet sich bei Gace Brulé im Text "Pour mal temps ne por gelee". Dieses Lied weist ungleichmäßig zunächst 5 Strophen von 9 Zeilen und danach 2 Strophen mit 5 Zeilen auf, welche stets mit einem Refrain beendet werden, in welchem das lyrische Ich seine Liebe zu der Frau beteuert und gleichzeitig bedauert, diese so selten zu sehen (V. 8/9). 23 Das lyrische Ich gibt sich unbeirrt: es singt in Sehnsucht nach der Schönen (V.3). Er erinnert sich an die erste Begegnung mit seiner Angebeteten, wie schön und edel ("bele et plaisant" V.11) sie war und wie er sich sofort verliebte (v. 13). Er vergleicht das Nicht-geliebt werden mit dem Tod (V. 15) und erzählt, wie er unentwegt an seine Liebe denken müsse, weil ihm Amor ständig ihr Bild zeige (V. 20). Das lyrische Ich sinniert darüber, ob sie weiß, welche Rolle sie für ihn spielt und dass er sterben würde, wenn sie jemand anderen auserwählen würde (V. 27). Er beklagt, dass er aufgrund schlechter Menschen, die ihm Böses wollen nicht in ihr Land kann (V. 33). Hier wird die typische Klage der allgemein schlechten Menschen, die dem Glück im Wege stehen aufgegriffen. Am Schluss betont das lyrische Ich nochmals, dass er immer an sie denken werde (V. 39f) und wird noch einmal nachdenklich darüber, dass sie nicht von seinem Leiden gerührt wird (V. 42f). An dieser Stelle werden die wesentlichen Merkmale der Kanzone deutlich, die sich in der unerreichbaren Frau und dem lyrischen Ich niederschlagen, welches sich sehnsüchtig nach der Frau verzehrt, diese jeodch sozial oder wie hier, geographisch zu weit entfernt ist.

[...]


1 Gröne, Maximillian. Italienische Literaturwissenschaft. Tübingen: Gunter Narr Verlag, 2007. S. 29.

2 Vgl. Felbeck, Christine und Kramer, Johannes. Troubadourdichtung. Tübingen: Gunter Narr Verlag. 2008. S. 298

3 Schweikle, Günter und Irmgard. Metzler Literatur Lexikon. Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler, 1990. S. 474.

4 Felbeck, S. 39.

5 Ebd., S. 41.

6 Paden, William D. The troubadours and the Albigensian crusade. In: Romance Philology, 49 (1995). S. 173.

7 Vgl. Felbeck, S. 296.

8 Mölk, Ulrich. Trobadorlyrik. München und Zürich: Artemis Verlag, 1982. S. 14.

9 Vgl. Ebd., S. 5.

10 Ebd., S.5.

11 Schweikle, S. 475.

12 Vgl. Felbeck, S. 297.

13 Vgl. Mölk, S. S. 5.

14 Vgl. Ebd. S. 22.

15 Vgl. Gruber, Jörn: Singen und Schreiben, Hören und Lesen als Parameter der (Re-) Produktion und Rezeption des occitanischen Minnesangs des 12. Jh. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 15 (1985). S. 35-51.

16 Vgl. Bec, Pierre. Quelques réflexions sur la poésie lyrique médiévale. Problèmes et essai de caractérisation. In: Mélanges offerts à Rita Lejeune. Bd. 2. Gembloux: Duculot 1969. S. 1309- 1329.

17 Vgl. Mölk, S. 99.

18 Schweikle, S. 475.

19 Mölk, S. 99.

20 Mölk, S. 99.

21 Ebd., S. 100.

22 Frank, Istvan. Trouvère et Minnesänger. Saarbrücken: West-Ost-Verlag, 1952. S. 35.

23 Ebd., S. 39ff.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Motiv der Liebe in der Troubadour-Lyrik im Vergleich mit der deutschen und der französischen Romantik
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Troubadourlyrik
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
20
Katalognummer
V277397
ISBN (eBook)
9783656701873
ISBN (Buch)
9783656702306
Dateigröße
528 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
motiv, liebe, troubadour-lyrik, vergleich, romantik
Arbeit zitieren
Thomas Laschyk (Autor:in), 2013, Das Motiv der Liebe in der Troubadour-Lyrik im Vergleich mit der deutschen und der französischen Romantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/277397

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