Die Bilanz der NATO-Intervention im Kosovo. Eine erfolgreiche Mission?


Studienarbeit, 2014

25 Seiten, Note: 1,9


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Verlauf der Intervention

3. Eingrenzung der Gewalt

4. Reduzierung des Leids

5. Vermeidung einer Eskalation

6. Lösung der Konfliktursachen

7. Resümee

8. Literatur

„Der Sicherheitsrat […] ist entschlossen, eine Lösung der ernsten humanitären Lage im Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) herbeizuführen und für die sichere und freie Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat zu sorgen, unter Verurteilung aller Gewalthandlungen gegen die Bevölkerung des Kosovo sowie aller terroristischen Handlungen, gleichviel, von welcher Seite sie begangen werden […] [und] stellt fest, dass die Situation in der Region auch weiterhin eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt […] “

Resolution 1244 (1999)

1. Vorwort

Am 25. März 1999 begann mit der NATO-Operation Allied Force und dem damit verbundenen Einsatz von über eintausend Kampfflugzeugen eine der massivsten Luftkriegsoperationen der Militärgeschichte. Im Anschluss daran wurden der Wiederaufbau und die Unterstützungsmaßnahmen im Kosovo durch große Verbände an NATO-Bodentruppen gesichert. Auslöser dieser Operation war die ethnische Vertreibung von KosovoAlbanern durch die jugoslawische Regierung, weshalb der Einsatz auch als humanitäre Intervention bezeichnet wird.

Welche Bilanz lässt sich aus der NATO-Intervention im Kosovo ziehen? Diese Seminararbeit zeichnet dazu erst den Verlauf der Intervention und der daran angeschlossenen Hilfseinsätze nach, bevor sie sich einer systematischen Betrachtung der Leistung des internationalen Engagements im Kosovo widmet.

Der Erfolg einer humanitären Intervention wird dabei nicht allein durch die Erfüllung ihres Mandates bestimmt,1 sondern durch vier weitere Bewertungskriterien gemessen: Zum Ersten der „Eingrenzung der Gewalt“ - viele Wissenschaftler führen die Reduzierung konfliktbezogener Opfer, die Durchsetzung von Waffenstillstandsabkommen, den Fortschritt des Entwaffnungsprozesses und die Demobilisierung der Kombattanten im Konfliktgebiet als wichtigsten Indikator für den Erfolg einer Mission an.2

Des Weiteren der „Reduzierung des Leids“ - im Rahmen dieses Indikators soll zum einen untersucht werden, inwiefern es der Mission gelang, die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen sicherzustellen, zum anderen werden lange nachwirkende negative Effekte des Krieges betrachtet, wie etwa die Gefahr durch Blindgänger und Minen.

Ein weiteres Kriterium ist die „Vermeidung einer Eskalation“ - eine Intervention sollte nicht nur die Gewalt im betroffenen Staat begrenzen, sondern auch eine Ausbreitung des Konfliktes und der Konfliktfolgen, z.B. Kriminalität und Flüchtlingsströme, auf die Nachbarstaaten verhindern.3

Zuletzt gilt es, die „Lösung der Konfliktursachen“ zu untersuchen - bei einer humanitären Intervention sollte als langfristige Friedenssicherung das „statebuilding“, bzw. die Schaffung einer stabilen Nachkriegsordnung stehen.4 Wichtig sind dabei die Haltbarkeit der angewandten vertrauens- bildenden Maßnahmen und das Vorhandensein eines Friedensvertrags.5

Diese zusätzlichen Erfolgsindikatoren „prevent a mission from being declared a success simply because its mandate required very little, or from being declared a failure because it failed to achieve overly ambitious goals, even if it produced significant benefits.“6 Bewertet wird die Zeit vor und während der Intervention sowie die nachfolgende Verwaltung des Kosovo durch die internationale Präsenz nach einem dreistufigen Index: Eine vollständige Erfüllung eines Indikators wird als „Erfolg“ bewertet, die Erreichung von Teilen der Ziele als „teilweiser Erfolg“, die vollständige Nichterfüllung als „Misserfolg“.7

Bei der Bearbeitung der Thematik waren vor allem „Evaluating Issues in Peace Implementation“ von George Down und Stephen J. Stedman mit ihrer Einführung zu den Erfolgsindikatoren, wie auch die Werke von Carolyn Bull „No entry without strategy - Building the Rule of Law under UN Transitional Administration“ sowie Wilfried Hinschs und Dieter Janssens „Menschenrechte militärisch schützen - Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen“ mit ihren weitergehenden Ansätzen hilfreich.

2. Verlauf der Intervention

Anfang 1998 nahmen militärisch ausgerüstete serbische Polizeikräfte Dörfer im Gebiet des Kosovo unter schweren Beschuss, um die Rebellen der „Kosovo Liberation Army“ (KLA) zu bekämpfen. Die KLA rief daraufhin zum Kampf gegen die serbischen Kräfte auf und startete im Juli ihre erste Großoffensive, die noch im selben Monat von den serbischen Truppen im Zentralkosovo erwidert wurde.8

Der VN-Sicherheitsrat forderte eine sofortige Waffenruhe und warnte vor der drohenden humanitären Katastrophe. Mit der VN-Resolution 1160 vom 31. März wurde ein Embargo gegen Jugoslawien beschlossen, um die dortige Regierung zum Abzug ihrer Sondereinheiten und zur Einstellung des Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung zu zwingen. In der VN- Resolution 1199 vom 23. September verurteilte der Sicherheitsrat später auch den exzessiven Gebrauch von Gewalt durch die serbischen Kräfte als Bedrohung des Friedens. Auch die Führung der Kosovo-Albaner wurde aufgefordert, jede terroristische Handlung zu verurteilen und zu betonen, dass alle Teile der kosovo-albanischen Volksgruppe ihre Ziele ausschließlich mit friedlichen Mitteln verfolgen müssten.9

Unter dem internationalen Druck stimmte das Milošević-Regime am 13. Oktober einem vorübergehenden Waffenstillstand zu und signalisierte, der VN-Resolution 1199 Folge zu leisten, welche einen Rückzug der schweren Waffen und eines großen Teils der paramilitärischen Polizeikräfte vorsah. Weiterhin sollten die Flüchtlinge heimkehren können und die Einhaltung des gesamten Prozesses von einer unbewaffneten internationalen Beobachterkommission der „Organisation für Sicherheit und Zusammen- arbeit in Europa“ (OSCE) überwacht werden, der „Kosovo Verification Mission“ (KVM).10

Der Waffenstillstand führte zu einer Verminderung des Gewaltpegels und die meisten Flüchtlinge konnten wieder zurückkehren, doch die KLA zog ihren Vorteil aus der Kampfpause und erneuerte ihre Herrschaft über viele Stellungen, die von den im Zuge der Vereinbarung verlegten serbischen Truppen geräumt worden waren. Im Januar 1999 flammten die Kämpfe im Kosovo schließlich erneut auf: Bei mehreren Überfällen wurden serbische Polizisten getötet oder verwundet, und in der Folge stieg auch die Gewalt gegen die Kosovo-Albaner wieder an.11

Nachdem politische und diplomatische Maßnahmen sowie wirtschaftliche Sanktionen der Gewalt nicht vorbeugen konnten, blieb die Anwendung militärischer Gewalt das einzige Mittel, um eine beginnende humanitäre Katastrophe abzuwenden. Die NATO hatte die Option im Kosovo militärisch einzugreifen, schon seit Ausbruch der Kämpfe im Jahr 1998 verfolgt. Die Planungen für Luftangriffe in dem Gebiet waren seit September unter den NATO-Mitgliedern abgeschlossen und Luft- sowie Seestreitkräfte hatten ihre Positionen in der Adria eingenommen, darunter auch der von der „USS Theodore Roosevelt“ angeführte amerikanische Flottenträgerverband sowie die deutsche Fregatte „F209 Rheinland-Pfalz“ und der deutsche Zerstörer „D185 Lütjens“.12

Am Abend des 24. März 1999 begann die Operation Allied Force - ohne Mandat des VN-Sicherheitsrats, da die Veto-Mächte Russland und China den Einsatz ausdrücklich abgelehnt hatten.13 Für die Bundeswehr stellte der Kosovokrieg den ersten Kampfeinsatz seit ihrer Gründung im Jahr 1955 dar. Mit vierzehn Tornado-Kampfflugzeugen flog die Luftwaffe rund fünfhundert verlustfreie Einsätze an 79 Tagen, bis zur Kapitulation Belgrads am 09. Juni.14

Die NATO beendete daraufhin das Bombardement und die Konfliktparteien einigten sich auf einen Abzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo und die Stationierung einer NATO-geführten Friedenstruppe zum Schutz des Wiederaufbaus des Kosovo - der „Kosovo Force“ (KFOR) und der „United Nations Interim Administration Mission in Kosovo“ (UNMIK). Der Sicherheitsrat unterstützte den Friedensplan und das militärische Abkommen mit der VN-Resolution 1244 vom 10. Juni.15

Der Auftrag von KFOR umfasst als sogenannter „third line responder“ die Herstellung und Gewährleistung eines sicheren Umfeldes, sofern die kosovarische Sicherheitsbehörde „Kosovo Police Service“ (KPS) oder UNMIK hierzu nicht in der Lage sind.16 Des Weiteren gehören vor allem der Schutz von Minderheiten und zurückkehrenden Flüchtlingen sowie Vertriebenen, die Konfiszierung illegaler Waffen und die Unterbindung grenzüberschreitender Kriminalität zu dem Aufgabenfeld der Truppe.17 Das Mandat von UNMIK schließt den Aufbau, die Beratung und Unterstützung einer zivilen Verwaltung, sowie unmittelbare Hilfe für die Bevölkerung etwa durch Sanierungsprogramme für Schulen und Ambulanzen oder Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in der Landwirtschaft mit ein.18

3. Eingrenzung der Gewalt

Das Jahr vor der Intervention war von großer Gewalt der jugoslawischen Regierung gegen die kosovo-albanische Zivilbevölkerung geprägt: Ins- gesamt verloren auf kosovo-albanischer Seite während des Konfliktes rund zehntausend Menschen ihr Leben.19 Während des Bombardements wurden laut NATO-Angaben circa fünftausend Angehörige der jugoslawischen Streitkräfte und Sondereinheiten getötet und bis zu zehntausend verwundet.20 Diese Zahlen sind allerdings umstritten, die jugoslawische Armee spricht beispielsweise nur von rund fünfhundert Toten auf ihrer Seite.21 Zudem fielen den Bombardements etwa fünfhundert serbische Zivilisten zum Opfer.22 Angesichts der Intensität der Angriffe muss diese Zahl aber im Rahmen eines bedachten Vorgehens zur Schonung der Zivilbevölkerung gesehen werden: „Given the extent of NATO´s operations […] it was quite remarkable only to register so few serious errors. Human Rights Watch produced a list of around 80 incidents in this context. […] This amounts to a 0.8 percent rate of mistake […].“23

Nach Beendigung der Kampfhandlungen zwischen der NATO und der Bundesrepublik Jugoslawien kam es zum Abzug der jugoslawischen Sicherheitskräfte und damit zu einer direkten Beendigung der Vertreibungspolitik der Belgrader Regierung.

Am 12. Juni 1999 übernahmen die NATO-Sicherheitskräfte der KFOR die Sicherheitsaufgaben: „Das unverzügliche Nachrücken der KFOR sollte der Entstehung eines Machtvakuums vorbeugen.“24 Dieses Ziel wurde zu Beginn des Einsatzes allerdings nicht überzeugend erreicht. In den ersten Monaten des Engagements kam es zu schweren Aus- schreitungen: Laut UNMIK gab es bis Oktober 1999 allein rund dreihundert Morde, hundert Entführungen, eintausend Plünderungen sowie Brandstiftungen.25

[...]


1 vgl. Downs, George und Stedman, Stephen J.: Evaluating Issues in Peace Implementation, in: Stedman, Stephen J. et al.: Ending Civil Wars - The Implementation of Peace Agreements, Boulder 2002, S. 45.

2 vgl. Ebd., S. 43-69; Pushkina, Darya: A Recipe for Success? Ingredients of a Successful Peacekeeping Mission, in: International Peace (13/2), New York 2006, S. 133-149; Bratt, Duane: Assessing the Success of UN Peacekeeping Operations, in: International Peacekeeping (3/4), Oxon 1996, S. 64-81; Hampson, Fen O.: Nurturing Peace - Why Peace Settlements Succeed or Fail, Washington DC 1996, S. 12f.; Diehl, Paul: International Peacekeeping, Baltimore 1993, S. 45.

3 vgl. Pushkina: Recipe for Success, S. 134.

4 vgl. Diehl: International Peacekeeping, S. 38.

5 vgl. Diehl: International Peacekeeping, S. 37; Hampson: Nurturing Peace, S. 10.

6 Downs und Stedman: Evaluating Issues, S. 48.

7 vgl. Ebd. S. 51; Bratt: Assessing the Success, S. 60f.

8 vgl. Perritt, Henry M.: Kosovo Liberation Army - The inside story of an insurgency, Illinois 2008, S. 143.

9 vgl. Bull, Carolyn: No entry without strategy - Building the Rule of Law under UN Transitional Administration, Tokyo 2008, S. 12.

10 vgl. OSCE (Hg.): Implementation of the Strategy for Reintegration of Repatriated Persons in Kosovo's Municipalities, Wien 2009, S. 3.

11 vgl. Perritt: Kosovo Liberation Army, S. 157f.

12 vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hg.): Bundeswehr im Einsatz - Entstehung, Entwicklung, Überblick, Berlin 2011, S. 78.

13 vgl. Varwick, Johannes: Die NATO - Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei?, München 2008, S. 152ff.

14 vgl. BMVg: Bundeswehr im Einsatz, S. 78.

15 vgl. Böckenförde, Stephan und Gareis, Sven Bernhard: Deutsche Sicherheitspolitik - Herausforderungen, Akteure und Prozesse, Stuttgart 2009, S. 109.

16 vgl. BMVg: Bundeswehr im Einsatz, S. 78.

17 vgl. Mayerbock, Michael: KFOR-Grundlagen, in: KFOR-Update 2005 - Truppen- dienst Taschenbuch, Wien 2005, S. 113.

18 vgl. Böckenförde und Gareis: Deutsche Sicherheitspolitik, S. 334.

19 vgl. Pichler, Robert et al.: Kosovo Kosova - Mythen, Daten Fakten, Klagenfurt 1999, S. 71-136.

20 vgl. Pfoh, Bernhard: Eine Bilanz des Luftkrieges der NATO gegen Jugoslawien, in: Krause, Joachim: Kosovo - Humanitäre Intervention und kooperative Sicherheit in Europa, Opladen 2000, S. 64.

21 vgl. Hinsch, Wilfried und Janssen, Dieter: Menschenrechte militärisch schützen - Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen, München 2006, S. 179.

22 vgl. Ebd., S. 180.

23 Gow, James: The war in Kosovo 1998-1999, in: Ingrao, Charles und Emmert, Thomas A.: Confronting the Yugoslav Controversies - A Scholar´s Initiative, Lafayette 2009, S. 320.

24 Rossbacher, Dina: Friedenssicherung am Beispiel der Interimsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) - Die Zivilverwaltung als neue Form der Friedenssicherung, Munster 2003, S. 163.

25 vgl. Hinsch und Janssen: Menschenrechte militärisch schützen, S. 181.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Bilanz der NATO-Intervention im Kosovo. Eine erfolgreiche Mission?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,9
Autor
Jahr
2014
Seiten
25
Katalognummer
V271797
ISBN (eBook)
9783656627838
ISBN (Buch)
9783656627814
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NATO, Allied Force, Militär, Kosovo, KFOR, EULEX, Intervention, humanitär, international, UNMIK
Arbeit zitieren
Kevin Spitz (Autor:in), 2014, Die Bilanz der NATO-Intervention im Kosovo. Eine erfolgreiche Mission?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/271797

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