Theorien der Ironie und ihre Verwendungsmotivationen


Term Paper (Advanced seminar), 2005

30 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Hintergrund
2.1 Rhetorik

3. Ironietheorien
3.1 Implikaturtheorie
3.1.1 Konversationsmaximen von Grice
3.1.2 Generelle und partikuläre Implikaturen
3.1.3 Ironie als konversationelle partikuläre Implikatur
3.2 Ironie als Echo und Zitat
3.3 Sprechakttheoretische Modelle
3.3.1 Ironie als Sprechakt
3.3.2 Ironie als indirekter Sprechakt
3.3.3 Ironie als uneigentlicher Sprechakt
3.4 Fazit

4. Die Verwendungsmotivationen von Ironie
4.1 (Un-)Höflichkeit
4.2 Bewertung
4.3 Ästhetischer Humor

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Grundsätzlich gehört die Fähigkeit zur ironischen Verwendung von Sprache zu den Möglichkeiten jedes Sprechers. Ebenso ist grundsätzlich jeder fähig, Ironie zu erkennen.“ (Gießmann 1977:420)

Wie das Zitat richtig zeigt, hat jeder Sprecher die Möglichkeit sich ironisch zu äußern. Sprecher benutzen und Hörer verstehen Ironie meist intuitiv, welche komplexen Strukturen jedoch dahinter stecken, ist weder leicht zu durchschauen noch einfach zu erklären. Es drängen sich einige Fragen auf:

Was genau ist Ironie? Wie wird Ironie überhaupt verbalisiert und wie wird sie verstanden? Warum setzt sich ein Sprecher der Gefahr aus, missverstanden zu werden, denn das kommt durchaus vor? Warum sagt man etwas indirekt, wenn es auch direkt geht, dies entspricht nicht der Sprachökonomie? In welchen Fällen bzw. Situationen kommt Ironie zum Ausdruck?

Diese Fragen sollen hier geklärt werden.

Den Anfang macht ein kurzer Abstecher in den Bereich der Rhetorik. Schon früh befasste sich z.B. Aristoteles mit dem Phänomen der Ironie und mit dem was sich dahinter verbirgt. Sie wurde als Stilmittel in öffentlichen Auseinandersetzungen bzw. Reden eingesetzt, um den Gegner bloßzustellen oder um die eigene Aussage zu pointieren.

Der Schwerpunkt dieser Hausarbeit liegt jedoch auf den linguistischen Ironietheorien. Sie sollen klären, was Ironie ist, wie sie demnach erklärt werden kann. Die hier erwähnten Autoren versuchen sich an einer Rahmentheorie, die, wie man sehen wird, nicht einfach zu fassen ist. Des Weiteren soll es darum gehen, wie Hörer ironische Äußerungen verstehen, denn es gilt eine Unterscheidung zwischen Gesagtem und Gemeintem zu machen. Wie kommen Hörer dazu, das Gemeinte als das Eigentliche zu verstehen?

In Kapitel 4 werde ich einige Verwendungsmotivationen für ironische Äußerungen vorstellen, die, wie ich finde, als Hauptgründe gelten können.

2. Historischer Hintergrund

2.1 Rhetorik

Die Etymologie des griechischen Wortes eiron bzw. eironeia ist nicht vollständig geklärt. Jedoch ist die ursprünglich negative Grundbedeutung eindeutig. Der Ironiker wurde im klassischen Altertum mit „Lügnern, Rabulisten, Rechtsverdrehern, durchtriebenen, abgefeimten glatten Gesellen“ (Lapp 1992b:47) in Verbindung gebracht.

Seit Aristoteles verliert sich die negative Bedeutung, da er die Ironie als „die feine Art der Verstellung“, als das „Kleintun aus Höflichkeit und Rücksichtnahme“ (Lapp 1992b:48) charakterisiert, der nicht unbedingt eine spöttische Absicht zugrunde liegen muss. Zu dieser ethischen Haltung kommt die Komponente des rhetorischen Gebrauchs. Die Ironie wird als Stilmittel in öffentlichen Auseinandersetzungen eingesetzt, um den gegnerischen Standpunkt bloßzustellen, anzugreifen oder lächerlich zu machen. Zudem ist sie abhängig vom „jeweiligen Zusammenhang, von den Motiven und der Persönlichkeit des eirons und von der gesellschaftlichen Umgebung“ (Lapp 1992a:21).

Für den Römer Quintilian gehört die Ironie zur Allegorie[1], einer rhetorischen Figur also, und nicht wie bei den Griechen zum gesellschaftlichen Verhalten. Den beiden Verständnissen von Ironie ist jedoch gemeinsam, „dass die Intention des Sprechers von dem verschieden ist, was er wirklich sagt, und dass der Hörer das Gegenteil von dem versteht, was ausgesprochen wird“ (Lapp 1992a:22). Cicero erweitert diese Gegenteilsdefinition, indem er ausführt, dass nicht nur das Gegenteil des Gesagten gemeint sein kann, sondern auch lediglich etwas anderes. Quintilian wie auch Cicero begreifen die Ironie als eine Art der transparenten Verstellung und des Scherzens, die durch den Hörer durch Gesten, Mimik, Kontext, Intonation etc. demaskiert werden kann (vgl. Lapp 1992a:22f.). Somit wird schon hier eine klare Grenze zwischen Ironie und Lüge gezogen.

Im Bereich der Rhetorik und Stilistik hat sich das Ironieverständnis bis zur Gegenwart nicht wesentlich verändert.

3. Ironietheorien

In der Linguistik gibt es mehrere Ironietheorien, die sich zum Teil widersprechen bzw. einander widerlegen oder aufeinander aufbauen. So konstatiert Paul Grice die Ironie als eine konversationelle Implikatur, die durch die scheinbare Missachtung der Maxime der Qualität entsteht. Sperber und Wilson verstehen die Ironie als ein Echo bzw. ein Zitat[2]. Zudem gibt es sprechakttheoretische Theorien, die versucht haben, Ironie als eine Sprachhandlung zu charakterisieren, die indirekt oder uneigentlich vollzogen wird. In diesem Kapitel sollen diese Theorien erläutert und gegenübergestellt werden.

3.1 Implikaturtheorie

Die Implikaturtheorie nach H. Paul Grice ist eine der wichtigsten Theorien der Pragmatik. Die Implikatur[3] bezeichnet eine durch Schlussfolgerung ermittelte (Zusatz-) Bedeutung einer Äußerung, die über den wörtlichen Gehalt einer Äußerung hinausgeht (vgl. Auer 1999:94).

Um Implikaturen in einem Gespräch erkennen zu können, muss davon ausgegangen werden, dass sich die Sprecher in einem Gespräch stets kooperativ, zielgerichtet und rational verhalten. Nach Grice kann ein Gespräch als kooperatives Handeln bezeichnet werden, bei dem alle Beteiligten das gleiche Ziel verfolgen: Zu verstehen und verstanden zu werden (vgl. Rolf 1994:215). Um dies zu gewährleisten, muss es Regeln geben, nach denen sich die Teilnehmer richten. Grice entwickelte das Kooperationsprinzip sowie vier Konversationsmaximen, die nicht als moralische Norm bzw. Vorschrift, sondern als Verhaltensregeln gelten sollen. „Das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen stellen einen Gesprächshintergrund dar, einen Hintergrund, der von den Gesprächs-teilnehmern, zumindest implizit, als ’operativ’ angesehen wird“ (Rolf 1994:106).

3.1.1 Konversationsmaximen von Grice

Grice geht davon aus, dass sich alle Sprecher an diese Regeln halten, da es andernfalls kaum möglich wäre, effizient zu kommunizieren bzw. effektiven Informationsaustausch zu betreiben (vgl. Auer[4] 1999:96). Hier sollen diese Regeln nun erläutert werden.

Das Kooperationsprinzip:

Gestalte deinen Gesprächsbeitrag so, wie es die anerkannte Zielsetzung oder Richtung des Gesprächs, an dem du beteiligt bist, zum betreffenden Zeitpunkt erfordert.

Die Konversationsmaximen:

1. Die Maxime der Qualität

Versuche deinen Gesprächsbeitrag so zu gestalten, dass er wahr ist - genauer:

(i) Sage nichts, von dessen Wahrheit du nicht überzeugt bist
(ii) Sage nichts, wofür du keine hinreichenden Beweise hast

2. Die Maxime der Quantität

(i) Mache deinen Gesprächsbeitrag so informativ wie (für die augenblicklichen Gesprächszwecke) nötig
(ii) Mache deinen Gesprächsbeitrag nicht informativer als nötig

3. Maxime der Relation

(i) Mache deine Gesprächsbeiträge relevant

4. Die Maxime der Modalität

Sei verständlich – genauer:

(i) Vermeide Unklarheit im Ausdruck
(ii) Vermeide Mehrdeutigkeit
(iii) Fasse dich kurz
(iv) Sei methodisch (Beachte die Reihenfolge)

(Levinson 2000:112)[5]

Wenn man Gespräche beobachtet, wird schnell deutlich, dass sich die Sprecher nicht immer an diese Regeln halten. Nach Grice werden sie jedoch nur scheinbar verletzt. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen:

Beispiel 1 (Levinson 2000:118):

A: Kannst du mir sagen, wie spät es ist?
B: Nun, der Milchmann war da.

Sprecher B verhält sich hier nur scheinbar unkooperativ. Wenn man davon ausgeht, dass der Gesprächsbeitrag von B relevant ist für die Beantwortung der Frage von A, so lässt sich durch einen Schlussprozess diese Relevanz herstellen und die Implikatur ableiten.

Sprecher A kann nun zum einen folgern, dass Sprecher B die genaue Uhrzeit nicht weiß, da er sie ihm sonst genannt hätte. Zum anderen kann er, wenn er weiß wann der Milchmann für gewöhnlich kommt, daraus schließen, dass es später ist, als zu der Zeit, zu welcher der Milchmann üblicherweise kommt.

Somit ist die Relevanz von B´s Aussage durch den Schlussprozess hergestellt.[6] Die Implikatur in diesem Beispiel entsteht demnach durch die Befolgung der Relevanzmaxime. Ebenso können Implikaturen durch eine scheinbare Missachtung bzw. Verletzung der Maximen entstehen.

Beispiel 2 (Meibauer 2001:27):

A: Der Fritz hat die alle total abgezockt!
B: Geschäft ist Geschäft.

+>[7] Das ist zwar nicht richtig, aber so ist das nun mal im Geschäftsleben.

Die Implikatur entsteht hier durch die scheinbare Verletzung der ersten Quantitätsmaxime (Mache deinen Gesprächsbeitrag so informativ wie nötig). B entgegnet eine Tautologie; da diese in jeder Situation wahr sind, sind sie relativ uninformativ, „da man ja weiß, dass jedes Ding mit sich selbst identisch ist“ (Meibauer 2001:27). Da Sprecher A jedoch davon ausgehen kann, dass Sprecher B kooperativ ist, muss sich hinter der Tautologie eine Zusatzinformation verbergen. Folglich ist A angehalten einen Schlussprozess zu vollziehen, um somit die Implikatur bzw. die eigentliche Information zu ermitteln.

Auch die Ironie entsteht nach Grice durch die Verletzung einer Maxime, der Qualitätsmaxime. In diesem Zusammenhang ist aber noch ein weiterer Aspekt von Bedeutung, deshalb soll zunächst der Unterschied zwischen partikulären und generellen Implikaturen geklärt werden, um die Ironie als Implikatur im Ganzen (siehe Kapitel 3.1.3) erfassen zu können.

3.1.2 Generelle und partikuläre Implikaturen

Grice unterscheidet zwei Arten von konversationellen Implikaturen: generelle und partikuläre. Generelle Implikaturen entstehen, ohne dass ein bestimmter Kontext erforderlich ist, partikuläre, im Gegensatz dazu, werden nur in einem Kontext verstanden.

Beispiel 3 (Meibauer 2001:33):

Ich habe Herrn Schmitz mit einer Frau getroffen.

+> Es war nicht seine Frau.

Die Implikatur eine Frau aber nicht seine Frau wird hier ohne Kontext verstanden, sie wird durch den unbestimmten Artikel ausgelöst. Nach Grice´ Maxime der Quantität (Mache deinen Beitrag so informativ wie nötig, aber nicht informativer als nötig!) nimmt der Hörer an, dass der Sprecher seine Frau gesagt hätte, wenn er die Ehefrau getroffen hätte. Dies soll mit der Theorie der skalaren Implikaturen erklärt werden. Unbestimmte und bestimmte Artikel lassen sich auf einer Skala anordnen, die den Informativitätsgrad anzeigen. Wenn ein Sprecher behauptet, es gelte ein niedrigerer oder schwächerer Punkt der Skala, so implikatiert er, dass ein höherer oder stärkerer Punkt nicht gilt (vgl. Levinson 2000:145). Obwohl in diesem Beispiel der Kontext nicht von Bedeutung ist, handelt es sich hier um eine konversationelle Implikatur[8], da sie tilgbar [9] ist:

Beispiel 4 (Meibauer 2001:33):

Ich habe Herrn Schulze mit einer Frau gesehen,

ich glaube, es war seine Frau.

Partikuläre Implikaturen entstehen nur, wenn sie in einem bestimmten Kontext stehen.

Beispiel 5 (Levinson 2000:138):

A: Was um alles in der Welt ist mit dem Braten passiert?
B: Der Hund sieht sehr glücklich aus.

+> Der Hund hat den Braten gefressen.

Die Implikatur wird nur in dem Kontext ausgelöst, den Sprecher A hier vorgibt, denn lediglich die Situation, dass der Braten weg ist, lässt die Implikatur (der Hund hat den Braten gefressen) entstehen, die A hier schlussfolgert.

Alle Implikaturen, die auf der Befolgung der Maxime der Relevanz beruhen, sind partikulär, da Äußerungen nur in Bezug auf eine bestimmte Situation hin relevant sein können. Bezogen auf das Beispiel bedeutet das: Nur wenn A davon ausgeht, dass die Äußerung von B relevant ist, lässt sie sich so interpretieren, dass sie seine Frage beantwortet.

Im nächsten Abschnitt soll geklärt werden, wie sich die Ironie in diesen Fällen verhält, d.h. ob sie auf einer Befolgung oder Missachtung einer bestimmten Maxime beruht bzw. einen bestimmten Kontext benötigt oder nicht. Lässt sich die Ironie in das Konzept von Grice einfügen?

[...]


[1] griech. allo agoreuein: etwas anders sagen (Fricke/Zymner 1996:49).

[2] Im Original: Echoic Mention Theory of Irony.

[3] In dieser Hausarbeit sind stets die konversationellen Implikaturen gemeint, da nur diese, im Gegensatz zu den konventionellen, von den Maximen hergeleitet und durch einen Schlussprozess ermittelt werden können (vgl. Levinson 2000:139f.).

[4] Im englischen Original von Grice (1975:47).

[5] Ausführlichere Beschreibungen und Erklärungen der Konversationsmaximen und des Kooperationsprinzips finden sich z.B. in Meibauer (2002:214ff.).

[6] Der ausführliche Schlussprozess bzw. das allgemeine Muster für das Erschließen einer Implikatur findet sich z.B. in Levinson (2000:124).

[7] +> bedeutet: implikatiert konversationell.

[8] Im Gegensatz zu einer konventionellen Implikatur (vgl. hierzu Levinson 2000:139).

[9] Meibauer verwendet den Begriff streichbar, näheres zu den Implikaturtests siehe Meibauer (2001:31f.) oder auch Davis (1998:7ff).

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Details

Title
Theorien der Ironie und ihre Verwendungsmotivationen
College
University of Wuppertal
Grade
1,3
Author
Year
2005
Pages
30
Catalog Number
V67436
ISBN (eBook)
9783638600026
ISBN (Book)
9783638670555
File size
538 KB
Language
German
Keywords
Theorien, Ironie, Verwendungsmotivationen
Quote paper
Ellen Becker (Author), 2005, Theorien der Ironie und ihre Verwendungsmotivationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67436

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