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GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin

Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie e. V. (DGHO)

ISSN 2194-2919

Sport während der Chemotherapie – Erfahrungen bezüglich Durchführbarkeit und Analyse der Lebensqualität

Sports during chemotherapy – experiences regarding the feasibility and analysis of the quality of life

Originalarbeit

  • corresponding author U. Seifart - Klinik Sonnenblick, Marburg, Deutschland
  • O. Paasch - Klinik Sonnenblick, Marburg, Deutschland
  • F. Merkel - Klinik Sonnenblick, Marburg, Deutschland
  • C. Leitseder - Klinik Sonnenblick, Marburg, Deutschland
  • B. Helm - Klinik Sonnenblick, Marburg, Deutschland
  • U. Albert - Klinik für Gynäkologie, gynäkologische Endokrinologie und Onkologie, Brustzentrum Regio, Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Deutschland
  • P. Olbert - Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Deutschland
  • J. Riera - Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie Onkologie und Immunologie, Universitätsklinikum Giessen und Marburg GmbH, Standort Marburg, Deutschland
  • Arbeitskreis Sport und Krebs in der Region Marburg-Biedenkopf

GMS Onkol Rehabil Sozialmed 2013;2:Doc01

doi: 10.3205/ors000006, urn:nbn:de:0183-ors0000065

Published: July 2, 2013

© 2013 Seifart et al.
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Zusammenfassung

Sport bei Tumorpatienten scheint neben einer Verbesserung der Prognose der Erkrankung auch das Potential zu besitzen, Nebenwirkungen der Therapie mildern zu können. Aus diesem Grunde werden landesweit zunehmend Sportgruppen für onkologische Patienten angeboten. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, die Durchführung einer solchen Gruppe, die keine Selektion in Hinblick auf Patienten, Diagnosen oder Chemotherapie betrieb, in der täglichen Praxis zu reflektieren, was die Sicherheit der Durchführung und den Effekt auf die Lebensqualität der Patienten angeht.

Die durchgeführten Therapien konnten ohne Einschränkungen erfolgen. Mit Ausnahme von Fatigue konnte eine Verbesserung der Lebensqualität gezeigt werden. Insbesondere eine Verbesserung der Polyneuropathie scheint bemerkenswert.

Schlüsselwörter: Sport, Bewegung, Krebs, Sicherheit

Abstract

Sport seems to improve prognosis in tumor patients and also own the potential to reduce side effects of therapy. For this reason sports groups are increasingly offered to oncological patients. For this reason it makes sense to reflect the implementation of such a group which pursued no selection in view of patients, diagnoses or chemotherapy in the everyday practise regarding the security and the effect on quality of life of the patients.

In our study sport therapy could take place without restrictions. With the exception of fatigue an improvement of the quality of life could be shown. In particular an improvement of polyneuropathy seems noteworthy.

Keywords: sports, exercise, cancer, safety


Einleitung

Wenngleich die Behandlung maligner Tumoren eine stetige Verbesserung erfährt, suchen immer häufiger Patienten und Betroffene nach zusätzlichen Therapiemöglichkeiten. Die Motivation hierfür findet sich in dem verständlichen Wunsch, ein Tumorrezidiv zu verhindern und tumorbedingte Symptome, krankheits- oder therapiebedingte Symptome und den krankheitsbedingten Funktionsverlust von Organsystemen zu reduzieren. Diese können beispielsweise eine eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit, ein gestörtes seelisches Gleichgewicht, Übelkeit, Appetitmangel, Gewichtsverlust, chronische Erschöpfung (Fatigue), Schwäche, Depressionen, Blutbildveränderungen sein. Körperliche Aktivität kann nahezu alle der genannten Symptome positiv beeinflussen.

Aus diesem Grunde werden landesweit zunehmend Sportgruppen für onkologische Patienten angeboten.

Unklar ist allerdings trotz der guten Studienlage, welche Art von Sport und in welchem Umfang dieser den Patienten in einer solchen Sportgruppe angeboten werden soll bzw. kann. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, die Durchführung einer solchen Gruppe in der täglichen Praxis zu reflektieren, was die Sicherheit der Durchführung und den Effekt auf die Lebensqualität der Patienten angeht.


Methode

In Kooperation mit dem Landessportbund, der Universitätsklinik Marburg Gießen-Marburg, Standort Marburg und der Rehabilitationsklinik Sonnenblick in Marburg erfolgte der Aufbau einer Sportgruppe für Patienten unter Chemotherapie. An dieser nahmen zwischen 6 und 18 Personen über 1 Jahr teil. Die Sporttherapie wurde 1x wöchentlich angeboten und umfasste neben einem medizinisch dosierten Muskelaufbautraining, Therapien zur Gleichgewichtsschulung, Entspannungstherapie, Ballspiele und therapeutisches Klettern.

Die Belastungsgrenzen wurden nach subjektiven Angaben der Patienten ermittelt. Eine Erfassung anhand von MET erfolgte nicht.

Die Therapien wurden durch onkologisch geschulte Physiotherapeuten durchgeführt.

Die Lebensqualität wurde durch Lebensqualitätsbögen (QLQ C-30) zu Beginn und am Ende der 1-jährigen Sporttherapie gemessen. Dies war bei insgesamt 6 Patienten möglich.


Resultate

Die durchgeführten Therapien konnten ohne Einschränkungen erfolgen. Nebenwirkungen der Sporttherapie oder eine Reduktion der Chemotherapie während der Sporttherapie waren nicht zu beobachten.

Eine komplette Analyse der Lebensqualität war an 6 Patienten zu erheben.

Diese zeigte folgende Veränderungen:

Die Frage „Müssen Sie tagsüber im Bett liegen oder in einem Sessel sitzen?“ beantworteten die Patienten wie folgt, wobei die blaue Säule die Antworten vor und die rote Säule die Antworten nach der Chemotherapie zeigen: siehe Abbildung 1 [Abb. 1].

Die Frage „Hatten Sie in der letzten Woche Schmerzen?“ entwickelte sich wie folgt: siehe Abbildung 2 [Abb. 2].

„Fühlten Sie sich in der letzten Woche schwach?“, siehe Abbildung 3 [Abb. 3].

Neben den körperlichen Veränderungen wurden, dem Fragebogen entsprechend auch psychische Veränderungen erfragt: „Hatten Sie in der letzten Woche Schwierigkeiten sich an Dinge zu erinnern?“, siehe Abbildung 4 [Abb. 4].

Die zwei Fragen Fatigue betreffend zeigten folgendes Ergebnis: „Waren Sie in der letzten Woche müde?“ (Abbildung 5 [Abb. 5]); „Hatten Sie in der letzten Woche Schwierigkeiten sich an Dinge zu erinnern?“ (Abbildung 6 [Abb. 6]).

Den Gesundheitszustand allgemein beurteilten die befragten Patienten wie folgt: siehe Abbildung 7 [Abb. 7].

Die Frage bezüglich der Veränderung einer Polyneuropathie („Hatten Sie während der letzten Woche kribbelnde Hände oder Füße?“) zeigte folgendes Resultat: siehe Abbildung 8 [Abb. 8].


Diskussion

Das von uns gewählte Therapieprogramm erwies sich als machbar und ohne Komplikationen durchführbar.

Somit glauben wir, dass auch außerhalb von Studien ohne jegliche Selektion, was Tumorindikation und Chemotherapie betrifft, Patienten, die eine Chemotherapie erhalten, eine Sporttherapie durch qualifizierte Physiotherapeuten angeboten werden kann.

Die Analyse der Lebensqualität zeigt ein für uns teilweise überraschendes Ergebnis. So konnte eine Fatiguesymptomatik in unserem Patientenkollektiv nicht wesentlich gebessert werden. Dies steht in einem deutlichen Gegensatz zu den bisher publizierten Daten [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8].

Die Erklärung hierfür mag in dem sehr kleinen Patientenkollektiv, welches wir überschauen, liegen. Darüber hinaus finden sich aber auch Publikationen wie z.B. von Markes et al. 2006 [9], die einen positiven Effekt von Sport auf eine Fatigue-Symptomatik nicht nachweisen konnten.

Konstant zu den bisher bekannten Untersuchungen finden sich die positiven Effekte auf die Lebensqualität, insbesondere was die Beurteilung des allgemeinen Gesundheitszustands, den Grad der Fitness betrifft. Diese Beobachtungen sind konkordant zu den bekannten publizierten Effekten [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [10]. Positiv wurde von unseren Patienten auch der Effekt der Sporttherapie auf ihre Schmerzen beurteilt. Wenngleich der Unterschied aufgrund der kleinen Patientengruppe nur durch 2 Patienten zustande kommt, lässt sich sicher feststellen, dass in unserem Patientenkollektiv regelmäßiger Sport die Schmerzen, die therapie- und/oder erkrankungsbedingt waren, nicht verstärkt. Eine Frage, die viele Patienten eher davon abhält Sport zu treiben.


Fazit

Die hier vorgestellte Untersuchung zeigt, dass Patienten, die bezüglich ihrer Chemotherapie und Tumorentität bewusst nicht selektioniert wurden, sicher und ohne negative Effekte eine Sporttherapie 1x/Woche über 1 Jahr angeboten werden kann.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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Cramp F, Daniel J. Exercise for the management of cancer-related fatigue in adults. Cochrane Database Syst Rev. 2008;(2):CD006145. DOI: 10.1002/14651858.CD006145.pub2 External link
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