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GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS)

ISSN 1860-9171

MEC.O – Medical education online: ein Schlüssel zur Wissenserweiterung in der unfallchirurgischen Studentenausbildung im Rahmen der neuen Approbationsordnung für Ärzte

MEC.O – Medical education online: a key to the knowledge extension in the student training in traumatology in the context of the "Neue Approbationsordnung für Ärzte"

Originalarbeit

  • corresponding author Reinhilde Ziegler - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg/Saar, Deutschland
  • Werner Knopp - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg/Saar, Deutschland
  • author Gregor Hohenberg - Universitätsklinikum des Saarlandes, MTAF-Schule, Homburg/Saar, Deutschland
  • author Andreas Wendorf - Universitätsklinikum des Saarlandes, MTAF-Schule, Homburg/Saar, Deutschland
  • author Michael Redies - AO Foundation, Davos, Schweiz
  • author Tim Pohlemann - Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Homburg/Saar, Deutschland

GMS Med Inform Biom Epidemiol 2009;5(1):Doc04

doi: 10.3205/mibe000083, urn:nbn:de:0183-mibe0000835

Published: February 25, 2009

© 2009 Ziegler et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Zielsetzung: Wir stellen ein spezielles eLearning-Konzept der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität des Saarlandes vor: MEC.O (Medical education online).

Methodik: Dieses eLearning-Konzept ist als Teil der studentischen Ausbildung konzipiert und ergänzt die bereits bestehende Ausweitung der Lehr- und Lernangebote (Blockpraktika, Praxisseminare, Praktisches Jahr, freiwilliger zusätzlicher multimedialer Unterricht unter tutorieller Anleitung) in der Unfallchirurgie während des Medizinstudiums.

Ergebnisse: Die Studenten können zwischen vier verschiedenen Stufen des eLearning-Moduls wählen: e-Vorlesung, Operationsvideos, Internet-Links zu einer Wissensdatenbank und klinische Fallbeschreibungen. Eine Leistungskontrolle auf mehreren Ebenen schließt sich an. Eine Evaluation der Akzeptanz durch die Studenten erbrachte außerordentlich positive Resultate.

Schlussfolgerung: Wir sehen eLearning als Teil eines Blended Learning-Konzeptes, das eine Hinwendung zu problemorientierten Strategien des lebenslangen Lernens im Medizinstudium und im Beruf fördert. Die Rolle des Hochschullehreres verändert sich dadurch von einem reinen Vermittler von Standardwissen hin zu einem Mentor für die Studenten, der gezielte Förderung und individuelle Betreuung bieten kann.

Schlüsselwörter: eLearning, eTeaching, Blended Learning, Medizinstudium, Unfallchirurgie

Abstract

Aim: In this document we describe a special e-learning project of the trauma surgery clinic at the University of Saarland/Germany: MEC.O (Medical education online).

Methods: This e-learning concept was created as part of the students’ education and it adds to the ever-expanding teaching and learning possibilities (practical lessons en bloc, practical seminars, practical year, voluntary additional lessons in surgery with multimedia learning and instructions by a tutor) in accident surgery in the course of their medical education.

Results: The student can choose between four steps of the e-learning module: e-lesson, video presentations of operations, Web-based links to an information pool and clinical case descriptions. Additionally, an examination on different levels is included. An additional private lesson for the best students completes the concept. An evaluation of the acceptance by our students produced very positive results.

Conclusion: We see e-learning as part of a blended learning concept. E-learning promotes a shift towards adult learning strategies in medical education, which are useful for lifelong learning in medicine. This changes the rule of the teacher in medical education. Educators no longer serve solely as distributors of content, but become facilitators of learning and assessors of competency.

Keywords: e-learning, e-teaching, blended learning, medical education, accident surgery


Hintergrund

Unter eLearning versteht man computergestützte Lehr-, bzw. Lernmethoden, die das Internet als Ressource und Medium nutzen [1], [2], [3], [4]. Das Lernen wird dabei unabhängig von Tageszeit und Ort [3], [4]. Durch die rasante Zunahme von Fachwissen in allen Bereichen, der zunehmenden Globalisierung, Fortschritten in den Kommunikationstechnologien, sowie der immer stärkeren Nutzung des Internet hat sich auch die universitäre Ausbildung von Medizinstudenten verändert [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12], [13]. Ziele all dieser Programme waren die Verbesserung der Ausbildungsqualität, eine Flexibilisierung, sowie eine studentenzentrierte Form des Lernens [5], [8], [14], [15]. Allerdings wich der anfängliche Enthusiasmus zunehmender Ernüchterung, als immermehr der teuren, häufig öffentlich geförderten Projekte scheiterten. Bei der Realisation von technisch ausgefeilten eLearning-Modulen hatte man didaktische und lernpsychologische Aspekte des Lernprozesses oft vergessen [8], [14], [15]. Heute wird eLearning von weniger als 10% der Dozenten an den Universitäten in der Studentenausbildung genutzt [16].

Ziel unseres Projektes ist es, in Koordination mit den etablierten Präsenzveranstaltungen unfallchirurgisches Standardwissen auf multimedialer Basis durch Online-Präsentationen zu vermitteln. Unser eigenes eLearning-Tool ist Teil eines komplexen medizinischen Lehrangebotes, das neben eLearning-Angeboten aus Vorlesung, Blockpraktikum in Kleingruppen mit zahlreichen Patientenkontakten, vertiefenden Praxisseminaren, Praktischem Jahr, sowie freiwilligem multimedialen Unterricht unter tutorieller Anleitung besteht. ELearning ist eine wichtige Einzelkomponente, sollte die traditionellen Unterrichtsformen aber keinesfalls ersetzen [3], [16], [17], [18], [19], [20]. Es hat seinen Platz als Teil eines Blended Learning-Konzeptes, in dem unterschiedliche Methoden genutzt werden.


Umsetzung

Es wurde ein spezielles eLearning-Projekt von der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität des Saarlandes entwickelt: MEC.O (Medical education online). Das Modul wurde als ein Teil der studentischen Ausbildung im Fach Unfallchirurgie konzipiert. Wir bieten multimediale Fallpräsentationen vom unkomplizierten Unfall bis zur schwersten Unfallverletzung an. Schrittweise werden die erforderlichen Diagnose- und Erstversorgungsmaßnahmen abgefragt. Anschließend muss über sekundäre diagnostische Prozeduren entschieden werden, bevor die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen zu wählen sind. Der Student handelt dabei genauso wie in einer realen Situation aus der Klinik und die Ergebnisse seiner Entscheidungen werden ihm anschließend präsentiert. Die einzelnen Schritte orientieren sich am klinischen Procedere, also Untersuchung des Patienten, Labor und Röntgenbefund. Auf diese Weise werden klinische Untersuchung und therapeutische Entscheidungen durch selbstgesteuertes Lernen eingeübt.


Praxiserfahrung

Die online abrufbaren Lernangebote sind in ein didaktisches Gesamtkonzept gemäß der neuen Approbationsordnung für Ärzte eingebettet. In einer multimedialen Weise werden genau die konkreten klinischen Fälle präsentiert, die den häufigsten Verletzungen im unfallchirurgischen Alltag entsprechen (s. Abbildung 1 [Abb. 1]). Ein zusätzliches Coaching durch einen Tutor wird ergänzend angeboten. Der Student kann zwischen verschiedenen Stufen innerhalb der Module wählen. Beim Starten des Programms erscheint das Schema eines menschlichen Skelettes, auf dem verschiedene Regionen ausgewählt werden können (s. Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Student kann eine Region anklicken, worauf ein Auswahlmenü erscheint, aus dem entweder die regionenbezogene Hauptvorlesung (s. Abbildung 3 [Abb. 3]), eine organbezogene e-Vorlesung zu einem bestimmten Krankheitsbild, ein Link zur Röntgenanatomie einer Region, ein klinisches Untersuchungsvideo, ein Link zu Informationen zur klinischen Anwendung und ein OP-Video (am Modell von der AO Foundation oder live aus der eigenen Klinik) sowie eine Fallbearbeitung oder ein Quiz ausgewählt werden kann.

Jede/r Studierende kann entsprechend seinem/ihrem Vorwissen und Ausbildungsniveau im Studiengang eine Auswahl treffen. Klinische Untersuchungsmethoden, Wege der Diagnosestellung, sowie die Erstellung von therapeutischen Konzepten werden damit im Eigenstudium ermöglicht. Die Wissensdatenbank erlaubt dabei eine beliebige Vertiefung beim Erarbeiten einer bestimmten Thematik.

Die Basis des eLearning-Moduls ist eine e-Vorlesung zu unterschiedlichen unfallchirurgischen Themen, die nach der LiveToDigital-Methode an unserer Klinik erstellt wurde (Abbildung 4 [Abb. 4] und Abbildung 5 [Abb. 5]).

Der zweite Teil des Moduls besteht aus Videopräsentationen von unfallchirurgischen Operation am Modell (http://www.aosurgery.org) bzw. an unserer Klinik erstellter Untersuchungsvideos und Videos realer Operationen (Abbildung 6 [Abb. 6]).

Die dritte Säule stellt eine bereitgestellte Wissensdatenbank dar, die zur Fallbearbeitung genutzt werden kann. Diese Wissensdatenbank umfasst konventionelles Lehrbuchwissen, die Lehrinhalte der dargebotenen Präsenzveranstaltungen, webbasierte Links (Bibliothek der Universitätsklinik Homburg mit großer Auswahl an e-Zeitschriften und Datenbanken; AO Foundation: http://www.aofoundation.org, Abbildung 7 [Abb. 7]) als auch Verweise zur unfallchirurgischen Fallsammlung (Abbildung 8 [Abb. 8] und Abbildung 9 [Abb. 9]). Dies ermöglicht es den Studenten, Zusatzinformationen zu finden, beispielsweise Links zu den neuesten fallbezogenen Originalartikeln, sowie aktuelle online Informationen. Auf der Basis dieser Informationen kann der Student, bzw. die Studentin eine klinische Diagnose stellen, die beste Therapieoption wählen, eine Operationsplanung durchführen und die Rehabilitationsphase planen.

Eine fallbasierte, realitätsbezogene eigene Leistungskontrolle anhand multimedialer Fallpräsentationen bildet den Abschluss jeder Kurseinheit. Die erlernten Grundlagen werden fallorientiert angewandt, indem konkrete Fallbeispiele schrittweise von der exakten Beschreibung des vorliegenden Problems bis hin zur Erarbeitung des Lösungsvorschlages durchgeführt werden (Abbildung 8 [Abb. 8] und Abbildung 9 [Abb. 9]).

Klinische Untersuchungsmethoden, Wege der Diagnosestellung, sowie die Erstellung von therapeutischen Konzepten werden im Eigenstudium ermöglicht. Diese problemorientierte Vorgehensweise verlangt aktiv präsentes Wissen und stellt im Gegensatz zum Lösungssuchverhalten bei ausschließlichen Multiple Choice-Prüfungsverfahren einen Realitätsbezug dar. Im Rahmen einer abschließenden Prüfung werden Übungsaufgaben von den Studierenden selbständig erarbeitet (s. Abbildung 10 [Abb. 10]).

Erster Schritt ist dabei das Ankreuzen von Multiple Choice-Fragen, gefolgt vom Beantworten von offenen Fragen mittels frei formulierten Sätzen. Die Ergebnisse werden elektronisch nach Schlagworten vorsortiert und anschließend tutoriell beurteilt. Beim Erreichen einer Quote von mindestens 80% richtiger Antworten können in einem nächsten Schritt unfallchirurgische Problemstellungen in Form eines Aufsatzes schriftlich gelöst werden. Entscheidend ist die Möglichkeit für die besten Studenten aus dieser zweiten Prüfungsebene, nach abgeschlossenem Kurs eine Tutorensprechstunde aufzusuchen, in der die Ergebnisse individuell durchgesprochen werden können. Diese Vorgehensweise der Verknüpfung computerbasierter Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten mit einer individuellen Tutorensprechstunde ermöglicht eine dem/der Studierenden adaptierte Erfolgskontrolle und individuelle Beratung hinsichtlich der persönlichen Wissenslücken.

Gemäß der Hypothese, dass die Studenten unser Zusatzangebot annehmen und begrüßen, wurde im Rahmen einer Evaluationspilotstudie der SS 2007 und WS 2007/2008 auf der Basis eines Fragebogens die Akzeptanz des bisherigen Materials an 37 Studenten überprüft. Es zeigte sich, dass 100% der befragten Studenten das eLearning-Angebot als hilfreich für ihr Medizinstudium ansahen und sich eine Ausweitung des eLearning-Angebotes wünschten. Die Relevanz für das Medizinstudium der dargebotenen eLearning-Inhalte wurde auf einer Skala von 10 (sehr relevant) bis 1 (nicht relevant) im mittel mit 8,5 Punkten beurteilt, die didaktische Qualität mit im Mittel 8,1 Punkten (10 sehr gut, 1 sehr schlecht). Auch mit der Ausführlichkeit und dem Umfang der e-Vorlesungen (10 – viel zu ausführlich; 1 – viel zu kurz) waren die befragten Studenten mit im Mittel 7,0 Punkten (Min. 3; Max. 9) hoch zufrieden. Der Schwierigkeitsgrad der fallbezogenen Fragen (10 – zu schwierig; 1 – zu leicht) wurde mit im Mittel 5,2 Punkten (Min. 4; Max. 7) als genau richtig beurteilt. 79% der Befragten wünschten sich noch mehr fallbezogene Fragen, 24% über den campusweiten Zugang hinaus auch eine Verfügbarkeit von zuhause aus. 16% äußerten ein Extralob wegen der sehr guten Struktur und der übersichtlichen Darstellung. 22% machten technische Verbesserungsvorschläge, die inzwischen auch bereits umgesetzt wurden. 19% forderten, das gesamte Material umgehend für alle Studenten zugänglich zu machen. Auch dies ist inzwischen geschehen. Insgesamt ist die Akzeptanz des Materials also sehr hoch. Zwischenzeitlich ist eine prospektive Evaluationsstudie angelaufen, die nicht nur die Akzeptanz des dargebotenen Materials durch die Studenten erfragt, sondern auch den Erfolg eruiert, indem Klausurergebnisse vor und nach Einführen des eLearning-Tools verglichen werden. Weiter werden längerfristige Lerngewohnheiten im Verlauf erfragt, um eventuelle Änderungen des Lernverhaltens nach Einführen von eLearning zu erfassen. Über die Ergebnisse wird zu einem späteren Zeitpunkt berichtet werden.


Diskussion

Das hier vorgestellte eLearning-Konzept bietet zahlreiche Vorteile für die Studierenden. Der Student, bzw. die Studentin kann zeitlich unabhängig die angebotenen multimedialen Lerninhalte abrufen und die Fortschritte selbst bestimmen [1], [2]. Selbstgesteuertes Lernen und Eigenstrukturierung werden so gefördert. Über Einwahl in das universitäre Netzwerk (w-lan) besteht auch die Möglichkeit, die Lern- oder Lehrinhalte von zuhause aus oder aber vom landschaftlich reizvoll gelegenen Campus aus abzurufen. Der Lernprozess kann auf diese Weise gut in den individuellen Alltag integriert werden [21], [22]. Dies ist gerade für Studenten, die zusätzlich zum Studium arbeiten müssen, oder Kinder haben, von Vorteil. Lernen ist ein reflektiver generativer Prozess, der durch aktive kollaborative pädagogische Lehrformen erleichtert werden kann [8]. In unserem lernerzentrierten Modell kontrollieren die Lernenden ihren eigenen Lernprozess selbst. Sie haben die Kontrolle über Lerninhalte, Lernsequenzen und -abfolge und können sich dabei selbstgesteuert und engagiert mit den Inhalten auseinandersetzen. Vorteil dieses interaktiven Ansatzes ist die Möglichkeit, aktive Problemlösungsstrategien zu erarbeiten [8]. Diese interaktive Form des Lehrens und Lernens fördert mehr Effizienz beim Lernen, sie steigert die Motivation und die kognitive Effektivität. Jeder Lernende kann das für ihn geeignete Lernlevel selbst wählen und so eine Über- oder auch Unterforderung vermeiden. Adaptives Lernen wird möglich durch die Identifikation des Lernenden mit dem Inhalt, durch Personalisation und Individualisation von Darbietung, Unterstützung und Selbstkontrolle. Adaptives Lernen wiederum ermöglicht eine Individualisierung der Lernpfade für jeden einzelnen Studenten und eine gezielte Anpassung an seine spezifischen Bedürfnisse und Ziele und stellt damit die ultimative Form einer lernerzentrierten Darbietungsweise dar [3], [23], [24]. ELearning fördert eine Hinwendung zu souveränen selbstgesteuerten Lernstrategien und damit zu lebenslangem Lernen schon während des Medizinstudiums [3], [8], [25], [26], [27], [18], [28], [29], [30].

Das eLearning-Material des hier vorgestellten Konzeptes besteht neben konventionellem unfallchirurgischem Wissens auch aus Web-basierten Links mit ständig adaptierten und aktualisierten Informationen. Die angebotenen Informationen entsprechen so immer dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Durch webbasierte Links zu entsprechenden internationalen Seiten, beispielsweise der AO Foundation (http://www.aofoundation.org) oder der Mueller Foundation (http://www.mullerfoundation.org) ist ein Blick über regionale und nationale Grenzen möglich und eine Orientierung der diagnostischen und therapeutischen Optionen an internationalem Niveau möglich. Durch den heutigen Grad an Globalisierung kann so durch eine Internationalisierung der angebotenen Lerninhalte die medizinische Ausbildung verbessert werden [31], [32]. Die Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität des Saarlandes ist eine AO-Klinik und qualifiziert Ärzte im Rahmen von AO-Fellowships. Um den medizinischen Nachwuchs in der Tiefe auszubilden, wurden die Inhalte der AO-Datenbank aus didaktischen Gründen für die Studenten unserer Klinik im Rahmen eines Pilotprojektes zugänglich gemacht (proof of concept). Dies garantiert ein wissenschaftliches Level, die in speziellen Bereichen sogar Facharztniveau erreicht.

Eine abschließende fallbasierte Erfolgskontrolle wird durch einen Tutor korrigiert, die Ergebnisse des einzelnen Studenten werden individuell mit dem Tutor besprochen und es besteht die Möglichkeit, eine zusätzliche private Unterrichtseinheit mit dem Tutor anzuschließen, in der noch bestehende individuelle Schwächen besprochen und Probleme gelöst werden können. Dieses Konzept des Blended Learning bietet eine Reihe didaktischer Vorteile. In einer Lernumgebung mit einer Vielfalt von Unterrichtsmethoden und -ansätzen wird die Debatte um virtuelle oder reale Lehrformen obsolet, da eine durchdachte Kombination der didaktischen Methoden erfolgt. Stattdessen wird es notwendig, für ganz bestimmte Fragestelltungen und Lerninhalte die am besten geeignete didaktische Form aus den verfügbaren Ressourcen zu wählen. Sowohl die rein virtuelle Universität, als auch der reine Frontalunterricht stellen Einbahnstraßen dar, die in der Hochschulausbildung viele sinnvolle Optionen ausschießen würden. Das Ziel besteht darin, verschiedene Lehrmodelle sinnvoll miteinander zu kombinieren. Dabei ist die beste Option nicht ein Nebeneinander unterschiedlicher Lehrformen, sondern ein abgestimmtes aufeinander bezogenes Miteinander [33]. Eine intelligente Kombination personeller und nichtpersoneller Ressourcen ermöglicht dieses Blended Learning-Konzept. Die Rolle des Hochschullehrers verändert sich dabei von einem bloßen Vermittler von Standardwissen hin zu einem Mentor für die Studenten, der diese in ihrem individuellen Lernprozess unterstützt und ihnen hilft, problemorientierte Lösungsstrategien und Kompetenzen zu erwerben [3], [8], [16], [25]. Die Arbeit der Dozenten verändert sich in Richtung individuelle Betreuung, gezielte Förderung und Ausbildung und direktes frontales Ansprechen der Studenten. Anstelle des ständigen Wiederholens bereits mehrfach publizierten und didaktisch schon vielfach gut aufgearbeiteten Standardmaterials durch den Hochschullehrer tritt die Vermittlung von gut erstelltem Basiswissen durch eLearning. Die dadurch gewonnen Zeit kann der Dozent nutzen, um den Studenten praxisnah und individuell spezielle Fragen zu beantworten. Er wandelt sich dadurch vom eher reproduzierenden Vorleser zum tatsächlich lehrenden Coach und Mentor. Seine Rolle verändert sich in Richtung konstruktivistischer Funktionen, was die Qualität der Lehre verbessert [34]. Damit werden die universitäre Lehre und somit auch die vorgesehenen Präsenzphasen der Studenten höherwertiger. Gerade im Hinblick auf die Einführung von Studiengebühren in Deutschland ist dies von großer Bedeutung. Die Effektivität von eLearning ist offensichtlich sehr hoch, dies zeigen zahlreiche zufriedene Studenten [3], [5]. Die erzielten Lernerfolge sind bei Blended Learning-Konzepten höher als bei konventionellen Lernmodellen alleine [3], [5]. Dennoch ist eine objektive und umfassende Evaluation unumgänglich. Die Evaluation der Akzeptanz unseres eigenen Konzeptes erbrachte außerordentlich positive Resultate. Hier wäre ein breiter Vergleich mit anderen eLearning-Angeboten wünschenswert, allerdings gibt es gerade im Bereich der Unfallchirurgie bisher nur vereinzelte Angebote. In der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover wurde ebenfalls ein webbasiertes eLearning-Tool installiert und evaluiert [35]. Es handelt sich um ein vorlesungsbegleitendes „Schoolbook“, das auf einem Server installiert ist und das in 10 Kapiteln Inhalte des Gegenstandskataloges umsetzt. Das Material besteht aus Videosequenzen, Lerntexten und Übungsfragen. Die Studenten bewerteten dieses System ebenfalls sehr positiv. 79,6% hielten das Angebot für sinnvoll, 8,1% waren neutral eingestellt und 12,3% fanden das Angebot nicht für sinnvoll. Damit liegen die Ergebnisse aus Hannover vergleichbar gut wie unsere eigenen Resultate. Am Universitätsspital Basel (Schweiz) existiert der erste Teil eines e-learning Moduls Chirurgische Basiskompetenzen, das in der Klinik für Wiederherstellende Chirurgie, Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie erstellt wurde. Es handelt sich um eine CD mit einem Nahtkurs. Das eLearning-Modul wird im Rahmen eines Blended Learning-Konzeptes eingesetzt. Erste Evaluationen erbrachten nach Einsatz des Moduls im Vergleich zu vorher eine Verbesserung um den Faktor 10 hinsichtlich des Prüfungsergebnisses der Studenten [36].

Bei der Erstellung von eLearning-Materialien sollte immer das Feedback der Studenten einbezogen werden [37], [38]. Daher ist an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Universität des Saarlandes über die Evaluation im Rahmen des erwähnten Pilotprojektes hinaus eine prospektive Evaluationsstudie angelaufen, deren Ergebnisse jedoch noch nicht vorliegen. In dieser Studie werden neben der Akzeptanz durch die Studenten auch die technische Handhabung, der Nutzungsgrad, sowie die Klausurergebnisse als messbarer Parameter des Erfolges des Konzeptes erfasst.


Fazit

Wir sehen eLearning als Teil eines Blended Learning-Konzeptes, das eine Hinwendung zu problemorientierten Strategien des lebenslangen Lernens im Medizinstudium und im Beruf fördert. Die Rolle des Hochschullehreres verändert sich dadurch von einem reinen Vermittler von Standardwissen hin zu einem Mentor für die Studenten, der gezielte Förderung und individuelle Betreuung bieten kann.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Keine angegeben.


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