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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Erfahrungen mit digitalem Tandemunterricht in der Ärztlichen Zentralbibliothek

Digital cooperative teaching at the Central Medical Library Hamburg (ÄZB)

Fachbeitrag Online-Jahrestagung der AGMB 2021

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  • corresponding author Sandra Rümmele - Ärztliche Zentralbibliothek des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2021;21(3):Doc23

doi: 10.3205/mbi000512, urn:nbn:de:0183-mbi0005129

Published: December 20, 2021

© 2021 Rümmele.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Als Reaktion auf den ersten Lockdown und die darauffolgenden Einschränkungen der Lehre vor Ort digitalisierte das Schulungsteam der Ärztlichen Zentralbibliothek des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf die in das Curriculum der zahn- und allgemeinmedizinischen Studiengänge eingebundenen einführenden Kurse zum wissenschaftlichen Arbeiten. Parallel stattfindende Seminare wurden zu einer digitalen Live-Veranstaltung via Videokonferenz verschlankt, bei gleichbleibenden Lernzielen und Inhalten. Mehrere zeitgleich anwesende bibliothekarische und medizinische Fachkräfte boten eine angemessene und situationsbezogene Betreuung. Aktivierende Methoden und der Verweis auf Tutorials und weiterführende Materialien ergänzten das Angebot um Aspekte des Blended Learning. Die Veranstaltungen wurden von Lehrenden und Studierenden überwiegend positiv bewertet und eine Weiterführung des digitalen Formates über die Pandemie hinaus gewünscht.

Schlüsselwörter: digitale Lehre, Tandemunterricht, Informationskompetenz, Einführungskurse, bibliothekarische Informationsvermittlung, universitäre Lehre

Abstract

As a reaction to the COVID-19 lockdown and following restrictions for classroom teaching the team of instructors at the ÄZB had to digitalize the introductory courses for academic research. The courses are integrated into the curricula of the departments of dentistry and general medicine.

While the learning objectives and the content remained unchanged, the faculty-to-student-ratio could be changed for the better by pulling courses together due to the online-format. A number of library and medical professionals were supporting the participants throughout every online session. Methods to activate learning, tutorials and additional materials added a dimension of blended learning to the sessions.

Both students and faculty members provided predominantly positive feedback about the course and its new format and expressed the desire for its continuation in the future.

Keywords: digital teaching, cooperative teaching, information literacy, introductory course, library information transfer, academic teaching


Einleitung

Als im Frühjahr 2020 klar wurde, dass in Universitäten und Bibliotheken aufgrund der Corona-Pandemie bis auf weiteres keine Beratungen oder Veranstaltungen vor Ort möglich sein würden, veröffentlichte das Schulungsteam der ÄZB auf der Homepage Tutorials und Informationsmaterialien für das eigenständige mobile Lernen. Der bibliothekarische Auskunftsservice fand bald nicht nur telefonisch, sondern nach Terminabsprache auch als Videokonferenz statt. Aufgrund der hohen Nachfrage folgten im Mai 2020 dann Webinare zu den Themen Literaturverwaltung und Recherche in Datenbanken.

Mit den dabei gesammelten Erfahrungen konnten im Wintersemester 2020/21 die ins Curriculum der zahn- und allgemeinmedizinischen Studiengänge eingebundenen Kurse zum wissenschaftlichen Arbeiten als digitales Format entwickelt werden – ein spannender und herausfordernder Prozess mit positivem Ergebnis.


Bibliothekseinführungen vor COVID-19 und pandemiebedingter Veränderung

Bereits seit der Einführung des IMED Modellstudiengangs 2012 werden für die Ausbildung von Ärzt:innen von Anfang an die theoretischen Grundlagenfächer mit der klinischen Praxis vernetzt, mit dem Ziel, praktische und theoretische Fähigkeiten in der Ausbildung enger miteinander zu verbinden [1]. Für die Bibliothek wirkte sich diese enge Anbindung ans Curriculum – vor allem in Hinblick auf die Vermittlung von Literaturkompetenz – sehr vorteilhaft aus [2].

Bei dem 2019 gestarteten, neuen iMED DENT Modellstudiengang für das Studium der Zahnmedizin ist die Bibliothek noch enger mit dem Studienverlauf verknüpft als beim Studiengang Humanmedizin [3]. Hier ist die ÄZB im ersten, dritten und sechsten Semester mit Vorlesungen und Seminaren zur Anwendung von Recherche-, Zitations- und Präsentationstechniken vertreten. Die Veranstaltungen werden in Kooperation mit dem medizinischen Lehrpersonal des Fachbereichs vorbereitet und gehalten.

Der Ablauf jeder Schulungsveranstaltung der ÄZB orientiert sich an einem teamintern mit einem Augenzwinkern als „Drehbuch“ bezeichneten Plan, der zu verwendende Vermittlungstechniken, Zeitspannen und Wording festlegt. In der Vergangenheit wurden die Studierenden während der Orientierungseinheit in der ersten Woche des Studiums in Gruppen á 20 Personen durch die Bibliothek geführt und erhielten dort einen Bibliotheksausweis, eine Einführung in die Vor-Ort-Nutzung und eine Präsentation der ÄZB-Homepage und des Bibliothekskatalogs (Dauer ca. 45 Min insg.).

Dieselben Gruppen erhielten nach ca. zwei Monaten eine vertiefende Veranstaltung zu Inhalten wie „Zugänge zu Datenbanken“, „thematische Suche“, „Literaturbeschaffung“ und Tipps zur Literaturverwaltung im Frontalunterricht, angereichert durch aktivierende Methoden [4]. Diese Seminare dauerten drei Zeitstunden und über mehrere Tage hinweg waren bis zu fünf Bibliothekar:innen gleichzeitig im Einsatz.

Die Vorgaben der Corona-Verordnung verhinderten ein Fortführen der bisherigen Informationsvermittlung vor Ort. Die Entscheidung, die Einführungskurse durch eine Form des Live-Streamings zu ersetzen, wurde gemeinsam von der Bibliotheksleitung und den Mitgliedern des Schulungsteams getroffen [5].


Methoden der digitalen Lehre

Zwar konnten wir als Team auf jahrelange Erfahrung und Konzepte zurückgreifen, mussten aber die Methodik überarbeiten. Alle Kurse wurden entsprechend den Empfehlungen für die digitale Lehre mit aktivierenden Methoden wie anonymen Umfragen oder Einzel- und Gruppenarbeiten angereichert. Im verwendeten Videokonferenztool „Webex“ (https://www.webex.com/de/index.html) können Teilnehmende außerdem durch Smileys sogenannte „Reaktionen“ senden. Diese Möglichkeit eines direkten Feedbacks wurde von den Lehrenden gerne benutzt, um die Mitarbeit aufzulockern und den Lernerfolg der Studierenden abzufragen (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]). Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass es sich auszahlt, die verschiedenen Features und Möglichkeiten der Apps auszunutzen statt zu versuchen, ein analoges Format 1:1 abzubilden.

Der Kursablauf wurde im aktualisierten Drehbuch dokumentiert und in der ersten Veranstaltung unter realen Bedingungen getestet. Schon dabei mussten wir den Ablauf modifizieren, da sich zeigte, dass die Bearbeitung einer Aufgabe in der digitalen Lehre mehr Zeit erfordert als gemeinsam vor Ort. Dies zeigte sich insbesondere bei Gruppenarbeiten und der Nachbesprechung der bearbeiteten Aufgaben. Bei den folgenden Veranstaltungen verzichteten wir auf Übungsaufgaben und planten mehr Einzelarbeitszeit ein, statt alle Aufgaben in Gruppen bearbeiten zu lassen.

Die Lehrmethoden im finalen Drehbuch wechselten zwischen Vortrag, Demonstration, Abfrage und Einzel- oder Gruppenarbeit mit anschließender Feedbackrunde.

Zur späteren Vertiefung der gelernten Inhalte wurden den Studierenden weiterführende Informationsmaterialien und alle verwendeten Unterlagen zur Verfügung gestellt. Dabei kamen Plattformen zum Einsatz, die der Fachbereich seit Jahren für das „Blended Learning“ verwendet: Konkret sind das eine UKE-eigene Plattform zur Studienorganisation, das Portal iMED Campus (https://imed-campus.uke.uni-hamburg.de/startseite) und die verbreitete Lernplattform Moodle (https://moodle.org/?lang=de), um Materialien und Links zu teilen.

Parallel zur Überarbeitung der Methoden erfolgte die Organisation des Kursablaufs. Auch hier brachte uns das digitale Format zum Umdenken und die Erfahrung, die wir in der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit im Mobile Office gesammelt haben, kam uns zugute.


iMED: Mehrere ÄZB-Mitarbeiter:innen unterrichten gemeinsam

Für die Studierenden im ersten Semester der Allgemeinmedizin bündelten wir die bisher in mehreren Räumen parallel stattfindenden Seminare zur Bibliothekseinführung zu täglich jeweils einer, zeitgleich stattfindenden, digitalen Veranstaltung. So konnten wir die Anzahl der Kurse von ursprünglich 19 auf sieben verschlanken und zugleich den Betreuungsschlüssel von 20:1 gewährleisten.

Um der größeren Anzahl der Teilnehmer:innen pro Kurs gerecht zu werden, war zur Unterstützung der dozierenden Person während des Webinars sowohl ein:e Moderator:in als auch ein Back-Up anwesend. Dieses Back-Up fungierte während des Seminars gelegentlich als Co-Dozierende:r, blieb aber vor allem für den Fall eines technischen Ausfalls ständig präsent und konnte, wenn nötig, direkt dort einsteigen, wo Dozent:in oder Moderator:in unterbrochen wurden (vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]).

Der Moderationsposten wurde durch zwei Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste (FaMIs) besetzt. Beide FaMIs studieren neben Ihrer Tätigkeit an der ÄZB aktuell in Hannover den Studiengang „Informationsmanagement berufsbegleitend (BIB)“ und konnten aus ihren eigenen Erfahrungen mit der Online-Lehre heraus agieren. Die Moderatorinnen koordinierten oder beantworteten die im Chat gestellten Fragen, brachten diese situationsgerecht für alle Teilnehmer:innen in das Gespräch ein und betreuten außerdem die Einteilung der Teilgruppen. Sie achteten gemeinsam mit der Gesprächsleitung auf die Zeit und kommunizierten Pausen bzw. die Blöcke des selbstständigen Arbeitens.


iMED DENT: Expert:innen der Medizin und aus der Bibliothek

Die Studierenden in iMED DENT sollen in Ihrem Studienverlauf kontinuierlich ihre Kenntnisse der wissenschaftlichen Methoden entwickeln und erweitern. Auf dieselben Einführungskurse wie in der Allgemeinmedizin folgen daher weitere Seminare in höheren Semestern. Hier gab es keine Erfahrungswerte, auf die zurückgegriffen werden konnte, weder was die inhaltliche Ausgestaltung noch die Organisation der Zusammenarbeit zwischen der Bibliothek und dem Fachbereich betraf.

Umso interessanter war auch die didaktische Ausarbeitung für die Kurse dieses dritten Semesters und die Freude, als sich das fertige Konzept bewährte, bei dem die Mitarbeiter:innen der ÄZB gemeinsam mit Dozierenden des Fachbereichs unterrichteten.

Wir planten dazu zwei 45-minütige Online-Vorlesungen zur Theorie und darauf folgend jeweils ein 1,5-stündiges praktisch orientiertes Seminar zur PICO-Methode und dem PRISMA-Statement zur Dokumentation. Die Vorlesung wurde vom Schulungsteam der ÄZB vorbereitet und ein:e Bibliothekar:in hielt diese, stellvertretend für das Team, via Webex für alle Studierenden des Semesters gemeinsam. Die verwendete PowerPoint-Präsentation stand den Studierenden danach für das vertiefende Seminar zur Verfügung. Für die Seminare, bei denen jeweils sowohl eine bibliothekarische als auch eine medizinische Fachkraft anwesend waren, wurden vier Seminargruppen á 20 Personen gebildet.

Die Zahnmediziner:innen stellten für jedes Seminar jeweils eine Situationsbeschreibung aus der Praxis zur Verfügung und die Studierenden, wiederum aufgeteilt in Kleingruppen, erarbeiteten daraus eine recherchierbare Fragestellung.

Anschließend führten sie die Recherche aus, dokumentierten und bewerteten die Ergebnisse und präsentierten als Abschluss ihre Überlegungen (vgl. Abbildung 3 [Abb. 3]). Die anwesenden Expert:innen ergänzten oder korrigierten wenn nötig die Ausführungen der Seminarteilnehmer:innen.

Hier wurde aufgrund der geringeren Gruppengröße keine dritte Person für die Moderation bestimmt, sondern die Mediziner:innen koordinierten die Gruppeneinteilung, während die bibliothekarische Fachkraft sich auf die Vermittlung der Inhalte konzentrierte.


Positives Feedback an allen Bildschirmen

Die Studierenden beider Studiengänge bewerteten die digitalen Veranstaltungen der ÄZB als sehr positiv. Mehrere Teilnehmer:innen äußerten den Wunsch, Inhalte dieser Art auch zukünftig online vermittelt zu bekommen. Die Teilnehmer:innen sprachen gut auf die verschiedenen Methoden und technischen Unterstützungen an und beteiligten sich durch Gesprächsbeiträge und Reaktionen. Das hat uns sehr gefreut: Wer Lehre im Frontalunterricht und Online-Lehre vor vielen grauen Kacheln kennt, weiß, wie viel eine aktive Beteiligung der Teilnehmer:innen in so einem Format wert sein kann. Die Kolleg:innen aus der Lehre, die Bibliothekar:innen und FaMIs hatten ebenso Spaß an diesen neuen Formaten und wir konnten gegenseitig von unseren sehr unterschiedlichen Vor- und Fachkenntnissen profitieren. Die enge Zusammenarbeit mit dem Fachbereich wirkte sich positiv auf die Kommunikation untereinander und die Qualität der Lehre aus.

Ein großer Benefit war die organisatorische Zusammenlegung der Kurse bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Betreuungsschlüssels und unter Ausnutzung der neu eröffneten technischen Möglichkeiten. Wir konnten dadurch mit einem relativ kleinen Team alle Veranstaltungen abdecken und haben es damit teilweise sogar geschafft, den geforderten Betreuungsschlüssel zu übertreffen. Das hätte im analogen Format schon aufgrund der Raumsituation so nicht funktioniert. Ausreichend viele, technisch adäquat ausgestattete Räume zu finden stellte für uns jedes Jahr eine Hürde dar, die wir in diesem digitalen Semester dankbar umgehen konnten.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Medizinische Fakultät Hamburg. Modellstudiengang iMED: Module im Pflichtbereich. [Stand: 16.09.2021]. Verfügbar unter: https://www.uke.de/studium-lehre/modellstudiengang-medizin-imed/index.html External link
2.
Kintzel M, Sunderbrink N. Die Vermittlung von Informationskompetenz in der Ärztlichen Zentralbibliothek des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. GMS Med Bibl Inf. 2014;14(1-2):Doc08. DOI: 10.3205/mbi000305 External link
3.
Medizinische Fakultät Hamburg. Modellstudiengang Zahnmedizin iMED DENT: Module im Kerncurriculum. [Stand: 10.08.2021]. Verfügbar unter: https://www.uke.de/studium-lehre/modellstudiengang-zahnmedizin-imed-dent/index.html External link
4.
Dübbelde G. Aktivierende Methoden für Seminare und Übungen. Methodenkoffer. Justus-Liebig-Universität Giessen; [Stand: November 2017]. Verfügbar unter: https://www.uni-giessen.de/fbz/zentren/zfbk/didaktik/informationen/downloads/lehreinsteiger-1/methodenkoffer-seminare External link
5.
Wille F, Krause E, Weiner O. Medizinische Hochschulbibliotheken in Zeiten von Corona: ein kollegialer Austausch nach einem Jahr Pandemie. GMS Med Bibl Inf. 2021;21(1-2):Doc12. DOI: 10.3205/mbi000501 External link