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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

AGMB-Wettbewerb „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken 2020“: Würdigung der Preisträger

Competition of the German MLA (AGMB) “Pioneer projects in medical libraries 2020”: Introduction of the winners

Mitteilung Leuchtturmprojekte

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  • corresponding author Iris Reimann - Universitätsbibliothek RWTH Aachen University, Medizinische Bibliothek, Aachen, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2020;20(3):Doc18

doi: 10.3205/mbi000475, urn:nbn:de:0183-mbi0004752

Published: December 22, 2020

© 2020 Reimann.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Projekte der Preisträger des Wettbewerbes „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken 2020“ werden vorgestellt und die Begründung der Jury dargelegt.

Schlüsselwörter: AGMB-Wettbewerb „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken 2020“, Projekte, Medizinbibliotheken, Preisträger, AGMB

Abstract

The projects of the winners of the competition “Pioneer projects in medical libraries 2020” are introduced and the statement of the jury explained.

Keywords: competition of the German MLA (AGMB) “Pioneer projects in medical libraries 2020”, projects, medical libraries, winners, AGMB


AGMB-Wettbewerb „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken“ 2020: Würdigung der Preisträger

Ende Dezember 2019 wurde der Wettbewerb „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken“ zum 8. Mal ausgeschrieben. Wieder waren Medizinbibliotheken aller Sparten und aller Größen aufgerufen, sich mit einem eigenen Projekt zu bewerben oder eine andere Medizinbibliothek für die Auszeichnung vorzuschlagen. Bei der Preiswürdigkeit eines Projektes sollte nicht dessen Größe und Umfang oder der geleistete finanzielle oder personelle Aufwand, sondern explizit die innovative Idee und deren Umsetzung unter den lokalen Bedingungen zählen [1].

Bis Fristende zum 31. März 2020 wurde ein Projekt eingereicht; von der angebotenen Fristverlängerung um zwei Wochen machten dann noch zwei weitere Bibliotheken Gebrauch. So hatte die Jury insgesamt drei Projekte zu bewerten. Positiv hervorzuheben ist, dass für alle drei Einreichungen ausführliche Beschreibungen geliefert wurden, die es ermöglichten, einen guten Einblick in Konzeption und Umsetzung der jeweiligen Projekte zu bekommen. Dies war in der Vergangenheit nicht immer der Fall und machte die Arbeit der Jury diesmal ungleich einfacher. Dafür ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer!

Die Jury, bestehend aus den Leitern der drei Arbeitskreise in der AGMB, zwei gewählten Mitgliedern sowie zwei Vorstandsmitgliedern der AGMB, beschäftigte sich ausführlich mit den Beiträgen und bewertete die Projekte hinsichtlich Neuartigkeit, Kundenorientierung, Nachnutzbarkeit durch andere Bibliotheken sowie Effizienz im Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Nach Begutachtung der drei Einreichungen anhand der genannten Kriterien, wobei natürlich auch der Gesamteindruck, den man aufgrund der Beschreibung bekam, nicht unerheblich war, kam die Jury zu der Überzeugung, dass alle drei Projekte die genannten Kriterien erfüllten, die darin entwickelten Services wichtig und nützlich, kundenorientiert und sichtbar, nachhaltig und interessant sind und damit preiswürdig im Sinne der Ausschreibung waren.

Bei den drei Bibliotheken handelte es sich um zwei vergleichbare medizinische Zweigbibliotheken je einer Universitätsbibliothek sowie um ZB MED, die ja inzwischen wesentlich größer aufgestellt ist als noch in den letzten Jahren. Auch wenn in der Ausschreibung des Wettbewerbes die Größe der Bibliothek und die zur Verfügung stehenden Ressourcen als nicht ausschlaggebend genannt wurden, spielen sie trotzdem in der Bewertung eine nicht ganz zu vernachlässigende Größe, da die Synergieeffekte nicht zu unterschätzen sind und auch die Erwartungshaltung an das, was die Bibliothek leisten kann und sollte, miteinfließen. Daher entschied sich die Jury, in diesem Jahr einen Sonderweg zu gehen und das Projekt von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften mit einem Sonderpreis auszuzeichnen.

Den Projekten wurden je 400 EUR für den 1. Preis sowie für den Sonderpreis und 200 EUR für den 2. Preis zugesprochen. Die Preisverleihung erfolgte im Rahmen der Online-Jahrestagung der AGMB am 22. September 2020. Auf eine Präsentation der prämierten Projekte während der Tagung musste aus Zeitgründen diesmal verzichtet werden.

  • 1. Preis:
    „Praxisleitfaden und Workshop ‚Systematic Reviews‘“
    Lorena Cascant Ortolano und Dr. Stefanus Schweizer, Bereichsbibliothek Universitätsmedizin der Universitätsbibliothek Mainz

Dieses Projekt wurde in Kooperation mit Oliver Bayer und Dorle Hoffmann vom Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universitätsmedizin Mainz durchgeführt.

Das Thema „Systematic Reviews“ beschäftigte die Kolleg*innen in Mainz ebenso wie an anderen Bibliotheken schon länger, vereinzelte Anfragen scheiterten aber an den fehlenden personellen Ressourcen. Die Mainzer Kolleg*innen haben sich daher nach einer Alternative zu einem „Full Service“ umgesehen und entschieden sich dafür, ein Angebot „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu entwickeln. Das Grundwissen sollte in Workshops mit den Wissenschaftler*innen erarbeitet werden, um dann basierend auf diesem Wissen punktuell beraten zu können. Flankierend wurde mit der Entwicklung eines Praxisleitfadens begonnen, der sowohl in den Workshops eingesetzt wie auch als Grundlage für die Beratungen genommen werden kann. Bis März 2020 wurden bereits zwei erfolgreiche Workshops durchgeführt, die erste Version des Praxisleitfadens vorgelegt und durchschnittlich drei bis vier Beratungen von je 2 Stunden pro Monat durchgeführt [2].

Viele Bibliotheken haben die Entwicklung forschungsnaher Dienstleistungen als zentrale Aufgabe für sich erkannt. Der Wunsch, Services zu systematischen Literaturrecherchen aufzubauen, ist vor allem auch aufgrund der steigenden Nachfrage seitens der eigenen Institutionen vielfach da. Es fehlt aber an Orientierung, ob und wie diese Services in der eigenen Bibliothek zeitlich realisierbar sind. Ebenso fehlen Hilfestellungen und übergreifende Grundlagen für die praktische lokale Umsetzung. Der Praxisleitfaden und die Workshops der Kolleg*innen aus Mainz setzen bei genau dieser Lücke an, sie sind in dieser Form bzw. für diesen Zweck neuartig, in der Kombination der beiden Elemente Leitfaden und Workshop innovativ und sie haben als Best-Practice-Beispiel Modellcharakter für die Planung ähnlicher Services anderer Bibliotheken. Die Mainzer Bibliothek löst mit dem Praxisleitfaden das Problem vieler Bibliotheken beim Thema „Systematische Literaturrecherche“, indem sie eben kein Angebot für Auftragsrecherchen aufbaut, sondern über die praxisnahe Aufbereitung von Informationen Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Damit positioniert sich die Bibliothek für die Universitätsmedizin als kompetente Ansprechpartnerin in Sachen „Systematische Literaturrecherche“. Die Nachnutzbarkeit für andere Medizinbibliotheken ist sehr hoch und die Nachnutzung explizit gewünscht.

  • 2. Preis:
    „Einführung und Etablierung von 3D-Technologie und Equipment in einer (Medizin-)Bibliothek“
    Dagmar Härter, Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen

Die Idee dazu entstand nach einer Fortbildungsreise an die SLUB Dresden, bei der Frau Härter die Gelegenheit bekam, sich den dortigen Makerspace anzusehen und einen Überblick über die enorme Angebotsvielfalt zu bekommen. Zurück in Göttingen hat sie dann zuerst die Verantwortlichen überzeugen müssen, um schließlich aus Eigenmitteln der Bibliothek einen 3D-Drucker anzuschaffen. Da sie sich bewusst für ein niedrigschwelliges Angebot entschied, war die Nachfrage sehr schnell sehr groß und hält seitdem kontinuierlich an. In Rechnung werden den Kund*innen lediglich die Materialkosten für die gedruckten 3D-Modelle gestellt. Das Projekt fand auch Aufmerksamkeit in der örtlichen Presse und aufgrund der guten Resonanz konnten inzwischen weitere Drucker angeschafft und das Angebot ausgebaut werden [3].

Ein 3D-Drucker gehört nicht zum klassischen Angebot einer Bibliothek. Aber in Zeiten des Wandels und dem Anpassen an neue Realitäten geht die Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen mit ihrem neuen Angebot einen Weg hin zu neuen Dienstleistungen und positioniert sich damit als eine Informationsdienstleisterin, die sich auch als technisches Kompetenzzentrum versteht. Es ist noch nicht vorherzusehen, was an neuen Dienstleistungen und Informationen in naher Zukunft von Forschung und Lehre benötigt werden. Aber eines ist sicher, technische Kompetenz, in welcher Form sie sich auch zeigen mag, wird dazugehören. Die gute Annahme des 3D-Druckerangebotes gibt der Bereichsbibliothek Medizin recht. Im Forschungs- und Klinikumsbereich gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten für einen 3D-Druck. Es kommt der Bibliothek zu Gute, dass sie sich inmitten des Universitätsklinikums befindet und der Weg hin zu dem neuen Service für die Nutzer*innen kurz ist. Positiv ist ebenso der niedrigschwellig angelegte und kostengünstige Zugang zur Nutzung. Die Nachnutzbarkeit des Angebotes für andere Bibliotheken ist zwar nicht generell gegeben. Aber der eingereichte Beitrag steht für eine innovative Haltung neuen Techniken und Serviceangeboten gegenüber, die für andere ein Beispiel geben können.

  • Sonderpreis:
    „ZB MED COVID-19 Hub: ZB MED unterstützt die Forschung rund um das Corona-Virus SARS-CoV-2“
    ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln und Bonn

Die Kolleg*innen von ZB MED reichten ein Projekt ein, mit dem sie sehr schnell auf die im März 2020 sich auch in Deutschland ausbreitende Corona-Pandemie reagierten. Zuerst wurden valide Quellen zu dieser Problematik zusammengetragen, aufgrund der Fülle war aber schnell erkennbar, dass eine bloße Listung nicht mehr ausreichen würde. Parallel dazu haben sich die Forscher*innen von ZB MED mit ihrem bioinformatischen und medizinischen Hintergrund Gedanken gemacht, wie sie die Forschung rund um COVID-19 unterstützen können. In einer Wochenendaktion Mitte März entstand dann die Rohfassung des sogenannten ZB MED COVID-19 Hub, der sukzessive ausgebaut wurde unter Nutzung typischer Forschungsmethoden wie „Text and Data Mining“ sowie der Analyse großer Datenmengen [4].

Das Projekt von ZB MED benötigte zu seiner Umsetzung nicht so sehr finanzielle Ressourcen, sondern vor allem engagierte Mitarbeiter*innen, wie auch aus der Beschreibung des Projektes sehr deutlich wurde. Besonders beeindruckend war, dass noch im März 2020, als die Pandemie sich in Europa zu manifestieren begann, das Konzept für den Hub entwickelt und in sehr kurzer Zeit auf einem sehr hohen Niveau umgesetzt werden konnte. Der ZB MED COVID-19 Hub ist wohl in der Geschichte der Ausschreibung der Leuchtturmprojekte durch die AGMB jenes Projekt, das am raschesten realisiert wurde und in einer besonders schwierigen Phase, in der die meisten Bibliotheken und ihre Services zurückgefahren wurden, eine Innovation von sehr großer Sichtbarkeit platzieren konnte. Der COVID-19 Hub stellt aktuell eine unerlässliche und frei zugängliche Informationsressource für Virolog*innen, Epidemiolog*innen und andere Forscher*innen dar. Wir Bibliotheken können diesen Service nachnutzen, davon profitieren wiederum unsere Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen im eigenen Haus. Die Sichtbarkeit nach außen ist hoch und die Akzeptanz auch international gegeben.

Die Jury war der Meinung, dass ZB MED hier seinem Auftrag, medizinisch relevante Informationen schnell, effizient und fundiert zur Verfügung zu stellen, sehr gut nachgekommen ist und damit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen eine weltweite Krisensituation, die leider immer noch andauert, leistet.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Reimann I. „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken“ – Ausschreibung für den AGMB-Wettbewerb 2020. GMS Med Bibl Inf. 2019;19(3):Doc22. DOI: 10.3205/mbi000447 External link
2.
Cascant Ortolano L, Schweizer S. Praxisleitfaden Systematische Literaturrecherche und Workshop „Systematic Reviews” der Bereichsbibliothek Universitätsmedizin der Universitätsbibliothek Mainz. GMS Med Bibl Inf. 2020;20(3):Doc20. DOI: 10.3205/mbi000477 External link
3.
Härter D. Einführung und Etablierung von 3D-Technologie und Equipment in einer (Medizin-)Bibliothek. Erfahrungsbericht der Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen. GMS Med Bibl Inf. 2020;20(3):Doc19. DOI: 10.3205/mbi000476 External link
4.
Roesner E. Keine Zeit für „Irrungen und Wirrungen“: Aufbau des ZB MED COVID-19 Hubs für die Forschungsunterstützung rund um das Corona-Virus SARS-CoV-2. GMS Med Bibl Inf. 2020;20(3):Doc21. DOI: 10.3205/mbi000478 External link