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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Dienstleistungsangebot für EBM – von der Lehre bis zur klinischen Forschung und Praxis: Erfahrungen an der Universität Bern

Services for EBM – from teaching to clinical research and practice: experiences at the University of Bern

Case Report Evidenzbasierte Medizin und Systematic Review

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GMS Med Bibl Inf 2020;20(1-2):Doc13

doi: 10.3205/mbi000470, urn:nbn:de:0183-mbi0004703

Published: September 1, 2020

© 2020 Schaffer.
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Zusammenfassung

Der Anstieg von Systematic Reviews in den letzten Jahren führte zur Nachfrage nach Unterstützung bei der systematischer Literaturrecherche, die nur mit einem professionellen Service durch Informationsspezialist*innen abgedeckt werden kann. In der Bibliothek Medizin an der Universität Bern konnten durch den Aufbau eines kleinen Teams in diesem Bereich Dienstleistungen für Studium und Forschung entwickelt und ständig erweitert werden. Ein schwieriges Unterfangen innerhalb des strikten medizinischen Lehrplans in der Schweiz.

Schlüsselwörter: systematische Literatursuche, evidenzbasierte Medizin, Medizinstudium, Unterricht, wissenschaftliches Schreiben

Abstract

The increase in systematic reviews in recent years has led to a demand for support in systematic literature search, which can only be met by a professional service provided by information specialists. At the University of Bern Medical Library, by building a small team, services for study and research could be developed in this area and are constantly being expanded. A difficult undertaking within the strict medical curriculum of Switzerland.

Keywords: systematic literature search, evidence based medicine, study of medicine, teaching, scientific writing


Aufbau eines wissenschaftlichen Teams

Seit 2017 konnte mit Anschubfinanzierung einer Mehrjahresplanung, Anträgen an die medizinische Fakultät sowie Umwidmung von Stellenpunkten für wissenschaftliches Personal ein Team aufgebaut werden, das heute aus zwei permanent angestellten Informationsspezialistinnen und einer „Scientific Writing“-Tutorin besteht (total 230 Stellen-%). Während einer 2-jährigen Pilotphase wurden Literaturrecherche-Schulungen, Einzelberatungen und Auftragsrecherchen durchgeführt. Der Pilotversuch bestätigte, dass Studierende für ihre Masterarbeiten von den Schulungen und den Einzelberatungen durch die Informationsspezialistinnen profitierten. Zusätzlich zeigte sich, dass auch eine grosse Nachfrage an Auftragsrecherchen für Forschungsgruppen bestand.

Nach einem weiteren Antrag wird eine dritte Informationsspezialistin (100%) seit 2019 temporär für 3 Jahre durch die medizinische Fakultät finanziert. Sie ist vorwiegend zuständig für die Durchführung und den Aufbau von weiteren Lehrveranstaltungen (Pflicht- und Wahlkurse) innerhalb des Lehrplans der Humanmedizin. Im Berner Lehrplan gab es bis dahin nur eine Pflichtveranstaltung im 3. Studienjahr (Bachelorstufe) die von den Informationsspezialistinnen der Institutsbibliothek Sozial-, Präventiv- und Hausarztmedizin (PHC), zusammen mit dem neu aufgebauten wissenschaftlichen Team der Bibliothek Medizin durchgeführt wurde. Diese Veranstaltung findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem nur ein Teil der Studierenden mit ihrer Masterarbeit angefangen hat. Die Mehrheit der Studierenden hat bei Beginn ihrer Masterarbeit nur noch dürftige Erinnerungen an den Kurs. Es gab weder Auffrischungs- noch Vertiefungskurse. Einzig die Studierenden, deren Betreuer zu den Instituten Sozial-, Präventiv- und Hausarztmedizin gehörten, konnten von Beratungen der dort ansässigen Institutsbibliothek profitieren. Dieses Ungleichgewicht in der Betreuung sollte durch ein erweitertes Angebot an Lehrveranstaltungen und Einzelberatungen durch die Bibliothek Medizin ausgeglichen werden. Das Programm sollte mit den Angeboten im englischsprachigen Raum und in Skandinavien vergleichbar sein und grundlegende EBM-Methoden für die Literaturrecherche vermitteln. Da immer mehr Studierende von ihrer Masterarbeit eine oder sogar mehrere Publikationen ableiten, wurden auch die durch die Bibliothek probeweise angebotenen Kurse in „Scientific Writing“ stark nachgefragt und sollten weiterhin angeboten werden.

Es war schwierig in der D-A-CH-Region qualifiziertes Personal zu finden, um ein Angebot an Dienstleistungen aufzubauen, welches auf evidenzbasierte Medizin (EBM) ausgerichtet sein würde. Nur eine der Informationsspezialistinnen stammt aus der D-A-CH-Region und ist ursprünglich Biologin mit langjähriger professioneller Erfahrung in der Durchführung von Literatursuchen für Systematic Reviews, HTAs (Health Technology Assessments) und klinische Richtlinien. Sie unterrichtet die deutschsprachigen Kurse in der Humanmedizin (Einführungsvorlesung im 3. Studienjahr) sowie der Zahn- und Veterinärmedizin (Einführungs- und fortgeschrittene Kurse für Bachelor- und Masterstudierende). Zusätzlich ist sie für Dienstleistungen für Systematic Reviews zuständig. Die zwei anderen medizinischen Informationsspezialistinnen stammen aus der USA und haben beide einen Abschluss in Library and Information Science mit medizinischem Schwerpunkt. Alle weiteren Lehrveranstaltungen und Beratungen sowie der Online LibGuide, Flyer und Serviceformulare sind daher auf Englisch. Vor allem ab Doktoratstufe ist das Unterrichten und die Kommunikation in Englisch Pflicht, auch aufgrund der internationalen Ausrichtung der Universität Bern. Die „Scientific Writing“-Tutorin hat einen interdisziplinären Ph.D.-Abschluss (Anthroplogie, Psychologie, Literatur) von der Yale-Universität und war lange als „Editor“ in unterschiedlichen Disziplinen tätig. Sie gibt mehrere „Scientific Writing“-Kurse innerhalb des medizinischen Lehrplans (6. Studienjahr) sowie ausserhalb des Lehrplans für Doktorierende, Post-Docs und Forschende in Medizin und Naturwissenschaften.


Weiterentwicklung oder Aufbau von Kursen für die Veterinär-, Zahn- und Biomedizin

Im Studiengang Veterinärmedizin bestand bereits eine Lehrveranstaltung im 4. Studienjahr (Master) in systematischer Literaturrecherche, die von der vorgängigen Bibliotheksleiterin durchgeführt wurde. Nach dem Stellenwechsel der Bibliotheksleiterin wurden die Kurse vom wissenschaftlichen Team der Bibliothek Medizin übernommen und zusätzlich ein Einführungskurs im letzten Bachelorstudienjahr in den Lehrplan eingebaut. Es bestehen gute Kollaborationen mit einer Dozentin und der Studiengangsleitung. Ein Ausbau der Kurse wäre wünschenswert, jedoch hat die Veterinärmedizinische Fakultät dafür keine zusätzlichen Stellenpunkte zur Verfügung gestellt.

Für die Zahnmediziner wurden neue Pflichtveranstaltungen im 3. und 4. Studienjahr eingeführt. Zusätzlich konnte mit dem Verantwortlichen für die Weiterbildungsstudiengänge (Master of advanced studies) zwei übergreifende Pflichtseminare in „Systematic Literature Searching“ und in „Scientific Writing“ implementiert werden.

Für die Biomediziner konnte nach vorgängiger Umfrage zum Bedarf ein zweiteiliger Wahlkurs in „Scientific Literature Searching“ für Masterstudierende aufgebaut werden.


Eine organisatorische Herausforderung: Lehrveranstaltungen für Humanmediziner

In Abbildung 1 [Abb. 1] ist der Aufbau des Studiums der Humanmedizin an der Universität Bern dargestellt. Aufgrund des dicht gepackten Stundenplans der Medizinstudierenden war es schwierig neue Kurse einzubinden. Der Stundenplan der Mediziner war in Blöcke aufgeteilt, die kaum Platz für zusätzliche Kurse zuliessen. Studienjahresübergreifende Kurse waren nicht vorgesehen. Weiter sind ab Mitte des 4. Studienjahres die Studierenden mehrheitlich in externen Spitalpraktikas eingebunden. Nach Verhandlungen mit der Studiengangsleitung und den Fakultätsvertretern der Studienkommissionen konnte eine neue verpflichtende Einführungsvorlesung zur bereits bestehenden Pflichtvorlesung in Literaturrecherche im 3. Studienjahr eingebaut werden. Diese wurden mit Wahlkursen im 3. und 6. Studienjahr ergänzt, um den Anforderungen in Literaturrecherche und Publikation für EBM gerecht zu werden. Im letzten, 6. Studienjahr haben diese Kurse den Fokus auf evidenzbasierte Methoden für die klinische Forschung und Praxis. Darüber hinaus bietet die „Scientific Writing“-Tutorin der Bibliothek Medizin diverse Kurse an, um die Studierenden beim erfolgreichen Publizieren zu unterstützen.

Die Suche nach dem optimalen Zeitpunkt, um Kurse in Literaturrecherche in den Lehrplan der Medizinstudierenden einzubinden, wird zusätzlich erschwert, da der Startzeitpunkt für eine Masterarbeit nicht genau definiert ist. Er liegt irgendwann zwischen Ende des 3. bis Anfang des 5. Studienjahres.

Für die Masterarbeit sind 8 Wochen vorgesehen. Die Masterarbeit ist ein Bestandteil eines Forschungsprojektes (klinische Studie, experimentelle Forschung oder Übersichtsarbeit) einer Forschungsgruppe der medizinischen Fakultät. Oft resultiert die Masterarbeit später in eine umfangreichere Publikation, in die der Masterstudierende einbezogen ist.

Das Team für wissenschaftliche Dienstleistungen der Bibliothek Medizin versucht der Flexibilisierung des Startpunktes der Masterarbeit mit monatlichen Wiederholungskursen in Datenbankschulungen und systematischer Literaturrecherche sowie Review-Typen entgegenzukommen. Die Grundlagen aus den Einführungs- und fortgeschrittenen Kursen in systematischer Literatursuche im 3. Studienjahr liegen bei einigen bereits eine Weile zurück und konnten seither nicht angewendet werden. Die Studierenden haben somit die Möglichkeit den Stoff noch einmal zu repetieren und ihre Probleme in der Literaturrecherche für die Masterarbeit zu klären. In Kleingruppen (max. 5 Teilnehmer) haben die Teilnehmer genügend Gelegenheit ihre individuellen Fragen zu stellen und mit der Informationsspezialistin oder innerhalb der Gruppe zu besprechen. Solche Auffrischungskurse erhöhen die Kompetenzen der Studierenden in Literatursuche und damit verbundener Qualität der Publikation [1], [2].

Ausserdem konnte auf weiteres gemeinsames Drängen der Bibliothek Medizin, von Fakultätsvertreter*innen, die unser Kursangebot unterstützen, und der Studiengangsleitung ein studienjahresübergreifender zweimal jährlich stattfindender Kurs „Wissenschaftliches Arbeiten – Unterstützung bei der Masterarbeit“ – eingeführt werden. Zwei der vier Module, „Scientific Literature Searching“ und „Scientific Writing“ werden von der Bibliothek Medizin durchgeführt.

Die gemachten Erfahrungen zeigen, dass Kollaborationen mit der Fakultät ein wichtiger Faktor beim Aufbau von Lehrplanveranstaltungen sind und widerspiegeln auch die Resultate des Reviews von Maggio et al. [3].

Eine weitere Herausforderung sind die Finanzierungsansätze der medizinischen Fakultät für die temporäre 100%-Stelle. Dies ist nur mit einer hohen Anzahl an Kursen für Studierende und Rechercheberatungen für Forschende möglich. Der zeitliche Aufwand zur Durchführung der Kurse und der Rechercheberatungen beansprucht momentan alle personellen Ressourcen des wissenschaftlichen Teams, inklusive der Tutorin für „Scientific Writing“.


Grundlage für einen professionellen Service – Erstellen einer „Policy“

Nach der Etablierung eines Teams aus drei Informationsspezialistinnen wurde als erste Grundlage zur Weiterentwicklung der Dienstleistungen Richtlinien für die Services in Literaturrecherche erstellt [4]. Sie legen fest, welche Unterstützungsangebote für Studierende, Forschende und externe Kunden zu welchen Tarifen angeboten werden. Umfang, Inhalt und Zweck der Angebote werden kurz beschrieben. Zusätzlich zu den Richtlinien wurden Formulare für die Serviceanfragen (Anhang 1 [Anh. 1]) erstellt. Die gemachten Angaben (z.B. zu Forschungsfrage, Studientyp, Zweck der Studie, …) helfen der Informationsspezialistin zielgerichtet auf die Kundenbedürfnisse einzugehen, ohne dass vorgängig viel nachgefragt und abgeklärt werden muss.


Das aktuelle Portfolio in Literaturrecherche des wissenschaftlichen Teams in Medizin an der UB Bern

Der Erwerb von Informationskompetenz ist ein Lernprozess, der mit der Vermittlung von Grundlagen im Studium beginnt und sich durch die gesamte klinische Praxis zieht [5]. Die aktuellen Angebote der Bibliothek Medizin begleiten den gesamten Prozess, um die Mediziner auf eine evidenzbasierte klinische Praxis vorzubereiten.

Kurse

Eines der Hauptanliegen der Bibliothek Medizin an der Universität Bern ist das Unterrichten von Studierenden und Forschenden, um sie im Recherche- und Publikationsprozess zu unterstützen und auf eine Laufbahn in der klinischen Forschung und Praxis vorzubereiten. Neben einer Vielzahl an Kursen in „Scientific Writing“ werden Kurse in einführender und fortgeschrittener Literaturrecherche angeboten, welche die fundierte Praxis der evidenzbasierten Medizin beinhalten. Das Kursangebot in Literaturrecherche im Lehrplan der medizinischen Fakultät ist in Tabelle 1 [Tab. 1] und Tabelle 2 [Tab. 2] aufgeführt.

Einzelberatungen (Individual research consultation)

Die Einzelberatungen richten sich vorwiegend an Doktorierende und Forschende, die die Grundlagen der systematischen Literaturrecherche bereits kennen und praktische Erfahrungen mit dem Aufstellen von Suchstrategien gemacht haben. In der Beratung wird die Suchstrategie zusammen besprochen, verfeinert oder erweitert und allenfalls die Umsetzung der Forschungsfrage in ein adäquates Format (z.B. PICO) verbessert. Der Forschende erhält zusätzliche Anregungen für die Erweiterung seiner systematischen Literatursuche (Einbezug der grauen Literatur, Studienregister,…). Oft bleibt es nicht bei einer Beratung. Der Forschende arbeitet mit den Anregungen aus der Einzelberatung weiter, versucht sie entsprechend umzusetzen und wendet sich meistens bis Projektende an die Informationsspezialistin für Besprechungen. Der personelle und zeitliche Aufwand für solche Einzelberatungen darf daher nicht unterschätzt werden. Wenn die Grundlagenkenntnisse über Datenbanken und Literaturrecherche nicht oder nur teilweise vorhanden sind, respektive die besuchten Kurse eine Weile zurückliegen, werden die Forschenden zuerst auf die zuvor erwähnten Wiederholungskurse der Bibliothek Medizin verwiesen. Dies verhindert, dass oft bei jeder Einzelberatung die gleichen Grundlagen immer wieder vermittelt werden müssen und schont personelle und zeitliche Ressourcen. Ein weiterer zukünftiger Ansatz könnte die Zusammenstellung von Informationen zu besonders häufig gestellten Fragen in den Kursen (FAQ) sein.

Kurze unterstützende Recherchedienste (Librarian assisted search services)

Diese kurzen Recherchedienstleistungen (max. 2 Stunden) decken keineswegs eine vollständige umfassende Literaturrecherche ab. Sie dienen vorwiegend zur ersten Annäherung an ein Forschungsthema, zur Themenexploration für die Erstellung von Präsentationen oder zum Unterrichten etc. Diese Dienstleistung wird nicht spezifisch beworben. Daher ist die Nachfrage auch gering.

Dienstleistungen für Systematic Reviews

Eine Informationsspezialistin unterstützt die Forschung mit einer kostenpflichtigen systematischen Literatursuche für Systematic Reviews oder andere Review-Typen. Diese Auftragsrecherchen für die evidenzbasierte Medizin (EBM) ist eine Drittmitteleinnahmequelle für die Bibliothek Medizin. Die Kosten betragen CHF 88/Stunde für interne Nutzer*innen und CHF 114/Stunde für externe Nutzer*innen. Die erste Sitzung zur Besprechung des Auftrags in Literatursuche ist kostenlos.

Die Tarife entsprechen den minimalen Stundenansätzen der Universität Bern für wissenschaftliche Assistent*innen.

Laut einer Studie von Rethlefsen et al. korrelieren Informationsspezialist*innen als Co-Autor*innen mit einer höheren Qualität der Suchstrategie und Reproduzierbarkeit der systematischen Suchen [6]. Dies ist zunehmend auch den Forschenden und Klinikern der Universität Bern bekannt. Dieses Angebot wurde bis anhin nicht beworben, dennoch gab es bereits mehrere Auftragsrecherchen, die durchgeführt wurden. Je nach Serviceumfang, der in einem Erstgespräch mit dem Forschenden festgelegt wird, ist die Informationsspezialistin während des ganzen Forschungsprojektes einbezogen.

Online LibGuide

Der online LibGuide [7] wird fortlaufend weiterentwickelt und stellt nützliche Ressourcen und Informationen u.a. zur Durchführung von Suchen, zu hilfreichen Tools, zu den einzelnen Schritten eines Systematic Review Prozesses, für die Dokumentation, zu Review-Typen etc. zur Verfügung.

Coffee Lectures

Das bekannte Format der „Coffee Lectures“ [8] wurde kürzlich auch von der Bibliothek Medizin übernommen, um die Forschenden und Dozierenden zu erreichen. Da die Zeitressourcen bei diesen Zielgruppen knapp sind, wird in Kurzpräsentation (15 Minuten über die Mittagszeit) direkt im Institut u.a. zu aktuellen Themen in der Literaturrecherche für die EBM informiert und auf unsere Dienstleistungen aufmerksam gemacht. Zugleich ist die Zielgruppe als Multiplikator für Studierende sehr wichtig [9], da sie entweder als Betreuer von Masterarbeiten oder Dozierende Studierende auf unsere Services aufmerksam machen können.


Evaluation der Kurse mit professioneller Unterstützung

Da alle Kurse innerhalb des Lehrplans neu entwickelt wurden, wurde für die Evaluierung des Kursangebotes das Institut für medizinische Lehre (IML) der Universität Bern beigezogen. Mit dieser professionellen externen Unterstützung erhofft sich die Bibliothek Medizin den Widerstand von Studienkommissionsmitgliedern zu hemmen, Vertrauen zu schaffen und zusammen mit dem IML die Bedeutung eines solchen Kursangebotes innerhalb der Humanmedizin darzulegen.

Die Informationsspezialistinnen erhielten in einem ersten Workshop einige Tipps zur korrekten Formulierung von Lernzielen sowie zum Aufstellen von Multiple Choice-Fragen. Mit Multiple Choice-Fragen sollen die Kenntnisse vor und nach dem Kurs überprüft werden. Das Testen der vorhandenen Vorkenntnisse zeigt, dass die Studierenden keine Kenntnisse zu den verschiedenen Funktionalitäten einer Datenbank oder zum korrekten Aufstellen einer Suchanfrage haben. Und dies auch nicht intuitiv erlernen können, anders als einige Betreuer von Masterarbeiten, die kritisch gegenüber den Kursen sind, betonen. Der Test nach dem Kurs zeigte eine merkliche Verbesserung in der Anwendung von geeigneten Suchstrategien.

Laut den ersten Resultaten der Umfrage beurteilen die Studierenden die Kurse als relevant für das Verfassen ihrer Masterarbeit und können das Gelernte gut in der Forschungspraxis umsetzen. Der Schlussbericht wird in einem Jahr vorliegen. Dennoch helfen die Resultate den Informationsspezialistinnen bereits jetzt, die Kurse zu verbessern, weiter zu entwickeln und zu veranschaulichen, dass das Angebot von Studierenden geschätzt wird und Bedarf vorhanden ist.


Ausblick und Fazit

Das bestehende Kursprogramm in Literatursuche wird ständig weiterentwickelt und erweitert. In Kürze soll innerhalb des Doktoratprogramms der „Graduate School for Health Science“ ein weiterer eintägiger Kurs angeboten werden. Doktorierende sind eine wichtige Zielgruppe, da sie in dieser Phase von der Konsumation zur Produktion von evidenzbasiertem Wissen übergehen. Zusätzlich sind einige dieser jungen Forscher später Dozierende der Fakultät. Daher hilft ein unterstützendes Dienstleistungsangebot auf Doktoratstufe der Bibliothek bei der Etablierung von evidenzbasierten Methoden in der Forschung und Lehre. Wenn Informationsspezialist*innen diesen Prozess unterstützen sollen, ist es wichtig, die unterschiedlichen Praktiken dieser Kundengruppe zu verstehen. Eine kürzlich veröffentlichte Publikation zeigt jedoch, dass zur Informationskompetenz von Doktorierenden noch kaum Kenntnisse vorhanden sind [10]. Deshalb ist dieser Pilotversuch ein erstes „Herantasten“ um ein zugeschnittenes Programm für Doktorierende bieten zu können.

Zusätzlich konnte mit der Einführung des Vollstudiums in Pharmazie an der Universität Bern (bis anhin nur 1. & 2. Studienjahr) bei der medizinischen Fakultät eine 60% Fachreferatsstelle in Pharmazie beantragt werden. Dies ermöglicht u.a. die Ausweitung des bestehenden Angebotes auf die Pharmazie.

Weiter wird nach Vorliegen des Berichtes zur Kursevaluation die langfristige Sicherstellung der temporär finanzierten Stelle für eine Informationsspezialistin durch die medizinische Fakultät ab 2022 angestrebt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist momentan der Aufbau eines professionellen Service „Systematic Reviews“ mit Erarbeitung einer Informationsbroschüre für Kunden, der Etablierung von Workflows innerhalb des Teams und der aktiven Bewerbung des Service mittels einer „Promo-Tour“ in verschiedenen Instituten und am Universitätsspital Bern. Bis anhin wurden die Auftragsrecherchen für Systematic Reviews oder für andere Review-Typen auf Anfrage und ohne aktive Bewerbung von einer Informationsspezialistin durchgeführt. Die Schaffung von definierten Workflows wird es ermöglichen zukünftig diesen Service im Team effizienter durchzuführen und auch bei Anstieg von Aufträgen qualitativ hochwertige Unterstützung für die evidenzbasierte Medizin zu liefern.

Die evidenzbasierte Medizin ist in der Schweiz noch nicht vollumfänglich etabliert. Dennoch besteht im digitalen Zeitalter die Herausforderung nicht darin, Informationen zu finden, sondern im Auffinden von geeigneten, validierten und vertrauenswürdigen Informationen. Ausserdem ändern sich die Erkenntnisse im Gesundheitswesen ständig und bedürfen einer qualitätsgeprüften klinischen Praxis. Unterstützung in evidenzbasierten Methoden wird daher unumgänglich sein. Dank des Services des wissenschaftlichen Teams der Bibliothek Medizin sind die Medizinstudierenden und die Forschenden der Universität Bern kompetent, informierte klinische Entscheidungen zu treffen und mit dem exponentiellen Wachstum an medizinischen Informationen umzugehen.


Abkürzungen

  • EBM: Evidenzbasierte Medizin
  • PHC: Institutsbibliothek Sozial-, Präventiv- und Hausarztmedizin
  • D-A-CH-Region: Deutschland, Österreich und die Schweiz
  • HTA: Health Technology Assessment

Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Maggio LA, Kung JY. How are medical students trained to locate biomedical information to practice evidence-based medicine? A review of the 2007-2012 literature. J Med Libr Assoc. 2014 Jul;102(3):184-91. DOI: 10.3163/1536-5050.102.3.008 External link
2.
Pell J. Teaching Systematic Searching Methods to Public Health Graduate Students: Repeated Library Instruction Sessions Correlate With Better Assignment Scores. Evid Based Lib Inf P. 2017;12(2):106-13. DOI: 10.18438/B8707K External link
3.
Maggio LA, Durieux N, Tannery NH. Librarians in Evidence-Based Medicine Curricula: A Qualitative Study of Librarian Roles, Training, and Desires for Future Development. Med Ref Serv Q. 2015;34(4):428-40. DOI: 10.1080/02763869.2015.1082375 External link
4.
Bibliothek Medizin Universität Bern. Literature Search Services Policy – Medical library of the University of Bern [Richtlinie für Dienstleistungen zur Literatursuche]. 2019 [updated 2019 Jul 18, cited 2020 May 11]. Available from: https://www.unibe.ch/unibe/portal/content/e809/e962/e963/e6331/e6337/e6338/e33561/pane632090/e863136/files863137/20200817_Policy_literature_search_service_eng.pdf External link
5.
Cullen R, Clark M, Esson R. Evidence-based information-seeking skills of junior doctors entering the workforce: an evaluation of the impact of information literacy training during pre-clinical years. Health Info Libr J. 2011 Jun;28(2):119-29. DOI: 10.1111/j.1471-1842.2011.00933.x External link
6.
Rethlefsen ML, Farrell AM, Osterhaus Trzasko LC, Brigham TJ. Librarian co-authors correlated with higher quality reported search strategies in general internal medicine systematic reviews. J Clin Epidemiol. 2015 Jun;68(6):617-26. DOI: 10.1016/j.jclinepi.2014.11.025 External link
7.
Bibliothek Medizin Universität Bern. Medical Library Research Support Services online guide. 2019 [last updated 2019 Jul; cited 2020 May 11]. Available from: https://www.unibe.ch/universitaet/dienstleistungen/universitaetsbibliothek/recherche/fachinformationen/medizin/systematic_searching/index_ger.html External link
8.
Renn O. „Anwenderschulung zur computergestutzten Informationsbeschaffung fur Fortgeschrittene“ oder doch lieber in die Coffee Lectures? Information – Wissenschaft und Praxis. 2014;65(3):190-4. DOI: 10.1515/iwp-2014-0038 External link
9.
Grahl T, Faidt C. Why coffee is the real social network: Mit Coffee Lectures Wissenschaftler und Lehrende erreichen. Bibliotheksforum BSB. 2018;12(2):121-4.
10.
Nylander E, Hjort M. Information Literacies of PhD Students in the Health Sciences: A Review of Scholarly Articles (2009-2018). Evid Based Lib Inf P. 2020;15(1):142-58. DOI: 10.18438/eblip29630 External link