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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Umsetzung des UrhWissG bei subito – ein kurzer Blick in den Maschinenraum

The implementation of the Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) at subito – a short report from practice

Fachbeitrag AGMB-Jahrestagung in Oldenburg 2018

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  • corresponding author Mark Homann - subito. Dokumente aus Bibliotheken e.V., Berlin, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2018;18(3):Doc17

doi: 10.3205/mbi000418, urn:nbn:de:0183-mbi0004182

Published: December 21, 2018

© 2018 Homann.
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Zusammenfassung

Am 1. März 2018 trat das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) in Kraft. Ein Ergebnis des UrhWissG war die signifikante Änderung des gesetzlichen Rahmens für die Dokumentenlieferung, weshalb subito gezwungen war, einige Änderungen an seinen Services vorzunehmen. In diesem kurzen Praxisbericht werden einerseits die Probleme vorgestellt, die sich für subito aus dem neuen Urheberrechtsgesetz ergeben. Andererseits wird beschrieben, wie subito seine Services an die neuen Bestimmungen angepasst hat. Dieser Artikel befasst sich speziell damit, wie das neue UrhWissG den Dokumentenlieferdienst subito in Deutschland verändert hat.

Schlüsselwörter: Urheberrecht, UrhWissG, subito, Dokumentenlieferung, Zeitungen, Zeitschriften, Bibliothekspraxis, Lizenzen, Bibliotheksrecht

Abstract

On March 1st 2018, the new German copyright law came into force. As a result of the so-called Urhberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG), the legal framework for document delivery changed significantly, so the document supplier subito was forced to make some changes in its service. On the one hand, this short report illustrates the problems for subito in the context of the new copyright law. On the other hand, it describes how subito adapted its service according to the new regulations. In particular, this article focuses on how the UrhWissG changed subitos document delivery within Germany.

Keywords: copyright, document-delivery, journals, journal prices, library law, library practice


subito document delivery – ein fester Bestandteil der überregionalen Informationsversorgung

Unter dem Namen subito haben sich seit nunmehr 20 Jahren 37 wissenschaftliche Bibliotheken zusammengeschlossen, um ihre Ressourcen zu bündeln und Kopien aus wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern auszuliefern [1], [2]. Zu den subito-Bibliotheken zählen nicht nur deutsche Bibliotheken wie die Zentralbibliothek für Medizin in Köln oder kleinere Bibliotheken unterschiedlicher Verbünde mit herausragenden wissenschaftlichen Beständen. subito ist international aufgestellt. Es gehören auch die Zentralbibliothek für Physik der Universität Wien und die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien sowie die ETH-Zürich dem Dokumentenlieferdienst an. Global gesehen stellt subito unzweifelhaft ein einmaliges Gebilde dar, da die Lieferbibliotheken gemeinsam unter dem Dach eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins mit dem Hauptsitz in Berlin agieren. Dieser erfüllt den primären Zweck, Wissenschaftler, Studierende, Auszubildende sowie Schüler durch die Versorgung mit Fachinformation zu angemessenen Preisen zu unterstützen – schnell und verlässlich. Darüber hinaus wird aber zum einen ein analog zur internationalen Fernleihe gestalteter Lieferservice für Bibliotheken angeboten. Zum anderen ist eine tragende Säule des subito-Konzepts, ebenfalls kommerzielle Nutzer jeglicher Couleur zu beliefern. So ist subito auch als Informationsversorger für zahlreiche Pharmakonzerne, Unternehmen der Medizintechnik, aber auch selbstständige Mediziner kaum wegzudenken.


Millionen von Zeitschriftenartikeln auf möglichst verschiedenen Lieferwegen

subito versteht sich in erster Linie als ein Expresslieferdienst, dessen Hauptgeschäft der Versand von Artikeln aus wissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern ist. Hierbei bietet subito seinen Nutzern durch das verbundübergreifende Konzept den Zugriff auf 970.000 der insgesamt in der von der Staatsbibliothek Berlin betreuten Zeitschriftendatenbank (ZDB) verzeichneten 1,8 Millionen Zeitschriften. Der Recherche- und Bestellprozess kann vom Nutzer zum einen direkt auf dem subito-Portal (https://www.subito-doc.de/) erfolgen. Hier stehen unterschiedliche Möglichkeiten bereit, über Zeitschriften- und Aufsatztiteldaten, ISSNs, ISBNs oder PubMed-IDs zum gewünschten Werk zu gelangen. Bestellungen können jedoch auch aus anderen Plattformen heraus aufgeben werden – so etwa während der Recherche im Gemeinsamen Verbundkatalog des GBV, bei LIVIVO oder im Katalog der Bayrischen Staatsbibliothek. Mit der Funktion der von subito entwickelten PreOrder-Schnittstelle können Rechercheergebnisse, die etwa in den GBV-Datenbanken ermittelt wurden, über den Direktlieferdienst subito bestellt werden, ohne dass bei subito erneut recherchiert werden muss [3]. Die Lieferbibliotheken erledigen die eingehenden Bestellungen im Normaldienst innerhalb von 72 Stunden oder im Eildienst innerhalb von 24 Stunden – und zwar garantiert. In den meisten Fällen ist es allerdings so, dass der Nutzer die bestellten Kopien schon innerhalb weniger Stunden in seinem E-Mail-Postfach hat, auch wenn die Bestellung nicht im Eildienst aufgegeben wurde. Zur Philosophie von subito gehört von jeher, möglichst weit auf die Bedürfnisse der Nutzer einzugehen. So kann dieser Artikel aus E-Journals oder analogen Quellen bestellen; ausgeliefert werden die Dokumente dann – je nach Nutzerbedarf– entweder als PDF, via Fax oder ganz klassisch als Papierkopie.


Das UrhWissG – das Ende für ein althergebrachtes Preis- und Lizenzmodell?

Es liegt auf der Hand, dass komplexe vertragliche Regelungen unerlässlich sind, um einen Service dieser Art bereitzustellen und rechtlich abzusichern. Zunächst sind über subito grundsätzlich nur Zeitschriften zu beziehen, die zuvor bereits von einer der Mitgliedsbibliotheken subskribiert wurden. Damit die Lieferungen aus den schon subskribierten Zeitschriften überhaupt durchgeführt werden können, müssen indessen noch weitere Rechte eingeworben werden, um Urheberrechtsverletzungen und – im schlimmsten Fall – Klagen zu verhindern. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich für subito ein zweigeteiltes System bewährt: Zum einen werden die Rechte durch Verträge mit der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) und zum anderen durch Verträge mit nationalen und internationalen Verlegern eingeholt. Bei den Zeitschriften galt vor diesem Hintergrund mehr als ein Jahrzehnt ein zweigliedriges Preismodell sowohl für nicht-kommerzielle als auch für kommerzielle Nutzer. Basis des Gesamtpreises für eine Bestellung war immer eine Bearbeitungsgebühr der Bibliotheken. Zusätzlich zu den Bibliotheksentgelten beinhalteten die meisten Preise bei Lieferungen innerhalb Deutschlands eine VG-Wort-Tantieme. Die Höhe dieser Tantieme ist nutzergruppenabhängig, aber fix; sie wurde vor dem Inkrafttreten des UrhWissG seit 2008 nicht mehr geändert.

Gut 10% der Preise für Zeitschriften enthielten neben der Bibliotheksgebühr sowohl für kommerzielle als auch nicht-kommerzielle Nutzer bis zum 1. März 2018 eine Lizenzgebühr, wenn die Rechte direkt durch Verträge mit einzelnen Verlegern eingeworben werden mussten. Die Höhe jener Lizenz- und damit einhergehend der Gesamtpreise für Lieferungen aus lizensierten Zeitschriften unterschied sich teils drastisch, weil sie von den Rechteinhabern der Zeitschriften selbst festgelegt werden konnte. In den meisten Fällen folgten die Verleger zwar der subito-Prämisse, sozial gestaffelte Lizenzgebühren anzubieten, die in einer ähnlichen Höhe wie die VG-Wort-Tantieme ausfielen. Es gab allerdings auch einzelne Verleger, welche die Lizenzpreise für alle Nutzergruppen auf zwischen 35 und mehr als 70 Euro je Zeitschriftenartikel festsetzen – also auf Preise, die insbesondere nicht-kommerziellen Nutzern schwer vermittelbar waren. Ganz abgesehen davon, dass Preise dieser Art für zahlreiche studentische Nutzer oder Schüler eine abschreckende Wirkung haben und eher dazu führen, sich von subito abzuwenden, sind sie zudem nur schwer mit den Grundsätzen eines gemeinnützigen Vereins in Einklang zu bringen.

Gleichzeitig bestand bei den auf der Basis eines Verlegervertrages angebotenen Zeitschriften noch ein zweites Problem: Bei einem Gros der lizensierten Zeitschriften musste subito die ausgelieferten elektronischen Dokumente mit dem Digital Rights Management (DRM) versehen. Für die Nutzer bedeutete dies nicht nur, ein Adobe-Plugin auf dem PC installieren zu müssen, um überhaupt den Zugriff auf die gekauften Dokumente zu erhalten. Vielmehr war ihnen lediglich gestattet, das ausgelieferte Dokument vier Wochen einzusehen, unterdessen zehnmal zu öffnen und dreimal auszudrucken. Neben den teils hohen Preisen erzeugte gerade diese künstliche Zugriffseinschränkung bei den Nutzern enormen Frust. Die Verwendung von DRM kulminierte nicht selten darin, dass für einige Nutzer der Zugriff auf die elektronischen Dokumente unmöglich war: Digital wenig affine Nutzer waren restlos mit der Verwendung der Software überfordert; zahlreichen öffentlichen Institutionen und Unternehmen war es seitens ihrer technischen Administration überhaupt nicht gestattet, die notwendige Software zu installieren. Dieses Preis- und Lizenzmodell hatte bei subito seit etwa 10 Jahren in seinen Grundlinien bestanden, ohne dass Verbesserungen geschweige denn Erleichterungen durch Vertragsanpassungen durchsetzbar gewesen wären. Im Gegenteil: Analog zur Entwicklung bei den Zeitschriftensubskriptionen der Bibliotheken hoben in den letzten Jahren einige Verleger die Lizenzpreise stetig weiter an. Die Gespräche mit Nutzern, aber auch die teils extremen Bestellzahlenrückgänge von über 20% bei den mit einer Lizenz versehenen Zeitschriften, belegten eindeutig, dass nicht-kommerzielle Nutzer eher andere, teils auch illegale Informationsprotale wie SciHub, nutzen, als gewillt zu sein, Preise von über 50 Euro für einen Zeitschriftenartikel auszugeben. Eine Veränderung der Rechtslage war 2017 für subito also durchaus wünschenswert gewesen.

Die Verabschiedung des neuen Urheberrechts-Gesetzes am 30. Juni 2017 im Bundestag leitete schließlich eine solche Zäsur im Umgang damit, Kopien aus Bibliotheksbeständen zu versenden, ein. Denn § 60e Abs. 5 UrhWissG gestattete es nun Bibliotheken ausdrücklich, Kopien „[a]uf Einzelbestellung an Nutzer zu nicht kommerziellen Zwecken [zu] übermitteln […] von bis zu 10 Prozent eines erschienenen Werkes sowie einzelne Beiträge, die in Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen sind“ [4], [5]. Eine erste rechtliche Prüfung im Jahr 2017 zeigte schnell, dass das neue Urheberrechtsgesetz auch für subito die Option bereit hielt, an nicht-kommerziellen Nutzer über die gesetzliche Schranke zu liefern.

Bevor dies umgesetzt werden konnte, mussten jedoch noch einige Probleme geklärt werden: Hinsichtlich der Preis- und Liefermöglichkeiten war zum einen problematisch, dass der Gesetzgeber auf Regelungen verzichtete, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen, kommerzielle Nutzer mit dem Inkrafttreten des neuen Urheberrechts von Bibliotheken beliefert werden dürfen ([5], S. 626). Klar ist, dass sich subito nicht erlauben konnte, temporär die Belieferung kommerzieller Kunden einzustellen. Diese wären unzweifelhaft zu anderen Versorgungskanälen gewechselt und hätten – wenn überhaupt – nur äußerst schwer als Nutzer zurückgewonnen werden können. Zum anderen schreibt § 60 h UrhWissG vor, dass mit der Erweiterung der Rechte, in elektronischer Form zu liefern, auch angemessene Preise an die Verwertungsgesellschaften auszuschütten sind. Diese neuen Preise bestanden Anfang 2018 jedoch noch nicht. Weil aber die Neuverhandlung des Gesamtvertrages für den Kopienversand bei den Ländern Anfang 2018 nicht auf der Agenda stand, musste subito die Preise und die Bedingungen für die Belieferung von kommerziellen Kunden mit der VG Wort selbst aushandeln. Diese Verhandlungen mit der VG Wort zogen sich exakt bis einen Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes hin, waren aber schlussendlich erfolgreich. Trotz des Zeitmangels wurden für alle Probleme Lösungen gefunden; die Verträge konnten quasi im Eilverfahren noch am 28. Februar 2018 unterzeichnet werden.

Mit dem neuen Vertrag stellte subito die nicht-kommerziellen Lieferungen auf die gesetzlichen Schrankenregelungen um. Die VG-Wort-Tantiemen erhöhten sich bei den wichtigen Nutzergruppen, also Studenten, Akademikern und Library Service, zwar teils deutlich, nichtsdestotrotz gewährleisteten sie, dass subito seinen Nutzern innerhalb Deutschlands einen für einen Expresslieferdienst halbwegs moderaten Preis anbieten konnte. Mit der Umstellung aller Zeitschriftenlieferungen an nicht-kommerzielle Nutzer auf die gesetzliche Schranke einhergehend wurde auch der DRM-Schutz für diese abgestellt, wodurch eine Verbesserung des Service eintrat. Die teuren Lizenzpreise existieren für nicht-kommerzielle Nutzer ab dem 1. März 2018 nicht mehr. Anders sieht es aus bei den kommerziellen Nutzern aus: Diese mussten aufgrund der um 5,50 Euro gestiegenen VG-Wort-Tantieme eine Preiserhung von 21,00 Euro auf 26,50 Euro verschmerzen. Gleichzeitig werden kommerzielle Nutzer ebenfalls weiterhin auf der Basis von Lizenzverträgen beliefert; insofern bleibt auch der DRM-Schutz bestehen.


Problemfall: Zeitungen und Publikumszeitschriften

Größere Schwierigkeiten bereitete, dass der Gesetzgeber mit dem 1. März 2018 Bibliotheken nicht mehr gestattete, Kopien aus Zeitungen und sonstigen Presseerzeugnissen auszuliefern [5]. Dieser Bereich generierte bei subito zwar seit jeher nur eine äußerst geringe Anzahl von Bestellungen. Allerdings war problematisch, dass in den Beständen der subito-Mitgliedsbibliotheken naturgemäß ausgesprochen viele nationale und internationale Zeitungen und Presseerzeugnisse vorhanden sind. Es war nicht abzuschätzen, wie sich die Zeitungsbestellungen entwickeln würden, wenn sie durch die bibliothekarische Fernleihe nicht mehr möglich sein würden. So bestand die Gefahr, eine Vielzahl an unbeabsichtigten Rechtsbrüchen zu begehen und schlussendlich verklagt zu werden. subito musste vor diesem Hintergrund einen Weg finden, permanente Urheberrechtsverletzungen zu verhindern – entweder durch eine probate Lösung, Zeitungen weiter rechtssicher auszuliefern, oder eben Rechtssicherheit durch einen Lieferstopp für Presseerzeugnisse zu erzeugen.

Im Vorfeld des Inkrafttretens des Urheberrechtsgesetzes am 1. März 2018 wurden vor diesem Hintergrund subito-intern mehrere Varianten diskutiert. Zunächst wurde geprüft, Lizenzverträge wenigstens mit den großen Presseverlegern abzuschließen. Dieser Weg erwies sich allerdings schon allein wegen des engen Zeitrahmens als nicht beschreitbar. Es hätten nicht nur auf Publikumszeitschriften bezogene Verträge erstellt und Preise und Lieferbedingungen mit Presseverlegern ausgehandelt werden müssen, sondern es wären auch tiefgehende Veränderungen im subito-System notwendig gewesen. Da es sich als ausgeschlossen erwies, rechtzeitig eine Lösung für die Weiterlieferung zu finden, mussten Maßnahmen ergriffen werden, einen Lieferstopp für Presseerzeugnisse einzuleiten. Aber einen Lieferstopp praktisch umzusetzen, erwies sich als durchaus schwierig: Es existierte weder eine Liste an Presseerzeugnissen noch eine allgemeingültige Definition, was überhaupt genau unter dem Begriff zu verstehen ist. So wurde zunächst die pragmatische Lösung erwogen: nämlich die Prüfung, ob es sich um eine wissenschaftliche Zeitschrift oder ein Presseerzeugnis handelt, durch die Lieferbibliotheken durchführen zu lassen. Diese Prüfung hätte jedoch den signifikanten Nachteil gehabt, erst nach der Bestellaufgabe durchgeführt werden zu können. In der Praxis hätte diese Variante nicht nur zu einem erheblichen Arbeitsmehraufwand für die Bibliotheken geführt, sondern auch zur Unzufriedenheit der subito-Nutzer. Diese hätten die Zeitungsartikel weiterhin im subito-System als bestellfähig angezeigt bekommen, sämtliche ausgeführte Bestellungen wären aber nachträglich zurückgewiesen worden.

Als einziger gangbarer Weg erwies sich, eine Sperrliste in das subito-System zu integrieren und die Auslieferung von Presseerzeugnissen weitgehend automatisch vor der Bestellaufgabe zu verhindern. Um diese Sperrliste zu erstellen, wurde zum einen aus dem Angebot von Pressevertrieben eine Liste mit mehreren Hundert gängigen deutschen und internationalen Pressetiteln erzeugt. Innerhalb von zwei Wochen wurden zu diesen Titeln in einem händischen Rechercheprozess die passenden ZDB-Nummern aus der Zeitschriftendatenbank herausgesucht. Anders wären diese Daten nicht von subito weiterzuverarbeiten gewesen. Zum anderen wurden die Zeitungsmarker in den Titeldatensätzen der ZDB ausgewertet und der manuell erstellten Liste beigefügt. Im Anschluss daran speiste subito die entstandene Liste in seine Zeitschriftendatenbank ein und nahm sozusagen alle Titel mit auf, die mit den ZDB-Datensätzen verbunden waren. Wurde etwa nach dem Titel „Geo“ recherchiert, wanderten alle Varianten der Geo-Zeitschrift, die Vorgängertitel und Nachfolgetitel, Sonderausgaben und ähnliche Titel in die Sperrliste; ähnlich verhielt es sich mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Stern, dem Bild der Wissenschaft und anderen Presseerzeugnissen. Herausgekommen ist eine Blacklist mit ca. 80.000 Zeitungen und sonstigen Presseerzeugnissen, die nicht mehr ausgeliefert werden – dies entspricht etwa einem Anteil von knapp 5% der in der ZDB nachgewiesenen Zeitschriften.

Damit war subito zwar weitestgehend rechtlich abgesichert, das Problem aber noch nicht erledigt. Offen war, wie damit umgegangen werden sollte, wenn Zeitschriften in der ZDB als Zeitung markiert sind, es sich tatsächlich aber um wissenschaftliche Zeitschriften handelt. subito entwickelte auch hierzu einen pragmatischen Weg: Die gesperrten Titel werden weiter bei der Recherche angezeigt – allerdings als nicht bestellbar. Für den Nutzer ist im Datensatz jedoch ein Hinweis untergebracht, sich bei der Geschäftsstelle zu melden, falls es sich um eine wissenschaftliche Zeitschrift handelt, die fälschlicherweise gesperrt wurde. Die Geschäftsstelle prüft im Anschluss an die Meldung die Titel in der Regel innerhalb von wenigen Stunden, schaltet sie gegebenenfalls wieder frei und verzeichnet sie in einer zweiten Liste, einer Whitelist, um sie langfristig freigeschaltet zu halten. Es liegt auf der Hand, dass beide Listen permanent aktualisiert werden müssen, damit das System funktioniert.


Die Umsetzung des UrhWissG – still work in progress

Es bleibt festzuhalten, dass subito zwischen Ende November 2017 und dem 1. März 2018 – wohlgemerkt mit einem vierköpfigen Team – die neuen Verträge mit der VG Wort aushandelte, die daraus resultierenden neuen Preise, die veränderten Lizenzbedingungen sowie die Sperrliste ins System einarbeitete und schlussendlich umfangreiche Systemtests vornahm. Daneben wurden neue Preislisten und Texte für die Webseite geschrieben und Infomails an Nutzer und Lieferbibliotheken verschickt. Pünktlich am 1. März 2018 ist das subito-System an das neue Urheberrecht angepasst worden. Alles läuft seitdem im Normalbetrieb; größere Probleme bei den Auslieferungen oder Lizenzausschüttungen gab es nicht.

Dass die Umsetzung des neuen Urheberrechts damit für subito erledigt wäre, lässt sich allerdings nicht behaupten. Im Gegenteil führte das UrhWissG bisher zwar zu einem Gros an Vorteilen, aber in einigen Punkten brachte es Probleme mit sich, die nur langfristig gelöst werden können. Zum einen resultiert aus den neuen gesetzlichen Bestimmungen, dass subito bei Bestellungen nicht-kommerzieller Nutzer innerhalb Deutschlands eine einheitliche Preisstruktur besitzt. Damit einhergehend kann zwar ein signifikanter Teil von Artikeln günstiger angeboten werden. An kommerzielle Nutzer und im internationalen Kontext muss jedoch weiterhin zu einem großen Teil auf der Basis von Lizenzverträgen geliefert werden, sodass die Preise bei subito in vielen Bereichen immer noch deutlich variieren. Zum anderen hat aber insbesondere das Verbot, Presseerzeugnisse auszuliefern, zu negativen Komplikationen geführt. Alles, was als Zeitung oder Publikumszeitschrift gilt, wird bis heute grundsätzlich nicht mehr ausgeliefert. Historikern oder Politologen, für deren Arbeit etwa Zeitungen als Quellen enorm wichtig sind, werden künstliche Schranken vorgesetzt. Dies bedeutet nichts anderes, als dass sie in ihrer wissenschaftlichen Arbeit behindert werden. Hier wird subito alsbald beginnen, wenigstens wieder die historischen, gemeinfreien Zeitungen auszuliefern. Diese partielle Freischaltung von Presseerzeugnissen wird, wie schon zuvor die Sperrung, erneut tiefgreifende Veränderungen am subito-System erfordern und damit Arbeit produzieren. Dies gilt natürlich auch für die weitere Pflege der Black- und der Whitelist.

Gleichwohl wird die Umsetzung des UrhWissG erfordern, in den folgenden Monaten neue und weitreichendere Vereinbarungen mit der VG Wort und den Verlegern des Wissenschaftsbetriebes treffen, um die kommerziellen Kunden weiterbeliefern zu können. Und es wird nicht zuletzt gelten, die wichtigsten Zeitungen über Einzelverträge mittelfristig wieder lieferbar zu machen. Es lässt sich bilanzieren, dass die Umsetzung des UrhWissG kein Projekt ist, das man an einem Nachmittag beginnen und abschließen kann. Die Umsetzung des Gesetzes erzeugt teils komplexe rechtliche und systemische Probleme. Was zweifelsohne von der Politik gut gemeint war, produziert für die Akteure, die sich mit den neuen Regelungen tagtäglich auseinandersetzen, letztendlich Arbeit und nicht zuletzt erhebliche Kosten – und zwar über Jahre.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor ist Leiter der Geschäftsstelle von subito. Darüber hinaus bestehen keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.


Literatur

1.
Hilpert W, Gillitzer B, Kuttner S, Schwarz S. Benutzungsdienste in Bibliotheken. Bestands- und Informationsvermittlung. Berlin: De Gruyter; 2014. Dokumentlieferung: Direktlieferdienste und kommerzielle Fernleihdienste; p. 212-28. (Bibliotheks- und Informationspraxis; 52).
2.
Homann M. Die wichtigsten Entwicklungen von subito in einer Timeline. Password Online. 2017 Dez 20:301. Verfügbar unter: https://www.password-online.de/?wysija-page=1&controller=email&action=view&email_id=385&wysijap=subscriptions External link
3.
Gemeinsamer Bibliotheksverbund / Verbundzentrale. Informationen zu subito-PreOrder. Verfügbar unter: https://www.gbv.de/benutzer/subito-preorder/index External link
4.
Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages: Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrheberrechtsWissensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG), Drucksache 535/17 (Jun 30, 2017). Verfügbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/GesetzBeschlussBT_UrhWissG.pdf?__blob=publicationFile&v=1 External link
5.
Gillitzer B, Knaf K. Dokumente für die Wissensgesellschaft – Das Urheber-Wissensgesellschafts-Gesetz und die Fernleihe: Ein Schritt für die digitale Informationsversorgung der Wissenschaft? Bibliotheksdienst. 2018;52(8):619-30. DOI: 10.1515/bd-2018-0072 External link