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SMITH Science Day 2022

23.11.2022, Aachen

Use Case HELP ‒ Nutzung der Datenintegrationszentren für eine Evaluationsstudie und vorläufige Ergebnisse

Meeting Abstract

  • André Scherag - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena
  • Ssuhir Alaid - Zentraler Dienst 1 - Informations- und Kommunikationstechnologie, Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Halle
  • Danny Ammon - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Jena
  • Julian Brandes - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Andreas Dürschmid - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Jonas Fortmann - Institut für Medizinische Informatik, Uniklinik RWTH Aachen
  • Kristin Friebel - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena
  • Stefan Hagel - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena
  • Donghui He - Datenintegrationszentrum, Zentrale IT, Universitätsklinikum Essen
  • Petra Hetfeld - Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen
  • Sarah Geihs - Geschäftsbereich IT, Datenintegrationszentrum Aachen
  • Roland Ihle - Datenintegrationszentrum, Zentrale IT, Universitätsklinikum Essen
  • Suzanne Kahle - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Verena Koi - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Margarethe Konik - Klinik für Infektiologie, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Essen
  • Frauke Kretzschmann - Geschäftsbereich IT, Datenintegrationszentrum Aachen
  • Henner Kruse - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Jena
  • Norman Lippmann - Bereich Mikrobiologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Christoph Lübbert - Bereich Infektiologie und Tropenmedizin, Klinik und Poliklinik für Onkologie, Gastroenterologie, Hepatologie, Pneumologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Gernot Marx - Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care, Uniklinik RWTH Aachen
  • Rafael Mikolajczyk - Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Stefan Moritz - Sachgebiet Klinische Infektiologie, Universitätsklinikum Halle
  • Christoph Müller - Geschäftsbereich IT, Datenintegrationszentrum Aachen
  • Susanne Müller - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena
  • Julia Palm - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena
  • Ariadna Pérez Garriga - Institut für Medizinische Informatik, Uniklinik RWTH Aachen
  • Julia Pethukova - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Diana Pietzner - Zentraler Dienst 1 - Informations- und Kommunikationstechnologie, Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Halle
  • Mario Popp - Sachgebiet Klinische Infektiologie, Universitätsklinikum Halle
  • Maike Rebenstorff - Bereich Mikrobiologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Jonas Renz - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Jena
  • Florian Rißner - Zentrum für Klinische Studien, Universitätsklinikum Jena
  • Rainer Röhrig - Institut für Medizinische Informatik, Uniklinik RWTH Aachen
  • Kutaiba Saleh - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Jena
  • Anne Schlöcker - Bereich Mikrobiologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Sebastian Schönherr - Bereich Infektiologie und Tropenmedizin, Klinik und Poliklinik für Onkologie, Gastroenterologie, Hepatologie, Pneumologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Cord Spreckelsen - Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Datenwissenschaften, Universitätsklinikum Jena
  • Julia Stahlmann - Bereich Mikrobiologie, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Abel Stolz - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Susanne Thon - Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Jena
  • Eric Thomas - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Jena
  • Daniel Tiller - Zentraler Dienst 1 - Informations- und Kommunikationstechnologie, Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Halle
  • Sebastian Wendt - Bereich Infektiologie und Tropenmedizin, Klinik und Poliklinik für Onkologie, Gastroenterologie, Hepatologie, Pneumologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Leipzig
  • Thomas Wendt - Datenintegrationszentrum, Universitätsklinikum Leipzig
  • Philipp Winnekens - Datenintegrationszentrum, Zentrale IT, Universitätsklinikum Essen
  • Oliver Witzke - Klinik für Infektiologie, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Essen
  • Mathias Pletz - Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

SMITH Science Day 2022. Aachen, 23.-23.11.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocV1

doi: 10.3205/22smith01, urn:nbn:de:0183-22smith017

Published: January 31, 2023

© 2023 Scherag et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Einleitung: Staphylokokken sind die am häufigsten nachgewiesenen Erreger bei Blutstrominfektionen [1]. Der Nachweis von Staphylococcus aureus in mikrobiologischen Blutkulturen (SAB) ist mit einer hohen Patientenmorbidität und -mortalität verbunden, insbesondere, wenn nicht zeitnah entsprechende medizinische Maßnahmen ergriffen werden. Bei Einhaltung von Empfehlungen zur Therapie und Diagnostik sowie geeigneter Antibiotikagaben kann das Behandlungsergebnis allerdings deutlich verbessert werden [2], [3], [4], [5], [6]. Bei einem Nachweis von Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS) in der Blutkultur handelt es sich hingegen in 75% der Fälle um eine Kontamination der Blutkultur und nicht um eine Blutstrominfektion, die behandlungsbedürftig ist. Da KNS in der Mehrzahl der Fälle eine Oxacillin-Resistenz aufweisen, wird im klinischen Alltag oft eine Antibiotikatherapie eingeleitet. Dies fördert die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen, geht mit einem erhöhten Risiko für arzneimittelbedingte Nebenwirkungen und höheren Therapiekosten einher. Ein fälschlicherweise als Kontamination interpretierter Nachweis von KNS in einer Blutkultur kann jedoch zu einer Unterversorgung des Patienten führen.

Computerbasierte Entscheidungsunterstützungssysteme können bei Patienten mit Staphylokokken-Nachweis zu einer besseren Versorgung beitragen [7]. Als Teil der Arbeiten des Uses Cases HELP („Hospital-wide ELectronic medical record evaluated computerised decision support system to improve outcomes of Patients with staphylococcal bloodstream infection“) wurde u.a. ein Manual als Progressive Web App entwickelt und im Rahmen einer multizentrischen Studie evaluiert.

Methoden: Die HELP-Studie ist eine multizentrische Studie, die an 5 Unikliniken in Deutschland (Aachen, Essen, Halle (Saale), Jena, Leipzig) in einem „stepped-wedge cluster-randomisierten“ Design durchgeführt wurde. Insgesamt 133 Stationen wechselten dafür stufenweise zu einem von 9 vordefinierten Cross-over-Zeitpunkten von der Kontroll- in die Interventionsphase. Die Zuordnung der Stationen zu den Cross-over-Zeitpunkten erfolgte randomisiert, stratifiziert nach Zentrum und Normal- vs. Intensivstation. Die Zeit zwischen zwei Cross-over-Zeitpunkten betrug 2 Monate, sodass sich eine zentrumsbezogene Gesamtlaufzeit von 20 Monaten ergab, plus einer dreimonatigen Phase für die Erhebung der letzten Follow-up-Daten. In der Kontrollphase erfolgte lediglich eine Datenerfassung unter Bedingungen der Standardversorgung. In der Interventionsphase wurde das HELP-Manual den behandelnden Ärztinnen und Ärzten verfügbar gemacht – in der Regel als Verknüpfung über Befunde der medizinischen Mikrobiologie. Details zur Studienplanung sind in Hagel et al. [8] veröffentlicht.

Für die Auswertung der Studie wurden größtenteils Daten der stationären Krankenversorgung wie sie an den Datenintegrationszentren der 5 Unikliniken im Laufe der Studie erschlossen wurden verwendet. Daten, die entweder nicht zuverlässig elektronisch verfügbar waren (z.B. zum Verbrauch von bestimmten Antibiotika), sowie Follow-Up Daten wurden zusätzlich über eCRF erhoben. Sämtliche erhobene Daten wurden auf das interoperable Datenformat HL7 FHIR gemappt und semantisch annotiert (LOINC, SNOMED CT, etc.). Diese Ressourcen wurden in den 5 Zentren jeweils lokal auf einem FHIR-Server für die Datenanalyse zur Verfügung gestellt. Zur Auswertung wurden R-Skripte an die Standorte verteilt, welche die FHIR-Daten zunächst lokal verarbeiten und aggregieren. Die auf diese Weise verarbeiteten Daten wurden dann über eine sichere Verbindung zur zentralen Analyse nach Jena übermittelt.

Die koprimären Endpunkte der Studie waren die Krankenhaussterblichkeit (A), sowie die 90-Tage Mortalitäts- und Rückfallrate (B) für SAB-Patienten bzw. der kumulative Verbrauch von Vancomycin (C) für KNS Patienten. Für Endpunkte (A) und (B) wurde eine Nicht-Unterlegenheitshypothese und für (C) eine Überlegenheitshypothese hierarchisch mit Hilfe von (generalisierten) linearen gemischten Modellen getestet.

Ergebnisse: Die Studie startete im Juni 2020 und bis Juni 2022 wechselten alle 133 Stationen schrittweise in die Interventionsphase. Das HELP-Manual wurde somit an allen 5 Unikliniken ausgerollt und läuft dort fehlerfrei. Dabei konnten bis Ende Juli 2022 mehr als 7.000 Patientinnen und Patienten in die Studie eingeschlossen werden. Ende Oktober 2022 war die Datenerhebung an allen 5 Standorten abgeschlossen.

Eine der größeren Herausforderungen war die Extraktion der Daten aus den heterogenen IT-Primärsystemen der Krankenversorgung und deren Bereitstellung in FHIR. Zum aktuellen Zeitpunkt sind für einen Großteil der Daten ETL-Prozesse etabliert, wie beispielsweise ein Tool zur Transformation der eCFR-Daten in FHIR. Neben der Entwicklung der ETL-Prozesse wurde die Profilierungsarbeit für die in HELP benötigten Ressourcentypen vorangetrieben, etwa für den Mikrobiologiebefund, für den bislang kein MII-KDS-Profil ballotiert ist. Erste lokale Auswertungen der primären Endpunkte konnten erfolgreich getestet werden. Vorläufige Ergebnisse dieser Auswertungen sowie weitere Herausforderungen während der Studiendurchführung werden im Vortrag präsentiert.

Diskussion: Mit der HELP-Studie konnte gezeigt werden, dass die Infrastruktur der Datenintegrationszentren auch zur Durchführung von Evaluationsstudien mit hybrider Datendokumentation genutzt werden kann. Als praktisches Beispiel werden die Erfahrungen bei der Umsetzung der Studie in das Projekt „EVAluation research based on data from routine clinical care 4 the MII“ (EVA4MII) einfließen. EVA4MII soll u.a. die Grenzen der Akzeptanz von Daten aus der stationären Versorgung mit Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss diskutieren.


Literatur

1.
Diekema DJ, Pfaller MA, Schmitz FJ, Smayevsky J, Bell J, Jones RN, Beach M; SENTRY Partcipants Group. Survey of infections due to Staphylococcus species: Frequency of occurrence and antimicrobial susceptibility of isolates collected in the United States, Canada, Latin America, Europe, and the Western Pacific region for the SENTRY Antimicrobial Surveillance Program, 1997-1999. Clin Infect Dis. 2001 May 15;32 Suppl 2:S114-32. DOI: 10.1086/320184 External link
2.
Schmitt S, McQuillen DP, Nahass R, Martinelli L, Rubin M, Schwebke K, Petrak R, Ritter JT, Chansolme D, Slama T, Drozd EM, Braithwaite SF, Johnsrud M, Hammelman E. Infectious diseases specialty intervention is associated with decreased mortality and lower healthcare costs. Clin Infect Dis. 2014 Jan;58(1):22-8. DOI: 10.1093/cid/cit610 External link
3.
Vogel M, Schmitz RP, Hagel S, Pletz MW, Gagelmann N, Scherag A, Schlattmann P, Brunkhorst FM. Infectious disease consultation for Staphylococcus aureus bacteremia - A systematic review and meta-analysis. J Infect. 2016 Jan;72(1):19-28. DOI: 10.1016/j.jinf.2015.09.037 External link
4.
Kern WV. Management of Staphylococcus aureus bacteremia and endocarditis: Progresses and challenges. Curr Opin Infect Dis. 2010 Aug;23(4):346-58. DOI: 10.1097/QCO.0b013e32833bcc8a External link
5.
Benfield T, Espersen F, Frimodt-Møller N, Jensen AG, Larsen AR, Pallesen LV, Skov R, Westh H, Skinhøj P. Increasing incidence but decreasing in-hospital mortality of adult Staphylococcus aureus bacteraemia between 1981 and 2000. Clin Microbiol Infect. 2007 Mar;13(3):257-63. DOI: 10.1111/j.1469-0691.2006.01589.x External link
6.
López-Cortés LE, Del Toro MD, Gálvez-Acebal J, Bereciartua-Bastarrica E, Fariñas MC, Sanz-Franco M, Natera C, Corzo JE, Lomas JM, Pasquau J, Del Arco A, Martínez MP, Romero A, Muniain MA, de Cueto M, Pascual A, Rodríguez-Baño J; REIPI/SAB group. Impact of an evidence-based bundle intervention in the quality-of-care management and outcome of Staphylococcus aureus bacteremia. Clin Infect Dis. 2013 Nov;57(9):1225-33. DOI: 10.1093/cid/cit499 External link
7.
Holland TL, Raad I, Boucher HW, Anderson DJ, Cosgrove SE, Aycock PS, Baddley JW, Chaftari AM, Chow SC, Chu VH, Carugati M, Cook P, Corey GR, Crowley AL, Daly J, Gu J, Hachem R, Horton J, Jenkins TC, Levine D, Miro JM, Pericas JM, Riska P, Rubin Z, Rupp ME, Schrank J Jr, Sims M, Wray D, Zervos M, Fowler VG Jr; Staphylococcal Bacteremia Investigators. Effect of algorithm-based therapy vs usual care on clinical success and serious adverse events in patients with Staphylococcal Bacteremia: A randomized clinical trial. JAMA. 2018 Sep 25;320(12):1249-58. DOI: 10.1001/jama.2018.13155 External link
8.
Hagel S, Gantner J, Spreckelsen C, Fischer C, Ammon D, Saleh K, Phan-Vogtmann LA, Heidel A, Müller S, Helhorn A, Kruse H, Thomas E, Rißner F, Haferkamp S, Vorwerk J, Deffge S, Juzek-Küpper MF, Lippmann N, Lübbert C, Trawinski H, Wendt S, Wendt T, Dürschmid A, Konik M, Moritz S, Tiller D, Röhrig R, Schulte-Coerne J, Fortmann J, Jonas S, Witzke O, Rath PM, Pletz MW, Scherag A. Hospital-wide ELectronic medical record evaluated computerised decision support system to improve outcomes of Patients with staphylococcal bloodstream infection (HELP): Study protocol for a multicentre stepped-wedge cluster randomised trial. BMJ Open. 2020 Feb 10;10(2):e033391. DOI: 10.1136/bmjopen-2019-033391 External link