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20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

06. - 08.10.2021, digital

Digitale Versorgungschancen – Videotherapie in der ambulanten logopädischen/sprachtherapeutischen PatientInnenversorgung

Meeting Abstract

  • Silke Wittmar - Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, Bereich Gesundheit, Hildesheim, Deutschland
  • Maria Barthel - HAWK Göttingen – Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Gesundheitscampus Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Juliane Leinweber - HAWK Göttingen – Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit, Gesundheitscampus Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Bernhard Borgetto - Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, Bereich Gesundheit, Hildesheim, Deutschland

20. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 06.-08.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. Doc21dkvf438

doi: 10.3205/21dkvf438, urn:nbn:de:0183-21dkvf4380

Published: September 27, 2021

© 2021 Wittmar et al.
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Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Erst in der Corona-Pandemie mussten sich LogopädInnen/SprachtherapeutInnen notgedrungen und weitgehend ohne adäquate Vorbereitungen und Arbeitsbedingungen mit Videotherapie als synchrone teletherapeutische Versorgungsform auseinandersetzen, während diese international seit mehreren Jahren etabliert ist. Internationale Reviews zeigen die Eignung von Videotherapie bei PatientInnen verschiedener Indikationen und heben die Akzeptanz und Zufriedenheit mit der innovativen Versorgungsform hervor [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. Erste nationale Studien bestätigen dies [8], [9], [10].

Fragestellung und Zielsetzung: Das Forschungsprojekt „Videotherapie in der ambulanten logopädischen/sprachtherapeutischen Versorgung (ViTaL)“ fokussierte die praktische Nutzung der Videotherapie im ambulanten Versorgungskontext der Logopädie/Sprachtherapie. Ziele waren

0.
eine Bestandsaufnahme der Nutzung von Videotherapie während der SARS-CoV2-Pandemie im Frühjahr/Sommer 2020 und
0.
die Ableitung von Empfehlungen für die Nutzung dieser innovativen digitalen Versorgungsform.

Methode oder Hypothese: Es wurden eine systematische Literaturrecherche und -analyse von systematischen Reviews (n:8) zur Videotherapie, eine Online-Befragung von ambulant tätigen LogopädInnen/SprachtherapeutInnen (n:816) sowie eine fokussierte Videoanalyse von Therapieaufzeichnungen (n:5) durchgeführt. Ausgehend von den Ergebnissen wurden Kernaussagen und Empfehlungen zur Nutzung von Videotherapie formuliert.

Ergebnisse Videotherapie ermöglicht

1.
die situationsspezifische Anpassung der PatientInnen-TherapeutInnen-Interaktionen an die Lebenswelt von PatientInnen,
2.
den individuellen Symptomausprägungen entsprechend verschiedene Therapiemethoden und -konzepte anzuwenden, um eine evidenzbasierte und patientInnenorientierte Therapie anzubieten,
3.
ein prozesshaftes und interaktives Therapieren, sodass partizipative Entscheidungs- und Handlungsprozesse stattfinden können und
4.
die therapeutische Versorgung kontinuierlich zu gewährleisten.

Die digitale Form der Versorgung erfordert u.a. patientenInnenspezifische, methodische und technische Aspekte zu berücksichtigen.

Diskussion: Potenziale einer synchronen logopädischen/sprachtherapeutischen Versorgung via Videotherapie sind deutlich geworden, die in Deutschland zum Nachteil der PatientInnen bislang weder untersucht wurden noch in der Regelversorgung zum Einsatz kamen. Die Potenziale bestehen neben der besseren Erreichbarkeit nicht-mobiler PatientInnen in einer ganzheitlichen Betrachtung der Person in ihrem Lebensumfeld und einer umfassenden Betrachtung sozialer und ökonomischer Faktoren in den Lebensbedingungen der PatientInnen.

Praktische Implikationen: Es wird empfohlen, Videotherapie für die Regelversorgung vorzuhalten, um der fortschreitenden digitalen Gesundheitsversorgung gerecht zu werden und eine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Digitalisierungschancen für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung von Menschen mit Kommunikationsstörungen nutzen.


Literatur

1.
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2.
McGill M, Noureal N, Siegel J. Telepractice Treatment of Stuttering: A Systematic Review. Telemed J E Health. 2019 May;25(5):359-68. DOI: 10.1089/tmj.2017.0319 External link
3.
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4.
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5.
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7.
Weidner K, Lowman J. Telepractice for Adult Speech-Language Pathology Services: A Systematic Review. Perspect ASHA Spec Interest Groups. 2020;5(1):326-38.
8.
Barthel M, Schwinn S, Borgetto B, Leinweber J. Digitalisierungschancen – Spurensuche nach Evidenz. Ergebnisse der Videointeraktionsanalyse aus dem Forschungsprojekt „ViTaL“. Forum Logopädie. 2021;35(1):34-9.
9.
Bilda K, Urban K, Dörr F, Tschuschke B. Digitale logopädische Therapie: Ergebnisse einer Befragung zum aktuellen Ist-Stand aus Sicht von LogopädInnen. LOGOS-Akademische Sprachtherapie. 2020; 28(3):176-83.
10.
Schwinn S, Barthel M, Leinweber J, Borgetto B. Digitalisierungschancen – Umsetzung von Videotherapie im Lockdown: Ergebnisse der Online-Befragung aus dem Forschungsprojekt „ViTaL”. Forum Logopädie. 2020; 34(6):36-40.