gms | German Medical Science

66. Kongress der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie

Nordrhein-Westfälische Gesellschaft für Urologie e. V.

12.03. - 13.03.2020, Bochum

Fluidität der sexuellen Attraktion und Beziehungen während des Transitionsprozesses von Mann zu Frau

Meeting Abstract

  • Jochen Heß - Klinik für Urologie, Universitätsklinik Essen, Essen, Deutschland
  • Anja Breidenstein - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Stephan Tschirdewahn - Klinik für Urologie, Universitätsklinik Essen, Essen, Deutschland
  • Andrej Panic - Klinik für Urologie, Universitätsklinik Essen, Essen, Deutschland
  • Martin Teufel - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Sefik Tagay - Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universität Duisburg-Essen, Essen, Deutschland
  • Boris Hadaschik - Klinik für Urologie, Universitätsklinik Essen, Essen, Deutschland

Nordrhein-Westfälische Gesellschaft für Urologie. 66. Kongress der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie. Bochum, 12.-13.03.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. DocV 5.1

doi: 10.3205/20nrwgu33, urn:nbn:de:0183-20nrwgu331

Published: February 14, 2020

© 2020 Heß et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Einführung: Die genitalangleichende Operation (GAO) von Mann zu Frau (MzF) umfasst die Resektion von Hoden und Corpora cavernosa sowie die Bildung einer ästhetischen Vulva und eines funktionellen Vaginalkanals mit einer empfindlichen Neoklitoris. Umfragen nach GAO beziehen sich meist auf subjektive Zufriedenheit und Lebensqualität. Aspekte der Sexualität wurden jedoch oft vernachlässigt.

Methode: Es wurden insgesamt 158 Trans*-Frauen (Median 49,5 Jahre), die sich zwischen 1995 und 2015 an der Urologischen Klinik des Universitätsklinikums Essen einer MzF GAO unterzogen haben, anhand offener Fragen und validierter Fragebögen (FSO, Kinsey-Skala, PFB-K) befragt. Die mediane Zeit seit der Operation betrug 6,6 Jahre.

Ergebnisse: Insgesamt 96,2% nahmen sich selbst als weiblich bzw. eher weiblich wahr. Anhand der Kinsey-Skala ordneten sich 30,6% als ausschließlich heterosexuell, 31,8% als bisexuell und 22,3% als ausschließlich homosexuell ein, während 12,3% sexuelle Kontakte grundsätzlich verneinten. Die sexuelle Attraktion änderte sich bei 23,6% nach Beginn der Hormonersatztherapie und bei 31,3% nach GAO. Die sexuelle Attraktion ausschließlich zu Männern stieg von 11,5% zum Zeitpunkt des Coming-out (CO) auf 24,8% zum Zeitpunkt der Umfrage (UM). Die Attraktion ausschließlich zu Frauen sank von 45,9% (CO) auf 25,5% (UM). Ebenso stieg die Rate der tatsächlich gelebten sexuellen Beziehungen ausschließlich zu Männern von 11,5% (CO) auf 24,2% (UM) und sank von 52,2% (CO) auf 28,2% (UM) bei Beziehungen ausschließlich zu Frauen. Während der Anteil der Trans*-Frauen, die jegliche sexuelle Attraktion verneinten, konstant blieb (8,9% CO versus 7,6% UM), stieg der Prozentsatz derjenigen, die sich sowohl von Männern als auch von Frauen angezogen fühlten von 3,8% (CO) auf 12,1% (UM) an. Das Sexualleben verschlechterte sich nach der GAO bei 19,7%, verbesserte sich bei 49,7% und blieb bei 27,4% unverändert. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte fast die Hälfte der Befragten (46,5%) in einer festen Beziehung, wobei 43,5% seit ihrem Coming-out mit dem/der gleichen Partner*in zusammen waren. Insgesamt hatten 35,0% eine Beziehung zu einer Frau (3,2% mit einer Trans*-Frau) und 17,2% zu einem Mann (1,3% mit einem Trans*-Mann). Die Frauen in der Studienpopulation waren mit ihrer Beziehung (gemäß PFB-K) signifikant zufriedener als Frauen einer nicht-Trans*-Kohorte.

Schlussfolgerung: Im Gegensatz zu einer eher stabilen Geschlechtsidentität fanden wir eine ausgeprägte Fluidität der sexuellen Attraktion und der sexuellen Beziehungen während des Transitionsprozesses. Die Zufriedenheit mit der Beziehung war höher als bei einer nicht-transsexuellen Kohorte.