gms | German Medical Science

64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Vergleich eines ethischen Bewertungsrahmens mit Handlungsempfehlungen: Gibt es einen Unterschied zwischen den Perspektiven von Datenkommunikation und Datennutzung?

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Georg Schulte - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, Germany
  • Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück - University of Applied Sciences, Osnabrück, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 222

doi: 10.3205/19gmds069, urn:nbn:de:0183-19gmds0697

Published: September 6, 2019

© 2019 Schulte et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Einleitung: Eine kontinuierliche, effektive Versorgung einer steigenden Anzahl von Menschen mit chronischen Erkrankungen und Langzeit-Pflegebedarf, bei gleichzeitig schnelleren Wechseln zwischen den behandelnden Instanzen, ist nur bei gewährleisteter Informationskontinuität möglich [1]. Standardisierte elektronische Überleitungsinstrumente, die zwischen den Akteuren ausgetauscht und gespeichert werden können, stellen hier sinnvolle Instrumente dar. Durch sie werden große Mengen an Daten (Big Data) gewonnen, die eine ethische Betrachtung des Umgangs mit diesen Daten notwendig machen. Ethik im Gesundheitswesen definiert die Prinzipien der Autonomie, der Schadensverhütung, der Fürsorge und der Gerechtigkeit als grundlegend für die ethische Beurteilung professionellen Handelns [2]. Verschiedene internationale Organisationen und Institutionen der Datenverarbeitung und Kommunikation im Gesundheitswesen haben ethische Codes und Verhaltensmaßregeln für den verantwortungsvollen Umgang mit Daten veröffentlicht [3], [4], [5], [6], ohne jedoch konkrete Anforderungen an die verwendeten Instrumente zu formulieren. Daher wurde mittels einer Literaturrecherche ein ethischer Bezugsrahmen für diese Instrumente erarbeitet [7]. Der Deutsche Ethikrat veröffentlichte eine umfassende Stellungnahme zu Big Data und Gesundheit, in der er Empfehlungen zum Umgang mit dieser Thematik abgibt [8]. Der erarbeitete Bezugsrahmen soll in einem Abgleich mit diesen Empfehlungen verifiziert oder hinterfragt werden. Dabei soll die Forschungsfrage: Gibt es einen Unterschied zwischen den Perspektiven von Datenkommunikation und Datennutzung? beantwortet werden.

Methoden: Der Bezugsrahmen beinhaltet, ob informationelle Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht durch elektronische Kommunikation gestärkt oder beeinträchtigt werden, die Professionalität der Gesundheitsberufe eingeengt oder erweitert wird, und ob Ganzheitlichkeit und Individualität Unterstützung oder Beeinträchtigung erfahren. Der Aufwand an Zeit und Aufmerksamkeit wird hinterfragt sowie, ob relevante Informationen zwischen relevanten Beteiligten ausgetauscht werden, eher das Wohl der Betroffenen oder das der Professionellen und Institutionen gefördert wird, und ob eine gerechte Verteilung von Gesundheitsversorgung unterstützt wird [7].

Der Bezugsrahmen wird den Empfehlungen gegenübergestellt und daraufhin überprüft, ob er diesen entspricht oder eine unterschiedliche Perspektive einnimmt.

Ergebnisse: Der Deutsche Ethikrat gibt Handlungsempfehlungen in den Themenbereichen „Potenziale erschließen“, „individuelle Freiheit und Privatheit sichern“, „Gerechtigkeit und Solidarität sichern“ und „Verantwortung und Vertrauen fördern“ [8], die den ethischen Prinzipien [2] zugeordnet werden können.

Den Betrachtungen des Bezugsrahmens können innerhalb der ethischen Prinzipien inhaltlich entsprechende Empfehlungen zugewiesen werden. Zu jedem Aspekt elektronischer Kommunikation werden mehrere Empfehlungen zum Umgang mit großen Datenmengen abgegeben. Die Empfehlungen machen zu einzelnen Aspekten des Bezugsrahmens konkrete Handlungsvorschläge. Beispielsweise wird zur Frage nach Selbstbestimmungsrecht und Datensicherheit ein flexibles, einwilligungsbasiertes Regelungskonzept für den Umgang mit Daten empfohlen, was zur Vermeidung von Diskriminierung und Stigmatisierung auch der Frage nach Individualität und Ganzheitlichkeit zugeordnet werden kann, oder zur Frage nach der gerechten Verteilung werden spezielle Bildungs- und Informationsangebote sowie barrierefreie Zugänge zur Einbeziehung vulnerabler Nutzergruppen empfohlen.

Diskussion: Der erarbeitete ethische Bezugsrahmen für elektronische Kommunikation und die Empfehlungen des Deutschen Ethikrats zu Big Data betrachten den Umgang mit elektronisch erzeugten Daten aus derselben Perspektive. Die Stellungnahme des Ethikrats zu Big Data und die entsprechenden Handlungsempfehlungen lassen sich sehr gut auf die ethische Betrachtung elektronischer Kommunikation ausweiten. Diese Kombination kann zur Ausgestaltung elektronischer Kommunikation im Gesundheitswesen dienen. Als Ergebnis können die Allgemeinheit und einzelne Versorgungsbedürftige profitieren [9]. Voraussetzung dafür ist ein gesellschaftlicher Konsens über die Nutzung unter Einbeziehung der Betroffenen [10].

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Breloer-Simon G, Dangel B, Drauschke C, Francois-Kettner H, Haake J, Höhmann U, Liedtke D, Schaeffer D, Schmidt D, Schröer-Mollenschott C, Pohl A. Der Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege. In: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege, editor. Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege. 1. Aktualisierung. 2009:18-39.
2.
Beauchamps TL, Childress JF. Principles of biomedical ethics. 7th ed. New York: Oxford University Press; 2013.
3.
Goodman KW, Adams S, Berner ES, Embi PJ, Hsiung R, Hurdle J, Jones DA, Lehmann CU, Maulden S, Petersen C, Terrazas E. AMIA's code of professional and ethical conduct. Journal of the American Medical Informatics Association. 2013 Jan 1;20(1):141-3.
4.
BCS. BCS Code of Conduct. 2006 [Accessed 4 April 2019]. Available from: https://www.bcs.org/category/6030 External link
5.
The Australasian College of Health Informatics. ACHI Professional Code of Conduct. 2010 [cited 4 April 2019]. Available from: http://www.achi.org.au/docs/ACHI_Professional_Code_of_Conduct.pdf External link
6.
Canada’s Health Informatics Association. Health Informatics Professional Core Competencies. 2012 [Accessed 8 November 2018]. Available from: https://www.coachorg.com/en/resourcecentre/resources/Health-Informatics-Core-Competencies.pdf External link
7.
Schulte G, Hübner U, Remmers H. Ethische Anforderungen an elektronische transsektorale Kommunikation im Gesundheitswesen. Formulierung zentraler Fragestellungen auf Basis eines Literaturreviews [Ethical requirements for cross-sectoral electronic communication in healthcare. Development of central questions based on a literature review]. GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 2018 Jul 1;14(2):Doc08.
8.
Deutscher Ethikrat. Big Data und Gesundheit – Datensouveränität als informationelle Freiheitsgestaltung. Stellungnahme. Berlin: Deutscher Ethikrat; 2018.
9.
Remmers H. Ethische Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit gesundheitlicher Versorgungsleistungen. In: Bittlingmayer UH, Sahrai D, Schnabel PE, editors. Normativität und Public Health. Vergessene Dimensionen gesundheitlicher Ungleichheit. Wiesbaden: Springer; 2008. p. 111-133.
10.
Roberts A. Language, structure, and reuse in the electronic health record. AMA journal of ethics. 2017 Mar 1;19(3):281-8.